Hallo, ich habe meine Diagnose erst seit ein paar Tagen und im zarten Alter von über 60 Jahren bekommen. Also bisher ohne Medikamente und ich denke, das bleibt auch so.
Wenn ich es richtig verstanden habe bin ich wohl sehr gut kompensiert. Bin im Beruf immer selbstständig gewesen, das heißt ich habe mir meine Welt so bauen können, wie ich sie wollte oder vermutlich eher wie ich sie brauchte.
Habe vielleicht das Glück, dass ich keine anderen Begleiterkrankungen habe.
Dazu viel Ausdauersport. Habe lange gedacht, ich brauche das zum Stressabbau im Job, es war wohl eher Selbsttherapie. Habe hier Studien gefunden, dass es fast so wirksam wie Medikamente ist. Aber wirklich fast jeden Tag und dass man dann müde ist oder Muskelschmerzen hat oder was weiß ich kann man natürlich auch irgendwie als Nebenwirkung sehen.
ich empfehle dir, zumindest ein Stimulans mal zu testen, um zu wissen wogegen oder wofür du dich entscheidest.
Kann auch ein Augenöffner sein. Mich hatte zum Beispiel überrascht, welches Maß an Ausgeglichenheit ich plötzlich genießen konnte und wie viel weniger Streit ich auf einmal mit meiner Frau hatte. Mir selbst waren eigentlich nur das Chaos und die Unordnung als aktuelle Probleme deutlich, alles andere war irgendwie „normal“, ich kannte mich ja nicht anders.
Auch das Alter ist kein Gegenargument. Du hast ja vielleicht noch 30 Jahre vor dir, und ich habe auch mal von einem über 80-jährigen gelesen, der sich mit Medikament ganz neu kennen lernt.
Sport (intensiv und viel) war auch mein Leben lang meine „Selbstmedikation“. Dann konnte ich aus gesundheitlichen Gründen keinen so intensiven Sport mehr machen (eigentlich gar nichts mehr, außer Spazierengehen) und ADHS fiel mir mit Wucht auf die Füße. So kam ich mit 51 Jahren zu meiner Diagnose.
Eine ADHS-Diagnose bekommt ja nicht „einfach so“. Dafür muss es doch auch bei Dir einen Grund gegeben haben? Es ist toll, wenn man sich mit Sport so gut reguliert bekommt, dass man klar kommt. Aber es ist auch gut, eine Alternative zu haben, wenn Sport nicht (mehr) geht. Mir helfen die Stimulanzien gut - und ich kann sagen: Hätte ich sie früher gehabt, wäre mein Leben um einiges leichter gewesen.
Ich bin da ganz bei @Falschparker: Probiere es aus. Wenn es nichts für Dich ist, dann nimmst Du halt keine mehr. Aber vielleicht lernst Du Dich auch nochmal neu kennen und möchtest sie nicht mehr missen.
Ja, ab einem bestimmten Maß muss man sich fragen: wie lange macht der Körper das mit?
Es ist ja nicht die Frage, dass der Ausdauersport auch Verschleiß bewirkt und der Körper das irgendwann nicht mehr kann. Die Frage ist nur, wann.
Wenn man auf Sport so dringend angewiesen ist, ist das Risiko hoch, es auch mal zu übertreiben.
Ich möchte dich nicht oberreden, dauerhaft Medikamente zu nehmen.
Aber ich möchte dir empfehlen, sie auszuprobieren. Einmal langsam, sorgfältig und geduldig eindosieren und dann ein, zwei Monate schauen, was es dir bringt.
Nicht um sie danach weiterzunehmen - sondern damit du danach in Kenntnis dessen, was es bringt oder nicht bringt, bewusst entscheiden kannst, was dir besser tut.
Einfach nur nicht zu wollen ist auch ok - hat aber mehr Risiko, dass du was entscheidendes verpasst.
Ich habe ja nie so viel Sport gemacht, das es gesundheitsschädlich wurde. Der Vorteil von Sport ist ja wirklich, dass er die Gesundheit fördert. Verschleiß ist bei dem was ein Hobbysportler macht, normalerweise auch kein Thema.
Was kostet halt relativ viel Zeit und interessanterweise habe ich auch das Gefühl, dass sich auch ein Gewöhnungseffekt einstellt.
Ja, und es gibt natürlich einen Grund für die Diagnose, aber der ist nicht, dass ich jetzt im Alter mit meinen Bewältigungsstrategien nicht mehr klar komme, sondern dass ich aktuell in einer Stresssituation bin, die die Symptome stärker hervortreten lässt.
Ich will gar nicht grundsätzlich nein zu Medikamenten sagen, aber ich möchte gerne für mich herausfinden, ob sie überhaupt die Probleme, die mir zu schaffen machen, adressieren. Ich habe z.B kein großes Problem mit Selbstorganisation und auch mit Aufmerksamkeit funktioniert es mit den Bewältigungsstrategien ziemlich gut. Es ist eher die Impulsivität bzw dass es sehr anstrengend ist, sie zu kontrollieren, genauso, dass der Umgang mit Menschen für mich anstrengend ist ( der aber für mich beruflich sehr wichtig ist).
Und dann kommt man natürlich in den Bereich, dass jede Änderung auch persönlichkeitsverändernd wäre.
Herausfinden kannst du es ja nur, wenn - siehe oben.
Konnte ich mir jetzt nicht verkneifen. Aber ernsthaft, es wäre schon schade, die Erfahrung in zehn Jahren zu machen und dann zu denken, hätte ich mir das mal früher gegönnt.