Gesichter -Namen -Mitmenschen

Guten Morgen,

Ich gehe davon aus, dass ich ADHS habe. Allerdings in einer etwas speziellere Form.

Da stellt sich mir öfter die Frage, ob eine Eigenart von mir in die Welt des ADHS gehört oder einfach so typisch Tüdelmama ist.

Ich kann Menschen sehr schlecht erkennen.

  • Ich wäre der schlechteste Zeuge, den die Polizei finden kann. Ich weiß nicht, welche Haarfarbe, Haarlänge, Brille, Bart, Kopfbedeckung, mimischen Besonderheiten jemand hat, auch wenn ich vor einer halben Stunde mit ihm gesprochen habe.
  • Leute, die mich auf der Straße, beim Einkaufen anquatschen fordern mich extrem heraus, sie zuzuordnen, selbst wenn ich mit ihnen die letzten 3 Jahre regelmäßig bei Elternabenden und anderen Gelegenheiten auf sie gestoßen bin oder mit Ihnen in einem Chor singen. Ich mogel mich dann durchs Gespräch während mein Hirn rattert und komme dabei wahrscheinlich total unsympathisch rüber.
  • schlimmstes Erlebnis: Ich habe während des Studiums mit einer Person, die neu im Studichor war angefangen zu quatschen, wir sind dann noch einen Trinken gegangen und haben also intensiv gesozialised. Und eine Woche später bei der nächsten Probe, habe ich sie nicht wiedererkannt und entsprechend als Neuling nett angesprochen.
  • ich kann ältere Fotos meiner eigenen Kinder nicht immer zuverlässig zuordnen.
  • und Namen kann ich mir gar nicht merken. Oder welche Mutter zu welchem Kind gehört. Das geht nur, bei wirklich öfterem Zusammensein, wenn wir intensiver gesprochen haben und ich mich bemüht habe.

Ich behaupte, mein ADHS zeigt sich besonders im sozialen Bereich. Ich kann logische Zusammenhänge wunderbar erfassen und behalten, mich vertiefen usw. Aber die Vielschichtigkeit menschlicher Kommunikation überfordert mich regelmäßig. Ich komme nicht schnell genug mit, schweife ab, erfasse was mein Gesprächspartner sagt nicht umfassend, merke mir Fakten nicht, erfasse Schwingungen, Gefühle, Zwischen den Zeilen Dinge nur selten, weil ich so konzentriert bin überhaupt mitzukommen. Und kann nicht auch noch gleichzeitig steuern, wie ich im Gespräch rüberkomme. Das Erfassen des Aussehens einer Person und sein Name und dessen Kinder/Ehepartner usw müsste noch zusätzlich passieren.

Bin ich hier die Einzige und habe da ein individuelles Spezialproblem oder kennen das welche von Euch?

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Hey, die ersten Punkte kenne ich auch so mehr oder weniger.

Das mit Zeuge und Polizei hab ich mir auch schon gedacht, genau so. Manches fällt mir auf, aber grad so Standard-Klamotten könnte ich hinterher nicht unbedingt sagen, ob der Typ ein blaues Hemd oder grünen Pulli an hat.

Dass man Leute in anderen Umgebungen nicht erkennt, ist auch recht weit verbreitet. Unterwegs in der Stadt… den Typ kenn ich… ist der aus der Arbeit?..nein…aus dem Dorf? … aus dem Verein?.. Grr, woher kenn ich den???

Was mir z.B. auch abgeht, ist die Zuordnung der Brüder einer alten Freundin und mit wem die verheiratet sind und wie deren Kinder heißen und ob die jetzt bei den Pfadfindern sind etc. Wir sehen uns sehr selten mittlerweile, leben quer durch Deutschland verteilt. Eine aus der 4er Gruppe weiß sowas alles, ich nicht. Ich weiß dafür andere Dinge.

Klingt nach Prosopagnosie, tritt unabhängig von ADHS auf. Ich kann mir z.B. keine Gesichter vorstellen, auch nicht die von nahestehenden Menschen. Andere Menschen erkennen/ zuordnen kann ich aber sehr gut anhand von Gang, Kleidung, besondere Merkmale im Gesicht, Stimme und sonstigen Eigenheiten.

Die Probleme in der sozialen Interaktion könnten vermutlich damit ( Prosopagnosie ) in Verbindung stehen, sowie Unaufmerksamkeit und ein beeinträchtigtes Arbeitsgedächtnis durch die ADHS ist dann natürlich zusätzlich herausfordernd.

edit: bei mir gibts kein großes zusammenhängendes Gesichts, nur Details, die ich zusammen füge.

