Freundschaft zwischen ADS und K-PTBS?

Liebes Forum,

ich hoffe, ich darf mich als nicht-betroffene, bzw. „angehörige“ im weiteren sinne auch hier bei euch melden, denn ich habe großen inneren stress wegen meiner eigenen belastung und weiß nicht, wohin damit. ich möchte euch um eine einordnung bitten, aus der ich dann hoffentlich selber schlüsse für mich ziehen kann:

ich habe seit etwa einem jahr einen engen „brieffreund“ (also chat) mit ads (ohne h). er lebt in einem anderen land und wir lernten uns auf einer reise kennen. wir hatten nur einen tag/eine nacht zusammen, es hat tüchtig geknistert, wir waren sofort wie seelenverwandt. klar war aber auch, dass wir keine beziehung haben können wegen der distanz. wir blieben in kontakt und in wenigen wochen reise ich in sein land, auch um ihn zu sehen, aber nicht nur, ich wollte sein land schon länger besuchen. meine gefühle für ihn sind aber immer noch sehr intensiv, wobei ich nicht sagen kann, ob es romantische liebe ist oder tiefe freundschaft mit sexueller anziehung, keine ahnung.

die ersten monate und bis vor kurzem hatten wir intensiven kontakt, auch immer mal wieder flirtend, maximal wenige tage pause. die menge und stabilität in diesem kontakt hat mir mit viel sicherheit gegeben. ich bin selbst irgendwo zwischen HSP mit wahrscheinlichkeit für asperger-anteile und K-PTSB durch emotionale vernachlässigung und habe starke verlustängste. schwankungen und distanzphasen in eh schon sehr, sehr wenigen engen freundschaften machen mich fertig. ich brauche regelmäßigkeit, klare ja-nein-antworten, viel bestätigung und sicherheit.

wir haben unsere besonderheiten mit der zeit übereinander herausgefunden und schrittweise füreinander geöffnet, begleitet von viel vertrauen und humor. nun hat sich sein alltag durch einen neuen job verändert und seine distanzphasen wurden größer. mein stress auch. ich habe schon zweimal offen gefragt, ob wir noch freunde sind und er gibt mir dann immer sicherheit, aber sagt auch dazu, dass es für ihn schwer ist, den intensiven kontakt aufrecht zu erhalten. ich habe angst, dass ich ihn verliere und brauche rat, wie ich mich verhalten sollte.

nun meine fragen:

  • ich kann die ambivalenz nicht deuten, dass er mir verbal sicherheit gibt, aber dann wieder tagelang nicht antwortet, ist das vielleicht nur ein schlechtes gewissen?
  • ich kann die schwankungen nicht deuten, mal fühle ich mich wie seine engste vertraute und wichtigste person, dann reißt der faden immer wieder ab, zuletzt sogar für 3 wochen, das gabs noch nie - bin ich ihm jetzt wichtig oder eher nicht so?
  • ich bin zerrissen zwischen meinen eigenen bedarfen, alles besprechen und klären zu wollen und der sorge, ihm damit druck zu machen - habt ihr tipps, wie ich ihn um hilfe bitten kann, ohne dass es ihn stresst?
  • er weiß von meiner reise, aber er verabredet nichts, ich habe nicht den mut zu fragen, was wir zusammen machen können, die reiseplanung war aber nicht der auslöser für die größeren distanzen, das kam erst später mit job-begründung - kann das trotzdem zusammenhängen und ist es besser, einfach abzuwarten, bis er auf mich zukommt, nachdem ich angereist bin?

ich habe kaum freunde und er ist trotz distanz zu einem der wichtigsten menschen für mich geworden. ich lese über ads-menschen eher, dass sie dankbar sind für freundschaften und über monate war ich überglücklich, dass endlich mal jemand genau so viel kommunizieren will ich. und nun habe ich das gefühl, dass ich „selbst für einen ads-menschen“ einfach zu viel bin, das belastet mich sehr. ich bin auch in therapie, aber alle 14 tage 50 min sind einfach zu wenig.

entschuldigung für den vielen text, mein kopf explodiert grad einfach. und: danke für alles, was ihr sagen könnt, alles hilft!

