Noch weit vor der Diagnose habe ich ziemlich klar benennen können: mit meinem Belohnungssystem stimmt etwas nicht.
Während andere lange für eine Klausur lernen, dann eine 1 schreiben und checken „Aha das hat sich gelohnt, so mach ich das beim nächsten Mal wieder“ bleibt für mich ein solches konditionierendes Erfolgserlebnis aus.
Je mehr ich auf etwas hinarbeite, desto stärker wird ein gutes Ergebnis durch den Aufwand entwertet, den ich hinein stecke. Mehr als Erleichterung weil mir die Aufgabe dann nicht mehr im Nacken sitzt, kommt eigentlich nie bei rum, sollte ich mal etwas abschließen. Bis dahin habe ich vermutlich schon die dritte Deadline aufgeschoben und die Hütte brennt.
Hauptmotivator ist also Angst und dass ich aus dem negativen Gefühl zumindest in einen neutralen Zustand kommen möchte. Freude, Spaß, Befriedigung sind seltenst die Motivation hinter meinem Handeln. Und das würde ich gerne ändern.
Ich will wissen, wie es ist, sich über ein Ergebnis zu freuen und enthusiastisch an Herausforderungen heran zu treten.
Mir begegnet das in allen Lebensbereichen.
Im Studium ganz klar, da bin ich von Seminaren mehr angefixt, wenn ich unvorbereitet komme, weil es spannender ist, wenn man sich die Infos aus den Beträgen der anderen in Echtzeit pickt, als 3 Stunden einen Text zu lesen. Wenn ich den Text lese, mache ich mir mehr Gedanken über die Richtigkeit meiner Beiträge und fühle mich nicht besser vorbereitet. Ergo: wieso soll ich Zeit dafür aufwänden? Und was sind eigentlich diese Hausarbeiten, von denen immer alle Reden? Die kenn ich nicht.
Bei künstlerische Projekten bin ich zwar zufrieden mit der Qualität meiner Arbeit, habe aber kein wirksames Gefühl von Stolz oder Freude am Prozess. Das steht in keinem Verhältnis zum Aufwand und löst immer wieder Frust aus. Mich dazu zu bringen dann mit der nächsten Arbeit anzufangen, ist vermutlich der größte Kraftakt, weil ich ja schon weiß, dass ich nicht mit positiven Gefühlen belohnt werde.
In romantischen Beziehungen kann ich oft nicht so wirklich genießen, was schon erarbeitet ist. Da will ich einfach nur verknallt sein und wenn das abklingt, habe ich schon manche Liaison beendet.
Und auch im ganz Kleinen scheitere ich daran, mich mit dem Ausblick auf ein Leckerli bei Laune zuhalten. Wenn ich morgens aufwache, Videospiele spielen möchte aber Putzen muss, denke ich „Hey, wenn du fertig bist mit dem Bad kannst du dich für mehrere Stunden vor den PC hocken und richtig runterkommen“. Dann erledige ich zwar meine Pflichten, aber mir vergeht die Freude auf den Fun-Part des Tages, weil es an die Bedingung Putzen gekoppelt ist und so zu einem weiteren Punkt auf der To-Do-Liste wird.
Das Thema ist sicher komplex verknüpft mit der ADHS-Poblematik, da steckt viel drinnen. Dass das Hirn wirklich nicht so gut den zeitlichen Bezug zwischen Aufwand und Ergebnis herstellt und überhaupt schon schwer bei der Sache bleiben kann, aber ganz groß natürlich auch die Angst vorm Scheitern und dass ich Erfolgen gegenüber immer etwas misstrausich bin, weil ich fürchte dass gleich jemand meine Flüchtigkeitsfehler rot anstreicht.
Wie oben schon angedeutet, sind es eher kurzfristige und reizvolle Situationen, in denen Belohnung stattfindet. Nur oft eben super konträr zu dem, was ich eigentlich verinnerlichen möchte. Wenn das positive Feedback immer dann kommt, wenn ich nicht gelernt habe, wenn ich in meiner Comfort Zone bleibe, dann brennt sich das ein.
Ich wär halt gerne nicht nur der Köter, dem man einen Trick beibringt und genau im Anschluss ans Pfötchengeben den Knochen hinhalten muss. Sondern planvoller mit meinen Zielen, ich will die ganze Hundeshow mit Pflicht und Kür.
Mich würden eure Strategien interessieren. Wie trickst ihr euer Belohnungssystem aus?
Habt ihr Ideen wie man diesen kurzfristigen Belohnungszeitraum ausweiten kann?
Wie schafft ihr es auch mal innezuhalten und zu genießen, was ihr bereits erreicht habt?