ADHS-I im Kindheitsfragebogen nicht erkannt oder doch etwas anderes?

Hallo,

mein Therapeut hat bei mir ADHS angesprochen und ein Diagnoseverfahren eingeleitet, mit dem HASE Verfahren.

Ich hab zunächst das WRI Interview gemacht und auch den adxs Onlinetest. Letzteres habe ich sogar sehr vorsichtig ausgefüllt, und habe Symptome eher “heruntergespielt” um die Diagnose nicht zu verfälschen und ein falsch-positives Ergebnis zu erhalten. Trotzdem war beides deutlich positiv für eine ADHS.

Zudem habe ich ein wenig zur ADHS-I gelesen und das schien größtenteils echt eins zu eins zu mir zu passen, vor allem in meiner Kindheit. Später, mit 10 Jahren, ist auch ein wenig Hyperaktivität und Impulsivität hinzugekommen, allerdings immer noch hauptsächlich Unaufmerksamkeit. Zudem habe ich denke ich sehr viele Coping-Mechanismen entwickelt, auch wenn diese recht anstrengend waren.

Also da dachte ich mir eigentlich, Adhs könnte sehr vieles rückblickend in meinem Leben erklären, aber dann hab ich heute den WRI-SB Fragebogen und den Kindheitsfragebogen WURS-K ausgefüllt. Ich weiß, dass beim HASE-Verfahren oft ADHS-I nicht erkannt wird und dass ADHS-Iler meist leicht unter dem Cutoff sind, aber ich bin sehr weit unter dem Cutoff: Die meisten Fragen scheinen sich um Wutausbrüche, Kontrollverlust, Unvernunft etc zu drehen, aber ich war in meiner Erinnerung sehr pflegeleicht, die meiste Zeit einfach in meiner Traumwelt und habe nichts um mich herum mitbekommen. (Generell genau das, was laut adxs.org für ADHS-I typisch ist)

Aber auch beim WRI-SB bin ich knapp unter dem Cutoff (ein Unaufmerksamkeitssymptom würde fehlen). Daher bin ich mir nun plötzlich unsicher, ob vielleicht doch kein ADHS besteht?

Ich habe zudem auch erfahren, dass einige meiner Problem/Symptome (krüppelnde Entscheidungsschwierigkeiten, Taskwechselprobleme, (zu) viel Energie zu haben, Neigung auszuschweifen beim Reden/Schreiben, Hyperfokus) auch auf meine Hochbegabung zurückgeführt werden können. Ich habe auch auf jeden Fall Erinnerungen, mich konzentrieren zu können, und bin nicht so vergesslich/unorganisiert, wie viele andere hier.

Oder hat jemand mit ADHS-I vielleicht ähnliche Erfahrungen in der Diagnostik gemacht, dass er/sie/… beim Kindheitsfragebogen nicht gut abgeschnitten hat, obwohl dann sicher ADHS vorlag?

(unsortierte Gedanken)

Zunächst mal ist ADHS ein Spektrum. Eigentlich lässt sich keins mit einem anderen vergleichen, nur so annähernd.

Meine erste Diagnostik war ganz ohne Kindheitsfragen und dann doch recht eindeutig.

Da ich auch hochbegabt bin, kam man bei mir eher zu der Annahme, dass ich aufgrund dessen vieles ADHS-typische überspielen bzw. wegschauspielern konnte. Das Drama des begabten Kindes sozusagen. Noch dazu hat man oft einen sehr weichen, wohlwollenden Rückblick auf die eigene Kindheit. Vieles wirkt normal oder harmlos, weil man es eben nicht anders kennt.

Bei all den Fragebögen war ich auch erst versucht, alles etwas weniger schwerwiegend einzuschätzen. Besonders die Aspekte, wo ich eben schon Strategien hatte. Wenn ich das aber so beantwortet habe, als hätte ich die nicht, ist das Ergebnis viel eindeutiger.

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Nein, das ist häufig, vor allem bei Frauen.

Lass dich nicht verunsichern. Wenn die Fragen vorwiegend wie du ja selbst schreibst mit Impulsivität im Kindesalter zu tun haben, dann siehst du ja warum das so ist. Es liegt am Fragebogen und nicht an nicht vorliegender Träumer-ADHS.