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Hallo @nisi

Ich möchte dich ein bisschen beruhigen. So wie ich das lese, verhält er sich so ähnlich, wie ich das von mir kenne. Gerade dann, wenn sich die Umstände ändern, neige ich zu Kontaktarmut zu mir eigentlich wichtigen Menschen, auch wenn der Kontakt vorher sehr intensiv war. Das ändert nichts an der Wichtigkeit der Person. Wenn er dir das also versichert, dann kannst du ihm das glauben (behaupte ich). ADxSler neigen in so wichtigen Dingen nicht zur Unwahrheit oder spielen etwas vor. Ich kann mir auch sehr gut vorstellen, dass du auf längere Sicht immer den Anfang machen wirst, wenn du Kontakt willst. Die Erwartung, dass er sich von sich aus öfter oder nach kurzer Zeit meldet, solltest du vergessen. Es kann sehr gut sein, dass er gar kein Zeitgefühl dafür hat, wie lange das her ist. Das wäre jedenfalls auch typisch.

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Hallo @nisi ,

Ich finde @Seven hat das schon gut beschrieben, so kenne ich das von mir auch! Dass ich mich bei mir sehr wichtigen Personen nur unregelmäßig melde und erst recht, wenn ich viel um die Ohren habe. Da können leider manchmal sogar Monate vergehen :see_no_evil:

Aber ich erkenne mich auch in deinen Gefühlen wieder: Sicherheit haben wollen, jemand Verlässliches, Angst davor „zu viel zu sein“, Sehnsucht nach klarer Kommunikation ohne Missverständnisse.

Ich empfinde das auch immer als schmalen Grat, wie man am besten kommuniziert ohne Druck zu machen. Richtig tolle Tipps habe ich noch nicht.

Hast du ihm denn das alles schon mal gesagt? Also so deutlich?

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danke :slight_smile: ich glaube, ich fände es weniger schlimm, wenn es von anfang an so gewesen wäre. aber monatelang superviel und dann „plötzlich“ weniger und unregelmäßiger macht mir zu schaffen. das fühlt sich an wie ein verlust oder eine degradierung. was mein gefühl ist, dafür kann er natürlich nichts.

ja, schon und er ist toll, dass er mir immer wieder sicherheit gibt und mich auch versteht, ihn stört das nicht. ich bin dann in diesen momenten aber so aufgewühlt, dass ich am liebsten ausführlich reden möchte und eine umarmung brauche, beides ist dann aber leider nicht drin.

Ich glaube, man muss lernen sich damit abzufinden, dass es die „ultimative Bestätigung“ nicht gibt.
Wenn er so lieb reagiert, wenn ihn das nicht stört und er dir versichert, dass alles ok ist - dann bleibt dir nichts, außer das zu glauben!

Die Gefahr, enttäuscht oder belogen zu werden, ist immer da. Aber es klingt bisher nichts danach, oder?

Was hier alarmiert wird, sind wahrscheinlich deine traumatisierten (vernachlässigten) Anteile, die sich so sehr nach Sicherheit sehnen. Ich weiß, dass sich das furchtbar anfühlt. Ich habe mich dann immer abhängig und bedürftig gefühlt, weil ich etwas wollte, dass es nicht gibt: 1000000% Sicherheit, niemals je verlassen zu werden.

Was würde dir helfen, was könntest du für dich tun um beruhigter zu sein?

heißt das, das sind gefühle, die du verstehen kannst oder teilst du sie und hast das auch? ist das ein teil von ad(h)s? manchmal fragt er bei mir auch ganz genau und detailliert etwas nach, das freut mich dann immer sehr, weil es mir das gefühl gibt, dass „ich wichtig bin“ und stört mich natürlich NULL, im gegenteil.

