Erholungsphase

Hallo,

ich habe sehr oft ein starkes Erholungs-Bedürfnis. Das kann schon von kleinigkeiten kommen (einkaufen, brief weg bringen, mich mit jemanden treffen, etwas im Haushalt machen). Danach sagt dann etwas in mir „du musst dich jetzt umbedingt erholen“. Dabei ist es keine Körperliche Erholung, sondern nur eine Geistige.

Ich mache also etwas, von dem ich weiß, dass es meinen Geist entspannt. Zum beispiel etwas am PC spielen. Allerdings stellt sich oftmals keine wirkliche Erholung ein. Ich verbringe dann schnell viele Stunden damit und finde auch kein Ende, weil ich denke „ich muss jetzt so lange weiter machen, bis ich mich erholt fühle“.

Ähnlich ist es auch mit dem Schlafen. Ich wache meist erschöpft auf. Und dann bleibe ich manchmal einfach liegen und schlafe weiter, auch mit diesem Gedanken „Du musst jetzt so lange schlafen, bis du erholt bist“.

Aber dieser Erholungs-Zustand stellt sich nie ein. Und noch viel schlimmer ist es, wenn meine Erholungszeit begrenz ist.

Z.B. wenn ich nur 3 Stunden zum spielen habe. Dann bin ich total gestresst und schaue dauernd auf die Uhr. Ich schalte nur ab, wenn ich etwas „open end“ tun kann, also ohne Zeitlimit.

Genau so mit dem Schlafen. Wenn ich weiß, dass morgen der Wecker klingelt, dann bin ich total gestresst und schlafe schlecht. Ich wache dann jede Stunde auf und schaue auf die Uhr und denke „nur noch 2 Stunden, ich muss jetzt ganz erholsam schlafen“.

Ich finde mich sehr oft in diesen Teufelskreisen wieder. Ich verbeiße mich dann richtig in Tätigkeiten und werde wirklich gereizt, wenn ich dann raus gerissen werde. Wenn ich am PC spiele, und dann ruft ein Freund an, dann bin ich wirklich innerlich gereizt. Oder wenn ich kochen muss weil wir essen wollen. Dann habe ich das Gefühl, mir fehlt die Zeit.

Dieses Verhalten ist leider nie zielführend. Diese erhoffte Erholung durchs Entspannen oder Schlafen tritt nie ein, und ich beginne die meisten Tätigkeiten schon erschöpft und müde. Danach falle ich ganz schnell in ein „Ich muss mich erholen“ Modus, bei dem ich dann jede Unterbrechung als extrem Anstrengend empfinde. Und so geht es oft Tagelang oder Wochenlang.

Kennt das jemand auch und hat eventuell Strategien dagegen? Es ist eine rein emotionale Sache, und ich finde es extrem schwer, meine Emotionen „umzuprogrammieren“.

Hey Dennis,
das würde mich auch mal interessieren, ist nämlich bei meinem Partner auch so.
Ich schwanke da noch zwischen Zeitblindheit und Mediensucht… Sucht ist ja bekanntlich vermehrt bei ADxS so ne Sache…
Du schreibst ja auch, dass du gestresst bist, wenn du nicht unbegrenzt Zeit damit verbringen kannst, zu spielen. Das gemeine ist ja, dass dabei Glückshormone ohne Ende abgefeuert werden…
Deswegen denke ich nicht, das es eine REIN emotionale Geschichte ist… Da hilft nur eins, AKTIV dagegen Steuern.
Leidensdruck ist ja da…
Liebe Grüße

Sich erholen wollen, aber nicht können, das kenne ich auch gut.

Insbesondere wenn abends die Wirkung meines Medikamentes aufhört, fängt es an dass ich selbst entspannende Beschäftigungen wie Musik hören oder lesen nicht mehr strukturiert durchziehen kann, statt dessen drei Dinge gleichzeitig anfange und vor allem den richtigen Zeitpunkt zum Aufhören verpasse. :oops:

Hallo Denis,

Ja, ich erkenne mich absolut in allem wieder. Gut, ich spiele zwar keine Computerspiele, aber versuche anders zu „entspannen“.
Und genau so wie bei dir, wenn ich mir die Zeit dazu nehme, kommen die gleichen Gedanken wie bei dir. Abends wenn ich tatsächlich Zeit dafür habe werde ich leider schnell müde und erschöpft, um richtig bei der Sache zu sein.

