Andere Menschen nerven/ärgern

Hallo zusammen,

ich (Erwachsen, mitte 30) habe erst seit kurzem meine Diagnose und versuche noch herauszufinden, welche meiner Eigenschaften evtl. auch mit ADHS zusammenhängen können (ich habe irgendwie die Sorge, dass ich jetzt alles darauf zurechne, und ganz so einfach will ich’s mir dann doch nicht machen).

Also: Mir fällt schon sehr lange an mir selbst ein Verlangen auf, in Gesprächen andere Menschen zu ärgern bzw. zu nerven oder auch einfach ihnen zu widersprechen. Meine Partnerin kann ein Lied davon singen. Ich meine es nie böse, aber im Nachhinein denke ich mir oft - „das war doch nicht notwendig, das könnte jetzt sehr viel negativer rüberkommen als du es eigentlich gemeint hast“. Das komische ist: ich will wirklich niemandem was Böses, aber „im Moment“ kommt es dann so aus mir heraus. Das klingt jetzt alles etwas zu brutal, also ich habe kein Tourette oder so :smiley: aber naja, vielleicht versteht ja jemand von euch, was ich meine :wink:

Aber natürlich, das ist bei ADHS sehr häufig.

Es „kickt“ einfach, andere zu ärgern, sie zu nerven, aus Prinzip zu widersprechen, denn dann gibt es eine Reaktion, und sei es eine negative, aber es gibt eben eine - und das verschafft dem gebeutelten Hirnstoffwechsel Linderung.

Es soll ADHSler geben, die sind aus dem Grund regelrecht streitsüchtig. Es muss einfach immer etwas los sein, und sei es eine zünftige Auseinandersetzung, denn Langeweile - das ist schwer auszuhalten…

Manches verselbständigt sich mit dem Jahren und wird Irgendwann gar nicht mehr bewusst wahrgenommen, z.B. wird automatisch widersprochen, abgewertet, kommentiert usw.

Die Hyperaktivität bei betroffenen Erwachsenen äußert sich nicht umsonst in der gefürchteten Logorrhö - Stichwort „Nervensäge auf Autopilot“.

Es war bei mir früher wirklich sehr schlimm, besonders andere Menschen provozieren. Mit dem Alter hat es sich etwas gelegt, jetzt mit Elvanse kann ich mich rechtzeitig stoppen bevor die Situation richtig eskaliert.
@aufdersuche
Meinst du etwa, dass du zu sarkastisch bist?

Oh ja! :fischglas

Ich habe diesen Drang immer noch, aber nicht so schlimm wie als Kind oder Jugendlicher, da war es mir hinterher sehr oft tödlich peinlich, und ich habe mich noch Jahre später geschämt.

Und das Schlimmste: Wie ich aus dieser Rolle herauskomme, hatte ich keinerlei Ahnung! :oops:

Ich kenne das auch bedingt.
Mir wurde schon einige Male gesagt, dass ich sehr auf meiner Meinung beharren würde. Das ist auch häufig so und manchmal treibe ich es dann auch ganz bewußt auf die Spitze, wenn mir die Argumente der „Gegenseite“ so gar nicht einleuchten.
Davon fühlen sich manche dann nicht nur genervt, sondern ziemlich provoziert.

Damit habe ich auf Facebook schon so manche Diskussion gesprengt. :wink:

kann da @Addy_Haller nur Recht geben, da ich dieses Verhalten bei mir selbst erkennen kann.
Je enger die Bindung zu einem Menschen ist, desto stärker bzw. wahrscheinlicher komme ich in Ärger-Laune.
Hier im Rheinland würde man zänken sagen :smiley:
Zum Glück habe ich eine Partnerin gefunden die dieses Verhalten bis zu einem gewissen Grad toleriert und sogar witzig findet, solange ich keine Grenzen überschreite, was aber doch ziemlich reizt und das eine oder andere Mal dann doch vorkommt. Kickt halt irgendwie und löst Reize aus. :twisted:
In vergangenen Beziehungen war ich wohl ziemlich streitsüchtig… :?

Vielleicht können wir ja nichts dafür, dass andere anders denken und uns misverstehen :fischglas :
Divergentes Denken – ADHSpedia

Ist ja im Grunde genommen auch so.
BEstenfals schaffen es beide Seiten gegenseitig von einander zu profitieren.

ich finde auch gerade diese Dinge sind auch die Gefahr, dass einem mit ADHS eine Persönlichkeitsstörung angedichtet werden kann.

Oja, das liegt Quasi in der Familie zum Teil.
Ein Grund warum die meisten wohl zerstritten sind.

Und ein paar wenige verstehen den Sinn darin so gar nicht bis heute, nämlich meine Mutter.
So ging’s mir ne ganze Weile sogar selber, fand das voll
Dämlich und Grenzübergreifend, das kam erst später mit der Puppertät.
Ich erinnere mich noch an die ersten versehentlich entstandenen Pisaker meinerseits und das ich mich über meine Reaktion wunderte:sweat_smile:

Davor nervte ich mein Umfeld auch, aber merkte das nicht unbedingt selber. Was den zusammenschiss deutlich unangenehmer machte, weil unerwartet.

Ab da hatte ich ein neues Lieblings Spiel mit nicht immer den besten Reaktionen. räusper :rotwerd
Je nachdem Wer was warum in welcher Situation sagt, mache ich das heute noch zu gerne :twisted:
Wobei ich mich mit Medikamenten deutlich besser bremsen kann.
Eine Eigenschaft mit 2 Gesichtern wie ich finde.

Ach krass, danke für eure Antworten! Hatte gar nicht damit gerechnet, dass es da einen Zusammenhang geben kann (ich weiß leider immer noch zu wenig über die Erkrankung, muss ich zugeben).

Das komisch ist bei mir wirklich: Ich weiß, dass ich dazu neige, ich kenne die Muster, aber dann mache ich es trotzdem.

Es gibt auf jedenfall Situationen, in denen mMn Widerspruch sachlich begründet ist. Aber oft ist es so, dass ich sehr viel heftiger gegenargumentiere als ich es eigentlich will. Und da ich in der Wissenschaft arbeite, gibt es (leider) auch reichlich Gelegenheit dazu. Mir würde es wirklich helfen, Situationen genauer unterscheiden zu können, in denen sich Gegenrede lohnt, von solchen, in denen das nicht der Fall ist. Und wenn ich dann diskutiere, dann möchte ich lernen, das konstruktiv - und ruhig - zu tun. Weil dann im Konflikt eben alle Nuancen verloren gehen.

Was mich aber noch mehr belastet ist dass ich selbst dann, wenn ich nicht steite, wenn also gerade alles gut ist, mitunter dazu neige, etwas zu sagen, nur um das Gegenüber zu ärgern. Das ist so nervend, ich ärgere mich dann nachher so sehr über mich selbst. Komischerweise mache ich das auch bei Leuten, die ich gerne mag. Und dann muss ich nachher immer erklären, dass ich es nicht so gemeint habe usw.

Weil jemand gefragt hat, ob ich sarkastisch bin…eigentlich eher ironisch. Und dann halt kompetitiv im Gespräch.

Ich habe mit Elvanse gerade erst begonnen. Leider waren 30mg noch zu stark für mich (also eigentlich war tagsüber alles super und so - jedoch konnte ich dann in der Nacht gar nicht schlafen). Daher mache ich mal niedrige Dosen und versuche, mich ‚hochzuarbeiten.‘

Einer meiner Vorfahren (ja, da sieht man wieder die Erblichkeit) prägte den Satz: „Besser einen guten Freund verloren als eine Bosheit unterdrückt!“
Was so witzisch klingt (früher fand ich das auch lustig… :rotwerd ) , ist eigentlich ziemlich bitter… Und letztlich scheint es ja in diesen Situationen, die Du als belastend und destruktiv empfindest (und die das ja auch sind) um den Kick für unser Hibbelhirn zu gehen - wie so ein kleiner, bösartiger Kobold. Jetzt, wo ich so drüber nachdenke: es ist doch echt erstrebenswert, das Ding mal ein wenig unter Kontrolle zu bringen…

Sowas wird mit Sicherheit auf die Dauer besser.
Geben wir uns ein wenig Zeit damit: Erst wirkt das Medikament, dann ändern sich nach und nach Gewohnheiten und Reflexe.


Ja, da können wir dann ein wenig (Selbst-)Erziehung nachholen… ein bisschen peinlich ist’s halt schon :nothere
Das zeigt auch schön den Mechanismus: da müssen wir selbst dran arbeiten - das Medikament machts uns lediglich möglich.

Ich hatte den Drang zu nerven und streiten oft, wenn es mir zu langweilig wurde. Also Drama und Hysterie.
Jetzt bin ich älter und ruhiger geworden aber merke, wie schnell ich hochgehen kann und rebellieren möchte, wenn ich was ungerecht finde oder provoziert werde.

Lag es an Elvanse ?, oder was auch immer in mir sei dank !