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Ich kenne diese Gefühle von mir selbst!
Ob das jetzt ADHS (Stichwort: Rejection Sensitivity) ist oder Trauma, kann ich dir nicht sagen weil bei mir beides zutrifft. Das ist ziemlich schwierig, auseinander zu dröseln!

das ist die große frage. ich bin seit jahren deswegen in therapie, weil ich mir wirklich fast jede beziehung ruiniere. ich suche noch den mittelweg zwischen „verbindung“, also mit dem anderen zusammen wege finden, damit sich beide wohlfühlen, und dem teil, den ich mit mir selbst klären muss. ich habe das gefühl, ich komme da auch nach jahren nicht weiter. therapie ist zu wenig, selbsthilfegruppen überlaufen und freund*innen… eben nicht. yoga, meditation, atmen, musik, schreiben,… alles probiert, bzw versuche ich, soweit es geht. viel lesen und analysieren hilft mir manchmal mehr, weil es die dinge sortiert und dadurch den kopf beruhigt. eine stabile und sichere beziehung hier würde meine freundschaften beruhigen, aber das ist externe validierung und abhängigkeit und… herrje, da geht es dann wieder los.

gerade hilft es mir, hier ein bisschen mit anderen beteiligten zu sprechen, das habe ich noch nie <3

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es würde mich freuen, wenn meine ängste vielleicht dazu führen, dass er mein scherheitsbedürfnis sogar schätzen kann, weil er sich dann umgekehrt bei mir sicher fühlen kann.

Das kann ich echt gut verstehen.
Dieses „vertrauen müssen“ fühlt sich an, als würde man mit Augenbinde auf eine Klippe zulaufen.
Deshalb ist es so wichtig, für sich selbst nach Methoden zu suchen, die beruhigen. Aber ich kenne das auch, dass es irgendwie alles zu viel ist und es leider keine Sofortlösungen oder Geheimtricks gibt.

Ich frage mich da, ob du erkennen würdest, dass es die gibt? Vielleicht ist ja die Beziehung zu diesem Freund so eine - aber die Angst vor Ablehnung/vorm Verlassenwerden sitzt so tief, dass sie den Blick vernebelt?

Das sind natürlich alles nur Thesen und meine persönlichen Gedanken. Ich weiß es nicht, kenne ihn nicht, dich nicht.

Ich habe mir eine Zeit lang kleine Zettelchen gemacht mit Sprüchen wie: „Es ist alles gut.“ oder „Ich bin ihm/ihr wichtig.“
Positive Glaubenssätze, wenn der Zweifel mich wieder einnimmt.

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ja, gute frage, ob ich das erkennen würde, bzw richtig erkenne, ich denke drüber nach. überlege gerade, ein paar nachrichten auszudrucken, damit ich das nicht vergesse. (nicht nur von ihm, auch bei anderen) vielleicht mache ich das einfach mal. danke für deine gedanken!!

wann gibt es endlich eine single-börse für menschen mit verlustängsten/RS, ich sehe da so viel potenzial :slight_smile:

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Beschäftige dich mal mit dem Thema „Bindungsangst“ (=Verlustangst).

Da sind sehr viele ADHSler betroffen. ADHSler haben einerseits oft selbst auch Traumafolgestörungen und ziehen anderseits auch eben solche Menschen an.

Menschen mit Bindungsstörungen ziehen Menschen mit Bindungsstörungen an. Auch ADHSler und Borderliner finden sich oft.

Auch Co-Abhängigkeit ist ein sehr häufiges Thema.

Zum Thema Bindungsangst gibts zwei gute Bücher.

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ich weiß manchmal gar nicht, mit welcher problematik ich anfangen soll, es ist viel und hängt alles zusammen… kannst du mir die titel der bücher nennen? ich danke dir!

„Bindungsangst verstehen und überwinden“ von Theresa König - fand ich am besten!

Und bekannt ist auch „Jein“ von Stefanie Stahl. Da gibts zwei Bücher - beide findet man oft auch in der onleihe!

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Stefanie Stahl‘s Bücher kann ich allgemein nur empfehlen. (Sorry für Offtopic)

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ja, da stimme ich zu!

@nisi alternativ ist vielleicht Cordula Neuhaus „lass mich, doch verlass mich nicht“ eine Idee.

Könnte dir auch ein bisschen was über unsere Funktionsweise erklären (bin grad selbst noch drüber).

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das lese ich tatsächlich genau gerade :slight_smile: weil mich der titel angesprochen hat und andeutet, dass es die verlustängste auf beiden seiten gibt. jetzt begreife ich das aber erst so richtig - durch eure antworten.

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