ADHS auf dem Zeugnis erkennen

Guten Morgen,

ich habe eine Frage bezüglich eines Grundschulzeugnisses einer ADHS-Typen unaufmerksamer Typ. Ich bin in der Grundschulzeit bis zur Realschule (10. Klasse) nie aufgefallen in der Schule. Und in der jetzigen Berufszeit (ich bin 33 Jahre alt) habe ich nur Probleme mit meinem Verhalten (impulsiv, aggressiv, falle ins Wort, lasse nicht ausreden, falle mit der Tür ins Haus etc.). Kann sich ein unaufmerksamer Typ in einen hyperaktiven Typen verwandeln? (Grundschulzeugnisse kann ich später einfügen; ggfs. bei Zeit).

Mit freundlichem Gruß
Junes_90

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Huhu und Willkommen bei uns :adxs_wink:

Die Zeugnisse sind wenn, dann nur unterstützend anzusehen.

In den Leitlinien steht auch drin, dass es bei Erwachsenen hauptsächlich auf die Lebensgeschichte, Selbsteinschätzung und das ausführliche Interview ankommt.

Die S3 Leitlinien gibts hier als Kurz- und Langform zum Download. Da steht u.a. alles zur Diagnostik und was Fachleuten empfohlen wird.

In der Kurzform unter 1.1.4 steht schon einiges zu deiner Frage.

https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/028-045

Dann gibts auch auf adxs.org oder hier im Forum einiges zu lesen zu den Symptomen usw.
(Siehe grüner Kasten unter deinem Beitrag mit hilfreichen Links zu adxs.org - da gibts auch einen großen Symptomtest, falls der dir noch weiterhelfen würde).

Die Verläufe in der Kindheit sind durchaus sehr unterschiedlich von „klassischer Zappelphilipp“ bis „total unauffällig, überangepasst… und später erst auffällig“.

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Vielleicht überreizt? Burnout? Klingt nach einer Stressreaktion. Und die Reaktionen verursachen weiteren Stress und so weiter.

Hat sich in der letzten Zeit etwas geändert?

Neuer Job, Umzug, familiär?

Oder zu viel Arbeit - nicht nur kurzzeitig, sondern seit längerer Zeit?

Danke für deine Antwort, das schaue ich mir an. Die Diagnostik folgt am Dienstag, ich habe bereits alle Fragebögen bekommen.

Es hat sich in der Zwischenzeit etwas geändert ja: familiär.

Allerdings bestehen die Problematiken (impulsiv, aggressiv etc.) auf der Arbeit seit bereits < mehr als 13 Jahren (erklärend: mehrere Arbeitsgeberwechsel brachten keinen gewünschten Erfolg). Zudem ebenfalls im Bekannten-Freundeskreis und im familiären. In der Schule hingegen war ich überaus angepasst, ruhig, still etc. bis zum 16. Lebensjahr ungefähr, dann fingen die Probleme mit der Anpassung auch in der Schule an und ab dem 20. Lebensjahr dann im Arbeitsumfeld.

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Okay. Also falls du als Kind mit ADHS diagnostiziert worden bist, kann es durchaus sein dass sich die Impulsivität mit der Pubertät verstärkt hat.

Das ganze Gebiet der Neurodivergenz ist sehr weitreichend. Neben ADHS gehört auch Autismus oder die Emotional instabile Persönlichkeitsstörung bzw. Borderline-PS dazu.

Vieles zeigt sich ähnlich, es gibt auch Kombinationen. Es gibt beispielsweise ADHSler mit Borderline. Borderline “entsteht” erst später. Erste Anzeichen gibt es in der Pubertät mit 15/16 Jahren, teilweise auch später. Das Thema ist sehr komplex.

Das sind nur Gedanken die bei mir aufkamen. Eine gute Differentialdiagnostik ist wichtig. Ich habe einen Überblick über ADHS und Autismus. Alles andere ist etwas vertiefter, aber dennoch oberflächlich.

Grundschulzeugnisse können durchaus Hinweise geben, aber da kommen viele Faktoren. Wie genau beobachtete der Lehrer? Wie stark hat das Kind kompensiert so dass es dem Lehrer nicht auffiel? Gab es zuhause viel Unterstützung? Gerade die nicht körperlich hyperaktiven Kinder fallen beim Lehrer oft durch das Radar, gerade wenn die genannten Faktoren positiv beitrugen so dass schulische Leistungen nicht bedenklich waren.

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Nein, eine Diagnose in der Kindheit gibt es nicht.

Ich möchte eine Erwachsenen Diagnose durchführen. Diese steht nächste Woche an.