Die Unfähigkeit zum Entspannen und richtige Erholung ist leider ein typisches Adxs Symptom.

Die letzten drei Tage hatte ich Urlaub und wollte gechillt im Garten rumgammeln. Also liegen, im Netz surfen und schlafen. Es war keine Entspannung, denn es kamen ununterbrochen Gedanken wie: „ heute ist das Wetter zwar schön, aber nächste Woche wieder nicht, der Sommer ist vorbei, also muss ich es heute unbedingt genießen“,“in drei Stunden muss ich mit den Hunden raus, also habe ich nur 3 Stunden zum chillen“ usw.

Kurz: ich habe nicht so viele Verpflichtungen, aber die Wenigen, die ich habe, machen mich kaputt. Dazu noch das schlechte Gewissen, dass die mich kaputt machen.

Ich glaube, ich habe mich gehen lassen.
Oder es ist das Ergebnis vom frühen Leben auf 180.
Im Alter zwischen 19- 30 Jahren habe ich täglich 12 Stunden gearbeitet und neben an studiert und habe mich nie so müde und erschöpft gefühlt wie jetzt.

Vielleicht ist Rumgammeln eben für ADHSler nicht ideal. Das scheint mir aus mehreren Gründen logisch(er).

In der Version „Gammeln ohne neue Reize“ fehlen irgendwann die Stimuli. Ich glaube, in UlBres Lexikon läuft das unter Dysphorie bei Untätigkeit. Ich habe das - wie fast alles - von Sherlock Holmes gelernt: Der dreht immer durch, wenn er keinen neuen Fall hat und kokst dann.

In der Version „Gammeln dank Reizüberflutung“ /Zocken, Binge-Watching, Internet-Foren etc. ist das Aufhören-Können, Ausschalter finden, etc. doch eine „Spezial-Herausforderung“. Ich bin daher inzwischen bei Tätigkeiten vorsichtig, von denen es eigentlich „nicht genug“ geben kann. Anders zB bei gemäßigter körperlicher „Aktiverholung“, die ermüdet und so ihr Ende findet.

Also ehrlicherweise: Manchmal müssen wir vielleicht die Konsequenzen aus den bisherigen Erfahrungen ziehen. Wenn mir 3 h Zocken nicht gut tun, wie wahrscheinlich ist dann, dass 5 h besser sind? Auch wenn das Dopamin-Teufelchen mir das einflüstern will. Kann man ja mal 1 - 3 x ausprobieren. Oder einmal 5 h und dann mal 7 h, aber dann im Selbstexperiment mal was anderes. Was Irres wie: Nicht gleich wieder hinlegen, wenn ein Brief zum Briefkasten gebracht wurde, sondern noch eine weitere Runde um den Block dranhängen. Und beobachten, was passiert und ob es besser oder schlechter wird.

Ist ohne Diagnose und Behandlung schwerer und vielleicht zu schwer, keine Frage. Dass ohne Dopamin alles härter ist bis hin zum Fussel vom Boden aufheben, geschenkt. Auch da gibt es aber förderliches Verhalten und selbstschädigendes.

Ganz gute Erklärung/Intro in dieser Therapie-Demo: Psychotherapeutische Behandlung von ADHS im Erwachsenenalter - YouTube , sowohl für Suchtanfälligkeit und Tiefpunkt bei Unterstimulation in freier Zeit. Ist eben alles immer erstmal eklig, weil mit „genauem Hinschauen“ und einer Tonne Scham verbunden, aber dann auch in seiner Erklärbarkeit erschreckend banal und außer Verhältnis zu unserem Leidensdruck.

Aber ich will rumgammeln und richtig tief entspannen können :neiiin :cry:

Ich weiß. Nichts darf man.

Aber:

Das regulieren macht mir wirklich starke schwierigkeiten. Computerspiele sind das einzige, bei dem ich wirklich entspannen kann (selbst wenn es nur wenig ist und auch mal stunden dauert). Ich reguliere es sehr oft, eigentlich jeden Tag. Es tritt aber keine Gewohnheit ein. Es ist nicht so, dass es mir irgendwann einfacher fällt. Es ist noch immer genau so schwer wie an Tag 1 vor einigen Jahren.