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Ich habe schon öfters gelesen, dass ADHSler ein Problem mit Namen und/oder Gesichtern haben sollen, ich selber habe das aber gar nicht.

Ich kann mir Namen und Gesichter sofort merken, ich kann sie zuordnen, ich habe gestern zB jemanden wieder getroffen den ich 2 Jahre nicht gesehen habe (damals war der Kerle 16, jetzt ist er 18) und er hat sich dem alter entsprechend natürlich ziemlich verändert (viel größer, ganz andere Frisur und Haarfarbe), aber trotzdem habe ich ihn sofort erkannt :smile:

Ich kenne sowas eher, wo ich in der Veranstaltungsbranche als Veranstalter/ Gastgeber mit 5000 Personenpartys Leuten das Gefühl gab, das ich sie kenne und erinnere etc. habe ich nicht, war da aber auch nicht wichtig. Privat passierte sowas selten, außer die Leute wurden als so unwichtig und uninteressant eingestuft.

Namen vergesse ichcsehr gerne und selbst wenn ich sie sehr gut beherrsche kann es vorkommen, daß ich wenn es wichtig wäre nicht drauf komme aber 1 std später. In der Regel merke ich mir Gesichter und die ganzen Eigenschaften und das heißt ich kann ja eigentlich alles zu den Leuten sagen was die gegessen haben was sie getrunken haben wie die aussahen ich kann alles nur die Namen kann ich oft nicht zuordnen werde ich damit sehr offen umgehe macht das auch nicht so viel Problem ich sag immer ich habe namensligas Genie dann passt das schon

Gesichter kann ich mir ganz gut merken und meistens komme ich dann auch darauf, woher ich die kenne.

Namen hingegen kann ich mir mega schlecht merken. Während man mich bei einem zufälligen Treffen in der Stadt oder im Supermarkt in der Regel mit Vornamen begrüßt, heißen die bei mir fast alle nur „Hallo“.

Würde ich die regelmäßig in kurzen Abständen sehen, dann würde der Vorname auch irgendwann hängenbleiben :man_shrugging:

Alles, was unwichtig ist, oder nicht regelmäßig genutzt wird, verschwindet aus dem Speicher, oder schafft es gar nicht erst da rein.

Ich habe mal eine Person, mit der ich mich den ganzen (langen) Abend über unterhalten hatte, eine Viertelstunde später nicht erkannt, weil sie ihre Jacke angezogen hatte :grimacing:. Einen Geschäftspartner habe ich nach ein paar Tagen auf einem Treffen nicht wiedererkannt, bis er in Aktion getreten ist und ich ihn zuordnen konnte. Beide Male habe ich mich gefragt, wieso der/die mich jetzt so komisch grinsend anstarrt und dachte mir, die haben irgendein Problem, oder wollen mit mir flirten :adxs_grins::see_no_evil:.

Grundsätzlich kann ich mir Gesichter merken, bei manchen dauert es aber eine Weile. Wenn das aber, wie bei Dir, sogar die eigenen Kinder betrifft, würde ich auch auf eine Prosopagnosie tippen. Da würde sich evtl. ein Test für Dich lohnen.

Zum Thema Peinlichkeit: die meisten Menschen reagieren sehr freundlich und mit Verständnis, wenn man ihnen erklärt, dass man mit dem Gedächtnis Probleme hat. Es auszusprechen, oder vielleicht sogar beim ersten Treffen darauf hinzuweisen, dass man das Gegenüber beim nächsten Treffen vielleicht nicht wiedererkennen wird, kann beide Seiten entlasten und unangenehmen Situationen vorbeugen.

Könnte zum Teil am ADHS liegen, aber vielleicht ist auch Autismus im Spiel? Im Spektrum sind ja einige Menschen, für die zwischenmenschliche Kommunikation ein anstrengender Graus ist, weil es so viel zu erfassen, einzuordnen und in Bezug auf das eigene Verhalten zu bedenken gibt, wenn man versucht die „sozialen Normen“ einzuhalten. Bei Dir scheint v. A. Die Unaufmerksamkeit dabei eine Rolle zu spielen, aber ADHS und Autismus können ja auch gemeinsam auftreten und sich gegenseitig hochschaukeln.

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Vielen Dank ihr Lieben für eure vielen Antworten! Interessantes Meinungsbild! Danke!

Ich bräuchte halt jemanden, der wirklich gut im diagnostizieren ist…

Bis diese Person greifbar wird, lebe ich einfach weiter mit meinen Stärken und Schwächen.

