Gegenreaktion auf ADHS - besonders ruhig und gefühlskalt werden

Mich nervt es schon immer, dass ich viel jünger aussehe. War als Studentin ein Problem, weil mich keiner für volljährig hielt.
Im ersten Job war das Problem, dass man mich für die Praktikantin hielt. (Ich habe mir damals ne schwarze Brille mit Fensterglas gekauft, um strenger auszusehen.)
Als junge Mutter bekam ich krasse Vorwürfe, ich hätte doch erst mal eine Ausbildung machen sollen und statt gleich Kinder in die Welt zu setzen…
Und jetzt passiert es mir kurz vor der Menopause, dass ich auf Männer wirke, als könne man mit mir eine Familie gründen. Muss zugeben, ich finde es nicht mehr ganz so schlimm, jünger auszusehen. Aber wenn ich mit einem meiner Söhne unterwegs bin, gibt es auch komische Blicke…

Ich habe mir viele Gedanken darüber gemacht, warum ich so jung aussehe. Mein Gesicht entspricht dem Kindchenschema.
Ohren und Nase sind bei mir so klein, dass der Arzt bei Untersuchungen die Aufsätze für Kinder nehmen muss. Die Augen wirken dagegen riesig. Kennt Ihr das?

Ich musste gerade lächeln…

Als Beispiel:

Ich habe gelesen, dass

Devid Striesow,

der Schauspieler ADHS hat.
Wer sein Gesicht sieht…kindlich naiv…:face_with_hand_over_mouth:
Nicht wie Jürgen Prochnow oder Götz George…

Aber wir sollten uns auch nicht zu sehr in Klischees verlieren.
Nicht hinter jedem kantigen Kinn steckt ein Heroischer Siegfried.

Ich finde, wir hier sind definitiv Helden!

Auf der anderen Seite kann ich mit meinen Blicken töten, sagen zumindest Leute die mich kennen und das schon beobachtet haben wenn ich richtig sauer bin.

Striesow hat das in seiner Rolle als Tatort-Kommissar ja auch so gespielt. Er war ja eher der naive, gutartige Polizist. (Und dann hatte er diese rothaarige Kollegin, die auf böse gemacht hat, aber einfach schlecht gespielt hat. Aber ich schweife ab…)


Leider nicht nur wenn ich sauer bin. Weiß nicht warum ich so einen Gesichtsausdruck habe, hatte/ habe es ziemlich schwierig damit.
Es stört mich nicht und hat mich nie gestört, dass ich junger aussehe. Besonders wenn man älter wird, finde ich es klasse. Und ich altere hübsch, d.h. mit dem Alter werde ich hübscher *Selbstlobmodus off.
Ich habe normale Ohren, aber meine Hände und Füsse sind winzig, trage Schuhgröße 36.

Also ich kürzlich 50 wurde, meinten die Kollegen auch, sie hätten sich verhört - normalerweise werde ich auf Mitte 30 geschätzt. Unverschämtheit, schließlich fühle ich mich wie 20. :lol:

Ich finde, das mit dem Jünger-Aussehen ist echt Jammern auf hohem Niveau…

Ich werde andauernd älter geschätzt :sweat_smile: ich werde auch immer gesiezt.
Aber ich mag das Sie ganz gerne. Es schafft so eine Distanz mit der ich besser klar komme als mit einem du.

Das ist bei mir auch so. Es kann schon mal passieren, dass völlig fremde Personen zusammenzucken, wenn mein böser Blick sie trifft. Im Zug hat mir sogar schon mal ein Fremder, den ich kritisiert hatte weil, er sich bereits im Zug beim Einfahren in den Bahnhof seine Kippe anstecken musste, gesagt, ich hätte einen bösen und eiskalten Blick. :slight_smile:

