Euer Umgang mit Motivation, Disziplin und Prokrastination bei ADHS

Guten Tag liebe alle,

ich bin nun seit ca. 6 Monate mit Medikenet unterwegs und muss sagen, dass es mir sehr gut im Alltag hilft. Ich nehme mal 20mg (20-0-0) und mal 30mg (20-10-0). Abhängig davon wie der Tag so ist. Es ist so, als würde man die Fenster schließen, wenn der Straßenlärm (Gedanken usw.) zu laut wird und endlich kann man in Ruhe konzentriert arbeiten. So fühlt es sich an, wenn das Medikament wirkt. Es ist Ruhe.

Auch nach Feierabend habe ich deutlich mehr Energie kleinere Aufgaben wie Haushalt, oder aber auch Sport zu machen, als vor der Medikation. Das kommt vermutlich daher, dass ich über den Tag hinweg nicht mehr so reizüberflutet bin. Auf alles und jedes Detail zu achten, dies zu hören, das warhzunehmen, darüber nachzudenken, sich an jenes zu erinnern hat spürbar an der mentalen Kapazität gezerrt und mich abends teilweise ausgelaugt auf dem Sofa liegen lassen.

Nun möchte ich mich sehr gerne mit Euch austauschen und verstehen, wie ihr mit dem Thema Frühaufstehen und Motivation generell umgeht. Mir fällt es morgens wenn der Wecker klingelt (ca. 7 Uhr) an jeglicher Motivation auch wirklich aufzustehen. Auch wenn ich den Abend davor super motiviert gewesen bin und mich darüber freue den Tag zu “tacklen“. Ich möchte sehr gerne morgens vor der Arbeit zum Sport gehen, weil ich dann nach Feierabend wirklich frei habe. Außerdem war es bislang immer ein tolles Gefühl, morgens etwas für sich und seinen Körper getan zu haben. Aber so lange mein Vorhaben keine kindliche Vorfreude mit sich bringt, wie Kind vor einem Geburtstag, ist es häufig bereits vorher zum scheitern verurteilt.

Daher meine Frage an die Community:

Wie geht ihr damit um die Dinge zu tun die getan werden müssen, wenn sie es müssen. Ob ihr Lust habt, oder nicht.

Ich bedanke mich im Voraus für Eure Antworten :slight_smile:

VG

Vielleicht hast du die falsche Einstellung zum Sport bzw. hast es nicht geschafft länger beim Sport dran zu bleiben.

Ich möchte den gar nicht einfach hinter mich haben. Wenn du das Gefühl hast, hast du wahrscheinlich nicht das gefunden was dich erfüllt.

Ich habe in 2010 mit Sport angefangen, da war ich noch anders schwer krank und da fand ich das auch im alten Studio sehr anstrengend. Das Studio von den Leuten aber auch von der Aufmachung und Personal macht schon extrem viel aus.

Ich habe im März oder April 2020 das Fitnesstudio gewechselt von Kette mit 24std Betrieb zu inhabergeführtem Fitnesstudio. Anfangs war zu viel Geräte und Ausdauer angesagt bis mir der Betreiber (Frank) auf den Geist ging und ich die ersten Kurse belegt habe. Seidem bin ich meist 4 mal die Woche in einem Kurs und fltze einfach mal rasch so 45 min auf den Crosstrainer oder auch 90 min mal eben schnell so. Mir war es die letzten Monate nicht möglich und das konnte man mir extrem an meinen Launen und auch an meiner Unausgeglichenheit bemerken. Seit letzter Woche gehe ich wieder in 2 Kurse und zwischendurch einfach mal schnell so ne Runde crossen und das macht extrem viel positives mit mir.

Ausdauersöort ist so ca. 30 min danach wie fliegen, frisch verliebt sein, 8 Wochen im Traumurlaub gewesen zu sein was sich klar im Leben widerspiegelt und auch den Schlaf positiv beeinflußt.

