Hallo ihr,
umso meh ich hier lese und auch nach dem Online-Test, verstärkt sich in mir der Verdacht, ADS zu haben. Aber wofür die Diagnose?
Ich habe mein Leben lang gelernt zu maskieren und weiß gar nicht, ob ich diese Maske für die Diagnostik ablenken könnte. Die Symptome sind bei mir eher nach innen gerichtet, für einen Arzt oder Therapeuten also definitiv nicht gleich sichtbar. Die Wartezeiten sind ewig, Medikamente möchte ich keine, wegen der vielen Nebenwirkungen.
Wozu also das Ganze? Warum habt ihr euch diagnostizieren lassen? Was wurde danach anders?
Danke euch schonmal für Antworten. Liebe Grüße, Julexy.
Hallo Julexy,
Die Diagnostik ist die Vorraussetzung für eine medikamentöse Behandlung.
Das ist der wichtigste Grund. Wenn du denkst du könntest ADHS haben ohne einen Krankheitswert zu haben - das gibt es ja auch - und wenn du keine Beschwerden hast und sicher keine Medikamente nehmen möchtest - dann brauchst du keine Diagnose.
So ewig nicht. Ich habe mehrere Umfragen gemacht, die meisten warten nicht so lange.
Hier mal die Ergebnisse:
Bei den meisten überwiegen die positiven Wirkungen deutlich. Ich habe mit den passenden Medikamenten keine Nebenwirkungen.
Ich nutze die Stimulanzien wie sie für mich passen.
Wenn du keine Medikamente möchtest und keine Einschränkungen durch dein ADHS hast brauchst du keine Diagnose.
Wenn du allerdings stark kompensierst und das irgendwann zum Burnout führt - brauchst du unter Umständen ein Antidepressivum - das hat dann deutlich mehr Nebenwirkungen.
Liebe @Julexy und herzlich willkommen im ADXS-Forum,
du hast schon recht, nicht die einzige, aber die wichtigste Motivation für eine Diagnose ist die Möglichkeit, Medikamente bekommen zu können.
Daher kannst du es entspannt sehen. Wenn dir Medikamente (noch) nicht wichtig sind, muss es dich nicht stören, ob du deine Diagnose in diesem, dem nächsten Jahr oder gar nicht bekommst.
Allerdings: Die „Nebenwirkungen“ einer Nichtbehandlung sind je nach Ausprägung der ADHS schlimmer bis viel schlimmer als die Nebenwirkungen der Medikamente. Es geht ja nicht darum, dass gesunde Menschen ein möglicherweise riskantes Medikament nehmen sollten, sondern wir haben eine Störung, die Tag für Tag unser Leben in vielen Bereichen beeinträchtigt.
Meine Lebensqualität hat sich so sehr durch das Medikament verbessert, ich bin ausgeglichener, es tut meiner Ehe sehr gut, ich habe mehr Geduld für meine Kinder, ich habe mehr Übersicht bei der Arbeit, ich fahre sicherer Auto oder Fahrrad - allein die Unfallgefahr bei unbehandelter ADHS stellt mögliche Nebenwirkungen vielfach in den Schatten!
Kann mich nur den anderen anschließen !
Bei mir war es es so, dass ich damals gar nicht wusste dass es ADHS bei Erwachsenen gibt. Die Diagnostik wurde wegen diverser Probleme damals als Ausschlussdiagnostik gemacht was dann allerdings ADHS bestätigte.
Mit Medikamenten brauchte man mir da auch nicht zu kommen.
Dann hatte ich Erfahrungsberichte im Forum gelesen und da es kein Spiegelmedikament ist und ja sofort wieder abgesetzt werden kann hatte ich mich auf einen Versuch eingelassen.
Trotz zunächst Nebenwirkungen und auch sporadisch immer mal wieder und jemande die voll auf Naturheilkunde setzt , überwiegt bei mir auch der Mehrwert.
Sogar meine Homöopathin sieht den Mehrwert.
Aber ich sehe auch nur dann eine Diagnose als notwendig an wenn du es nicht mehr kompensieren kannst.
Vielleicht ist zu bedenken, dass viele genau wegen des kompensierens irgendwann nicht mehr konnten , weil es so viel Energie gekostet hat.
Hallo, lieben Dank für eure Antworten. Der Hinweis mit dem Kompensieren ist ein guter Punkt. Momentan kann ich es noch, aber ich merke, das mein Kartenhaus immer mehr ins wanken gerät und ich irgendwas unternehmen muss, wenn ich nicht völlig zusammenbrechen möchte. Deshalb die Überlegung zur Diagnostik und danach evtl. auch Behandlung, mindestens psychotherapeutisch.