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Der Wurs k ist einfach Mist.
Allein schon die Fragen:

Im Alter von 8-10 Jahren war ich

  • ungehorsam, rebellisch und aufsässig,
  • hatte ich eine Tendenz zur Unreife (wer ist mit 8-10 Jahren nicht unreif?),
  • bin ich von zuhause fortgelaufen,
  • war ich in Raufereien verwickelt,
  • hatte ich Schwierigkeiten mit Autoritäten, z.B. ärger in der Schule oder Vorladungen beim Direktor,
  • hatte ich ärger mit der Polizei,
  • war ich insgesamt ein schlechter Schüler/eine schlechte Schülerin und lernte langsam.

Die kann ich auch fast alle mit nein beantworten - und ich BIN hyperaktiv. Die sind Fragen zielen total darauf ab, dass sich als ADHSler überhaupt nicht anpassen können und keine guten Schüler sein können. Völlig veraltet. Das ist der Fragebogen für den maximal durchschnittlich intelligenten, männlichen Zappelphilipp.

Mein Sohn fällt da auch durch. Er ist halt ziemlich intelligent, nicht hyperaktiv und zieht sich in sein Schneckenhaus zurück, wenn er überfordert ist. Die Fragen kann ich für ihn alle mit „nein“ beantworten.

Deswegen haben wir bei ihm auch zwei Anläufe für die Diagnose gebraucht und auch beim zweiten Mal war er knapp unterm Cutoff. Die Ärztin hat ihm die Diagnose aber trotzdem gegeben, weil das Gesamtbild mehr für ADHS spricht als dagegen (evl. auch mit einem Schluck ASS, aber auch dafür hat er den Cutoff knapp verfehlt).

Meine Tochter und ich (beide sehr hyperaktiv) haben die Diagnose sofort bekommen, obwohl wir beide -oberflächlich betrachtet- keine Probleme in der Schule hatten.

Ich habe das hier im Forum schon sehr oft mitbekommen: Sobald es sich um intelligente Menschen handelt, die dadurch viel kompensieren könnten und bei denen die Hyperaktivität nur gering ausgeprägt ist, sich eher als innere Unruhe zeigt oder gar nicht vorhanden ist, versagt die Diagnostik.

Das liegt aber nicht daran, dass diese Menschen kein ADHS haben, sondern daran, dass die Tests einfach Mist sind, weil sie nicht ausreichend auf den überwiegend unaufmerksamen Typ (früher ADS) mit überdurchschnittlicher Intelligenz zugeschnitten sind.

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Meine Tochter ist 9 und hat Diagnose ADHS ohne Hyperaktivität.

Sie ist unreifer als ihre Alterskolleginnen, war ich auch. Sie kann mit ihnen auch nicht viel anfangen.

Die Schnellste ist sie nicht. Schule funktioniert nur mit Medikamenten.

Rebellisch ist sie insofern, dass sie sich komplett verweigert das 1x1 zu lernen. Man kann niemanden zwingen, sich zu merken, dass 3x4 12 ist. Keine Chance. Viele verstehen das Problem nicht. Andere Kinder haben keine Lust oder passen nicht auf oder machen Trainingsaufgaben nicht, meine Tochter weigert sich, etwas zu behalten, weil sie dann schöne, wichtige, tolle Informationen vergessen wird.

Auch Rechtschreibung lernt sie nur, weil sie eine Superlehrerin hat. Mit Zwang läuft gar nix.

Ach, du sprichst mir aus der Seele. Ich bin auch total verunsichert und fürchte manchmal, ich versteige mich auf eine Idee (ADS), die nicht zutrifft, sondern -keine Ahnung- an zu viel Zeit am Handy liegt.

Auch ich habe den WURS-K bekommen und gleich gedacht, was der denn soll, der passt doch nur zu einem Typus!? Habe ihn noch mal bekommen und mit meinen Eltern ausgefüllt, die erwartungsgemäß fast durchweg mit “nicht zutreffend” geantwortet haben. Kein Wunder, ich war und bin nicht hyperaktiv und hinter die Stirn gucken können sie mir nicht.

Ich beginne hier zu begreifen:

Zweifle nicht an dir, du kennst dich und merkst, dass etwas nicht stimmt. Zweifle am System. Husch husch, keine Zeit verschwenden, Schema F draufkloppen und fertig - so funktioniert das Gesundheitssystem für Kassenpatienten wie wahrscheinlich die meisten hier.

