ich wollte mich ja schon seit Wochen mal im Vorstellungsthread bemerkbar machen; stattdessen falle ich nun - syndromtypisch - mit der Tür ins Haus:
Vor Kurzem hatte ich das Vergnügen mit einem Psychotherapeuten (VT), in dessen Eintrag bei der LPTK dick und fett „ADS“ als Behandlungsschwerpunkt angegeben ist. Im Laufe der Gespräche äußerte sich der Experte u.a. wie folgt:
… ADHS ist keine Störung, sondern eine Normvariante. Früher gab es solche Kinder auch, aber da hat man nicht gleich eine Störung diagnostiziert … Das sei doch bestimmt eine Z-Diagnose (ha ha, Witzle gerissen.)
… Ritalin macht süchtig. Im 1. Weltkrieg wurde damit die Kampfpiloten gedopt … ach so, erst 1944 erfunden? Ja, aber Mph ist ja fast das selbe wie MDMA …
… Nö, den Kurs bei der Neuhaus hat er doch nicht gemacht, weil er nicht glaubt, dass ADHSler so etwas umsetzen können.
… und Gerald Hüther findet er gut.
Ich frage mich nun, wie der gute Mann auf die Idee gekommen ist, ADS als Behandlungsschwerpunkt anzugeben. Darf er das überhaupt, wenn er keine Fortbildungen zu diesem Thema vorzuweisen hat? Und darf ein Therapeut solchen Unfug behaupten, der schlicht nicht wahr ist?
Ich hätte ja Lust, die LPTK über diesen Etikettenschwindel zu informieren, aber lohnt sich die Mühe?
Bei Psychotherapeuten gibt es ja mindestens zwei Sorten: Tiefenpsychologen/Psychoanalytiker einerseits und Verhaltestherapeuten andererseits.
Das, was dein Therapeut so über ADHS sagt, ist so ziemlich genau das, was Tiefenpsychologen/Psychoanalytiker zu ADHS zu sagen haben. Galleonsfiguren dieser Schule in Sachen ADHS sind z.B. Helmut Bonney, Hans-Reinhard Schmidt und Hans Hopf. Auch Gerald Hüther gehört zu diesem Dunstkreis, auch wenn er einer anderen Fachrichtung angehört. Sie interpretieren ADHS als psychologische Folgen einer missglückten frühen Kindheit und behaupten, ADHS mit einer entsprechenden Therapie behandeln zu können. Die tatsächlichen Experten in Sachen ADHS dagegen sind sich einig, dass mit dieser Art der Psychotherapie bezüglich ADHS nichts auszurichten ist.
Daher solltest du zunächst einmal überprüfen, um welche Art Therapeuten es sich handelt.
Bei einem Tiefenpsychologen hätte mich so etwas nicht weiter gewundert, aber bei einem VT, der explizit ADHS als Behandlungsschwerpunkt angibt, finde ich das schon komisch.
Ich bin durchaus offen für den Gedanken, dass ADHS nicht ausschließlich genetisch bedingt ist, und dass Belastungen in der Kindheit den Unterschied zwischen leicht chaotisch und behandlungsbedürftig ausmachen können.
Schwierig wird es für mich, wenn so ein „Experte“ Behauptungen aufstellt, die nachweislich unwahr sind, wie „Ritalin macht süchtig“.
Mal abgesehen davon, dass es für einen ADHSler an sich schon schwer ist, einen Therapeuten als Autorität anzuerkennen: Wie soll erst unter diesen Voraussetzungen eine Zusammenarbeit funktionieren?
Na ja, Autorität … mein Beuteschema ist eher Vertrauenswürdigkeit, Glaubwürdigkeit.
Meine Frage war eigentlich: Wie kommen die Angaben in der Therapeutenliste der LPTK zustande? Darf da jeder Therapeut als Behandlungsschwerpunkt angeben, was ihm gerade einfällt oder muss er seine Kompetenz für die angegebenen Störungen nachweisen?
Auf den Seiten der Kammern finden sich Selbstauskunftsbögen. Ob die da was nachweisen müssen - keine Ahnung. Anzunehmen, dass sich das auf die Zulassung und evtl. Fortbildungen beschränkt.
Letzlich ist es ja so: Wenn Du einen Psychotherapeuten nach Medikation fragst, fragst Du nach seiner Erfahrung, seiner Meinung - nicht nach seinem Professionswissen, denn er ist kein Psychiater.
Hat er unter seinen PatientInnen ein paar schlecht eingestellte erlebt, kommt er evtl. zu der aus seiner Sicht begründeten Meinung, dass ADHS-Medikation nicht „gut“ ist.
Da wir ja alle wissen, wie unterirdisch die psychiatrische Versorgung in Deutschland in Bezug auf ADHS ist, kann man ihm das fast nicht verdenken…
Ein professionelles pharmakologisches Wissen kann da aber nicht vorausgesetzt werden - dafür sind Psychiater zuständig. Er darf ja auch nicht verordnen oder überweisen.
Die Aufgabe von Therapeuten ist die Anwendung psychotherapeutischen Methoden. Ob es diese auch für die Spezialisierungen auf Störungen gibt und ob das ein zertifiziertes, aktuelles, wissenschafliches Wissen ist? Ich denke eher nicht.
Zumindest ist das bei Medizinern nicht so.
Die Frage ist, ob die Therapie gut ist - dafür zu sorgen, DAS ist sein Job. Bei der momentanen miserablen Versorgungslage kann man keinen höheren Anspruch stellen.