Ich wollte auch keine „Psychopharmaka“. Schon gar nicht für meine Kinder.
Hat ein bisschen gedauert bis ich verstanden hatte, welche schlimmen Konsequenzen es hat den Kindern Stimulanzien zu verweigern.
Würde dir empfehlen die Diagnostik machen zu lassen. Da du es eh nicht eilig hast wäre ja dann die Wartezeit auch egal. Aber dann hast du immerhin die Möglichkeit dich behandeln zu lassen wenn du es mal möchtest oder brauchst.
Hast du mal den Vortrag von Heiner Lachenmeier auf YouTube angeschaut? Kann ich sehr empfehlen um ADHS zu verstehen.
Stimulanzien kann man einfach ausprobieren und auch gezielt nutzen, zu verlieren hat man da nix. Die wirken ja nur so lange man sie nimmt.
Kein Vergleich mit Antidepressiva!
Hier mal ein paar Infos, auch wie du Adressen finden kannst:
Ich kann mich den anderen auch nur anschließen.
Die Diagnose hat alles verändert und ich habe mich endlich nach 30 Jahren mal verstanden und nicht ständig mehr das Gefühl gehabt, „ich bin falsch“.
Da ich zum Zeitpunkt der Diagnostik ein viel größeres Problem mit der Depression hatte, wurde das erst in Angriff genommen. Ich bekam ein Antidepressivum, was auch bei ADHS ziemlich gut wirksam sein kann. Es schlug sehr gut an und meine Depression wurde dadurch sehr schnell weniger. Auf die ADHS Symptome hatte es wenig Auswirkungen. Ich fühlte mich aber damit endlich wieder mehr als ich selbst. Und wurde um einiges stabiler. Als das soweit gut war, habe ich mit den Stimulanzien angefangen.
Ich bin jetzt gut 4 Monate dabei und bin immer noch sehr zufrieden mit den Stimulanzien. Die Nebenwirkungen sind jetzt alle quasi verpufft. (Ich kriege eher welche, wenn ich ein anderes Generikum vom Antidepressivum bekomme. Das macht bei mir einen großen Unterschied.) Wirklich stärkere Nebenwirkungen hatte ich ca 6 Wochen lang in absteigender Intensität.
Vieles gelingt mir jetzt deutlich besser und einfacher. Ich hätte es zb. nicht für mich persönlich für möglich gehalten, dass ich mal gut Kopfrechnen kann.
Oder dass ich zb. auch mal eine Aufgabe zuende bringen kann, oder mit weniger Ablenkung längere Texte lesen kann, ohne zwischendrin irgendwas anderes zu machen.
So als kleine Beispiele. Finde ich richtig gut.
Wenn dann doch mal Nebenwirkungen auftreten, sind das andere Gründe, die dazu führen. Schlechter Schlaf, nicht richtig gegessen/schlechtes gegessen, zu spät genommen, nicht genug getrunken, vieeel zu gestresst über banale Dinge und tatsächlich als Frau auch der Zyklus. Aber auch: Übermäßiger Koffeinkonsum. Zu viel wird es fies. Bei der richtigen Menge kann das aber sogar helfen die Wirkung zu verbessern, rate ich aber nur! Wenn man seine Dosis schon gefunden hat! Davor kann zu viel Koffein problematisch sein.
Das sind alles Stellschrauben, die hat man selbst in der Hand. So wirken die Medikamente optimal für mich. Tatsächlich kann ich die Disziplin dafür aufbringen darauf acht zu geben, weil ich die Medikamente nehme.
Davon abgesehen sind diese Sachen, also Schlaf, Ernährung ohnehin bei ADHS wichtig. Auch ohne Medikamente. Wenn man daran arbeitet, können sich die Symptome auch verbessern.
Ich habe mich mittlerweile ziemlich daran gewöhnt mit den Medikamenten mein Leben zu bewältigen. Es geht mir vieeel einfacher von der Hand alles im Blick zu haben. Ich hab endlich die Motivation und Energie, zu planen, es anzufangen, durchzuziehen, zu beenden.
Mir ist es jetzt erst dadurch überhaupt möglich eine Therapiefähigkeit herzustellen und gezielt an Problemen zu arbeiten.
Sie sind eine wunderbare Stütze für mich, wie für mich meine Brille oder meine Hörhilfen eine wunderbare Unterstützung sind. Die machen es mir auch einfacher zu sehen und zu hören.