Zu den Zeugnissen ist zu sagen, dass ich denke, dass es nicht aufgefallen ist, weil ich eine sehr angepasste Schülerin war. Ich denke auch, dass ich mich eher dem hypoaktiven Typen zuordnen könnte (Grundschule) und in der Jetztzeit 2024 dem hyperaktiven.

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Hallo Junes_90,

ich bin erst vor kurzem, mit 41 Jahre, diagnostiziert worden und zwar Richtung unaufmerksamer Typ, inklusive impulsive Elemente.

In meinem Grundschulzeugnis fand sich dazu folgendes (Klasse 1 und 2, danach gab es nur noch Noten):

  • ich zeigte mich wohl öfters recht eigenwillig und musste wegen meiner Eigenwilligkeit auch manchmal ermahnt werden.
  • schwankendes Arbeitsverhalten
  • zeigte Interesse am Unterricht, ließ aber öfters die nötige Konzentration missen
  • war leicht ablenkbar
  • konnte phasenweise zügig, sachgerecht und selbstständig arbeiten
  • vergaß mitunter die Hausaufgaben
  • Schriftbild und Darstellung lassen die nötige Sorgfalt missen…

Und meine Eltern hatten bei den Elternabenden immer zu hören bekommen „Sie könnte, wenn sie wollte…“, was sie ein bisschen verzweifeln ließ, weil sie nicht verstanden, warum ich nicht wollte… ich verstand es ja selber nicht :expressionless:

Trotz alldem war ich eine gute bis sehr gute Schülerin. Die Impulsivität hielt sich auch soweit im Rahmen (als Kind war ich der klassische Spielbrett-vom-Tisch-Feger… ich bin fest davon überzeugt, Mensch-ärgere-dich-nicht hat jemand erfunden, um ADHSler zu ärgern :sweat_smile:), meine Eltern konnten sehr gut damit umgehen, ich hatte viel Freiraum, auch im Sinne von Bewegung und frischer Luft und viele gleichaltrige Kinder um mich herum. Vorteil eines Dorfes.

Im Erwachsenenalter ist die Impulsivität bei mir (gefühlt) auch immer stärker in den Vordergrund getreten. Aber ich denke eher, dass das daran liegt, dass man als Erwachsener eine ganz andere Verantwortung trägt, viel mehr Last zu tragen hat, was auch zu mehr Stress führt/führen kann. Ich merke bei mir ganz klar → ansteigen des Stresspegel → ansteigen der Impulsivität (leider nicht proportional, sondern exponentiell).

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Hallo Apfelblüte,

meine Zeugnisse hören sich anders an (ich habe sie bereits eingescannt und ich war eine insgesamt schlechte Schülerin - 4.Klasse gab es Noten), allerdings hat meine Impulsivität im Erwachsenenalter genau so zugenommen wie du beschrieben hast. In der Kindheit hatte ich keine Impulsivität. Aber je älter ich wurde (schätzungsweise 14 bis 16 Jahre fing es an), desto impulsiver. Je höher der Stresslevel, desto ausfallender werde ich. Als würde mein Gehirn klick machen und sich ausschalten, kein Vernunftdenken mehr vorhanden.

Lieben Gruß
Junes

Das war bei mir auch so und ich war auch als Kind hyperaktiv. Kippeln, auf dem Stuhl rumrutschen und jede Gelegenheit zum Aufstehen nutzen, war an der Tagesordnung - aber nicht so negativ auffällig, dass es im Zeugnis steht. Der Klassiker: "Ich muss mal… " :adxs_zwinker:

Und bei "Wer geht mal eben… Kreide holen, die Geräte fürs Experiment aus dem Vorbereitungsraum holen, Zettel verteilen, XY ins ins Sekretariat begleiten? oder Wer kann dem Peter mal schnell bei der Aufgabe helfen? usw. war ich immer ganz vorn dabei.
Spiegelt sich als „Schusselflummi ist sehr hilfsbereit“ im Zeugnis wieder. :adxs_zwinker:

Im Nachhinein witzig finde ich die Formulierung „Trotz intensivem Leistungssport wird Schusselflummi den schulischen Anforderungen gerecht.“ Das müsste wegen heißen, nicht trotz. :rofl: Ohne den Sport wäre ich mit Sicherheit damals schon „aufgeflogen“.

Ansonsten sind es halt die versteckten Formulierungen
-mit mehr häuslichem Fleiß, könnte…
-arbeitet interessenbedingt,
-Heftführung lässt zu wünschen übrig,
-häufig unvollständige Arbeitsmaterialien

und auch „Wenn Schusselflummi wollte, dann könnte…“.