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Ach, du auch?
Also ich glaube, bei mir ist es vielleicht weniger ausgeprägt als bei dir, weil ich mir sowas wie Haare und Brille schon merken kann. Aber es passiert mir immer, immer wieder, dass ich von anderen Menschen erkannt und angesprochen werde, manchmal auf eine Weise, die mir sagt, die Person und ich müssen uns recht nah gewesen sein. Und ich überspiele, dass es bei mir überhaupt gar nicht klingelt.

Ich bin auch oft, nicht bei allen Menschen, aber oft, völlig lost durch Änderungen an Haaren, Brille, Bart oder sowas. Dann weiß ich nicht mehr, wen ich vor mir habe.

Anekdote aus der Kindheit, die mir erzählt wurde:
Mein Vater hat immer Vollbart getragen. Nur einmal hat er was Neues auszuprobiert und ihn abrasiert. Er saß am Küchentisch mit meiner Mutter, ich kam rein, war völlig geschockt und habe geweint, weil ich so erschrocken darüber war, dass da früh am Morgen ein komischer fremder Mann bei uns zu Hause ist und mich so anschaut. Er war für mich jemand anderes in dem Moment.

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Ich kenne das auch. Namen sind ganz schlimm bei mir, das dauert eine ganze Weile bis die wirklich hängen bleiben. Habe seit gestern einen neuen Chef und keinen blassen schimmer wie der heißt. :adxs_noidea:

Gesichter kann ich mir auch schlecht merken. Da scheine ich mir auch eher irgendwas auffälliges drumherum zu merken, Frisur, Schmuck, Kleidungsstyle… Hat jemand plötzlich eine andere Haarfarbe erkenne ich ihn nicht mehr.

Menschen die ich besser/ schon länger kenne, erkenne ich auch besser. Ich schätze mal, im laufe der Zeit speichert mein Hirn immer mehr andere Dinge ab, die zur schnellen Identifikation beitragen.

Wobei ich eine zeitlang auch große Probleme hatte, meinen einen Cousin zu erkennen, wenn mehr Leute anwesend waren. Er trug eine dieser schwarzen rechteckigen Brillen, die vor ein paar Jahren gefühlt jeden hatte, meistens Jeans und T-Shirt und hatte eine allerwelts Frisur. Er hatte einfach nichts auffälliges an sich. :adxs_rot:

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Abgefahren.
Du hast quasi meinen Neffen beschrieben!
Ich habe bei ihm auch schon an Prosopagnosie gedacht, aber in allen möglichen anderen Beschreibungen, die ich so gefunden habe, war es immer viel weniger stark beschrieben, weshalb ich dachte, dass es vllt nicht passt.
Aber es ist bei ihm wirklich krass. Er erinnert sich z.B. nicht an die Namen von uns, seinen Tanten, Onkel, seinen Cousinen und Cousins etc. Er ist jetzt 10 Jahre alt und selbst seine Patentante, die er heiß und innig liebt und die auch in der Großfamilie ist, hat er schon mehrfach nach ihrem Namen gefragt. Dumm ist der Bursche auf keinen Fall. Aber ich war so oft schon so verwirrt, wenn er seine Mama flüsternd gefragt hat, wie ich oder ein anderes Familienmitglied heiße/heißt.
Er hat zwar keine ADHS-Diagnose, aber ich bin mir absolut sicher, dass er auch ADHS hat, ebenso seine Schwester und seine Mutter, leider alle nicht diagnostiziert, bei seiner Mutter wirklich mit großen Leiden verbunden seit Jahren. Aber ich habe das Gefühl, ich komme leider nicht durch, vor allem bei meinem Bruder… :pleading_face::pensive:
Er und sein anderer Sohn sind, meiner Meinung nach, die einzig neurotypischen Menschen in der Familie. Aber das ist noch mal ein ganz neues Thema… :sweat_smile::tired_face:

Was ich mich schon länger bei meinem Neffen frage: Wie kann man ihm denn helfen? Kann man das irgendwie trainieren? Am einfachsten wäre es wahrscheinlich doch, wenn man selbst darum weiß und es Leuten einfach ganz ehrlich sagt, wenn man sie nicht täglich sieht, oder? Damit keine Enttäuschungen, Verletzungen und Scham entstehen.

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Als bekannter oder verwandter auffällige merkmale tragen, wie z.B. markante brillengestellfrabe, mützen, besonderen schal, dinge die man gut wieder erkennen kann, gut sichtbar sind und immer gleich bleiben.

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Habe ich auch! Bringt einen manchaml in unangenehme Situationen :weary:

Ich entgegne immer, daß ich Namenslegastinie habe und mir Namen nicht merken kann. Seit dem ist es entspannt früher hab ich Namen zu Menschen verwechselt war das peinlich aber danach auch nie mehr den Namen vergessen

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