Wenn ich sie weg lasse merke ich, wie anstrengend ADHS Symptome wirklich sind. (Wie schwierig es ist, etwas zu erkennen, wie anstrengend es ist, nur von den Lippen und der Körpersprache abzusehen um zu verstehen.) Ich muss deutlich weniger überkompensieren und hab dadurch deutlich weniger Stress.
Aus wissenschaftlicher Sicht kann ich auch sagen:
ADHS ist die bisher am besten behandelbare psychiatrische Störung. Sie hat bei der medikamentösen Behandlung im Gegensatz zu allen anderen Störungsbildern, die höchste Effektstärke, bei wesentlich geringeren Nebenwirkungen. Gängige Antidepressiva haben deutlich mehr Nebenwirkungen und eine deutlich weniger hohe Effektstärke/Wirksamkeit. Ein sehr hoher Prozenteil der Betroffenen nimmt sie ein und kann daraus mehr Vorteile als Nachteile schöpfen, was die Lebensqualität stark beeinflusst.
Auch die Risiken, die durch ein generell unbehandeltes (ob Medikamente oder nicht) ADHS entstehen, können sich dadurch reduzieren. Suchtverhalten/neigung, Risikobereitschaft wie zb. risikoreiches Fahrverhalten, riskante finanzielle Entscheidungen, sexuelle Überkompensation, aber auch sexuelle Risikobereitschaft. (Viele wechselnde Partner in kurzer Zeit, Schutz ist Nebensache… ) Beziehungen, Ehen, Freundschaften, Familienbeziehungen können schwierig werden dadurch. Oft wechselnde Freundschaften sind auch nicht untypisch. Arbeitslosikeit ist oft ein Problem, wenn man keinen Platz halten kann und oft wechselt, oft durch Probleme im Sozialvethalten mit Kollegen, schwindender Motivation für die Arbeit oder eben auch durch zu viele Fehler, die zu einer Kündigung führen können.
Wenn du tatsächlich das Gefühl hast, du kannst deine Coping Skills nicht mehr gut aufrecht erhalten und kommst an deine Grenzen, wäre meine persönliche Meinung dazu, dass du dir Gedanken machst, ob du nicht doch eine Diagnostik in Betracht ziehst.
Weil ich das schon mal gehört habe, jedoch noch nie in der Psychiatrie - hast du dazu eine Quelle?
Ich meine das stünde bei ADXS so. Kann aber auch „psychische“ Störung sein. Bin gerade nicht sicher. Ich schau mir das gleich nochmal an.
Ich habe es im Vortag von ulbre gehört. Weiß aber nicht wie es begründet wird oder wo ich Quellen dazu finde. In der Fachweiterbildung Psychiatrie hatte ich sowas nie gehört. Das heißt aber auch nix.
Hab nochmal geschaut. Steht „psychisch“ stimmt.
Aber… ganz so abwegig ist „psychiatrisch“ mMn jetzt auch nicht.
Ich mein, ADHS in medikamentöser Behandlung wird in den allermeisten Fällen durch einen Psychiater durchgeführt und da die Medikamente im Gegensatz zu anderen Medikamenten bei anderen Störungen die höchste Effektstärke bei niedrigen Nebenwirkungen hat, erscheint mir das jetzt nicht unlogisch, auch zu sagen, dass es in der Psychatrie das am einfachsten zu behandelnde Problem ist.
Danke euch, das ihr euch die Mühe für so ausführliche Antworten nehmt. Ich beschäftige mich schon eine Weile mit dem Thema, habe aus verschiedenen Gründen so lange gebraucht, nach Online-Austausch zu suchen. Persönlicher wird noch schwerer werden. Habe erstmal nach einer Adressliste hier gefragt und werde mich wohl in nächster Zeit mal ans abtelefonieren und schreiben machen.
Eine Quelle hast du dazu aber nicht gefunden?
Ne bisher nicht. Man kann ja mal Suchen nach.
Genau das!
Wenn du mental stark aufgestellt bist und diese Maske auch in jedem Sturm des Lebens problemlos aufrecht erhalten kannst (unter der Voraussetzung, dass du älter wirst, Umstände nicht mehr leicht zu tragen sind etc), dann sag ich „go for it!“ Dann ist eine Diagnose obsolet.
Aber, es wird meist anders kommen, denn - und das liegt in der Natur der Dinge - Masking kostet Kraft, viel Kraft. Und es muss nur etwas passieren, was dich aus der Bahn wirft und der Zusammenbruch ist vorprogrammiert.
