Hyperfokus bei ADHS

Hyperfokus – ADHSpedia

das als Starter eben

Ohne damals von meinem ADS zu wissen, habe ich meine Hausarbeiten während des Studiums wohl in einer Art Hyperfokus geschrieben. Alle anderen schrieben an ihren Arbeiten kontinuierlich 3 Wochen, während ich 4 Tage und Nächte daran schrieb. Je weniger Schlaf und Nahrung ich hatte, desto klarer wurden meine Gedanken und je leichter fiel mir das Fokussieren. Irgendwann war ich in einer Art Rauschzustand und alles ging mir leicht von dir Hand. Ich musste nur vor dem Absturz fertig sein, denn der setzte nach 4 Tagen dann unweigerlich ein. Dann ging wirklich gar nichts mehr. Die Arbeiten habe ich immer ganz gut bestanden. :relaxed:

Merkt Ihr hier beim Hyperfokus einen Unterschied mit/seit der Medikation?

Ich finde diesen Beitrag über einen „Master Procrastinator“ sehr anschaulich zum Zusammenspiel von Aufschieberitis, Hyperfokus, etc.: Inside the mind of a master procrastinator | Tim Urban - YouTube

Es geht da um ein Äffchen/Monkey mind, das immer wieder ins Steuerrad greift (im Video ab 4:40), von der geplanten Route abbringt, aufschiebt und aufschiebt… und ein Panikmonster (ab 7:30), das dann schließlich den Affen verjagt, damit der rationale Part ans Ruder kann, im Idealfall mit Hyperfokus in letzter Sekunde, um die Kastanien (oder was noch übrig und zu retten ist…) gerade eben so noch aus dem Feuer zu holen.

Ich weiß, Hyperfokus und Panikmonster sind nicht deckungsgleich. Es mag ja den Fokus auch abseits von Torschlusspanik geben. Aber meistens hat sich das Team aus Äffchen und hyperfokussiertem Panikmonster ja vor der Diagnose irgendwie eingespielt über die Jahre. Ging nicht immer gut und immer zu einem viel zu einem hohen Preis, aber besser als ganz ohne Monster-Einsatz auf den letzten Metern…

Was aber nun, wenn trotz Medis das Äffchen immer noch an Bord rumtobt, … sei es wg. noch nicht idealer Einstellung oder auch nur in einer Übergangszeit, weil die Exekutivfunktionen nicht automatisch mit Medis kommen, sondern mühsam trainiert und neu gelernt werden müssen… aber das Panikmonster gleichzeitig nicht mehr rechtzeitig einschreitet, weil durch die Medis der Stresspegel nicht mehr hoch genug ist bzw. nicht mehr so aufrüttelnd hoch wie früher?

Fühlt sich an wie Idealbedingungen zum Schiffbruch…

Im Studium habe ich Hausarbeiten nach Möglichkeit vermieden, weil es mir sehr schwer fiel, kontinuierlich daran zu arbeiten. Musste ich doch mal eine Schreiben, habe ich die Arbeit großteils aufgeschoben, bis kurz vor Abgabe. Dann habe ich sie unter dem Druck in kurzer Zeit fertig gestellt. Oft habe ich am späten Abend erst realisiert, dass ich nichts oder kaum gegessen und getrunken hatte und mir eisig kalt war vor Erschöpfung. Meist habe ich dennoch gute bis sehr gute Noten bekommen. Ich habe mir immer wieder vorgenommen, eine gesündere Arbeitsweise anzuwenden, das hat aber bis heute nicht funktioniert. Wenn ich frühzeitig mit einer Aufgabe anfange, arbeite ich erstmal total unkoordiniert, so dass es kaum etwas bringt. Mache das auch in anderen Lebensbereichen so.

Ich denke, die Medis allein werden das Äffchen nie ganz vertreiben können, denn dieses Äffchen ist speziell bei spät Diagnostizierten durch jahrzehntelange Praxis konditioniert. Das ist bei mir auch so. Vermutlich könnte genau an dieser Stelle eine Verhaltenstherapie ansetzen, die das Äffchen zu ignorieren lehrt.

Hi,

ich kenne die Probleme auch sehr gut. Gerade die Schilderung von Andromache wie er Arbeiten geschrieben hat, kann ich zu 1000% unterschreiben.
Mir persönlich kommt vor, dass sich das Panikmonster bei mir derzeit weniger meldet, weil ich die Selbstabwertung bzw. -Verachtung gut in den Griff bekomme. Habe ich mir im Herbst am Tag 100 mal gesagt, dass ich ein Vollidiot bin, tue ich das heute kaum noch.
Dazu habe ich auch gerade auf Additudemag einen spannenden Artikel gelesen, der beschreibt wie diese Scham, langfristig natürlich kontraproduktiv, zur Motivation verwendet wird. <LINK_TEXT text=„https://www.additudemag.com/how-to-moti … al-health/“>https://www.additudemag.com/how-to-motivate-adhd-brain-emotional-health/</LINK_TEXT>

Lg

Ich sitze gerade im Auto (natürlich auf einem Rastplatz) und frage mich, ob der Flow eines Hyperfokus derart beflügeln kann, dass sich noch eine Metaebene öffnet.

Beim Autobahnfahren stellt sich mein Hyperfokus immer sehr schnell ein. Aber irgendwann scheint meinem Hirn langweilig zu werden und trotz Radiohören bemerke ich unbekannte KFZ-Kennzeichen und überlege, welche Stadt das wohl sein mag…aber die notwendige Vollbremsung, weil ein Depp einfach vor meinem Vordermann einschert, mach ich trotzdem…
Ach, wär doch immer alles so einfach. :wink:

Diesen Hyperfokus kenne ich auch nur zu gut. „Passiert“ mir oft bei interessanten Arbeiten. Bis jetzt habe ich dadurch auch immer alles in letzter Minute fertig bekommen. Leider bin ich jetzt an einem Punkt im Studium wo 2 Tage nicht mehr reichen. Zudem bin ich aktuell so verzweifelt das nicht mal 1 Tag vor dem Zweitversuch dieses Monster auftaucht. Vermutlich hat eine Depression ihm zu schaffen gemacht. Und auch der Affe hat keinen Spaß mehr :smiley:

Was mir in diesem Video fehlt ist die Lösung. Das Problem ist ja bekannt. Hilft hier eine gute Medikation? Glaube ich irgendwie nicht… Wie habt ihr das gemacht?

Kennt ihr auch Hyperfokusus auf negative Gedanken und Gefühle, dass ihr da drin festhängt? Das ist etwas, was mich immer wieder sehr belastet. Tritt oft in Zusammenhang mit Verlustangst auf, aber auch bei Ärger/Wut und allgemein bei Angst.

Leider. Nennt sich „negativer Hyperfokus“.

Ja kommt mir auch bekannt vor…

Kommt mir auch bekannt vor.

Habt ihr, wenn es euch richtig erwischt, die Chance, da rauszukommen, also durch eine bestimmte Verhaltensstrategie?

Wenn ich merke, dass ich wo reingerate, kann ich schon hier und da mit dem „Stop!“ dagegen wirken. Aber wenn mich ein altes, schlimmes Gefühl wie halt die Verlustangst - oder Wut wegen echtem oder vermeintlichem missachtet/nicht anerkannt werden u.ä. voll trifft, dann stecke ich sofort ganz tief in diesem Gefühl und bin mit dem Verstand quasi nicht mehr anwesend :frowning:


Das kenne ich sehr gut. Die Kunst besteht darin, gar nicht erst in dieses heftige Gefühl reinzugeraten, sondern die Zeichen frühzeitig zu erkennen und gegenzusteuern. Lässt man es eine Zeit lang zu und steigert man sich syndromtypisch so richtig schön hinein, so passiert genau das: Man ist dem Gefühl hoffnungslos ausgeliefert und die Gedanken können nichts mehr ausrichten.

Wenn man also frühzeitig dieses Stop, von dem du sprichst, machen kann (was ich meistens nicht schaffe, da ich oft gar nicht bewusst merke, was passiert), dann ist das die halbe Miete. Danach folgt das, was man z.B. in der Verhaltenstherapie lernt, nämlich das Gefühl genau zu identifizieren, wodurch man schon einen kleinen Abstand erreichen kann. Dann kann man einen Realitätscheck machen: Ist das Gefühl angemessen? Letztlich geht es darum, herauszufinden, welche alten Filme für das Gefühl verantwortlich sind und sich klarzumachen, dass dieses Gefühl für jetzige Lebenssituation kontraproduktiv ist.

Alles ziemlich theoretisch, verkürzt dargestellt und auch bei ADHS besonders schwierig. Ich denke aber, es lohnt sich, eine VT zu machen und das von der Pike auf zu lernen und vor allem begleitet zu üben, wenn man mit der Emotionsregulation ein Problem hat. Ich für meinen Teil kann das oft noch nicht umsetzen, aber ich habe begriffen, dass es grundsätzlich funktioniert und meine Annahme, dass ich meinen Gefühlen immer ausgeliefert bin und kognitiv keinen Einfluss habe, falsch war. Das gibt mit die Hoffnung, es doch irgendwann besser zu schaffen mit der Emotionsregulation.

@Addy_Haller Danke für deine Antwort!

VT steht bei mir jetzt auch an. Ich hab schon ein bisschen was ausprobiert in Sachen Emotionsregulation, anhand eines Buches, und konnte wie du die Erfahrung machen, dass es grundsätzlich funktioniert (z.B. Perspektivwechsel).

Mich würde mal die Abgrenzung einiger Begriffe interessieren, vielleicht habt ihr noch eine Idee dazu:

* Gedankenkreisen/Grübeln/Rumination

  • Gedankenkreisen, ohne Bewegung/Fortschritt, begleitet von negativen Gefühlen (oft Hoffnungslosigkeit oder Angst o.Ä.) [wikipedia]
  • „von einer immer wiederkehrenden Abfolge der selben Gedanken (unter Abwesenheit von kreativen Abwandlungen der Gedanken) gekennzeichnet … Derartiges Gedankenkreisen ist meist nicht lösungskonstruktiv.“ [www.adxs.org Kapitel zu Stressnutzen]
  • Gedankenkreisen als Stresssymptom oder als Erscheinungsform innerer Unruhe [www.adxs.org Gesamtliste Symptome]

* Hyperfokus

  • s.o., betrifft neben Gedanken v.a. auch Aufmerksamkeit?!

* Persevation

  • Haftenbleiben psychischer Eindrücke oder Haftenbleiben von Gedanken; (wenn ich das richtig verstehe:) wird eher Autismus-Kontext zu geschrieben und Hyperfokus dagegen eher ADHS [adhspedia]
  • adxs definiert Persevation als eine Begleitstörung, der Hyperfokus dagegen sei „eine gesunde Reaktion auf ein intensives Interesse“ [www.adxs.org Gesamtliste]

* Katrastrophisieren

  • Erwartung einer /Überzeugung dass eine Katastrophe eintritt, hat oft mit Hilflosigkeit, Angst zu tun (Verlustangst) [vgl. wikipedia]
  • gedanklich häufig schlimmste Annahmen treffen [adxs], These: sich gedanklich auf worst-case-Szenarien einstellen, um Angst zu begegnen

→ alle diese Punkte haben mit „Steuerung“ zu tun, nämlich mangelhafter…
→ und vielleicht geht es darum, die Aufmerksamkeit in Balance zu halten, was aber eben ständig von Interesse/Motivation, Emotionen und Gedanken beeinflusst wird? zu banal?
mich würde interessieren, inwiefern sich Gedankenkreisen bei ADHS von dem bei Depressionen unterscheidet…? Setzt ihr negativen Hyperfokus mit Gedankenkreisen gleich?
Und könnten wir hier rauslesen, dass ein Weg aus dem Grübeln sein kann, zu versuchen, das betroffene Thema wieder kreativer anzugehen? Also sich vielleicht irgendeine Art Werkzeug zu überlegen, die eine*n in dem Augenblick daran erinnert, wie man auch kreativer denken kann. Denn das wird ADHS-Betroffenen ja nachgesagt, dass sie kreativ denken können…
habt ihr Gedanken dazu? und wenn jemand ein Schaubild hätte, ich steh ja total auf Schaubilder… :wink:

ich kann jetzt nur von mir sprechen

Gedankenkreisen hält mich davon ab in die Pötte zu kommen obwohl eine Idee oder ein Ziel vorhanden ist und ich sehe einen Sinn darin, auch wenn ich es trotz ADHS nicht umsetzen kann, aber die Notwendigkeit ist mir klar und die mögliche Konsequenz ist mir nicht egal , ich komme „nur“ nicht in eine Handlung. Droht eine Konsequenz bin ich plötzlich aktiviert und versuche schlimmstes zu verhindern. Insgesamt ist meine Stimmung trotzdem Hoffnungsvoll. bekomme ich etwas nicht hin, ist es für mein Selbstwert nicht ganz so schlimm. Gedankreise könne auch positiv und kreativ sein.
Ich nehem lustiges noch war und kann lachen. Ich erlebe das Leben trotzdem in allen farblichen Facetten

Depression sind ehr für mich lähmende Gedanken und ich habe so recht keine Idee mehr von allem und kein Ziel und sehe in nichts mehr einen wirklichen Sinn, es ist mir egal. Ich sehe keine Notwendigkeit etwas zu tun und auch die Konsequenz wird mir egal. Ich bin komplett gelähmt zu handeln. Droht eine Konsequenz komme ich trotzdem nicht in Handlung , weil es mit egal ist . Meine Stimmung ist hoffnungslos. Bekomme ich etwas nicht hin nagt es an meinem Selbstwert und es macht mich noch depressiver. Gedankenkreis sind fast nur noch destruktiv und negativ, nichts bringt mich mehr zum lachen.
Alles hat nur noch eine grau schwarze FAcette

ich glaube negativer oder positiver Hyperfokus hat eher ein Ziel und Gedankenreisen kann alles und nichts sein.

Als ich wegen Depression in Therapie war, erfuhr ich, dass Grübeln (oder Gedankenkreisen) typisch bei Depression sei.

Jetzt, wo ihr es sagt, erinnere ich mich: Ich war irritiert, denn Gedankenkreisen und Grübeln war für mich ganz normaler Alltag, auch schon vor der Depression.

Dann erfuhr ich, dass Katastrophisieren ein typisches Symptom für Depression sei. Auch das kannte ich schon sehr lange von mir.

Heute weiß ich, dass das auch ein ADHS-Symptom ist, negativer Hyperfokus genannt.

Dann wiederum wunderte ich mich, denn viele andere Depressive, die ich kennenlernte, waren ganz anders drauf als ich: Die waren RICHTIG depressiv, nicht einfach nur fix und fertig und mit den Nerven am Ende wie ich.

Ich glaube, bei neurotypischen Menschen ist eine Depression leicht festzustellen, denn die genannten Symptome gibt es nicht, wenn sie gesund sind.

Bei ADHS verschwimmt das aber und ich bin mir bis heute nicht sicher, ob ich wirklich jemals „wirklich“ depressiv war.

Bei ADHS ist es wohl schwer zu sagen, wo Depression anfängt und ADHS aufhört…

Der Unterschied @Addy_Haller liegt bei mir an die Intensität der Gefühle.
Grübeln, Katastrophieren, Zukunftsängste etc. waren und sind immer da, nur die Wahrnehmung bei Depressionen ist viel viel intensiver. Und wie @Nelumba_Nucifera beschrieben hat, die Hoffnungslosigkeit und das Egal Gefühl.