ADHS-Behandlung mit Cannabis(blüten)

Im Bezug auf Bedrocan:

[i][i] [i]Welche Nebenwirkungen können eintreten?

Akute Nebenwirkungen betreffen vor allem die Psyche und Psychomotorik (Euphorie, Angst, Müdigkeit, reduzierte psychomotorische Leistungsfähigkeit) sowie Herz und Kreislauf (Tachykardie, Blutdruckabfall, Schwindel, Synkope). Bei regelmäßiger Einnahme tritt meist eine Gewöhnung ein, sodass Cannabis-basierte Medikamente allgemein als gut verträglich gelten.

Welche Kontraindikationen bestehen?

Cannabis sollte bei Bestehen einer schweren Persönlichkeitsstörung, Psychose und schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Schwangeren und stillenden Müttern nicht verordnet werden. Wegen fehlender Daten sollte die Behandlung von Kindern und Jugendlichen (vor der Pubertät) sehr sorgfältig abgewogen werden. Besonders bei älteren Patienten können stärkere zentralnervöse und kardiovaskuläre Nebenwirkungen auftreten.

Kann eine Abhängigkeit eintreten?

Bisher wurde kein Fall einer Cannabisabhängigkeit infolge einer ärztlich überwachten Therapie publiziert, wenn eine Behandlung mit Cannabis oder einem Cannabis-basierten Medikament aus medizinischer Indikation erfolgte und keine der oben genannten Kontraindikationen bestand. Besonders bei abrupter Beendigung einer Therapie können gering bis mäßig ausgeprägte Entzugssymptome auftreten.[/i][/i][/i]
<LINK_TEXT text=„https://www.aerzteblatt.de/archiv/18647 … enderungen“>Medizinisches Cannabis: Die wichtigsten Änderungen</LINK_TEXT>

Abhängigkeit nicht, aber man hört doch von einer Gewöhnung, so dass man für denselben Effekt eine allmählich immer höhere Dosis braucht?

Und dann wird ja über Cannabis gesagt, es treten Gleichgültigkeit/Antriebsarmut auf und langfristig könnte es kognitive Beeinträchtigungen geben?

Auch eine genaue Dosis abzumessen scheint ja ein Problem zu sein?

Bitte nicht angegriffen fühlen, ich behaupte das gar nicht, sondern will es wissen.

Mich würde das auch interessieren, ob bei einer Verwendung von THC als Medikament (und damit meine ich: so wenig, dass KEINERLEI (also auch nicht der allergeringste) Rauschzustand eintritt, Gleichgültigkeit / Antriebsarmut / kognitive Einbussen auftreten.

Bei Amphetaminmedikamenten ist es ja auch so, dass Medikamente ein Microdosing dessen darstellen, was bei höheren (und schneller wirkenden) Dosen einen Rausch gäbe - und bei Medikamentendosierung gibt es das in keiner Weise.

Es gibt ja auch Berichte, dass LSD oder Psilocybin („Pilze“) microdosiert bei Depression (und AD(H)S ?) als Medikament wirken.
(Bitte probiert das nicht aus ! Das Risiko ist viel zu hoch ! Bei „frei“ erworbenen Drogen (schon bei THC, und aufgrund der höheren Potenz, erst recht bei den anderen Sachen) ist nciht abschätzbar, wie hoch die „Potenz“ ist. Ein zuverlässiges MIcrodosing ist daher nicht möglich !
Vom grundsätzlichen Risiko, dass AD(H)Sler dem eingebauten Suchtimpuls nachgeben, möchte ich da noch gar nicht reden.

Was mich interessiert, ist, ob Microdosing das Grundprinzip ist, das Medikamente von Drogen unterscheidet.

Selbst wenn es so wäre (was ich nicht weiß), setzt ja Mikrodosierung voraus, dass man die Dosis genau bestimmen kann- was bei Blüten doch gar nicht geht?

By the way, sollen wir den Exkurs über Cannabis vom eigentlichen Thread abkoppeln?

Davor habe ich als (noch) Selbstzahler auch Angst.