Meist zahlt der Mensch für dauerhaftes Maskieren auch physisch die Rechnung. Krankheiten lauern und schwächen zusätzlich
Der Weg hat dich hier hin geführt, so dass ich mich mal weit aus dem Fenster lehne und behaupten möchte, dass du bereits in der ein oder anderen Form leichte, diffuse, subtile Veränderungen spürst, die dich belasten. liege ich da richtig?
Wenn ja, so kannst du durch eine Diagnose, die dir Tür und Tor zu jeglichen Behandlungen öffnet, nur gewinnen.
Und ich sage: besser jetzt, als zu einem Zeitpunkt wo die Kraftreseven aufgebraucht sind und die Handlungsfähigkeit eingeschränkt ist
Ich wünsche dir viel Kraft und, dass du für dich immer die richtigen Entscheidungen triffst die dich glücklich machen
Also ganz ehrlich @Julexy
Mein Leben hat sich durch die Diagnose komplett verändert.
Dinge für die ich mich Jahrzehnte gehasst und verachtet habe, ergaben plötzlich einen Sinn …
Deine Vorbehalte gegenüber Medikamenten, insbesondere Psychopharmaka, kann ich durchaus nachvollziehen.
Aber mal ganz ernsthaft:
Seit ich sauber eingestellt bin, hab ich, was das angeht, endlich sowas wie ein Leben…
Ich kann mich endlich konzentrieren, bin ausgeglichener, weniger impulsiv usw…
Und ob du eine Diagnose machen sollst oder nicht, möchte ich mit einer Abwandlung eines alten Bergsteiger Grundsatzes beantworten:
Lieber haben und nicht brauchen, als brauchen und nicht haben.
Bei mir wurde das ganze Richtung Ende 20 immer schlimmer und die Diagnose hat dadurch vermutlich ein Vielfaches an Energie gekostet als wenn ich das früher gemacht hätte.
Wie du dich letzten Endes entscheidest ist deine Sache.
Du musst es nur vor dir selbst noch in 10 Wochen, 10 Monaten und 10 Jahren verantworten können.
Hallo Julexy,
ich bin als ADS diagnostiziert (natürlich auf eigenen Kosten). Die Diagnose hat mich zunächst etwas entlastet. Es wurden diverse Medikamente getestet, die bei mir persönlich Wahrnehmungsverschiebungen ausgelöst haben, was mich sehr verunsichert hat. Letzteres ist vielleicht nicht repräsentativ, ich habe 10 Jahre unter Epilepsie durch Hirnhautentzündung mit großen Anfällen gelitten. Mich hat mit Attentin vieles gleich wieder in existentielle Panik versetzt. ABER es hat mich auf der ÜBERHOLSPUR an der Uni gesetzt - und man hat mich noch mehr „gesehen“, was für mein Nervenkostüm noch aufreibender war. - Letztendlich hatte ich längere Zeit auffällige Leberwerte und ich habe mir Attentin nicht mehr verschreiben lassen, zumal es ins Geld ging. Was ein nicht unerheblicher Nebeneffekt war: Migräne konnte effektiv bekämpft werden. Will sagen: man kann schon für sich ausprobieren, ob die gebotenen „Krücken“ einem was nützen können. - Ich suche seit Jahren nach einer erneuten Therapie in FFm, erfolglos. Die frühere Therapeutin nimmt mich nicht mehr, da ich 4 Jahre nicht mehr vorstellig geworden bin. Da ich unter weiteren chronischen Erkrankungen leide, war der 4teljährliche Termin für mich nur eine Belastung geworden. Was mich betrifft: Sich gut aufgehoben fühlennach dieser Offenbarung „ADS“, geht sich anders. - Ich bin nun verrentet und das ging nur, weil ich meinen Prinzip auf meine Kosten also „anders arbeiten“ und „Dinge, die kein anderer konnte“, angewendet habe. Ich habe einen überdurchschnittlichen IQ, bin hochsensibel und kreativ - glücklich benenne ich die Zeiten, in denen Menschen mich nicht auspickten und in Ruhe ließen. Besonders gut, wenn ich mit handwerklichen Tätigkeiten befaßte und in der Natur war. - Ich habe sehr oft über den Ausstieg aus dieser Welt nachgedacht, was nur etwas über meine Verzweiflung in der Gesellschaft sagen kann. Ich fühle mich oft fremd und sprachlos in dem was ich sehe. - Wie zeigen sich deine ADS Symptome? - Vielleicht hier bereits geschrieben?