Es gibt Motivation, eine größere Frusttolleranz, innerliches Glück. Ich muß ja in dem Sinne nicht - ich muß nur für mich und mein Wohlergehen…

Ich habe weil Antidepressiva und co gegen meine Chronischen Depressionen nicht halfen und mir sehr schlecht taten angefangen zum Sport zu gehen. Nach 3 Monaten war es nicht mehr so hart und anstrengend, irgendwas veränderte sich was ich da noch nicht greifen konnte und als ich merkte, das gerade Ausdauersport Einfluß auf meine Depression nahm und sie linderte habe ich den Sport mit und mit wie eine Art Sucht ausgeweitet, weil es mir so viel extrem besser ging und damals diese Unruhe, Spannung und Überenergie verbesserte (unentdeckte Adhs) die erst im März 2024 diagnostiziert wurde.

Wieso tust du dir eigentlich nichts gutes und nimmst jeden Tag 20 - 10 Medikinet? Vielleicht bist du dann zu Hause auch energiegeladener und bekommst mehr Freude insgesamt?

Ich hatte immer 2 Gaben Ritalin und eine Tagesabdeckung so 13/14 std, war der Tag länger auch nochmal etwas unretardiertes hinterher das auch 18 std möglich waren und mit Lisdexamfetamin/ Elvanse mache ich es nicht anders. Für mich ist es wichtig, daß ich Freunde besuchen, den Sport machen, Gemeinschaftsdinge, Uni und viele andere Termine unter Medikamenten ohne durch meine ADHS Symptome stark ausgebremst, stark beeinträchtigt oder behindert zu werden.
Das bin ich mir einfach Wert und das ist mir auch wichtig. Ob mit Adhs, Krankheiten oder Depressionen habe ich immer viele Einschnitte gehabt, die meine Zeit und meine Kräfte planten, daß ich solche Einschränkungen nicht freiwillig in Kauf nehmen möchte - sondern möglichst glücklich und möglichst „normal“ (definiere ich selbst)/ selbstbestimmt leben möchte.

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Habe letztens hier groß aufgeräumt. Habe mir tatsächlich vorher überlegt wie, was, wo…

Joa und freue mich jetzt wie es gut aussieht.

Mittlerweile zwinge ich mich teilweise dazu bzw mache es einfach, weil es wird niemand kommen und es für mich erledigen

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Es ist eine Trainingssache, Dinge zu erledigen auch ohne Motivation. Mir haben solche Workbooks aus USA zu ADHD für Collegestudenten geholfen mich auf meine Bedürfnisse zu konzentrieren. Gerade weil ich der einzige bin, der sich um mich wirklich kümmert. Wie @Chris1987 schrieb: es wird niemand kommen und es für mich erledigen.

Evtl. liegt es auch an deinem (Ein)schlafverhalten bzw. deiner Abendroutine das es morgens nicht klappt.

Ja es ist ein langer Weg..

Wollte mich letzten Sonntag eigentlich bewegen in Form eines langen Spaziergang… gemacht habe ich es natürlich NICHT….

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@KK_589 wann und in welcher Verfassung gehst Du Bett?

Bei mir hat sich das in den letzten Jahren von “ich will noch nicht ins Bett, der Tag soll nicht enden” gegen Mitternacht auf “ich bin müde und angenehm erschöpft - ist es endlich 21:00, darf ich jetzt ins Bett” gedreht. Mit dem Ergebnis, dass bei mir als jahrzehntelang vermeintlichem Langschläfer der Wecker nun um 6 klingeln würde, wenn ich ihn nicht 10 Minuten vorher schon ausgeschaltet hätte. Und ich dann sofort sowohl Lust habe als auch etwas machen kann.

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[…] langer Weg..

[..] langen Spaziergang… gemacht habe ich es natürlich NICHT….