Seit Dezember 2019 bekam ich zunächst Atomoxetin, seit März bekomme ich Elvanse.
Die Klarheit und Ruhe, die mir das bringt, lässt mich besser arbeiten. Aber vor allem nehme ich meine Umgebung genauer wahr. Ich habe den Eindruck, dass ich persönliche Fehden und Beziehungen, Absichten und Hintergründe von allen möglichen Personen bisher immer deutlich aus der naiven und optimistischen Position gesehen habe, über vieles hinweg gelächelt oder sogar einfach unberührt davon geblieben bin. Vieles an Hintergründigem und Manipulativem habe ich gar nicht bemerkt. Oft hat mich meine Frau dann „aufgeklärt“ oder eher, ihre Sicht der Dinge vermittelt, die für mich oftmals wie ein aha-Erlebnis waren. Hintergründige Bemerkungen von Nachbarn, Freunden, Ziele und Absichten…
Ich bekomme gerade den Eindruck, durch dieses blinde hindurchstolpern durch die menschlichen Hintergründe bin ich leicht zu führen und oft(zu) schnell geneigt, zu allem ok zu sagen. Ein Spielball. Meine Frau bekommt das gerade zu spüren, wir diskutieren viel mehr und auf anderem Niveau wie ich finde.
Erwachsener werden? An einzelne Stellen im Leben, wo ich das Gefühl bekam, jetzt kapier ich etwas, kann ich mich gut erinnern. Nur kam es viel später als bei Anderen. Aber die Therapie jetzt kommt mir gerade vor wie Morpheus im Film „Matrix“, der die rote und die blaue Pille in der Hand hat und das im Turboverfahren :shock: .
Da ich noch nie gerne belächelt werden mochte, nehme ich die Pille, die mir die Hintergründe eröffnet. Auch wenn es mich verändert und in vielerlei Hinsicht mit Enttäuschungen verbunden ist. Für das Selbstwertgefühl.

Um nochmal auf das Ursprungsthema zurückzukommen:

Als Kind sind viele ADHSler sehr emotional, sie können sich freuen wie Bolle, aber auch Wutanfälle, Türen schlagen etc. sind oft an der Tagesordnung.

Dieses Verhalten ist natürlich unerwünscht bis hin zu überfordernd, besonders, wenn ein Elternteil selbst ADHS hat. So kann es zum Liebensentzug kommen, wenn das Kind es nicht schafft, seine negativen Gefühle unter Kontrolle zu bekommen.

Und da Kontrolle schwierig ist, könnte das komplette Abschalten der Gefühlen eine Möglichkeit sein, um sich die Gunst der Eltern und sonstigen Bezugspersonen zu erhalten.

Ich dachte, ich wäre vom Ursprungsthema gar nicht so weit weg :?
Nämlich in dem Sinne, dass das vielleicht gar kein Abschalten von Gefühlen der Kontrolle wegen ist, sondern aus Mangel an Einblick in die Gefühlswelt anderer (weil die Aufmerksamkeit dafür gerade nicht reicht) bzw. weil wegen zuvieler Reize auf einmal die eigene Gefühlswelt, automatisch ausgeblendet wird. Also gar nicht so sehr selber aktives Abschalten, sondern vom Hirn abgeschaltet werden.

und da der threaderstelle schrieb:


wollte ich mit dem vorherigen Beitrag sagen: die Angst, dass das MPH-Medikament den „gefühlstoten Roboter“ erzeugt, ist -glaube ich- unbegründet. Meine Erfahrung mit Elvanse (auch ein Stimulans) ist jetzt vorläufig, dass ich mich eher komplexeren Gefühlswelten als vorher stellen kann und diese auch deutlicher erlebe.

Kennt ihr das, nachdem ihr euch sehr erschrocken habt, euch danach sehr ruhig und entspannt fühlt?


Mangel an Einblick in die Gefühlswelt anderer…

…ist auch ein Zeichen für Asperger…

Ich vermute mich in dem Spektrum und denke dann immer ‚was regt der sich denn so auf‘, weil bei mir ‚alles klar‘ ist.

ich erlaube mir mal, auch hier mitzureden, auch wenn ich noch keine gesicherte Diagnose habe (aber bald)… ja, wie gesagt, bei mir ist es bislang nur Vermutung. Aber in der letzten Zeit hat sich für mich schon viel verändert, weil ich mir vorgenommen habe, das Kompensieren zu lassen, wenn es geht und wenn die Umwelt es zulässt. Und es ist so schön, da habe ich auch dieses Gefühl, dass ich das „vermisst“ habe, „ich zu sein“ oder anders ausgedrückt: dass ich mich selbst vernachlässigt habe. Ich lasse in vertrautem Rahmen derzeit mehr Impulsivität zu, weil mir das unendlich viel Druck von den Schultern nimmt. Ich zappel und ich rede auch mal dazwischen. Und mache rasante Themenwechsel, wie es halt grad so in meinem Gehirn passiert. Es fühlt sich manchmal so an, als wäre es ein bisschen eine Wiedergutmachung mit mir selbst. Und ich habe so irgendwie mehr Energie, bin ein bisschen ein Wirbelwind.
Wäre mal interessant, wie das von außen aussieht… :wink:
Mir wurde in meiner Kindheit antrainiert, mich zu kontrollieren. Ich habe schwarz auf weiss, dass ich eine überangepasste Jugendliche war. Kein Wunder, wenn dann so lange unerkannt bleibt, dass meine Neuologie nicht ganz typisch ist. Und ein bisschen typisch Frauen und ADS, nicht wahr… Mit 15 das erste mal in Behandlung, weil ich nicht mehr funktionierte.
Letztendlich müssen wir da wohl eine Balance halten zwischen „Ausleben“ und „Funktionieren“ und das in jeder Situation neu ausbalancieren, weil es kein Universalrezept gibt?!