Bringt es Dir was? Hast Du das Gefühl, dass er Menschen mit AD(H)S therapieren kann - im Rahmen seiner Aufgabe? Oder beeinflussen die Äußerungen die Therapie negativ?
Die Frage ob Normvariante oder Störung kann auch in Richtung Normvariante beantwortet von Therapeuten, die die Stärken der Betroffenen in den Mittelpunkt stellen.
Das kann ein positiver Aspekt sein und einen wertschätzenden Blick auf die individuellen Stärken und Schwächen überhaupt erst ermöglichen. Gerade bei ADHS besteht doch die Gefahr, dass man sich lediglich darauf fixiert, Dinge abzutrainieren um die Menschen „funktionsfähig“ zu machen.
„Störung“ ist etwas, das man beseitigen kann und impliziert auch immer etwas Mechanistisches. Wir wissen ja alle, dass das nicht funktioniert…
Wie gesagt - wir müssen nehmen, was wir bekommen.
Genauso sehe ich es auch. Das Funktionsfähig-machen im Rahmen von Psychotherapie ist für mich ein Ansatz, der in der Regel nicht funktioniert. Von den Resourcen ausgehen ist da wesentlich zielführender…
Letztendlich entscheidend ist aber, ob man sich mit dem Therapeuten wohlfühlt, bei ADHS noch mehr als sowieso. Wenn die Chemie nicht stimmt, z.B. aufgrund von Aussagen, die einen an der Professionalität und am Ernst-genommen-werden zweifeln lassen, dann ist das ein ganz schlechter Ausgangspunkt.
Auf der anderen Seite wäre ja interessant zu wissen, was der Therapeut an konkreter Unterstützung angeboten hat. Das kann man ja auch unabhängig von der Frage „Medikamente oder nicht“ sehen…
Das ist wohl der springende Punkt. Thema dieser Therapie sollte ja nicht ADHS sein, sondern Traumabearbeitung, was er rein zufällig ebenfalls als Behandlungsschwerpunkt angegeben hat. Ich dachte, ich hätte das große Los gezogen, an einen Therapeuten zu geraten, der sich mit Läusen und Flöhen gleichermaßen auskennt und sie auseinanderhalten kann.
Mit seinen Ansichten zu ADHS hätte ich mich arrangiert, wenn ich das Gefühl gehabt hätte, mit den anderen Themen bei ihm gut aufgehoben zu sein. Das war aber absolut nicht der Fall und letztlich der Grund für meinen Ausstieg.
Ich bin sauer, weil dieser Mann Fachkenntnisse vortäuscht, die er nicht hat; im besten Falle hätte mir eine Therapie bei ihm einfach nichts gebracht. Natürlich kann es sein, dass einfach die Chemie nicht stimmte, und ich habe mich auch ernsthaft gefragt, ob mir nicht ein „alter Film“ die Wahrnehmung verzerrt. Aber das glaube ich eigentlich nicht, denn wenn ich „spinne“ und aus Mücken Elefanten mache, merke ich das im Allgemeinen - ich kann bloß nicht aus der Nummer aussteigen.
Oha, gerade bei ADHS und Trauma gibt es viele ähnliche Symptome bei unterschiedlichen Ursachen. Da muss sich jemand schon sehr gut auskennen, um die individuelle Problematik differenziert beurteilen zu können. Oder aber man macht es sich einfach und reduziert einfach alles aufs Trauma, indem man ADHS negiert. So gehts natürlich auch.
Wie du sagst: Als ADHSler hat man oft eine sehr gute Intuition, aber man hat andererseits oft dermaßene Selbstzweifel, dass man sich von anderen ins Bockshorn jagen lässt. Ich arbeite immer noch daran, meiner Intuition zu folgen, der ich - obwohl im Nachhinein oft goldrichtig - oft nicht vertraut habe.
Ich denke, so wie du es schilderst, dürfte es richtige Entscheidung sein, auf die Dienste des guten Mannes zu verzichten.
Ich würde einen Haken dran machen und jemand anderen suchen… soll er doch behaupten was er will. Klar bist du enttäuscht, aber jetzt noch mehr Zeit an den Typ zu verschwenden, hilft dir mit deinem eigentlichen Problem auch nicht weiter! Schreib vielleicht noch eine Bewertung im Netz, damit andere nicht auf seine angebliche Adhs-Kompetenz reinfallen… und eine E-Mail mit dem Betreff „Adresstausch“ an info@adxs.org, damit @UlBre den Herrn, sollte er auf der Liste stehen… nicht weiterempfiehlt. (Wir sind ständig auf Feedback, positives wie negatives, angewiesen… um die Ärzte& Therapeutenliste aktuell zu halten)
Wer weiß, vielleicht steht ja sogar jemand drauf, der besser passt…?! Wenn du in der Mail die ersten 2 Ziffern deiner PLZ mit angibst, findest du es raus
Sorry, keine ahnung ob das Thema erledigt ist, aber das wirklich so gewesen. Ritalin, ist ne Kriegsdroge, was aber jedem Klar sein sollte (es hilft trotzdem) geschichtlich gesehen hat er aber recht
Haha, das sollte mal jemand all den Therapeuten erzählen, die sich im Lauf der letzten 30 Jahre an mir die Zähne ausgebissen haben, weil eben nur Trauma und Depressionen behandelt wurden - mit sehr mäßigem Erfolg.
Es gab nur eine einzige Ärztin in einer Klinik, die mal ADHS ins Spiel gebracht hat, aber das tauchte nicht mal im Entlassungsbericht auf.
Aber Therapeuten, die nur einen Hammer haben, sehen eben auch nur Nägel…