Darum ist das Resultat oft folgendes: Das regulieren raubt viel kraft, die fehlende Entspannung raubt auch kraft, und letztlich bin ich völlig erschöpft, obwohl ich garnicht Spiele. Das ist das frustrierende daran. Ob ich spiele oder nicht ist egal, ich ende damit dass ich erschöpft bin und gereizt.

Es ist ein wenig so, als sollte ich statt 8 Stunden nur noch 5 Stunden jeden Tag schlafen. Natürlich habe ich dann 3 Stunden mehr am Tag um etwas zu erledigen. Resultat wäre aber, dass ich so müde und Gereizt wäre, dass ich eher noch weniger schaffe als vorher. Ähnlich ist es mit dem Spielen. Wenn ich es reguliere, werde ich nicht produktiver. Ich bin dann meist einfach nur „Taub“, also in so einer art Autopilot und trete kaum in Verbindung mit irgendwas.

In einer Therapie hatten wir mal das schöne Wort „Resonanz“. Da ging es darum, dass man mit bestimmten Dingen oder Themen in Resonanz tritt, und das inspiriert und motiviert uns. Meine Liste an Resonanz-Körpern ist ziemlich klein, und wird auch immer kleiner. Vieles tue ich, ohne irgendwas dabei zu empfinden. Computerspiele sind eines dieser Dinge, wo ich noch in Resonanz trete. Wenn ich mir das reguliere, dann merke ich sehr schnell, wie die Depression und unruhe steigt.

Mein Problem damit ist, dass ich Rational ganz viel weiß. Was gut wäre, wie ich es besser machen könnte, was ich ändern könnte usw. Aber mir fehlt das Werkzeug. Es gibt nichts, woran ich an diesen Gefühlen schrauben kann. Sie sind so uuuuunglaublich Dickköpfig. Ich kann mich Jahre oder Jahrzehntelang regulieren und versuchen, umzugewöhnen. Aber es hilft nichts, die Gefühle stecken fest und warten nur auf ihre „chance“. Ich hatte auch wirklich viel Therapie, was mir auch viele Ideen gegeben hat. Nur hat keine Therapie bisher wirklich etwas geändert.

Wie gesagt, es ist als würde mir ein Werkzeug fehlen. So als würde ich seit 15 Jahren dadrüber nachdenken, welche Schraube ich drehen muss, damit es mir besser geht. Aber ohne Schraubenzieher bleibt es eben dabei, dass es nur eine Idee bleibt. Ich kann natürlich mit meinen Fingernägeln versuchen, an der Schraube zu drehen (das entspricht meinen Regulationsversuchen). Aber das endet nur damit, dass ich mich verletze oder mir die Finger weh tun. Ich bin darum mein Leben lang schon auf der suche nach diesem Schraubenzieher, um endlich all die Schrauben zu lösen, über die ich schon seit vielen Jahren mit Therapeuten rede.

Wichtige Erkenntnis. Du bist der größte Experte für Dich selbst und wirst es mit jeder weiteren Erkenntnis immer mehr sein. Es wäre sicher fatal, wenn Dir basierend auf Allgemeinplätzen wichtige Stabilisatoren weggenommen werden, ohne einen konstruktiveren Ersatz anzubieten. Da würde ich auch kritisch bleiben und aufpassen.

Vielleicht ist es ja wie bei Tetris, und die Diagnose mit Medis im Anschluss ist das eine Teil in türkis, in der Mitte länglich, oben so ein L-Ende nach rechts, das Dir jetzt noch fehlt.

Gedrückte Daumen. Dafür lohnt es sich bestimmt, auch über HH hinaus zu suchen. Vielleicht ja sogar stationär, verbunden mit einer kleinen Reboot-Camp-Option. (Ich kriege zB ständig diese Meldungen: „Wir konnten das Update nicht laden, da Ihr Gerät nicht an die Stromversorgung angeschlossen war. Wir versuchen es später erneut.“)

Bis dahin kannst Du ja schon mal alle bisherigen Erkenntnisse festhalten, damit Du genau weißt, wie Du das ersehnte Tetris-Teil drehen und wenden kannst, damit es effektiv in die beste Position fällt. Das wird ja nicht entbehrlich werden. Jede weitere Hilfe von außen wird doch maximal auf ein oder zwei 45 min-Sitzungen in der Woche rauslaufen, wenn es sehr hoch kommt. Da hast Du viel mehr Erfahrung als ich. Für die müsste man wohl so ein „Weiß ich schon, funktioniert bei mir nicht“-Ping-Pong immerhin effektiv vorbereiten.