Ich habe für mich persönlich eine Statistik geführt über die Anzahl der Tage, die ich brauche, bis eine Dose Bedrocan komplett aufgebraucht ist. Y-Achse Anzahl der Tage pro Dose. X-Achse die Zeit:

[attachment=0]dosis.png[/attachment]

Sieht für mich bisher nach einer <URL url="Einmalige Toleranzentwicklung / Honeymoon Phase] einmaligen Toleranzentwicklung[/url] aus ähnlich wie es Berichte bei anderen ADHS-Medikamenten gibt. Ich hoffe das bleibt auch so…

Allgemein gibt es bei ADHS-Medikation zwei Lager. Die einen meinen, einer Toleranz kann man am besten entgegenwirken, wenn man immer die gleiche Sorte nimmt (so wie es bei mir der Fall ist). Das andere Lager meint, man sollte häufig die Sorten wechseln. Es gibt also noch viel zu Forschen bzw. Erfahrungen aus der medizinischen Praxis zu sammeln…

Da hatte ich auch schon Diskussion mit Cannabiskonsumenten, die mir das einfach nicht glauben wollen. Aber warum sollte etwas, das mit MPH und Amphetaminen (und wahrscheinlich auch mit LSD) funktioniert, bei Cannabis nicht funktionieren?

Bei der bisher einzigen placebokontrollierten Studie zu medizinischem Cannabis bei ADHS (in Form des Fertigpräparats Sativex) wurden bei den Probanden keine kognitiven Einschränkungen festgestellt:

Die Probanden wurden dabei angewiesen, so aufzudosieren, wie es bei einer normalen Titrationsphase der Fall wäre. Sprich langsam hochdosieren, wenn leichte Nebenwirkungen auftreten die Dosis wieder reduzieren. Wenn gefühlt die ADHS-Symptomatik ausreichend reduziert ist, die Dosissteigerung aufhören. In der Titrationsphase berichteten einige Patienten von „mild adverse events“, die aber bei Reduktion wieder verschwanden:

Anmerkung: Die Studie beiweist leider nicht, dass sich die kognitive Leistung verbesserte (dafür war sie zu klein). Aber zumindest ist eine Verschlechterung ausgeschlossen.

Und dann gibt es noch diejenigen, die eine Toleranz positiv sehen, da meist die Nebenwirkungen früher abflauen als die Wirkung. Ich habe da auch viele Berichte von ADHS-Patienten mit den üblichen Medikamenten gehört, dass manche Nebenwirkungen mit der Zeit einfach abklingen :?:

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) führt noch bis 2022 eine Begleiterhebung durch, an der alle teilnehmen müssen, die Cannabis als Medizin (Fertigpräparate oder Blüten) von der Krankenkasse bezahlt bekommen. 2019 wurde eine erste Zwischenauswertung in zwei Teilen veröffentlicht. Der erste Teil ist eine Zusammenfassung der Ergebnisse für Schmerzpatienten und öffentlich zugänglich. Darin sind bei den Nebenwirkungen (S. 14) die häufigsten Nebenwirkungen von Schmerzpatienten aufgelistet. Am häufigsten sind Müdigkeit (16%), Schwindel (12,5%), Übelkeit (7,4%), Schläfrigkeit (7%), Aufmerksamkeitsstören (6,4%), Mundtrockenheit (5,9%), Appetitsteigerung (5,1%), Gedächtnisstörungen (4,3%), Gleichgewichtsstörungen (4,2%). Insgesamt von der Häufigkeit der Nebenwirungen nicht so viel anders als Medikinet adult laut Beipackzettel. Dort finden sich in der Häufigkeitskategorie >10% Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit und Nervosität. Im einstelligen Häufigkeitsbereich Schwindel, Schläfrigkeit, Dyskinesie, psychomotorische Hyperaktivität, usw.

Der zweite Teil der Zwischenauswertung ist quasi die Vollversion mit den Daten von allen Patienten und mit der Auflistung aller Nebenwirkungen, aber leider nicht frei verfügbar. Dort findet sich z.B. noch die Angabe, dass ca. 60% der Patienten, die mit Medizinalcannabisblüten behandelt werden, über gar keine Nebenwirkungen berichten. Es wird aber auch darauf hingewiesen, dass die Patienten mit Blüten im Durchschnitt schon länger therapiert wurden als die Patienten mit Fertigarzneimitteln, was die geringern Nebenwirkungen in Bezug auf den unten von mir beschriebenen Effekt erklären würde.

Leider hat die Vollversion keine Tabelle mit Häufigkeiten derNebenwirkungen, sondern ein Balkendiagramm. Sprich ich müsste Pixel zählen für eine genaue Angabe. Ich komme aber bei grober Betrachtung auf mindestens 15 und höchstens 20 Nebenwirkungen bei medizinischem Cannabis im einstelligen Prozentbereich, beim Beipackzettel von Medikinet zähle ich ca. 30 Nebenwirkungen mit der Angabe Häufig (≥ 1/100 bis < 1/10). Sprich von der einen Häufgkeit der Nebenwirkungen liegt medizinisches Cannabis in einem ähnlichen Bereich wie andere Medikamente (also zumindest was uns ADHSler angeht).