Und wie die liebe @Schusselflummi mir vor Augen geführt hat: Nicht überall, wo ADHS-Experte drauf steht, ist das auch drin.

Ich jedenfalls werde zum nächsten Termin mit meinem “Experten” ein paar mehr Dokumente mitbringen, als er mir mitgegeben hat. :innocent:

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Also mir wurde dann übrigens mitgeteilt, dass ich kein ADHS habe, da der Kindheitsfragebogen das nicht hergibt und es wohl hergeben muss.

Beim Selbstbeurteilungsbogen hätte es jedoch auch nicht gereicht bei der Hyperaktivität. Letztendlich war es dort aber auch sonst eher grenzwertig. Nur das Wender-Reimherr Interview hätte deutlich für das ADHS gesprochen.

Ich würde das eigentlich so akzeptieren wollen. Ich bin mir noch nicht sicher, ob es Sinn macht eine Zweitmeinung einzuholen. Würde aber eh wahrscheinlich Monate dauern, was mir jetzt nichts bringt und wenn es dieselben Fragebögen sind, ändert sich nichts am Ergebnis.

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War bei mir genau dasselbe… lag auch an der Kindheit und diesen unsagbar schlechten Fragebögen…

Im zweiten Anlauf habe ich die Diagnose bekommen. ADS. Oh Wunder… ich bin jetzt noch wahnsinnig enttäuscht und verletzt von dieser angeblichen Fachstelle…

Aber hilft ja nichts.

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Ich würde eine zweite Meinung einholen… auch wenn es leider lange dauert bis man einen Termin bekommt.

Letztlich musst du es für dich entscheiden ob du nochmal weiter machst oder ob es dafür nicht wichtig genug ist :woman_shrugging:

Vielen Dank für die Antwort! Wo hast du die Diagnose im zweiten Anlauf gemacht? (Spezialambulanz, Psychiater, Psychotherapeut, …) Ich bin mir halt selbst nicht sicher, ob ich ADHS habe, daher hätte ich es gerne, wenn die zweite Diagnose dann “richtig” ist. Ich möchte aber auch nicht das Gefühl haben, dass ich bei nicht wirklich vorhandenem ADHS dann von Arzt zu Arzt renne um unbedingt eine falsche Diagnose zu kriegen.

Ich tendiere gerade auch dazu eine Zweitmeinung einzuholen, da mein aktueller Therapeut sich nach eigenen Aussagen auch nicht so sehr mit ADHS auskennt und da es komisch ist, dass es am Kindheitsfragebogen gescheitert ist. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich jetzt als Erwachsener ADHS habe, als Kind wäre es jedochschon sehr deutlich vorhanden gewesen (die meiste Zeit geistig abwesend, nichts mitbekommend, nicht in der Lage Erklärungen zu folgen, ….). Aber im Fragebogen wurden halt komplett andere Sachen gefragt (Unangepasstheit, Aggressivität usw).

Das war hier Facharztpraxis Dr. med. Jochen Klinga: Startseite .

Sind zwar unter anderem diese ätzenden Fragebögen aber im Gegensatz zu der tollen Spezialambulanz wird man damit nicht alleine gelassen sondern es wird zusammen durchgegangen und beim zweiten Mal hab ich bei fast jeder Frage gefragt ob sie mir die etwas anders stellen kann oder ob sie ein Beispiel für mich hat wie das genau gemeint ist. Gab auch noch andere Tests, nicht nur die Fragebögen.

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Hallo Nea,

nach etlichen Selbsttests inklusive dem der WHO habe ich bei meiner Psychiaterin auf einem Test bestanden. Einen ganz ausführlichen Test über ein paar Stunden habe ich dann bei einer für ADHS ausgebildeten Psychologin gemacht. In der Kindheit war ich völlig unauffällig, lieb, brav, angepasst, habe anscheinend viel kompensiert und maskiert. So blieb ich unter dem vorgeschriebenen Grenzwert.

Wegen des krassen Leidensdrucks der letzten Jahre und der Gegenwart (Depression wegen unbehandeltem ADHS) hat sie mir dann doch die Diagnose gegeben. Die positiven Wirkungen der Medikamente bestätigen (mir) die Diagnose (Mangel an Dopamin und Noradrenalin).

Zweitmeinung würde ich mir holen. Oder bekommst du schon Medikamente?

Welches Ergebnis hast du beim ASRS-Test (von der WHO)?

