Ich habe es mal kurz überflogen - in Teilen passt es zu Beginn ganz gut.
Je länger ich mich damit beschäftige (= heftige Prokrastination heute!) desto mehr rege ich mich auf:
Die meisten Dinge werden als sehr frauenspezifisch dargestellt, treffen aber auf beide / alle Geschlechter zu (und auch auf Menschen ohne ADHS). Männer mit diesen Eigenschaften fliegen aber nach wie vor unter dem Radar…
Seite 12 ist allerdings ärgerlich: Keine Sau würde auf die Idee kommen, bei Männern ein Kapitel „Planen und Einkaufen“ zu thematisieren (schon gar nicht mit dem lachsfarben-gepflegten Shopping-Girl…) … - hey, Leute, Ihr solltet den Gatten mal einkaufen sehen!!! Hey, es gibt auch Chaos-Prinzen!
Gerade diese Seite zeigt die Stabilisierung überholter Geschlechtsstereotypen. Ok, es geht ja um Frauen - und die horten eben idR. keine alten Akkustikkoppler … aber ist es nicht Wumpe, was man hortet???
Sexualität - finde ich nicht passend getroffen, bzw. der Schwerpunkt der Problematik wurde m.E. gar nicht getroffen.
Frauen mit ADHS können genauso zu riskanter, teilweise aggressiver Promiskuität neigen wie Männer (oder eben auch nicht) - und ich bin sicher, dass sich hier die Geschlechter nichts schenken.
"Die Lust auf Sexualität ist bei Männern mit ADHS oftmals dauerhaft stark ausgeprägt, bei Frauen dagegen spielen Zyklus und äußere Umstände, wie zum Beispiel die momentane Stressbelastung, eine große Rolle. "
- Argh!!! Hey echt, Männer können / wollen immer, auch unter Stress? Aus welcher Mottenkiste kommt DAS denn bitte? - und Frauen vögeln nicht zum Spannungsabbau? Nein? Echt nicht? Ach so - da gehört sich nicht. Ja dann… :neiiin
Dass hier vor allem die sanfte, beziehungsorientierte und gefühlsgesteuerte Frau dargestellt wird passt mir überhaupt nicht. Zumal ich gerade diesen Zwang zum Zusammenhalten von Beziehungen, Einhalten familiärer Verfplichtungen etc. als höchst belastend empfinde … Das mag für die eine oder andere zutreffen, zumal man ja auch noch so sozialisiert ist - aber gerade Frauen mit ADHS tun sich ja mit weiblicher Sozialisation deutlich schwerer! Wird das thematisiert?? Naturlich nicht. Man könnte gerade an diesem Punkt Frauen mit ADHS abholen und sie ermutigen, mit ihrer Art positiv zur gesellschaftlichen Entwicklung … auch, was sage ich.
Andere Punkte, wie z.B. auch PMS oder der Einfluss von Hormonen bleibt unterbetont.
Also vieles scheint in dem Maße thematisiert zu werden, wie es der Umgebung auffällt, wie man es als störend empfinden könnte etc.
Es geht da nicht um die Bedürfnisse der Frauen, sondern nur um die Bedürfnisse der Umgebung und die fehlende Passung. Meist wird das dann auch noch defizitorientiert thematisiert - als Normabweichung von einem konservativen Frauenbild à la und drinnen waltet die tüchtige Hausfrau. Da habe ich mich schon eimal tierisch über ein anderes ADHS-für-Frauen-Buch aufgeregt, bei der sich auch ein Stereotyp ans andere reiht. Gruselig, bis in die Formulierung rein!
Seite 14 ebenso - "Für eine funktionierende, beidseitig befriedigende Kommunikation ist es wichtig, sich dabei nicht wechselseitig zuzutexten. " Wow. Das würde ich mal gerne in die Diskussion stellen. "Bei Nichtverstehen lohnt es sich, nochmal freundlich rückzufragen. " Ja. Machen Leute ohne ADHS ja auch ständig - Männer sowieso :totlach .
Man kann, vermute ich, davon ausgehen, dass da sehr viele Erfahrungen aus Therapiegesprächen kommen - und Frau Neuhaus residiert im sehr konservativen Südwesten der Republik. Daher wundert mich diese Sichtweise und Priorisierung eigentlich nicht. Vermutlich werden viele „ihrer“ Frauen das geschilderte Verhalten als problematisch erleben.
Bei Männern ist es ja ähnlich - über Jungs / Männer mit ADHS herrscht bestimmt diese laut-chaotische Donald-Trump-Ausprägung das Bild - zumal das ja auch gängigen Geschlechtsstereotypen entspricht. Ich bin mir sicher, dass es sehr viele Männer gibt, die diesem (im landläufigen vermutlich eher „männlich“ konnotierten) Stereotyp gar nicht entsprechen und entsprechend für ihre Bedürfnisse keine Unterstützung bekommen.