Gute Noten und ADHS schließen sich nicht aus. Es gibt beispielsweise ja dieses „twice exceptional“ und dutzende andere Gründe. Man muss ja nicht gleich hochbegabt sein.
Schullaufbahn… mhm…
In der Grundschule war ich teilweise richtig schlecht. Das Zeugnis liest sich wie eine riesige, rote ADHS-Warnleuchte. War dann sogar bei der Ergotherapie. Da kam Anfang der 90er wohl keiner auf die Idee, dass ich ADHS habe. Meine „Hibbeligkeit“ haben meine Eltern auf die Farbstoffe und den Zucker im Ketchup geschoben.
Also ging es auf die Hauptschule. Da war ich dann von Beginn an der Klassenbeste. Ohne einen Finger krumm zu machen. Vor allem in Englisch. Vokabeln saßen in der Regel nach ein oder zweimal durchlesen, weil Interesse. Die Inhalte haben nich eben weitestgehend interessiert.
Da hat sich dann auch schon etwas abgezeichnet was sich bis zum Abi durchziehen sollte: Das Unverständnis der Lehrer warum ich in Physik mit der 1 heim gehe aber in Mathe eher in Richtung 3 tendiere.
Auf die Realschule durfte ich dennoch nicht wechseln, weil keine Ahnung.
Danach die mittlere Reife. Trotz gefühlt dauerstoned noch immer passabel abgeschlossen ohne einen Finger krumm zu machen.
Ab in die Ausbildung. Den schulischen Teil mit 1,8 abgeschlossen. Wieder ohne einen Finger krumm zu machen.
Auf der Berufsschule habe ich dann auch zum ersten Mal jemanden kennengelernt der ADHS hat. Ein super netter Typ der so sehr gestottert hat, dass er kaum einen kompletten Satz herausbekommen hat und nicht in der Lage war einen Dreisatz zu lösen. (Das war dann mangels besseren Wissens, das für mich, wie Menschen mit ADHS sind. Shame on me auch, wenn ich es nicht besser wusste. Das spiegelt aber glaube ich ganz gut wider wie Menschen mit ADHS auch heute noch von der Gesellschaft gesehen werden).
Also kam auch mir selbst nie der Verdacht.
Ab ans Abendgymnasium mit Anfang 20. Am Tag in Vollzeit arbeiten und abends in die Schule. Die beiden Unterstufenklassen ohne großen Aufwand jeweils mit 1,0 abgeschlossen. In der Oberstufe sind die Noten dann aber deutlich schlechter geworden. Das lag an privaten Umständen und einer Dreifachbelastung aus Arbeit, Schule und alleiniger Pflege eines Angehörigen.
Das erste Halbjahr in der Oberstufe war eine Katastrophe. Fast alle Unterkurse einfahren die man maximal haben durfte. Musste dann Umstandsbedingt erstmal die Abendschule unterbrechen. Als ich wieder angefangen habe lief es auch erstmal schleppend aber dann hatte ich plötzlich eine wahnsinnig gute Lehrerin in Mathe. Die hatte schon fast etwas mütterliches an sich und hat mich wirklich nochmal motiviert, weil ich sie Stolz machen wollte. Und selbst da habe ich es dann mit (nur) regelmäßigen Hausaufgaben geschafft von „kurz vor Unterkurs“ zu immerhin 12 Punkten als Anmeldenote im Abi zu kommen. Abi ungelernt geschrieben und bestanden. Ohne das eher suboptimale erste Halbjahr wäre mein Abischnitt im 1,x Bereich gewesen.
Ich kann glaube ich an einer Hand abzählen wie oft ich in meiner gesamten Schullaufbahn wirklich mal gelernt habe. (Das ist mir im Studium richtig auf die Füße gefallen… ). Hausaufgaben waren für mich auch immer eher ein freundlicher Wunsch als eine Verpflichtung. Weshalb ich eigentlich immer nur Ärger hatte. Geschichteabi einen Tag vorher vorbereitet und 14 Punkte (keine 15, weil ich vergessen hatte das Handout vor der Prüfung an die Prüfer auszugeben…)
Gut für die Unterstufe muss man auch in Rechnung stellen, dass ich bis zu diesem Zeitpunkt bereits die Hauptschule, die mittlere Reife und eine Ausbildung hinter mir hatte und das Einzige was wirklich neu war, war Französisch. Aber durch Sprachbegabung und ein gutes Gehör für Sprachen war das eher weniger ein Problem.
Wie soll man da darauf kommen, dass einer ADHS hat? Ich war zwar immer irgendwie verhaltensauffällig aber, da die Noten gepasst haben hat es niemanden interessiert. Die Zeichen waren dennoch immer da.
In der Berufsschule habe ich mal mit zwei Kollegen ein bisschen „Quatsch“ im Unterricht gemacht. Die bekamen einen Anschiss, ich nicht. Argument der Lehrerin nach berechtigter Beschwerde: Der (ich) kann den ganzen Tag aus dem Fenster glotzen und hat trotzdem bessere Noten als ihr Beiden zusammen. → pädagogisch Wertvoll…
ADHS ist in den Köpfen vieler Leute wohl noch immer diese reine „Lernschwäche“. Darauf schauen die Schulen. Passen die Noten fällt man durchs Raster.
Das war jetzt viel unnötige Information glaube ich.
Liebe Grüße
Edit: Ah ja, Diagnose mit 33. Du bist als noch relativ früh und ich beglückwünsche Dich dazu.