Ich habe ADHS (diagnostiziert) und würde hier gerne ein Problem meinerseits schildern und vielleicht erkennt sich hierin jemand wieder oder kann mir helfen, das Folgende allumfassender zu verstehen:
Vor allem im Bus oder der Straßenbahn (sitzend/stehend) und wenn ich auf der Straße in der Stadt unterwegs bin (gehend), weiß ich nicht, wo ich hinschauen und wie ich gehen soll.
Das läuft dann in etwa so ab: Ein oder mehrere Menschen (fremd oder bekannt ist hier in diesem Kontext recht egal) kommen sozusagen auf mich zu und ich
-BLICKKONTAKT: schaue die Person kurz direkt an (halte ich jedoch kaum aus - da entgleitet mir irgendwie alles in meinem Gesicht - schwer zu beschreiben, was da passiert. Irgendwie tränen meine Augen dann (was es noch einmal unangenehmer macht. Zusätzlich muss ich dadurch, aber auch generell, oft blinzeln) und es „blendet“ mich, sodass ich wieder wegschauen muss und währenddessen auch nicht normal schauen kann.)
-SEITLICH: als nächstes versuche ich erneuten Blickkontakt zu umgehen, indem ich seitlich irgendwohin schaue. Wenn da Schaufenster sind, kann ich meistens recht „natürlich“ wirkend diese betrachten. Tatsächlich befinde ich mich aber in einem immensen Stress und schauspielere dieses interessierte Betrachten lediglich.
-HANDY: kurz etwas am Handy nachschauen, aber oft kann ich mich gar nicht darauf fokussieren und tu auch hier wieder nur so als-ob.
-BLICKKONTAKT: dann schaue ich oft doch nochmal kurz hin – die Zeit vergeht gefühlt sehr langsam und die Person ist immer noch weit entfernt, ich verzweifle also etwas, weil mir langsam die Ideen (wohin schauen?) ausgehen.
-HANDY/BODEN/SEITLICH: Hier werde ich dann schon wirklich sehr nervös und es ist mir sehr unangenehm, weil die Person mein Dilemma auf die ein oder andere Art sicher (als seltsames Verhalten) mitbekommen hat.
Das alles sind großteils eher kurze und recht hektische Bewegungen. Ich kann meine Augen nicht ruhig/auf einen Punkt fixiert und entspannt halten und bin es auch selbst nicht, eher panisch erschrocken. Aber ich finde keine Richtung, die sich richtig anfühlt und wo mein Blick stabil hängen bleiben kann.
Währenddessen kommt auch noch der Faktor GEHEN hinzu: Ich kann meistens eben auch nicht normal gehen (nur, wenn ich allein daheim bin). Bewegungen und vor allem das Gehen fühlen sich unnatürlich für mich an und ich muss bei jedem Schritt mitdenken, wie das funktioniert und die Schritte manuell setzen. Gleichzeitig bekomme ich es doch nicht so richtig hin und komme mir wiederum seltsam vor.
Ich bin dann komplett überfordert, weil ich nicht weiß, wie gehen, nicht weiß wo und wie hinschauen und dann ist das eh schon der gesamte Körper, über den man keine Kontrolle mehr hat und trotzdem noch versuchen muss, halbwegs normal zu wirken. Es ist jedes Mal furchtbar qualvoll und das sind dann oft nur wenige Minuten bis eine halbe Stunde, in denen sich all das abspielt.
Je mehr ich währenddessen darüber nachdenke und es somit noch mehr zerdenke, desto schlimmer wird es natürlich. Bis ich irgendwann an dem Punkt bin, wo ich es gefühlt kaum noch normal schaffe und mich so schwach fühle, dass ich mich auch kaum mehr zusammenreißen kann. Würde dann am liebsten einfach stehen bleiben und erstmal an einen ruhigen Ort verschwinden.
Andere ähnliche Situationen (vor allem bezüglich Blickkontakt):
-Im Café jemanden getroffen, den ich nicht besonders gut kannte. Konnte ihm kaum in die Augen schauen. Irgendwie war das beinahe schmerzhaft und mich dazu zwingen ging nur schwer. Ich konnte meinen Blick (vor allem wie sonst gerne während dem Reden) auch nicht in die Umgebung flüchten/schweifen lassen, da ja überall Menschen (=Augenkontakt) saßen. Es gab auch generell viel zu viele wahrnehmbare Reize.