Ab 15/16 waren die Lehrer der Meinung, dass ich jetzt endlich „die Kurve bekommen und ernsthaft an meiner Arbeitseinstellung gearbeitet hätte“. Tja - Nikotin und Alkohol können einen ADHSler auch gesellschaftsfähig funktionieren lassen. Zumindest so lange, bis das zum Problem wird…

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Ich denke, im Alter von 14-16 fängt die Pubertät an voll durchzuschlagen und in der Zeit durchläuft das Gehirn mWn auch sehr intensive Veränderungen, welche die Jugendliche vor Herausforderungen stellt.
In dem Alter verlässt man eben das Kindsein und wird immer mehr in das Erwachsensein gedrängt. Ja, gedrängt. Die Umwelt reagiert natürlich auch auf dein Erwachsenwerden. Viele begrüßen das, was ja auch gut und richtig ist. Es riecht nach Freiheit! Weg von den Eltern! :wink:
Ich kann mir vorstellen, dass diese ganzen Aspekte zusammentreffend (Änderungen im Hirn, Umwelt um einen ändert sich, man selber ändert sich auch äußerlich → man muss anfangen, seinen Platz in der Gesellschaft zu finden) bei dir dann zu einer Überforderung geführt haben, auf welche du dann angefangen hast entsprechend zu reagieren.
Aber das ist nur meine Küchentischpsychologie, kann auch völlig daneben liegen! :smile:

Ich würde mir aber nicht allzu viele Sorgen wegen dem anstehenden Termin machen. Du gehst ja zu einem Spezialisten, nehme ich an?! Ich bin mir sicher, gemeinsam werdet ihr alles gut durchleuchtet bekommen! :cherry_blossom:
Ich hatte mich auf mein Erstgespräch super toll vorbereitet, bin im Kopf alles tausendfach durchgegangen. Als ich dann vor der Psychiaterin saß, hab ich gefühlt nur noch wirren Blödsinn von mir gegeben, so dass ich dachte, die gute Frau muss doch denken, ich möchte sie verarschen, weil ich doch eigentlich keine wirklichen Probleme hab…

Das Erstgespräch war bereits. Und die weiteren Termine folgen noch. Ich werde wahrscheinlich auch sehr aufgeregt sein.

Ich war allerdings gar nicht „auffällig“ bzw. „hyperaktiv“. Ich würde eher sagen, alles wurde unterdrückt. Aber jetzt wo ich es höre, war ich auch immer die jenige die Sachen geholt hat, oder Tafeldienst, Klassenbuch, Kakaodienst o. ä. gemacht hat. Ich habe nicht gekippelt. Allerdings sind die Zeugnisse so wohlwollend geschrieben, und meine Mutter hat ein paar gegenteilige Beschreibungen und Erklärungen auf ihrem Fragebogen.

Guten Morgen,

ich wollte gerade die Zeugnisse hochladen, allerdings wird mir eine Meldung angezeigt, dass nur ein Bild erlaubt ist.

  1. Klasse:

  1. Klasse 1. Halbjahr:

  1. Klasse, 2. Halbjahr:

Falls jemand Zeit und Lust hat, eins zu lesen.
Danke sehr.

Schönen Abend,
Junes

Hi @Junes_90

Viel geben die Zeugnisse tatsächlich her - aber gar nichts auch nicht :adxs_zwinker:

Kl. 1:
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Perfektionismus, deswegen zu langsam

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Hausaufgaben vergessen

Kl. 2:


Vermeiden von anstrengenden Aufgaben, Hausaufgaben unvollständig

Kl. 3.1:
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Schnelles Aufgeben, wenn etwas keinen Spaß macht oder nicht so gut gelingt wie erwartet?

Kl. 3.2:
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Perfektionismus, gehäufte Flüchtigkeitsfehler beim zügigen Arbeiten.

Insgesamt warst du sehr unsicher und hast dich oft an anderen orientiert.

Um noch mal Deine Eingangsfrage aufzunehmen:

Das was Du dann beschreibst:

ist nicht Hyperaktivität, sondern Impulsivität - neben Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsstörungen das dritte Kernsymptom bei ADHS. Dafür kann es aber auch andere Ursachen geben. Eher ungewöhnlich für ADHS finde ich, dass die Impulskontrolle als Kind anscheinend besser funktioniert hat, als dann als Jugendliche und später. Eigentlich ist es eher umgekehrt, weil man meist im Laufe des Lebens gelernt hat, „sich zusammenzureißen“.

Ob nun ADHS oder nicht, ich wünsche Dir, dass bei der Diagnostik die Ursache für Deine Probleme gefunden wird und Dir geholfen werden kann! :four_leaf_clover:

Herzlichen Dank für die komplexe und ausführliche Antwort. Ich wünsche mir auch, dass eine Ursache gefunden wird. Danke sehr! :blush:

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