Ist das der Test mit nur 6 Fragen? Ich erinnere mich nicht an den genauen Wortlaut, aber das Ergebnis war, dass Hinweise für ADHS da sind und es fachärztlich abgeklärt werden sollte.

Ich habe aber auch das Problem, dass ich teilweise bei den Fragen sehr schwanke und nicht sicher bin, was ich ankreuzen soll. Daher schwanken Ergebnisse bei Onlinetests manchmal oder sind grenzwertig. Bei dem Adxs Test hatte ich erst “deutliche Symptome” (aber bereits vorsichtig und “unterspielend” ausgefüllt) und dann als ich angefangen habe meine Antworten anzuzweifeln und zu zerdenken, hatte ich beim nochmal Ausfüllen nur noch leichte Symptomatik. Ich habe aber zwei Fremdbewertungsbogen ausfüllen lassen und hatte dort “schwere Symptomatik" (die Durchschnittspunktzahl, die diagnostizierte ADHSler beim Ausfüllen hatten).

Ich hatte auch schon überlegt, ob es nicht klärend wäre, wenn ich einfach ADHS Medikamente “probeweise” nehme und gucke, wie ich reagiere. Allerdings ist das nicht erlaubt.

Ich glaube, in der Region gibt es auch kaum “ADHS-Spezialisten” leider. Wir haben auch keine Spezialambulanz dafür.

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Haben die noch nicht gehört, dass es auch ADHS ohne Hyperaktivität gibt? Früher nannte man es „ADS“ - eben weil das „H“ nicht vorhanden ist. Heute ist es der „überwiegend unaufmerksame Typ“.

Und ja, die rutschen leider oft durchs Raster, weil die sogenannten Fachkräfte keine Ahnung haben.

Ich würde unbedingt noch einen Anlauf starten - auch wenn es nervt. Mein nicht hyperaktiver Sohn hat (im Gegensatz zu uns hyperaktiven Mädels :upside_down_face:) die Diagnose auch erst im zweiten Anlauf bekommen und profitiert inzwischen sehr von MPH. Schmeiß die Chance nicht weg, weil irgendeine Pappnase meint, Du hättest kein ADHS, weil Du nicht hyperaktiv bist oder warst.

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Ja, es ist der Test mit den 6 Fragen. Füll ihn einfach so aus, wie du dich erlebst. Als bei mir alle Kreuzchen weit rechts waren, kamen Zweifel hoch (So schlimm kanns doch nicht sein, Füll nochmal vorsichtig aus). Keine Selbstzweifel.!

Bitte nicht Schön färben. Und nicht länger warten. Unbehandeltes ADHS macht krank und verkürzt die Lebenserwartung. (Quelle kann ich nennen)

Eine Stelle (z. B. Psychotherapeutischer Psycholog in) empfehle ich dir beharrlich zu suchen. Es sei denn, du kommst auf nicht legalen Wegen an Medikamente. Wenn du eine nicht legale Quelle findest, soll es ein ADHS - Mensch sein, der dich begleiten kann. Sonst hängst du in der Luft.

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Bitte keine illegalen Tips abgeben.

Ein Mensch mit ADHS ist kein Arzt.

Vor der Einnahme von AdHS Medikamenten bedarf es einer körperlichen Voruntersuchung.

Man darf von seinen Medikamenten nichts an andere abgeben .

ADHS Medikamente unterliegen dem BTM und man macht sich strafbar.

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Ich weiß.

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Hallo liebe Nea,

Eine Ergänzung: Das, was ich heute als ADHS - Symptome bei mir erkannt habe, habe ich früher für “normal” gehalten.

Es gibt Instagram eine Frau, die mit 30 ihre Diagnose bekommen hat. Sie produziert viele kurze oft humorvolle Videos über ADHS - Symptome, in denen ich mich oft wieder erkannt habe. Eine weitere ADHS - Frau, die auch spät ihre Diagnose erhielt ist selbst Psychotherapeutin. Finde ich auch sehr interessant.

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Danke für deine Botschaft. Ich lerne daraus, dass nicht alle meine (nicht systemkonformen) Gedanken in die Öffentlichkeit gehören.

Wir sind halt ein öffentliches Forum und man weiß nie wer das ließt. Es geht nicht nur darum ggf. User zu schützen sondern auch darum das Forum/Inhaber zu schützen.

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