Schon mal was kurzes probiert? :wink:

Ist halt eine Motivationssache

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Alle liebe alle und erstmal herzlichen Dank für die Antworten und Gedanlenanstöße :slight_smile: @Dosierungshilfe und @JohMazi das ist gar nicht einmal so abwegig. Mir ist mal irgendwann aufgefallen, dass der Abend davor sehr viel damit zu tun hat, wie der Morgen bei mir startet.. Aktuell ist es eher so, dass ich abends noch ein bisschen TV schaue und dann irgendwann um eine ähnliche Uhrzeit schlafen gehe (zw. 22:30 und 23:00). @JohMazi was genau meinst du mit Bedürfnisse? Man kann sich hier ja auch schon schnell selbst belügen und sagen “auf dem Sofa liegen und netflixen ist gerade genau mein Bedürfnis” :wink:
Vielen Dank

@Kathy Danke, ich habe es so noch nicht betrachten. Also weg vom ich “muss” es hinter mir haben, hin zum ich möchte es proaktiv immer wieder. Mit 20-0-0 komme ich gut zurecht. Ich glaube, dass ich einfach nicht so viel brauche.

Aktion erzeugt Motivation.

Problem ist einfach, dass die Gedanken überall gleichzeitg sind: Wir denken oft, wir wollen eine freie Straße und die Möglichkeit, jede Richtung selbst zu wählen. Aber manchmal brauchen wir einen Tunnel, der unsere Auswahlmöglichkeiten reduziert und uns in eine fokussierte Richtung schickt.

Also zu viele Möglichhkeiten ohne den Fokus auf das, was gut tut. Das ist nicht unbedingt direkt das Bedürfnis, was gerade in den Gedanken ist.

@KK_589 Das gilt es eben herauszufinden. :wink: Medikamente sind ein Teil, Verhaltenstherapie bzw. auch üben und trainieren von neuen Abläufen. Ich war in den ersten Tagen überwältigt, woran ich überall arbeiten bzw. machen kann. Ohne Therapie hätte ich überhaupt nicht gewusst, was meine Grundbedürfnisse sind und was Launen, die die Quatschies durch mein Hirn jagen.

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Aktion erzeugt Motivation gefällt mir sehr. Das habe ich auch beobachten können.

Das damit einhergehende „Gefühl“ kann also ein Zustand sein, auf den ich aktiv [[Einfluss]] habe?
Denn wenn ich nicht meine [[Gedanken]] bin und ich [[Flow]] empfinde, in dem ich bestimmte Dinge [[tue]], dann kann ich doch durch meine [[aktiv]]en [[Handlung]]en potentiell [[Einfluss]] auf meine [[Stimmung]] nehmen?

Und das führt letztendlich dazu, dass wie du sagst aus Aktion, Motivation wird.

Fang so an, wie du auch später weitermachen willst.

Wenn du was Neues anfängst, denk daran, was du dir zur Gewohnheit machen willst, nicht nur daran, wie toll das Ende werden soll. Was soll später ganz automatisch gehen? Das mache ich jetzt, weil ich früher immer dachte: Am Anfang ist alles durcheinander, dann passiert ADHS-Zauber, und dann klappt alles perfekt für immer ohne Fehler, weil ich es endlich verstanden habe.

Jetzt, wo ich auf Gewohnheiten achte, freut sich mein Gehirn über kleine Sachen wie: „Ich hab was auf meine Liste für morgen geschrieben. Ich hab’s aufgeschrieben. Ich bin jetzt jemand, der wichtige Sachen aufschreibt.“

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Klingt ein wenig nach Atomic Habits

Du weist es doch schon. Einfach mal machen :wink:

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Simplimus, der Rächer des Einfach-Imperativs, is watching you.

Eigentlich war geplant, dass die nächste Staffel des Seligenburger Adventskalenders rund um den Dr. Rattson-True-Crime-Bestseller „Die mysteriöse Käserinde“ spielt.

Aber vielleicht erleben wir auch einen Wechsel ins Horror-Genre:

„Niklas war zu Besuch bei seiner On- Off-Beziehung Kira in den USA. Sein Rückflug hatte sich etwas verzögert, da zunächst noch ein überfüllter Abschiebeflieger nach Alligator Alcatraz die Startbahn blockierte.