Bei mir ist das auch so. Es kommt aber noch dazu, dass ich auf so manche Gepflogenheiten keinen Wert lege, so manch Erwachsenen-Norm nicht unbedingt immer mitmache. Also so ein paar Jugendlichen-Eigenschaften, auf die ich heute auch einfach immer noch Wert lege und deswegen jugendlich wirke. Glaube ich.

Schöner Thread, wieso habe ich so lange nicht reingeguckt…? Danke euch!

so ganz allgemein formuliert - eher nicht. worauf möchtest du hinaus?

so von wegen „jung geblieben“ - ich stehe immernoch auf „coming of age-filme“ - bin zwar mit anfang 30 hier im forum gefühlt eher unter den jüngeren und das Alter „Coming of Age“ und alles was dazu gehört ist trotzdem schon ne weile her… aber diese jugendliche Sehnsucht, die trage ich immer noch sehr stark in mir. so siehts aus… schönes Wochenende…

Pfft… man ist nie zu alt für „Coming-of-Age“-Geschichten!

Es sind ja auch irgendwie „Coming-to-Terms-with-Yourself“-Geschichten. Die kann jeder brauchen, egal wie alt. Und wir hier erst recht.

Tja, Jugendliche Sehnsucht, das kenne ich - danke für die positive Formulierung. :slight_smile:

Ich nenne es immer negativ die Unfähigkeit, erwachsen zu werden. Und ich bin ja auch schon ein paar Tage älter, ohne dass ich mich der Erwachsenenwelt wirklich zugehörig fühlen würde. Es bleibt auch in dieser Beziehung beim Alien-Dasein…

So was stell ich mir unter reaktiver Gefühlskälte oder Empathielosigkeit bei ADHS vor:

Das Thema der reaktiven Gefühlskälte und der Empathiedefizite bei ADHS hat Martin Winkler mal thematisiert hier

Was den legendären Auto-Visionär Ferdinand Piech angeht (sozusagen das deutsche bzw. österreichische Pendant von Steve Jobs oder Elon Musk), dessen Cousin Porsche (Vorname nicht mehr in Erinnerung, aber war mutmaßlich der Ehemann jener Marlene Porsche) hat in einem Interview über ihn gesagt: „…er hat sein eigenes Lebenswerk dadurch zerstört, wie er mit anderen umgegangen ist…“

Über Steve Jobs sind bekannt einige Anekdoten wie über Mitarbeiter, die er spontan gefeuert hat, weil er ihr Gesicht im Fahrstuhl nicht leiden konnte usw…

https://www.rbb24.de/studiofrankfurt/wirtschaft/tesla/2020/tesla-projektleiter-bau-fabrik-entlassen-elektroauto-wasser.htm/alt=amp.html

So ähnlich z. B. und wie in einem anderen Artikel vor ein paar Tagen zu lesen war, den ich nicht mehr gefunden hab, hat Elon Musk entsprechende Person persönlich entlassen, mutmaßlich affektiv beeinflusst…

Zu John F. Kennedy hab ich mal ein Doku gesehen, als der ehemalige Body Guard angesichts der Erinnerung an die unglaubliche Gefühlskälte von John F. Kennedy, als er ohne jedes emotionales Interesse seinen nach 2 Lebenstagen gestorbenen Sohn Patrick (Frühgeburt) kurz besuchte und dann wieder ging, vor laufender Kamera anfing zu weinen.

Zu John F. Kennedy und ADHS: nebenbei soll Kennedy auch ADHS (leichtgradig) gehabt haben, auf dem ADHS-Weltkongress in Glasgow 2015 gab es ein Theatherstück zur Kindheit und Jugend von J.F. Kennedy http://kolleg-dat.de/wp-content/uploads/2016/pdf/Glasgow-Report-2015-CordulaNeuhaus%20(3).pdf (S. 48 von 71: “Eine “Glanznummer” – Ein diagnostisches Interview des 21-jährigen JFK (gespielt durch einen jungen Wissenschaftler Ryan Kennedy) durch Prof. Thomas Brown (Yale University)”)

Laut Krause/Krause spricht sehr viel für ADHS bei Kennedy. Sie geben in ihrem Buch auch ein paar Beispiele dafür.