Aber am Ende werden wir uns alle selbst hacken müssen.

Hm. Ich stimme zu, dass Zocken, Serien und Konsorten nicht wirklich erholsam sind.
Und auch ich kenne den Stress, dass ich mich jetzt doch erholen muss, das schöne Sommerwetter genießen muss, … :frowning:

Ich kam und komme für mich punkto Erholung aber erst auf einen grünen Zweig seit ich mir Gammeln grundsätzlich erlaube und zwar mit genau den Tätigkeiten, die eigentlich „verboten“ sind weil sie eben nicht wirklich erholen - Zocken, Serien und Konsorten.
Wobei das nur ein Teil der Lösung ist, ich komme gleich dazu.

Auch dass wir ADHSler keine Leerläufe vertragen, und daher immer für Beschäftigung sorgen sollten … ich weiß nicht, dass ich dauernd was tun soll/möchte/muss … das stresst doch total :? und ich glaube auch nicht, dass das so stimmt. Ich glaube nicht, dass es ständigen Stimulus braucht.

Ich glaube vielmehr, dass „wir“ unter anderem deswegen in irgendwelche stundenlange Sinnlostätigkeiten abtauchen, damit endlich mal „Ruhe“ ist. Ich glaube ewig Zocken oder Serie oder Internet hat weniger (bzw. nur zum Teil) mit den Dopamin-Kicks zu tun, als vielmehr damit dass endlich mal Ruhe ist. Das Gehirn mit irgendwas Belanglosem „beschäftigungstherapiert“ und low-level ruhiggestellt und damit abgelenkt ist von den sonstigen Gedanken, die da rasen und einen echt selbst betreffen: ich sollte, ich könnte, ich hätte schon längst sollen, die anderen, morgen, gestern, das könnte ich mal machen, Idee hier, Idee da, …
So wie der Föhn oder das Regengeplätscher beim Einschlafen hilft, weil es als Aufmerksamkeitspunkt im Raum steht aber nicht stimuliert. Oder das Radio beim Lernen gerade genug ist um das Ablenkpotenzial einzufangen und zu kanalisieren und der Rest vom Hirn tun kann was es soll.

Nochmal vorweg: mir ist klar und ich weiß aus Erfahrung, dass nur „gesunde“ Sachen mich wirklich erholen. All das, was immer empfohlen wird: Schlaf, gesunde Ernährung, Bewegung, Sozialkontakte, …

Fakt ist auch, dass man für alle dieses Gesund-Erholsame auch Willenskraft und Energie braucht, auch Planung und Vorbereitung.
Wenn der Akku aber schon entladen ist - woher die Kraft für den antidepressiv wirkenden „30 Minuten strammen Spaziergang“ nehmen? Oder wenn jetzt Hunger dann den Einkaufzettel schreiben oder für den Kochkurs anmelden?
Wenn ich ausgelaugt bin, dann hilft es nicht, auf die vernünftige Art der Erholung zu schielen. Okay, wenn das wer schafft, Hut ab, und bitte den Trick verraten :!:

Naja, was also tun?

Ich glaube, ich habe zumindest einen Trick.
Und in irgendeiner ADHS-Literatur oder -Film fand ich das kürzlich bestätigt a la: „Struktur ist bei ADHS sehr wichtig, aber genauso wichtig ist, dass es auch unverplante Zeiten gibt. Der Trick ist, unverplante Zeit einzuplanen, damit sie nicht ausufert oder zerstörerisch wirkt“ - vielleicht komme ich ja noch drauf, wo ich das gefunden habe. Leider merke ich bei manchem Fundstück erst später, dass das jetzt wohl ein kleiner Splitter vom Stein der Weisen war.

So kam ich jedenfalls drauf:

Mir ist vor Jahren aufgefallen, dass ich nachmittags rein gar nichts schaffe. Habe mich aber dennoch gequält, weil ich muss ja und soll ja und andere machen ja auch und ich bin eh schon so weit zurück. Meist habe ich aber versagt und mich vor die Glotze gelegt, den Tag innerlich als verloren abgeschrieben (und damit meine Leistung bis dahin negiert) und konnte mich dann bis weit in die Nacht hinein nicht mehr losreissen. Nachtruhe also auch im Eimer. So ungefähr.
Dann habe ich mir gesagt: so ist doch sinnlos. Wenn ich mich nachmittags zum Arbeiten zwinge kommt eh nix raus, weil ich zu platt bin. Und wenn ich mich vor die Glotze lege, kann ich das auch ohne schlechtes Gewissen, könnt ich das wenigstens genießen.
So hab ich mir ab da meine fittesten Vormittagsstunden für die wichtigen Dinge genommen und mir den Rest des Tages freigegeben. Insbesondere habe ich mir erlaubt, mich nachmittags hinzulegen und mir ein paar Folgen Serie reinzuziehen. Ich hab das präventives Erholen genannt. Also geplantes Gammeln mit gutem Gewissen und erhobenem Haupt. Bevor ich komplett gaga bin und niederlagengebeugt aufgebe. Serie nachmittags im Bett als Gesundheitvorsorge nicht Sinnbild des Versagens.

Das war einer der wichtigsten Punkte in meinem Leben.

Denn ich habe exakt das gleiche gemacht wie vorher: nachmittags im Bett liegen und Serie schauen. OBWOHL ich etwas anderes machen sollte, eigentlich und zwar auch sehr dringend.
Aber es war, durch die Geplantheit und damit die vollständige Abwesenheit von schlechtem Gewissen wie TAG und NACHT. Sowohl im Erleben als auch in der Wirkung.

Ich glaube, gerade WEIL ich genau das gemacht habe, wonach mir war - nämlich Serienschauen - und nicht das was ich machen hätte sollen, um mich lehrbuchartig zu erholen wie zB. Meditieren, ein schönes Bad nehmen, ein gutes Buch lesen, mit lieben Freuden treffen, einen entspannten Spaziergang, ein interessantes Hobby, digital Detox, … und was man sonst noch so für Vorschläge bekommt, hat es so deutlich werden lassen, dass es nicht an der Tätigkeit liegt (oder auch Untätigkeit). Sondern erstens darum welche innere Stimme mich dabei begleitet: „schon wieder liegst du nur faul rum!“ vs. „soll ich dir noch Tee und Kekse bringen oder heute lieber die Bonbons?“. Und zweitens und vor allem dass ich nicht dem finsteren Faulheitsdämon unterliege, mit seinen Freunden Depression, Scham, Selbstvorwurf, sozialer Rückzug, … sondern dass mein inneres Parlament nach eingehender Debatte und Abwägung entschieden hat, dass nachmittags im Bett gelegen und Serien geschaut wird, punktum. Das ist Gesetz, weil das derzeit das Geschickteste zur Schadensbegrenzung ist und gleichzeitig eine Investition in einen guten Abend und vor allem produktiven nächsten Arbeitsvormittag, die ab da deutlich besser wurden.

Das hat so gut funktioniert, dass ich diese Erkenntnis auch auf andere Alltagsthemen angewandt habe. Punkt 1 ist immer zu gucken wonach mir ist und dann 2. versuchen mir dabei so weit es geht entgegenzukommen. Aikido - die Kraft des Angriffs, oder hier des Widerstands bzw der Erschöpfung, so umzuleiten, dass es in Summe zu meinem Vorteil gereicht. Kompromiss und Konsens zu suchen zwischen dem was mein schwaches Fleisch und dem was mein williger Geist will.

Und wenn ich mich mal von da abgeholt habe wo ich bin, kann ich die Kreise auch ausweiten.

noch ein Beispiel: Fitnesscenter.
Vier interessierende Kurse, einer davon vormittags, zwei abends, einer später Nachmittag. Vormittags ging ich nie, weil ich da ja meine fitteste Zeit hatte, die war für den Schreibtisch reserviert. Und abends ging ich nie, weil ich abends, nach einem anstrengenden Tag an dem ich schon x Widerstände überwunden habe, diese Willenskraft nicht mehr habe. Monate vergingen.
Bis ich mich endlich überwand und den einen Vormittag „opferte“ und statt am Schreibtisch zu knechten ins Fitnesscenter ging. Der Kurs war wie erwartet genau das richtige für mich, ich war Feuer und Flamme und bald zog es mich auch zu den Abendterminen ohne jede Überwindung hin.
Das Erfolgserlebnis im Fitnesscenter wirkte sich natürlich auch positiv auf die Schreibtischarbeit aus. Den investierten Vormittag hatte ich so gesehen bald herinnen.