Als Niklas‘ Handy-Akku leer ist und er das Ladekabel versehentlich im Koffer eingecheckt hat, vertieft er sich in zwei amerikanische Selbsthilfe-Bestseller, die jemand (scheinbar) achtlos im Boarding-Bereich liegengelassen hat. Einige Flugstunden später scheint er ein anderer Mensch. Im literarischen Honeymoon macht er morgens zuerst sein Bett, redet auch sonst viel von Routinen und folgt den 12 Geboten von Jordan B. Peterson. Zunehmend gerät er auf die schiefe Bahn. Er tritt sogar der Ortsgruppe der Jungen Liberalen bei. Als er eines Morgens zu Rike sagt, der Haushalt sei einfach nur eine Frage der Organisation und des Willens, weiß Leni: Jetzt kann nur noch Onkel Paul ein Familiendrama verhindern.”

Einfach mal schreiben? Ich glaube, ich mag Niklas zu sehr, um ihm und uns das anzutun. Aber wer weiß.

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Du darfst dich auch verständlich ausdrücken. Was möchtest du mir erklären?

Bisher geht das bei mir nur über Druck.

Für zwei Bereiche habe ich Verabredungen, fixe Termine, mit Leuten, die das dann entweder mit mir machen (Sport) oder für die ich etwas dann vorbereitet/erledigt haben muss (Thema Haushalt). Das hilft, damit ich überhaupt etwas mache und etwas funktioniert, insofern ist es gut; auf der anderen Seite ist es ein weiteres “Muss”. Der Sport macht aber zumindest, wenn ich dann zusammen mit der anderen Person damit angefangen habe, auch Spaß. Nur davor, bis es losgeht, empfinde ich es als Stress. Haushalt dagegen macht nie Spaß.

Vom “müssen” wegkommen ist nicht so leicht, wenn man jahrelang gefühlt nur die Erwartungen anderer erfüllt hat. Ich habe so viel “müssen” erlebt und erlebe es immer noch jeden Tag, dass es für drei Leben reicht. Ich will nicht mehr müssen, aber ich bin auch schlau genug, zu merken, dass wenn ich es als etwas anderes als “müssen” deklariere, ich mich selbst belüge. Mindestens mein Unterbewusstsein weiß genau, was ich gern mache und was nicht.

Du musst mal überlegen, ob du eventuell ausgebrannt bist (wie ich) und mal eine längere Pause bräuchtest, oder ob es doch nur ein reines Organisations- und Motivationsproblem ist. Im zweiten Fall könnte es helfen, bestimmte Dinge nur anders zu organisieren, Anreize und Routinen zu schaffen. Dafür gibt es 1000 Tipps im Internet, die aber alle nicht funktionieren, wenn man ausgebrannt ist. “Einfach mal machen” ist dann so sinnvoll wie “lach doch mal” bei Depression.

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So funktioniert das nicht. Du musst schreiben, dass @Elementary sich auch einfach verständlich ausdrücken kann. :winking_face_with_tongue:

(Das Wort einfach wird im Umgang mit ADSlern oft verwendet, und zwar von anderen, für die Dinge einfach sind, die für uns eben gerade nicht einfach sind.)

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Danke, @Dosierungshilfe, für die hilfreiche Einordnung. Ich bin wohl als Kind tatsächlich in den “Einfach mal …!”-Topf gefallen und habe ein Attest über die Folgeschäden.

Natürlich hat auch @JohMazi Recht: Es hätte womöglich Threads gegeben, in denen mein Beitrag besser aufgehoben und weniger rätselhaft gewesen wäre. Tut mir Leid. Der kleine Geschichtenanfang passte hier wirklich nicht her, und ich war ja auch gar nicht angesprochen.

“Einfach” per se habe ich inzwischen schon etwas besser im Griff. “Einfach mal” braucht offensichtlich noch mehr Therapie für die Impulskontrolle.

Ich werde den Rest des Sommers an meiner Hyposensibilisierung arbeiten. Denn im Kern stimme ich zu: Nichts hilft und niemand kommt.

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