@UlBre Eine besondere Nebenwirkung tritt laut BfArM bei Medizinalcannabisblüten mit ca. 4% auf, bei Medikinet adult laut Beipackzettel aber nur bei Überdosierung: Euphorie. Zum Vergleich: Bei Elvanse ist Euphorie auch eine Nebenwirkung, aber mit <1% Häufigkeit angegeben.

Bei den BfArM-Daten muss beachtet werden, dass Wechselwirkungen mit anderen Medikamten nicht herausgerechnet werden. Sprich die reinen Nebenwirkungen durch die Cannabismedikation sind wahrscheinlich geringfüg seltener. Ich vermute zudem, dass bei ADHS weniger Nebenwirkungen auftreten als bei Schmerzpatienten, alleine schon wegen der paradoxen Wirkung bei ADHS. Bei der Begleiterhebung wurden nur 59 Patienten mit ADHS berücksichtigt.

Ich bin gespannt, wann die nächsten Zahlen veröffentlicht werden. Ich vermute aber, dass dann wieder nicht genug ADHSler dabei sind, da die Krankenkassen bei ADHS die Kostenübernahme (KÜ) häufig ablehnen. Und ohne KÜ keine Teilnahme an der Begleiterhebung :frowning:

Lethargie ist laut Begleiterhebung ebenfalls im unteren einstelligen Prozentbereich.

Diese Beeinträchtigungen können meiner Info nach auch bei medizinischem Einsatz auftreten. Die Begleiterhebung hat leider nicht mit aufgenommen, ob die Nebenwirkungen akkut sind oder erst später in der Behandlung aufgekommen sind. Anders als die anderen Nebenwirkungen (die teilweise nur Minuten andauern) scheinen sie noch einige Tage bis Monate nach dem Absetzen anzuhalten bzw. langsam abzuklingen. Sprich sie sind aller Wahrscheinlichkeit nach reversibel.

Die Blüten dürfen als Naturprodukt eine Schwankung im Wirkstoffgehalt von 20% haben. Das wird aber gut überwacht, ich kann für jede Dose, die ich erhalte, die Laborergebnisse einsehen und hatte schon Chargen mit 22% THC und welche mit 19% THC.
20% Schwankungsbreite klingt natürlich erstmal heftig, analog wäre das Schließlich der Unterschied zwischen 50mg und 60mg MPH. Aber die Applikationsform des Vaporisierens macht diesen Nachteil wieder wett. Denn beim Vaporisieren hat man noch viele Stellschrauben zum Feindosieren. Man kann z.B. kürzer oder länger ziehen. Die Wirkung tritt innerhalb von Minuten ein und Nebenwirkungen halt meist nur ein paar Minuten an. Sprich wenn eine Dose 19% hatte und die nächste 22% und man deswegen leicht überdosiert, dann sind die Nebenwirkungen schnell wieder weg und man weiß sofort, dass man eine etwas stärkere Charge erwischt hat und kann etwas niedriger dosieren. Bei Bedrocan wird glaube ich ab 24% ein Warnaufkleber draufgemacht, hatte aber nie so eine starke Charge.

Beim Vaporisieren bleibt die Wirkung nicht so lange wie bei der oralen Aufnahme, man kann aber leicht immer wieder nachkorrigieren, weil die Wirkung so schnell einsetzt. Mit etwas Übung kann man dadurch über den Tag verteilt einen relativ konstanten Pegel halten. Also wirklich vom Aufstehen bis zum Schlafen gehen.

Btw: Ich hatte da mal einen Artikel von Dr. Grotenhermen gelesen, den ich leider nicht wieder finde, wonach leichte Schwankungen von ±10% in Einzeldosen keine Probleme darstellen solange die Tagesdosis konstant gehalten wird. Und die lässt sich mit einer Feinwaage ganz gut abmessen. Gegen Aufpreis kann man sich auch in der Apotheke das medizinische Cannabis zerkleinern und in Briefe mit immer gleicher Menge abfüllen lassen.

Bin ich ebenfalls dafür

So, ich hoffe das ist so zu eurer Zufriedenheit abgeteilt.

Ich habe die Abteilung Behandlung von AD(H)S genommen, die ist nur für Forenmitglieder lesbar.

@Drei Ich danke dir vielmals für deinen sachlichen, integren Umgang mit diesem Thema, das mit Sicherheit viele Menschen interresiert…

Schön, dich hier bei uns zu haben! :sunglasses: