Bei mir hat es bis ca 38 gedauert, bis ich das Gefühl hatte, ich kann Small Talk.
Ich glaube, ich habe es bisher nie richtig gemacht und lerne es jetzt erst richtig zu führen, weil mir erst jetzt bewusst wird, dass ich wahrscheinlich so manches anders gemacht habe.
Allerdings läuft mein Gehirn immer mit. „Kann ich das so sagen? Sieht mein Gesicht komisch aus? Grinse ich zu breit, lächel ich zu wenig? Bewege ich mich komisch? Ist meine Gestik übertrieben oder angemessen? Spreche oder lache ich zu laut? Wo gucke ich hin?“ usw.
Genau das Frage ich mich dann auch meistens.
Ich denke oft, dass ich mich schlecht fühlen sollte, weil andere Menschen mich eigentlich wenig interessieren. Mir wurde schon oft vorgeworfen, kaltherzig oder gleichgültig zu sein, dabei würde ich alles für Freunde und Familie tun. Zum Glück gibt es vieles, was ich interessant finde. Meine Schwester ist zB Ärztin, mein Bruder Fotograf. Das ist super spannend, aber ich neige dazu, sie auszufragen. Ich überlege, wie ich herausfindet kann, was meine Schwester sonst noch interessiert, damit ich diesen Dingen Aufmerksamkeit schenken kann und sie weiß, dass sie mir nicht egal ist.
Das widerspricht sich. Einerseits sagst du, dass dich andere Menschen eigentlich wenig interessieren, aber du bemühst dich, Interesse zu zeigen bei denen, die dich interessieren. Ich glaube nicht, dass du dich schlecht fühlen solltest. Ich selbst kenne dieses Problem aber auch, empfinde mich manchmal sogar als manipulativ aufgrund des Ausfragens und des darauf aufbauenden Gesprächs dadurch. Ich bezweifle, dass du kaltherzig oder gleichgültig bist, aber für Außenstehende wirkst du vermutlich manchmal aufgrund eines zwischenmenschlichen Kommunikationsproblems so, obwohl genau das Gegenteil der Fall ist.
(Ist es das, was in den Fragebogen gemeint ist mit „Verbindungen zu anderen Menschen eher über Interessen als über Gefühle“? Ich habe da bisher immer „nicht zutreffend“ angegeben, weil ich die paar Leutchen ja schon auch mag)
Ich glaube, die Frage zielt auf Alexithymie ab, bin mir aber nicht ganz sicher. Das richtige Erkennen und Einordnen von Gefühlen, die trotz anderer Wahrnehmung vorhanden sind, ist dann ein Problem sowohl für einen selbst als auch für das Gegenüber. In solchen Situationen neigt man dazu, lieber über Dinge zu reden, die man klar benennen kann.
Ich bin im Moment aber eh komplett unsicher. Was ist „normal“, was ist ADHS, was ist vielleicht etwas anderes und wie finde ich heraus, was was ist???
Dieses „Normal“, was auch immer das ist, ist eigentlich auch nur ein Konstrukt, um Menschen nach multikategorialen Maßstäben, wie Ethnie, gesellschaftliche Normen usw., einzuteilen. Um herauszufinden, was man anders macht, hilft nur intensives Einlesen in die Thematik und schlussendlich ein Termin zur Abklärung bei den Spezialisten. Ich kann dir empfehlen, Fachliteratur dazu zu lesen, wie z.B. „Autismus, ADHS und Tics: Zwischen Normvariante, Persönlichkeitsstörung und neuropsychiatrischer Krankheit“ von Ludger Tebartz van Elst. Auch ist das Aspie Quiz eine interessante Möglichkeit für eine schnelle Selbsteinschätzung. Ansonsten sollte man sich mit Betroffenen beschäftigen. Da es ein Spektrum ist, gibt es immer gewisse Ähnlichkeiten, doch ist jeder Mensch grundverschieden. Deswegen gibt es wohl nur sehr selten jemanden, der einem exakt gleicht. Das sollte man beim Vergleich mit Betroffenen immer bedenken und nicht direkt anfangen zu zweifeln.