Heute im Pausenraum, ein Kollege hatte eine offenen Hose.
Und ich hätte mir einen „fiesen“ Spass vor versammelter Mannschaft gönnen können :wink:
Dann war ich wiedrum voll empatsich und wollte ihn nicht auf meine Kosten „bloßstellen“

Dann viel mir ein das ich mal länger mit einer offenen Hose rumlief und ich das voll blöd fand das mir keiner was gesagt hat.

und ich wusste echt erst nicht was ich tun sollte, :roll:

dann habe ich ihm eine WhatsApp geschickt …und ich glaube dezenter kann man in so einer Situation nicht sein und werde mir das für andere Situationen als Möglichkeit merken. :wink:


Tja, da sprichtst du einen entscheidenden Knackpunkt bei ADHS an: Man müsste es sich BEWUSST machen. Und das fällt oft sehr schwer. Ich sagte ja schon: Man ist in einer solchen Situation eher auf Autopilot statt Herr seiner Selbst und die „Argumentation“ läuft quasi von selbst ab und entzieht sich einer kognitiven Steuerung.

Aber es gibt eine gute Nachricht: Medikation kann helfen, sich Situationen bewusster zu machen bzw. nicht sofort zu handeln, sondern sich vorher einen kleinen Moment des Überdenkens zu verschaffen. Und man muss es dann natürlich auch üben.

Es ist irgendwie ein Teufelskreis:
Das Ego: alle doof- ich kluch
Gerechtigkeitssinn
Impulskontrolle
Ja, es ist schwer die Klappe zu halten :neiiin

So, ich merke, vor allem im Job, da sind Leute die haben nicht das gleiche wie ich.Aber:Mein Kollege , der vergreift sich sehr oft im Ton und ist unmöglich, zu mir, und hat kein ADS. Da bin ich viel dezenter, ich glaube es ist auch einfach eine Persönlichkeit, ich hatte früher auch diese mangelnde Impulskontrolle, und bin oft auf die Nase gefallen damit. Irgendwann habe ich dann gelernt mehr zu schweigen.
Das vielleicht sogar zu oft. Weil das Handwerkszeug natürlich ?! nicht da ist, wenn man etwas auf die nette Art sagt.

Ich finde, ich merke sehr schnell, wenn Ungerechtigkeiten, oder Unhöflichkeiten da sind.
Deswegen, ist es dann schwerer, damit klar zu kommen, weil natürlich dieses abprallen fehlt.


Ich hoffe, ich bin bald auch da, seit gestern zweifele ich aber an meinen Vortschritt :neiiin
Bei mir ist es nur eine einzige Person auf der Arbeit, die mich regelmäßig auf die Palme bringt. Ich bin aber 100% sicher, dass sie Adxs ohne S hat, d.h. es stört sie nicht. Sie ist auch seht impulsiv, hibbelich, chaotisch hoch 3, hat absolut kein Zeitmanagementgefühl etc., aber irgendwie kommt sie ganz gut damit klar. Ich kann in letzter Zeit sehr schwer mit ihr klarkommen und ich hasse die wöchentlichen Auseinandersetzungen mit ihr.


Perfekt gesagt! :winken

Ist ziemlich normal bei ADHS. Gut ist, dass du es bewusst wahrgenommen hast und damit merken kannst, was du anrichtest.
Eine große Baustelle beim ADHS’ler ist, dass er immer zwischen Aktivität und Passivität wankt.

Das kenne ich aber auch :grinning:
Oft will ich einfach nur wissen wie derjenige darauf reagiert, wenn man anderer Meinung ist. Das hat aber auch seine guten Seiten, auf der Arbeit z.b bringe ich dadurch viele ins Grübeln, oder es entwickelt sich daraus eine ganz neue Idee. Das darf man eben auch nicht vergessen, vieles hat auch seinen positiven Effekt. Das ist eben das schwierige daran, wo gehört es hin und wo nicht. Als Kind oder Jugendliche bin ich ziemlich oft damit auf die Nase gefallen, habe viele verletzt und habe mich auch oft im nachhinein geschämt, sodass ich mittlerweile Probleme habe, bei fremden zu sprechen, einfach die Angst etwas Falsches zu sagen. Ich erwische mich heute noch dabei, wie ich bei meiner Familie absichtlich das Gesprächsthema provoziere, um einfach etwas Pepp rein zu bringen. Die kennen mich aber sehr gut und wissen auch wie sie mich zu nehmen haben, allerdings bei der Familie meines Partners sieht das schon wieder ganz anders aus. Vor allem wenn man mit jemanden etwas im klinisch steht, da passiert mir das schon häufiger, ist für die anderen sehr unangenehm, aber in dem Moment kann ich es einfach nicht lassen. Ich habe wirklich selten, dass ich mich mit jemanden nicht gut verstehe, aber sobald mich jemand anlügt oder mich schlecht macht, ist derjenige unten durch. Da bin ich so verletzt und enttäuscht, da kann derjenige sich sonst noch Mühe geben, sobald ein Gespräch entsteht kommt bei mir ein kleiner Teufel zum Vorschein. Ich weiß nicht, ob das auch mit dem adhs zusammen hängt, doch was das angeht bin ich wirklich ein harter Brocken, naja und so entstehen die aufregendsten Gespräche :grimacing::pensive: