How to Belohnungssystem

Noch weit vor der Diagnose habe ich ziemlich klar benennen können: mit meinem Belohnungssystem stimmt etwas nicht.

Während andere lange für eine Klausur lernen, dann eine 1 schreiben und checken „Aha das hat sich gelohnt, so mach ich das beim nächsten Mal wieder“ bleibt für mich ein solches konditionierendes Erfolgserlebnis aus.
Je mehr ich auf etwas hinarbeite, desto stärker wird ein gutes Ergebnis durch den Aufwand entwertet, den ich hinein stecke. Mehr als Erleichterung weil mir die Aufgabe dann nicht mehr im Nacken sitzt, kommt eigentlich nie bei rum, sollte ich mal etwas abschließen. Bis dahin habe ich vermutlich schon die dritte Deadline aufgeschoben und die Hütte brennt.
Hauptmotivator ist also Angst und dass ich aus dem negativen Gefühl zumindest in einen neutralen Zustand kommen möchte. Freude, Spaß, Befriedigung sind seltenst die Motivation hinter meinem Handeln. Und das würde ich gerne ändern.
Ich will wissen, wie es ist, sich über ein Ergebnis zu freuen und enthusiastisch an Herausforderungen heran zu treten.

Mir begegnet das in allen Lebensbereichen.
Im Studium ganz klar, da bin ich von Seminaren mehr angefixt, wenn ich unvorbereitet komme, weil es spannender ist, wenn man sich die Infos aus den Beträgen der anderen in Echtzeit pickt, als 3 Stunden einen Text zu lesen. Wenn ich den Text lese, mache ich mir mehr Gedanken über die Richtigkeit meiner Beiträge und fühle mich nicht besser vorbereitet. Ergo: wieso soll ich Zeit dafür aufwänden? Und was sind eigentlich diese Hausarbeiten, von denen immer alle Reden? Die kenn ich nicht.
Bei künstlerische Projekten bin ich zwar zufrieden mit der Qualität meiner Arbeit, habe aber kein wirksames Gefühl von Stolz oder Freude am Prozess. Das steht in keinem Verhältnis zum Aufwand und löst immer wieder Frust aus. Mich dazu zu bringen dann mit der nächsten Arbeit anzufangen, ist vermutlich der größte Kraftakt, weil ich ja schon weiß, dass ich nicht mit positiven Gefühlen belohnt werde.
In romantischen Beziehungen kann ich oft nicht so wirklich genießen, was schon erarbeitet ist. Da will ich einfach nur verknallt sein und wenn das abklingt, habe ich schon manche Liaison beendet.
Und auch im ganz Kleinen scheitere ich daran, mich mit dem Ausblick auf ein Leckerli bei Laune zuhalten. Wenn ich morgens aufwache, Videospiele spielen möchte aber Putzen muss, denke ich „Hey, wenn du fertig bist mit dem Bad kannst du dich für mehrere Stunden vor den PC hocken und richtig runterkommen“. Dann erledige ich zwar meine Pflichten, aber mir vergeht die Freude auf den Fun-Part des Tages, weil es an die Bedingung Putzen gekoppelt ist und so zu einem weiteren Punkt auf der To-Do-Liste wird.

Das Thema ist sicher komplex verknüpft mit der ADHS-Poblematik, da steckt viel drinnen. Dass das Hirn wirklich nicht so gut den zeitlichen Bezug zwischen Aufwand und Ergebnis herstellt und überhaupt schon schwer bei der Sache bleiben kann, aber ganz groß natürlich auch die Angst vorm Scheitern und dass ich Erfolgen gegenüber immer etwas misstrausich bin, weil ich fürchte dass gleich jemand meine Flüchtigkeitsfehler rot anstreicht.

Wie oben schon angedeutet, sind es eher kurzfristige und reizvolle Situationen, in denen Belohnung stattfindet. Nur oft eben super konträr zu dem, was ich eigentlich verinnerlichen möchte. Wenn das positive Feedback immer dann kommt, wenn ich nicht gelernt habe, wenn ich in meiner Comfort Zone bleibe, dann brennt sich das ein.
Ich wär halt gerne nicht nur der Köter, dem man einen Trick beibringt und genau im Anschluss ans Pfötchengeben den Knochen hinhalten muss. Sondern planvoller mit meinen Zielen, ich will die ganze Hundeshow mit Pflicht und Kür.

Mich würden eure Strategien interessieren. Wie trickst ihr euer Belohnungssystem aus?
Habt ihr Ideen wie man diesen kurzfristigen Belohnungszeitraum ausweiten kann?
Wie schafft ihr es auch mal innezuhalten und zu genießen, was ihr bereits erreicht habt?

Mir fällt es ähnlich schwer, ein gesundes Belohnungssystem zu erhalten. Viele Dinge, geben mir kein gutes Gefühl, auch wenn die Hoffnung anfangs groß ist. Zum beispiel das Putzen. Viele sagen mir „Wenn alles sauber ist, fühlt sich das ganz gut an und du hast das Gefühl, etwas geschafft zu haben“. Das hat sich bei mir noch nie eingestellt. Ich finde es anstrengend und erschöpfend. Es ist eine Notwendigkeit. Aber ich empfinde keine Befriedigung oder Freude an der erbrachten Leistung. Ich bin einfach nur froh, dass es vorbei ist.
Ähnlich ist es auch mit Sport. Viele sagen, man würde sich nach dem Sport gut fühlen. Ich fühle mich nach sport einfach nur Kaputt. Es werden keine Glückshormone oder sowas freigesetzt. Der Körper spürt nur die Erschöpfung und speichert dann „Das machen wir nie wieder, das tut uns nicht gut“.

Ich versuche schon, mein Leben lang dieses System zu beeinflussen. Ich scheitere aber immer wieder dadran. Ich kann mir noch so viele Gedanken machen, noch so viele Tricks anwenden, noch so viele Therapien machen. Wenn ich bei etwas kein gutes Gefühl empfinde, dann kann ich das nicht mit gewalt erzwingen.

Tatsächlich habe ich gemerkt, dass Angst der einzige Motivator ist, der funktioniert. Zum beispiel wenn ich angst vor den Folgen habe, wenn ich für eine Prüfung nicht lerne. Wenn ich angst davor habe, entlassen zu werden, wenn ich meine Arbeit nicht mache. Wenn ich angst davor habe, mich vor Familie oder Freunden nicht rechtfertigen zu können, wenn ich etwas nicht schaffe. Das funktioniert sehr gut, hat aber auch den Nachteil, dass ich im Dauerstress bin (was sich mit starkem Bluthochdruck äußerte, als ich 30 war).

Ich wünschte, man könnte so etwas direkt umprogrammieren im Kopf. Man kann es aber nicht. Und alle Tricks waren bisher nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Jeder Erfolg, den psychologische und therapeutische Tricks gebracht haben, ist sofort wieder untergegangen durch Motivationsschwankungen. So als wollte man auf einem kleinen Floß durch einen Sturm segeln.

Mir helfen momentan nur Medikamente (keine ADHS Medikamente, sondern Anti-Depressiva mit Serotonin-Aufnahme-Hemmer). Ich habe gemerkt, dass der geänderte Serotonin-Spiegel sehr starke Auswirkungen darauf hat, wie ich Tätigkeiten wahrnehme. Leider kann ich diese Medikamente aufgrund der Nebenwirkungen nicht durchgehend nehmen. Aber immer, wenn mir alles zu schwierig wird, dann nehme ich sie, und bin dann ein paar Tage Aktiver als sonst, kriege Dinge erledigt usw. Eine richtige Lösung ist es nicht, aber es gibt mir manchmal Hoffnung, dass es theoretisch irgendwann funktionieren könnte mit den richtigen Medikamenten.

Das Problem ist nun einmal, dass wir Menschen, egal für wie rational wir uns halten, völlig emotionsgesteuert sind. Alles was wir tun basiert auf emotionalen Motivationen. Und wenn dieses System gestört ist, dann funktionieren wir nicht richtig. Und man weiß einfach viel zu wenig dadrüber, wie wir Menschen wirklich funktionieren. Also ist es schließlich doch nur ein wildes herum probieren, in der Hoffnung, etwas zu finden, was funktioniert.

Eine richtige Strategie habe ich nicht. Ich versuche sehr oft, zu verstehen, was in mir vorgeht. Ich versuche, mich zu beobachten und zu schauen, was mir durch den Kopf geht und was mich unterbewußt steuert.

So kann ich durchaus Dinge schaffen und mich dadran erfreuen. Ich mache mir sehr oft Pläne, was ich in einem computerspiel umsetzen will. Ich kann dann Stunden oder Tage damit verbringen und konzentriert im Spiel „Arbeiten“, um mein Ziel zu erreichen. Und wenn ich es dann geschafft habe, bin ich auch sehr zufrieden damit und befriedigt. Der unterschied ist: Ich wollte es wirklich, es war ein echtes Ziel von mir.

Darum ist jetzt die Frage für mich: Wie ändere ich, was ich tief in mir will? Wie kann man ändern, was das Unterbewußtsein möchte? Was kann ich tun, damit ich putzen WILL, und es mir nicht nur rational „schönrede“ oder mich dazu zwinge.

Sehr gut beschrieben. Genauso. Und sehr, sehr mühsam und energiezehrend.
Wenn irgendjemand einen Weg aus dieser Motivationsstruktur, aus dieser Angstgetriebenheit hat wäre ich sehr, sehr dankbar!

Trotzdem fällt mir eine kleine Idee ein, zu dem ich kürzlich auch eine wissenschaftliche Bestätigung fand, nur vergessen wo:
Das Gehirn merkt sich von einer Phase oder Tätigkeit immer den Anfang und das Ende, die Strecke dazwischen wird vergessen, weniger wahrgenommen. Und zwar inhaltlich als auch emotional. Also 5 Stunden ohne Pause lernen: mööp, man merkt nur das erste und das letzte wirklich gut. Daher viele kleine Lerneinheiten mit Pausen dazwischen.

Ich hatte in der Vergangenheit festgestellt, dass ich manche Dinge plötzlich mühelos und intrinsisch motiviert in meinem Alltag unterbringe und plötzlich verschwanden sie wieder aus meinem Alltag. Als mir das dann auffiel, brachte ich mich kognitiv gesteuert dazu, wieder hinzugehen und dann fiel mir auf, warum ich nicht mehr da war: weil das letzte Mal irgendwas querlief, ich wusste dann auch immer was. Aber erst als ich wieder am Ort des Geschehens war. Dieses Querlaufen reichte wohl aus, um die automatisch-intrinsische Anziehungskraft zu neutralisieren, auf die ich mich zuvor so gut verlassen konnte.

Ich hab die Nuß noch nicht geknackt, aber die Idee wäre, irgendeinen Punkt zu nehmen und am Ende einer solchen Tätigkeit quasi eine positive „Programmierung“ zu setzen. Jetzt da ich weiß, dass der letzte Eindruck so wichtig ist.

Bei diesen intrinsisch motivierten Dingen hat mich tatsächlich die Verheißung von Freude, Spaß und Zufriedenheit gelockt und die Sache damit mühelos werden lassen. Allerdings muss ich sagen, dass die Zufriedenheit niemals lange anhielt, bzw. kaum zu merken war.

Leider nur in kleinen Ausnahmesituationen.
Wenn ich mal mit jemandem zusammensitze der mich schon lange kennt und ich/wir aus irgendeinem Anlass aus der Vogelperspektive auf meinen Lebensweg blicken - dann muss ich mir, fast notgedrungen, Respekt zollen.
Im Alltag habe ich sowas nicht. Denn durch den kämpfe ich mich nach wie vor in fast unveränderter Manier wie vor 20 Jahren. Ich mache anderes, aber das Gefühl, irgendwas hinterherzurennen ist gleich.
Ja, vielleicht ist ein Faktor, dass es jemand anderer sehen kann.

Trick Nr. 1: ADHS-Medikamente in der passenden Dosierung nehmen, die den veränderten Hirnstoffwechsel bei ADHS regulieren, denn der ist die Ursache für das nicht funktionierende Belohnungssystem.

Trick Nr. 2: Akzeptieren, dass das Belohnungssystem trotzdem nie so funktionieren wird wie bei Nichtbetroffenen. Also nie wieder die Frage stellen: „Warum schaffen die anderen das und ich nicht?“ Die Frage ist müßig, denn die Antwort kennst du.

Trick Nr. 3: Die Tätigkeiten deinem Belohnungssystem anpassen und wenig motivierende Tätigkeiten NACH MÖGLICHKEIT outsourcen. Es muss nicht jeder alles gleich gut können und machen. Aber vielleicht gibt es ja auch etwas, was du besonders gut kannst und was dich motiviert, was dagegen andere gern abgeben würden?

Vollzitat gekürzt.

Typisch für ADHS.

Bei mir hilft auch nur Druck von aussen.
Das Belohnungssystem zündet einfach nicht bei profanen Aufgaben oder es verkriecht sich zu schnell wieder.
Das ist sehr frustrierend.
Wenn die Bude sauber gemacht ist, sitze ich da und es kommt das Loch.
Es ist, wie ewig gegen die Entropie ankämpfen, weil ich weiss, der Ist-Zustand (Beispiel saubere Bude) ist nur ein temporärer.
Bald ist wieder Chaos.
Daher gehe ich schon missmutig da ran. Kennt wohl jeder hier?
Wie andere Menschen hintereinander an alltäglichem frickeln können und eine Routine entwickeln, ist mir ein Rätsel.
Du hast es gut beschrieben.

Etwas hilt mir, mich bei Routinen gedanklich mit etwas anderem zu beschäftigen, was spannender ist.
Darunter leidet aber die Qualität.

Und wir haben ja auch eine verzerrte Zeitwahrnehmung bei langweiligen Dingen. Vielleicht sollte ich mal die Zeit stoppen z.B. beim Staubsaugen:
„Huch, das sind ja nur fünf Minuten!“
Denn mir kommt das ja ewig vor.

Letztendlich habe ich es aber aufgegeben mit anderen mitzuhalten und versuche so minimalistisch wie möglich zu leben.
Auch mit den Ansprüchen.
Keine plötzlich tollen neuen Hobbys, die ich dann doch wieder aufgebe, wenig Krimskram zuhause, nichts was man bügeln muss, alles muss pflegeleicht sein, wenig Klamotten, Ein-Teller-Wirtschaft, oft das selbe Einkaufen und essen, und alles ausmisten was ablenkt und zum handeln und Sortieren zwingt.
TV-Programme minimieren and so on…
Also Leben vereinfachen.
Ich kann mir das aber nur leisten, weil ich Singel bin, da ist leicht reden, i know.

Letztendlich kann ich nur Akzeptieren das ich so bin. Das auch nur, weil ich wegen ADXS und Co-Morbiditâten in Rente bin und der soziale Druck weniger ist.

Wenn ich in einer depressiven Phase stecke, dann fällt mir alles schwerer. Ich habe weniger Antrieb, weniger Motivation und sehe alles negativ. Sprich: es fällt mir noch schwerer irgendwelche Dinge anzupacken, Belohnungen reizen mich nicht, weil mir alles egal ist und freuen tue ich mich über das Erreichte erst Recht nicht.

Geht es mir besser, dann laufen gewisse Routinen leichter von der Hand, bzw. mache ich es einfach ohne darüber nachzudenken. Was den Haushalt angeht: aufgewachsen bin ich in einer sehr sauberen und ordentlichen Umgebung und bin es gewohnt, dass es sauber um mich herum ist. Selber Ordnung halten und Putzen habe ich nie großartig gelernt. Das habe ich schmerzlich gespürt als ich ausgezogen bin. Um mich herum wurde es immer ekliger: bäh! Und keiner hats mehr weggeräumt. So habe ich über die Jahre nach und nach gelernt es einigermaßen ordentlich und sauber zu halten. Dabei hilft: viele Schubladen, Zeugs nicht doppelt haben, alles hat seinen Platz, Geschirrspüler, einmal im Jahr alte/kaputte Klamotten aussortieren. So ging es dann irgendwann. Es bleibt relativ lange beherrschbar und irgendwann muss man dann mal wieder den Putzlappen schwingen. Aber das schafft man mit 2h/Woche. Der Rest ist Ordnung halten. Mein Partner macht auch viel Unordnung, den Lernprozess mussten wir beide durchlaufen. Aber wir teilen uns auch alles. Ist er arbeitstechnisch voll mache ich mehr und andersherum genauso.

Klar, die Ordnungsqueen werde ich nie. Aber es ist so, dass man jederzeit Besuch empfangen könnte :smiley: Und dabei ist es mir egal, wenn es nicht 100%ig ist. Die anderen tun doch auch nur so :wink:
Musik hören beim Putzen hilft mir auch. Und ja, ich liebe es, wenn es danach ordentlich und sauber ist. Lange hält es nicht, aber das ist auch nicht das Ziel. Die dadurch entstandene Grundordnung ist das Ziel und die hält sich auch länger auf einem gewissen Niveau, wenn man 1* die Woche putzt.

@Dennis82HH

Mal ganz direkt: bist du computerspielsüchtig? Du freust dich über eine virtuelle Leistung mehr als über einen Reallife-Erfolg?

Vllt hast du es noch nicht schätzen gelernt wie gut sich Ordnung usw. anfülen kann, weil du sie lange nicht mehr um dich herum hattest? Du hast sozusagen keinen Appetit auf Ordnung. Vllt solltest du versuchen (wieder) auf den Geschmack zu kommen.

Ich habe Sport früher nur gemacht um abzunehmen. Dadurch musste ich mich ziemlich antreiben, damit die Kilos purzeln. Ich habe es gehasst. Es war eine Notwendigkeit.
Inzwischen, 10kg mehr auf den Rippen, gehe ich joggen, weil ich irgendwann gemerkt habe, dass ich nach dem Joggen einen stimmungsaufhellenden Effekt habe. Und danach bin ich süchtig geworden kann man sagen. Der stellt sich aber nur ein, wenn ich einfach so laufen gehe und nicht unter der Prämisse: jetzt wird abgespeckt.

Ich hatte es einmal, dass mein Hirn wieder so ultraaktiv war und ich mich auf nichts konzentrieren konnte. Gedankenkreisen, Negativspirale abwärts . Ich bin durch die Wohnung gelaufen und wusste 0 mit mir anzufangen.
Dann war ich richtig genervt und bin laufen gegangen, weil mir eingefallen ist, dass es mir danach meist besser geht.
Und das hat mir so sehr geholfen in diesem Moment, dass das einfach ein „Notfallmedikament“ für mich geworden ist.

Ich musste erst erfahren positive Sachen mit dem Laufen zu verknüpfen um es aus freien Stücken zu machen.

Richtig! Warum sollte man auch.
Aber gute Gefühle können nur empfunden werden, wenn man die Sache auch macht. Und das klappt manchmal nicht beim ersten Mal.

Das ist auch mein Problem glaube ich. Ich habe es nicht gelernt zu lernen, einfach weil ich es geschafft habe mich irgendwie durchzumogeln. Eine konstante Leistung habe ich nie erbracht.
Wenn es schwierig wurde, dann habe ich aufgegeben, weil ich nicht wusste, wie ich das Hindernis überwinde.
So hatte ich nie das Erfolgserlebnis, wenn ich irgendetwas wirklich Schwieriges gepackt habe. Und alles schwierige meide ich, weil ich einen riesen Respekt davor habe.

Das schaffe ich nur außerhalb der depressiven Phasen.
Auf das was ich bisher erreicht habe bin ich nicht stolz. Also auf die Sachen, die so im Lebenslauf stehen.
Aber ein bisschen stolz bin ich darauf, wie ich das alles geschafft habe trotz der widrigen Umstände in der Kindheit/Jugend und den Depressionen im jungen Erwachsenenalter.
Das aber auch erst als es mir in der Therapie gespiegelt wurde.
Ich habe einfach immer irgendwie gekämpft. Gegen mein Umfeld, gegen mich selbst. Momentan lässt dieser Kampf nach und es ist so, dass die Wolken sich verziehen. Mit einzelnen Regentagen, die immernoch vorkommen.
Die Kraft, die ich für diesen Kampf gebraucht habe ist plötzlich frei für mich. Da ist jetzt ein Überschuss da mit dem ich erstmal lernen muss umzugehen.
Da ich mich aber kenne, habe ich manchmal Sorge, dass die schlechte Zeit wiederkommt. Den Gedanken schiebe ich dann beiseite, ich versuche es zumindest, einfach weil ich mir diese schöne Zeit momentan verdient habe.
Was morgen ist, das ist mir heute egal.

Diese kurzfristigen Belohnungen treten ja dann auf, wenn du dich der Situation nicht entziehen kannst oder? An deinem Beispiel mit dem Seminar. Ich glaube hier spielt die benötigte externe Struktur eine wichtige Rolle.
Du hast positive Erfahrungen in einer Situation gesammelt, weil du dich ihr nicht entziehen konntest.
Das klappt beim Lernen nicht. Schließlich kann man das prokrastinieren. Und somit hat man da auch keine kurzfristigen Belohnungen.
Zumindest ist das meine Vermutung auf deine Situation bezogen.

Danke euch übrigens für die Antworten. Auch wenn sie etwas ernüchternd sind :smiley:


Ich würde ja auch schonmal unterschreiben, dass ich weniger neative Gefühle im Zusammenhang mit Aufgaben habe, seit ich MPH nehme. Irgendwie bin ich auch stärker motiviert Probleme zu lösen. Gleichzeitig ist dabei die innere Kiritkerin zumindest etwas gedämpfter in ihrem Ton.
Ich bin ja im kreativen Bereich unterwegs, lange schon mit Literatur. Da ist auch anderen aufgefallen, dass mein Output plötzlich höher ist, weil ich halt nicht ständig schwanke zwischen Schreibfluss und Bewertung und mal an einem Stück etwas aufs Papier bringe, ohne mich zwischendurch schon für kleinste Satzbausteine fertig zu machen.
Aber größere Projekte, langer Atem - das erscheint mir unmöglich.

Ich habe ja ein bisschen die Hoffnung, dass ich zumindest noch etwas an Vertrauen in meine Leistungsfähigkeit dazu gewinnen kann. Es gibt einige Chancen, die ich ausgeschlagen habe, weil ich mir nicht zugetraut habe auch nur 3 Wochen am Stück mit der gleichen Energie an etwas dran bleiben zu können; weil ich schon wusste: nach einem Misserfolg, nach einer nicht beantworteten Mail, nach der ersten Aufregung bekomme ich Angst und die schraubt sich hoch und ich scheitere.
Einiges davon habe ich bereits vor der Diagnose abgebaut bekommen, aber hier mache ich gnauso halbwegs gute Erfahrungen mit Medikinet. Damit weiß ich zumindest, dass ich mich auf ein Mindestmaß an Wachheit verlassen kann.


Den Hinweis finde ich sehr interessant. Wobei Anfang und Ende von Projekten ja total wirr sein können. Und ADHS-typisch verschätze ich mich meistens mit den Erwartungen an Zeit und Aufwand von Aufgaben, vorallem wenn ich noch nicht alle Teilschritte kenne.
(Überhaupt ganz schlimm, total unfair, die ganze Welt gegen mich wenn sich rausstellt, dass eine Aufgabe aus noch mehr Teilen besteht, als ich antizipiert habe.)
Vielleicht sind das Dinge, die man sich mal notieren sollte. Hier habe ich gestartet und hier habe ich was zuende gemacht. Allein um das zu begreifen.


Ja und nein. Ich habe schon etliche Seminare belegt und dann geghostet. Ich habe schon etliche Seminare belegt und dann keinen Nachweis darüber eingefordert.
Aber trotzdem ist der Rahmen nicht ganz unwichtig. Gerade fällt mir trotzdem wieder auf: alles wird über negative Gefühle ins Rollen gebracht. Meisens beteilige ich mich aus unaushaltbarer Langeweile heraus oder weil ich jemandem widersprechen muss oder weil ich wütend bin über die oberflächlichen Gespräche. Und dann will ich allen ans Bein pissen und ziehe die Energie aus Frust.

Es ist verhext.
Ich hab schon echt oft vorgeworfen bekommen, mir selbst enorm im Weg zu stehen. Und ich hab lange an reine Charakterschwäche als Auslöser geglaubt.
Dass der Ursprung dieses übersteigerten Misserfolgserlebens ADHS ist, dringt jetzt erst durch. Aber klar hat sich das daraus reslutierende Vermeidungsverhalten mittlerweile zum Selbstläufer entwickelt.

Ich denke gerade an meine Schulzeit. Da war der O-Ton „Die ist unterfordert, wenn sie will, kann sie ja“ und dann habe ich gutgemeinte Angebote bekommen wie „Ich weiß, du möchtest diese Aufgabe nicht machen, weil du sie schon kannst, aber wenn du früher fertig bist, bekommste du eine schwierigere Aufgabe, die dir mehr entspricht“.
Das ist im Nachhinein so absurd. Mit mehr Arbeit belohnt werden. Wenn ich schon den ersten Teil nur unter Heulen und Schreien erledigt habe.


Aber wo ist der Unterschied wirklich?
Ich will auch in einem ordentlichen Zimmer hausen, ich will auch ein drei Gänge Menü und ich will auch ein Sixpack haben. Was ich nicht haben will, ist der Weg dahin.
Wieso ist es leichter, wenn es ein Spiel ist? Ich meine Banditen wegballern und so, das kann ich noch verstehen. Aber bis dahin muss man durch Wälder schleichen und Skills hochleveln.
Würdest du das als Hyperfokus begreifen?

Das wär nämlich eh nochmal meine Frage: Wie empfindet ihr das im Hyperfokus und bei Special Interest Dingen? Ist das befriedigend? Gibt es da Belohnung?

Ich würde sagen: Die Zeit im Hyperfokus ist die Belohnung, das Arbeitsergebnis nebensächlich.:wink:

In dem unten angefügten Video wird kurz erklärt, welche Funktion Dopamin hat und wie sich der Dopaminmangel bei AD(H)S auswirkt (Stichworte Belohnungssystem, Motivation).

Verstehe ich das richtig, dass mit AD(H)S z.B. bei einem guten Essen nur wenig bis keine Freude empfunden werden kann? Und wenig bis keine Freude, wenn man etwas erreicht hat, weil man sich Mühe gegeben hat? Ich würde mich über Antworten freuen. Ich kann mir das nämlich nicht vorstellen.
Ich freue mich z.B. über ein gutes Essen enorm und das ist dann auch fest verankert in meinem Gehirn, sodass ich das Erlebnis am liebsten wiederholen wollte (was ich dann auch oft tue oder zumindest versuche, selbiges bei Ausflügen oder anderen schönen Erlebnissen - wenn ich mich da richtig gefreut habe, dann weiß ich das später auch noch und möchte es wieder tun. Allerdings ist das Gefühl selbst oft nicht an die Erinnerung gekoppelt. Also ich erinnere mich, dass ich etwas sehr gut fand, kann das Gefühl dazu aber oft nicht erinnernd wiederherstellen.

Hier das Video:

<LINK_TEXT text=„- YouTube … theADHD%3F“>ADHD and dopamine: how are they connected? - YouTube</LINK_TEXT>

Wär gut, wenn jemand meine o.g. Fragen beantworten könnte bzgl. der fehlenden Freude usw.

Grüße, Dreamy

Schade um den ganzen Aufwand mit der Animation, wenn das Video primär Missverständnisse produziert.

Die Suchtgefährdung bei ADHS wäre vermutlich nicht so massiv erhöht, wenn „gar keine“ Freude empfunden werden könnte und zB Nougat-Schokolade zu derselben Transmitterausschüttung führen würde wie Dinkelknäcke (oder beides eben gleichermaßen zu gar keiner Ausschüttung).

Bestimmt hakt einiges mit dem Memory-Effekt, also dieser Kopplung im Sinne der (m.E. aber auch für Neurotypische etwas sehr vereinfachten) Darstellung: „Ich bekomme Note X, weil ich Y Minuten gelernt habe. Ich will wieder Note X, also lerne ich wieder.“

Vermutlich wird es aber v.a. an der Stelle schief, wo sie „really cool stuff incl. instant gratification“ mit eher nüchternen und drögen, hart erarbeiteten Lern-Erfolgen in einen Topf wirft?

Ich würde jedenfalls nicht meine Diagnose in Zweifel ziehen, weil Essen zu großem Lustgewinn führt und ich deshalb mehr davon will.

Nee, Gott sei dank freue ich mich über ein gutes Essen schon immer sehr.

Ich habe das Video nicht gesehen, aber das ist Unsinn. Dass es uns schwer fällt uns über selbst Erreichtes zu freuen, das stimmt durchaus.

Danke für eure Antworten! Vielleicht hab ich die Erklärung im Video auch falsch verstanden.
Ich fand das mit dem Essen auch fragwürdig, musste auch an die erhöhte Suchtgefährdung bei AD(H)S denken und das passt für mich nicht.
Den Sprung von Essen zu Lernerfolg habe ich auch nicht nachvollziehen können.

Habt ihr auch das Problem, dass ihr euch rein rational daran erinnern könnt, dass euch etwas gut getan hat, ihr aber das gute Gefühl nicht erneut wachrufen könnt?

Beispiel Sport oder Abendspaziergang: ich weiß, dass es mir (fast) jedes Mal sehr gut geht hinterher. Aber das ist nur ein Wissen, gefühlsmäßig kann ich es nicht erinnern.
Deshalb muss ich mich rational entschließen, es wieder zu tun, mit dem Hintergrundwissen, dass es mir erneut gut tun wird.
Ist das bei euch auch so?
Würdet ihr sagen, das hat auch mit dem Dopamin zu tun?
Aber es ist ja Dopamin da, wenn ich spazieren gehe, aber vielleicht zu wenig?

Ich weiß gar nicht, ob das bei Neurotypischen anders ist. Die meisten raffen sich wohl nur mit rationalen Erinnerungen an „das Gefühl danach“ zum Sport, usw. auf. Wahrscheinlich hilft ihnen eher die bessere zeitliche Wahrnehmung („jetzt ist nicht immer“) dabei, solche Deals mit dem Schweinehund zugunsten der Zukunft zu machen.

Wäre vielleicht evolutionär anders auch gar nicht vorteilhaft: Wer ein gutes Gefühl inkl. Transmitterausschüttung allein aus der Erinnerung wieder abrufen kann, würde vielleicht nicht nochmal einen Königstiger erlegen, sondern in Erinnerungen schwelgen, bis der Hunger so spürbar groß ist, dass er kaum noch jagen kann.

Ich hab’s gerade erst irgendwo anders geschrieben:

Wenn mich etwas motiviert, dann die Tätigkeit an sich, nicht das Ergebnis.

Auch ich weiß, dass ich mich nach Sport oder Gartenarbeit gut fühle. Aber was tut, wenn es einfach keinen Spaß macht?

Dann evtl was anderes suchen?
Evtl ist die Erwartungshaltung auch zu hoch. Sport/Joggen ist kein spannender Kinofilm oder ein actiongeladenes Computerspiel mit Suchtfaktor.
Die Freuden, die bei sowas freigesetzt werden sollte man evtl nicht beim Joggen/Sport machen erwarten.

Evtl hilft auch ein Verein, so dass man sozial eingebunden ist.
Auch ich meine wieder: man muss eine Tätigkeit erstmal lange genug machen um Erfolg haben zu können und daran Freude zu empfinden.

Spaß war rar gesät als ich mit 10kg Übergewicht angefangen habe zu laufen. Inzwischen ist es okay, aber das Gefühl danach…!!! <3

Durch zu viel Süßigkeiten schmeckt Dir das Obst evtl nicht mehr?
Ich hoffe es ist klar worauf ich hinaus will.

Ehrlich gesagt: nein.

Warum soll Sport nicht dasselbe Gefühl erzeugen können wie ein spannender Kinofilm? Dass er das bei mir nicht tut, muss nichts heißen.