Heute gönne ich mir einen Tag pro Woche an dem ich nichts muss, nichtmal aufstehen. Es ist der Samstag.
Klappt nicht immer. Aber gerade heute merke ich wieder mal, wie wichtig das ist und wie sehr ich diesen Tag gegen Besitznahme durch Verabredungen, Unternehmungen oder Erledigungen aller Art verteidigen muss.
Und je mehr ich nichts muss und mein Nichtstu-Bedürfnis gesättigt ist durch diese Lizenz zum Gammeln, desto gut-erholsamer werden meine Samstage. Da fange ich plötzlich die eine oder andere klassische Freizeittätigkeit an, für die ich ohne präventive Erholung niemals die Energie gehabt hätte. Komplett intrinsisch und ohne ich müsste doch.

Wenn es dagegen mal eher ganz schlecht ist, und ich gar nichts kann und will, der Akku leer ist, dann werden es, je nach Situation und Möglichkeit, auch mal paar Tage hintereinander, in denen ich „im Bett bleibe“. OHNE Vorwurf. Aber mit der Gewissheit, es geht vorbei.
Ich nenne das Aussitzen. Ruhe bewahren und Aussitzen.
Ich kann mir aus Erfahrung sicher sein, dass es mir irgendwann so auf die Nerven geht, dass ich dann wieder aufstehe und anfange aufzuräumen und die Ärmel hochkrempele für den Rest der Zumutungen des Lebens. Vermutlich auch weil ich genug entstresst habe, weil ich in diesen Tagen des Rumliegens keinerlei Anforderungen an mich stelle.
Es ist kein schöngeistiges mit der Seele baumeln, solche Tage, aber sie sind wunderbar frei von jeglicher Getriebenheit. Ich kann und darf durch die Gegend mäandern wie ich es will. Es gibt keine Uhr, keinen Termin, nichts. Ausatmen.
Ich bin erschöpft? Also lasse ich mich erschöpft sein.
Denn es ist nur ‚ne Phase - das bleibt nicht für immer so stehn‘!

Soweit also das erlaubte Gammeln, Nichtstun, mein „präventives Erholen“.

Aber was ist nun mit den „guten“ Erholungstätigkeiten?

Die brauchen alle Überwindung und Planung und jedenfalls eine Ausgangs-Energie. Im Alltag lade ich meine Batterien am besten durch möglichst zuverlässige Selbstfürsorge hinsichtlich der Basisbedürfnisse. Und das lässt sich am besten a) morgens und b) als Routine organisieren.
So plane meine Woche und meine Tagesstruktur entsprechend, dass das alles irgendwie abgedeckt und mitgenommen wird. Klappt natürlich nicht immer, teils nur bruchstückhaft, aber so ein Grundrauschen an Gesund-Erholsamen ist zumindest da, und wenn es manchmal nur mental ist, als Wissen, dass ich auf diese Struktur aufspringen kann, weil sie hier vor mir liegt und grundsätzlich funktioniert. In meinem Tagesgrundgerüst ist ausreichend Schlaf, Sport/Bewegung, gesundes Essen, ausreichend Trinken, funktionierender Haushalt und Pausen als alltägliche Basis integriert.
Es hat mich einige Mühe gekostet, zu akzeptieren, dass das alles Zeit braucht. Und je besser ich mich möglichst ohne innere Diskussion an meiner Struktur entlanghangle desto besser geht es mir und ich bin nicht so schnell erschöpft und im Idealfall ist genug Energie übrig bzw. aufgebaut um Erholung auch über klassische Freizeitaktivitäten zu planen.
Dass ich mich nicht 100% an diesen Plan halten kann oder muss… da bin ich gnädig mit mir. Oft hänge ich hinterher. Oder lasse aus. Da das richtige Maß an Flexibilität zu erwischen ist auch nicht so einfach.
Ich muss aber nicht jeden Tag neu erfinden und entscheiden, dass es gut wäre etwas zu kochen. Und das ist eine große Entlastung.

Wenn ich vom Briefkasten zurückkomme, ein Weg den ich zu Fuß erledige, bin ich auch geschafft und brauche eine Verschnaufpause. Ich setze mich dann hoffentlich nicht vor den Rechner, denn dort versacke ich uU stundenlang, sondern mit Handy und etwas zu Trinken auf den Balkon. Noch ist ja Sommer.

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@TulipRulesOkay Das hätte auch eine Kolumne in einer großen Zeitung sein können! Echt toll geschrieben :slight_smile: und viele gute Denkanstöße!

Da sprichst Du sehr viele sehr wahre Worte sehr gelassen aus!

Ja! ist das nicht dämlich?

Das ist tatsächlich das, was mir 20 Jahre lang das Arbeiten ermöglicht hat: Dudelfunk auf sehr geringer Lautstärke. Mein Argument für die restlichen Betroffenen: „dann beruhigt sich meine spazierengehende Hirnhälfte!“ - das war noch vor meiner Diagnose.

Was für mich wirklich richtig erholsam ist, ist das bewusste und tiefe in-der-Tätigkeite-Sein.

Das konnte ich als Kind mal - das ist aber schon lang her.

Das mag damit zusammenhängen, dass ich immer mit SOOO großen Augen auf andere geschaut habe - also praktisch immer „außer mir“ war.
Dieses nach außen Gerichtete ist das, was mich erschöpft.

Ich übe das z.B. beim Putzen, beim Garteln, aber auch bei Kleinigkeiten, wie zB. wenn es darum geht, ein Formular mit der Hand auszufüllen.
Bei mir zu sein. Das ist anstrengend, trotzdem erfrischend.
Alle Sinne einzuschalten, zu fühlen (Oberfläche, Stoff, Wärme, Konsistenz …) zu riechen, mich selbst wahrzunehmen (Außengrenzen)…

Das klappt bei mir mal so hier 5 Minuten und dort 5 Minuten, das reicht aber aus. Ich werde besser.
Wichtig ist, überhaupt dran zu denken, dass ich das jetzt tun könnte.

Fernsehen gehört komplett zum diesen inaktiven, nach außen gerichteten Tätigkeiten und entspannt nicht. Wurde so übrigens auch mehrfach nachgewiesen. Das erschöpft!! Selbst wenn es mich scheinbar von mir selbst erlöst…

Bei Computerspielen hängt das, würde ich behaupten, vom Spiel ab. Auch hier kann bestehender Stress verstärkt werden.

Aber das wäre ein Ansatz:
Vor dem Spielen kurz bewusst entspannen und zu sich selbst kommen.
Wenn der Grundstress vorher durch eine Einheit (Sport, Kurzmeditation, ein paar Tibeter oder Sonnengrüße, wahlweise auch ein verdroschener Boxsack) gesenkt ist, dann kann ich mir vorstellen, dass das Spielen selbst erholsamer ist.
Im Spielen wenn möglich bei sich bleiben oder ab und an bewusst zu sich kommen. Sich spüren.

Nur so eine Vermutung.

Ich spiele nicht. Dafür habe ich gestern 6 Folgen einer dämlichen Serie gesuchtet…
Unentspannend, aber trotzdem chöööön…

Hier <URL url="Gammeln für Prokrastinierende - #7 von TulipRulesOkay text=„viewtopic.php?f=11&t=2552&p=32608&hilit=Gammeln#p32509“>Gammeln für Prokrastinierende - #7 von TulipRulesOkay noch mal der Link auf den Gammel-Fred…

Wie du das beschreibst erinnert das an Flow-Erlebnisse. Flow, also ganz bei einer Sache sein, drin versunken sein, ist ja total zeitlos, und auch spielerisch. Von daher passt das zum kindlichen Spiel.

Ich frage mich aber gerade, ob so manches vermeintliche Flowerlebnis in Wahrheit nicht eher ein Hyperfokus ist. Ich kann ja ganz schlecht aufhören, fast egal was ich mache. Auch Dinge, die ich vorher ewig prokrastiniert habe. Und bin dann oft total geschafft.
Was dann bitter ist, denn die längste Zeit dachte ich dass ich gerade was Erholsames mache, hab mich aber weiter in die Erschöpfung manövriert.

Und jedes Tal das ich runter bin muss ich dann ja wieder hochklettern.

Die Lösung ist, wenn ich so drüber nachdenke, vermutlich einzig und allein der Timer, der eine Pause erzwingt, weg von der Sache, sich idealerweise spüren, und eventuell draufkommen, dass es jetzt auch mal gut ist