Wenn ich in so einer Situation aufstehe, um beispielsweise auf die Toilette zu gehen, funktioniert das Gehen ebenso wenig wie auf der Straße.
-Einmal war es besonders schlimm. Da habe ich einen Bekannten auf ein Eis getroffen, wir haben uns also vor allem draußen sitzend und gehend aufgehalten. Ich war davor auch einen Tag lang nur daheim, ohne rauszugehen (was ich sonst nie mache, weil ich weiß, dass es beim nächsten Mal unterwegs sein dann oft noch schlimmer als sonst wird). An und für sich ähnliche Abläufe wie oben bereits beschrieben. Gegen Ende wurde es jedoch so schlimm, dass ich aus meiner inneren Perspektive heraus betrachtet kaum mehr gehen konnte (war recht verwundert, dass sich meine Beine überhaupt bewegt haben, ich habe nämlich nicht mehr das Gefühl gehabt, die Kontrolle darüber zu haben). Ich habe mich wie in einem meiner Albträume gefühlt, wo ich mich nur in Zeitlupe und schwerfälligen Schritten fortbewege, als hätte ich Betonklötze an den Beinen. Meine Sicht war mehr wie im Nebel bzw. sehr unklar und wenig fokussiert.
Am Ende hat mein Körper dann zum Kribbeln und Brennen angefangen bzw. ist halb eingeschlafen. In dieser Intensität erlebe/reagiere/dissoziiere (auf Augenkontakt, Gehen, generelles Zuviel und gewisse Überforderung im Gespräch,…) ich zwar eher selten, aber wenn doch, ist das echt heftig.
Noch ein paar „Facts“:
- Mit Musik ist es oft leichter, aber das hilft manchmal besser bis sehr gut und dann wieder kaum. Je nachdem, wie viel mir die Musik/der jeweilige Song in dem Moment gibt.
-Wenn ich Alkohol getrunken habe, ist es/ich endlich relativ normal und ich merke erst, wie befreiend es sein kann, wenn einen das nicht belastet. Mir ist generell vor ein paar Tagen aufgefallen, wie krass es eigentlich ist, dass es tatsächlich viele Menschen geben muss, die einfach raus gehen und sich über all das gar keine Gedanken machen. Die an so etwas gar nicht denken. Wirklich unvorstellbar.
- Mit Elvanse (ich nehme es erst seit zwei Wochen, 30mg täglich und bin vermutlich noch nicht ganz passend eingestellt) ist das Ganze sogar viel schlimmer und bin noch mehr überfordert.
-Wenn jemand mit mir unterwegs ist, ist es meistens um einiges besser, da ich dann die meiste Zeit einen Fokuspunkt habe, der sich mit mir mitbewegt und nicht verzweifelt im Chaos der dynamischen Umgebung nach einem solchen suchen muss. Außerdem lenkt mich das Gespräch dann etwas ab.
-der Blick in die Augen einer anderen Person „haut mich oft komplett raus“. Teilweise einfach nur, dass ich mich dann nicht konzentrieren kann und mitten im Satz komplett den Faden verloren habe. Manchmal aber auch so, dass ich den Halt in der Realität verliere und dissoziiere. Auf eine sehr unangenehme, „eklige“ Art und Weise.
-ist nicht immer gleich schlimm und oft stärker im Zusammenhang mit fremden/fremderen Menschen, aber auch nicht immer. Also kann nicht ganz klar an etwas festmachen.
-eher noch besser in reizarmer und gewohnter Umgebung
Kennt das jemand von euch und wenn ja, in welchem Zusammenhang (Erkrankung/Neurodiversität)? Habt ihr Tipps, wodurch das besser werden könnte?
Ich würde gerne auf anderer Ebene verstehen, was da abläuft in mir, weil verstehe es an sich schon, aber mir fehlt die „wissenschaftliche/abstraktere“ Ebene.
Vielen Dank auf jeden Fall schon einmal!
Hoffe, man konnte trotz der vielen verschachtelten Sätze mehr oder weniger flüssig lesen, habe da leider meine Probleme, mich prägnanter auszudrücken oder zwischen mehreren Worten das passendste zu wählen, sowie zusätzliche (aus meiner Sicht unverzichtbare) Erläuterungen zu auszulassen.