Liebe Community,
mein Mann und ich sind Mitte 30 und sind seit unserer Jungend zusammen. Das Zusammenleben ist schwierig und ich vermute so langsam, dass bei meinem Mann ADHS vorliegen könnte. Vielleicht könnt ihr mir eure Einschätzung dazu geben.
Mein Mann ist ein lieber Kerl. Er ist freundlich, ruhig, hilfsbereit. Als Kind war er wohl recht schwierig, hat als Baby viel geschrien, Meilensteine spät erreicht. Außerdem wird er als „hyperaktiv“ beschrieben, er war wohl sehr zappelig und unruhig (eine entsprechende Abklärung fand aber niemals statt). In der Schule war er ein ziemlich schlechter Schüler und ist sogar sitzengeblieben. Viele Freunde hatte er nicht. Das Abitur hat er mit Ach und Krach und ziemlich schlechtem Schnitt hingelegt. An der Intelligenz liegt es allerdings nicht, in Intelligenztests schneidet er überdurchschnittlich an der Grenze zur Hochbegabung ab. Im Studium ging er dann ziemlich auf und war ein sehr guter Student, schloss mit guter Note ab. Auch im Beruf ist er erfolgreich, war sehr früh schon in leitender Position. Wenn ihn etwas interessiert, ist er extrem leistungsfähig. Er kann sich dann auch sehr gut konzentrieren, ist kreativ, scharfsinnig. Viele Leute gehen mit Problemen im technisch-mathematischen Bereich zu ihm.
Im sozialen Bereich hat er wenig Probleme. Er ist ein recht sympathischer Mensch und kommt eigentlich mit jedem gut zurecht, wird auch von vielen gleich gemocht. Er ist sehr gesellig, hat gerne Menschen um sich herum. Gute Freunde hat er aber nur wenige, um genau zu sein einen besten Freund. Die meisten Freundschaften verlaufen eben im Sande, weil er nicht daran denkt, sich bei Menschen zu melden.
Dinge des täglichen Lebens fallen ihm schwer. Man könnte fast von einer eingeschränkten Alltagsfähigkeit sprechen. Er ist nicht fähig, Tabletten täglich einzunehmen, auch wenn es medizinisch dringend notwendig ist. Ich musste sogar mal den Krankenwagen rufen, weil er ein Medikament völlig unregelmäßig genommen hat und dann plötzlich starke Schmerzen bekam, heftig erbrach und zusammensackte. Ich war gerade schwanger, es war eine riesen Aufregung.
Er ist auch nicht fähig sich um unsere kranke Hündin zu kümmern. Mehrfach hat er vergessen, sie zur Physiotherapie zu bringen, so dass ich einen bösen Anruf von der Praxis bekommen habe. Genauso unzuverlässig ist er mit Formalitäten. Er hat seine Elternzeit falsch berechnet und mich damit hängenlassen in einer sehr schweren Zeit. Zuhause sind es tägliche Unachtsamkeiten, die mich langsam völlig wahnsinnig machen und mir unheimliche Kraft abverlangen, die ich einfach nicht habe. Beispielsweise hat er gestern - zum x-ten Mal - das Wasser im Gästebad laufen lassen, während ich am duschen war, obwohl er genau weiß, dass es dann kochend heiß aus der Dusche kommt und ich mich verbrühe. Wir hatten das jetzt mehrfach und ich habe Bescheid gesagt, bevor ich duschen ging. An einem anderen Tag gab es riesen Stress, weil er beim Handwerkeln scharfe Schrauben und andere gefährliche Dinge auf dem Boden liegen ließ, obwohl wir hier ein Krabbelkind haben, das sich wirklich ausnahmslos alles in den Mund steckt. Er entschuldigte sich. Am nächsten Tag fand ich wieder Schrauben und Werkzeug auf dem Boden, diesmal nur in einem anderen Raum. Es ist wirklich jeden Tag die gleiche Diskussion. Er entschuldigt sich dann vielmals, aber das heißt nicht im geringsten, dass es morgen nicht wieder passiert. Ich bin endlos frustriert, weil ich mich wie eine Kindergärtnerin fühle, die jeden Tag die gleichen Dinge sagen muss.
Er zeigt sich dann selbst betroffen und gibt auf Nachfrage an, nicht zu wissen, wieso viele Dinge immer und immer wieder passieren. Er würde selbst darunter leiden, meint er. Zum Teil passieren Dinge sogar häufiger, wenn ich sie anspreche. Das ist besonders frustrierend und lässt einen glauben, dass passiv-aggressives Verhalten dahintersteckt, das verneint er aber vehement.
Ich glaube nicht, dass ich es langfristig schaffe, ihn wie ein kleines Kind zu umsorgen. Er bräuchte jemanden, der ihn gesund ernährt, angemessen einkleidet, rechtzeitig an Termine erinnert und im Prinzip alles zuhause macht. Das ist unfassbar anstrengend. Hinzu kommt, dass man von ihm auch nichts erwarten darf. Ich kann nicht davon ausgehen, dass er irgendeine Aufgabe zuverlässig erledigt. Ich kann ihm im Prinzip nur Dinge überlassen, die nicht allzu wichtig sind. Alles andere muss ich machen, obwohl ich selbst einen sehr anspruchsvollen Job und mit langen Arbeitszeiten inkl. Wochenendarbeit habe. Eigentlich brauche ich jemanden, der mich entlastet.
Auch auf emotionaler Ebene stehe ich ziemlich alleine da in der Beziehung. Wenn ich enttäuscht oder sauer oder traurig bin und mich von ihm zurückziehe, möchte er gerne, dass ich ihm sage, was er sagen oder tun soll, um es besser zu machen. Im Prinzip braucht er da eine Anleitung. Es ist demütigend, wenn ich meinem Partner fast wörtlich sagen muss, wie er mich trösten, beruhigen oder besänftigen kann. Im Prinzip führe ich die Beziehung doch mit mir selbst.
Geburtstagsgeschenke waren immer eine Katastrophe. Selbst wenn man ihm einen konkreten Link zu einem Artikel schickt, schafft er es, falsch zu bestellen. Oder er kaufte mir mal Schmuck, obwohl ich im Laden gesagt hatte, ich würde so etwas nie tragen. Ich stehe dann immer da und bin perplex. Ich habe Geburtstagsgeschenke in der Form schon seit einiger Zeit „abgeschafft“ in unserer Beziehung, da es für mich eh immer nur ein Schlag ins Gesicht ist… als würde er mich absolut nicht kennen. Nach 16 Jahren Beziehung.
Ich habe ihn recht „zappelig“ kennengelernt, das hat sich aber gebessert. An den Händen und Füßen sieht man aber oft noch das Fummeln und Knibbeln, besonders, wenn er nervös wird. Das kann er dann auch nicht kontrollieren. Wenn wir diskutieren, läuft er häufig umher oder verlässt sogar den Raum, was ich unfassbar unhöflich finde.
Die Frage, wieso mein Mann so ist, wie er ist, beschäftigt mich natürlich. Meiner Meinung nach käme ADHS gut hin. Könnt ihr mir eine Einschätzung geben, ob meine Schilderungen dazu passen?
Für mich wäre es gut, verstehen zu können, wieso die Dinge so sind, wie sie sind. Auch wenn ich dann trotzdem nicht weiß, wie ich weitermachen soll…
Traurige Grüße…