Hallo,
mich beschäftigt sehr oft das Thema des „inneren Saboteurs“. Ich habe gemerkt, dass es schon seit meiner Kindheit eine Kraft in mir gibt, die mich in vielen Dingen hindert. Diese andere „Seite“ ist komplett Emotional gesteuert und für mich nicht rational erfassbar. Ich bin dazu ein sehr rationaler Mensch und habe starke Schwierigkeiten, in meine Emotionen hinein zu fühlen.
Dabei scheint dieser „innere Saboteur“ sich gegen jede meiner Entscheidungen zu stellen, egal wie nichtig sie auch sind. Das fängt morgens mit dem Aufstehen an, und endet abends mit dem Einschlafen. Besonders in der Therapie ist es mir verstärkt aufgefallen. Im Zusammenhang mit einer 3 monatigen Achtsamkeitstherapie habe ich gemerkt, wie ich mich rational für eine therapeutische Maßnahme entscheiden kann, aber ich gleichzeitig spüre, wie sich etwas in mir weigert.
Es ist für mich schwer zu begreifen. Ich kann zum Beispiel einer Therapeutischen Maßnahme zustimmen, sowas wie täglichen Achtsamkeitsübungen. Dabei setze ich mich jeden Tag für 15 Minuten hin und mache für mich eine Achtsamkeitsübung, um meine Gedanken zu beruhigen und zu ordnen. Rational betrachtet finde ich diese Maßnahme sehr logisch, da sie mir auch in der Therapie immer gut getan hat. Aber schon während ich meiner Therapeutin die zusage gebe „das hört sich gut an, ich werde es mal probieren, jeden Tag eine Übung zu machen“, merke ich, wie etwas in mir eine Barriere aufbaut und sich mit aller Kraft dagegen wehrt. Schon in diesem Moment ist mir klar, dass ich schon verloren habe.
Natürlich vergingen mehrere Wochen, in denen ich nicht 1 Achtsamkeitsübung gemacht habe. Jeden Tag habe ich es entweder vergessen oder verdrängt. Wann immer ich es mir bewußt vorgenommen habe, wurden in mir alle Kräfte in bewegung gesetzt, um dies zu verhindern. Dabei ist dieser „innere Saboteur“ bestens ausgerüstet und hat direkte Kontrolle über meine Motivation und Körper. Entweder setzt komplett jegliche Motivation aus, ich werde depressiv, ich kriege Kopf- oder Bauchschmerzen, ich fühle mich erschöpft und schlapp oder ich verrenne mich in Gedankenschleifen. Letztlich vergeht der Tag, und ich kann nicht rational erklären, wieso ich die Übung nicht gemacht habe. Oftmals weiß ich es garnicht mehr, oder ich war einfach komplett machtlos dagegen. Und das ist extrem frustrierend.
Das betrifft allerdings nicht nur Übungen oder Therapeutische Maßnahmen, sondern auch alle Vorhaben, die ich selber für mich festlege. Oftmals schlafe ich 12 Stunden, weil ich es nicht aus dem Bett schaffe. Oder ich bin bis morgens um 6 Wach, weil ich es nicht INS Bett schaffe. Wann immer ich mir etwas vornehme, merke ich schon, wie in mir etwas anfängt daran zu arbeiten, wie man es verhindern kann.
Dabei ist dieser „innere Saboteur“ nicht rational. Ich kann nicht kommunizieren mit ihm, fragen was er will oder sein Handeln irgendwie erklären. Das ganze scheint komplett emotional oder instinktiv zu sein, so als würde man ein Tier beobachten. Trotzdem ist es schließlich mein „rationales Ich“, welches mein Versagen vor anderen Menschen rechtfertigen muss. Das sorgte dafür, dass ich schon als Kind/Jugendlicher schnell in Erklärungsnot kam und mir Notlügen einfallen ließ.
Ich habe bisher keine Möglichkeit gefunden, irgend etwas daran zu ändern. Immer wenn ich glaube, dass ich einen Weg gefunden habe, trickst mich der „innere Saboteur“ wieder aus und ich merke schließlich, dass eigentlich er die Kontrolle hat. Zum beispiel gibt es ja Therapeutische Ansätze, dass man sich mit Belohnungen bzw. Bestrafungen selber „umtrainieren“ kann. Auch dies versuche ich immer wieder, aber meinem „inneren Saboteur“ ist zu jeder Zeit völlig klar, was ich vor habe. Über angebliche Belohnungen lacht der nur. Und wenn ich versuche, ihn zu bestrafen, dann bestraft er mich (zum Beispiel mit sehr hohem Bluthochdruck, Stress, Schlaflosigkeit, Depression, Bauchschmerzen, Durchfall usw.).
Mir stellen sich dabei zwei Fragen.
- Was will dieser Teil von mir eigentlich? (ich erkenne kein Muster, er ist einfach gegen alles was ich tue und ist erst zufrieden, wenn wirklich alles gegen die wand gefahren ist).
- Wie kann ich dagegen ankommen?
Ein Beispiel ist der Haushalt. Ich habe wirklich schwierigkeiten damit und muss mich sehr oft zwingen, etwas zu tun. Wenn ich es dann geschaft habe, mich durchzuringen, beginnt der Kampf. Ich beginne die Tätigkeit und merke direkt, wie mich komplett die motivation verlässt. Ich ringe mich aber durch, zwinge mich weiter. Ich will garnicht viel schaffen, und nehme mir vor, nur etwas zu tun. So dass es ein kleiner Schritt ist, ein kleiner „Sieg“. Da merke ich schon, dass etwas in mir das komplett lächerlich und sinnlos findet. Auch dagegen rede ich an. Ich fange an, unglaublich zu schwitzen, selbst bei einfachen tätigkeiten. Mir passieren ganz viele Flüchtigkeitsfehler, ich vergesse ganz viel. Ich bin am Ende überhaupt nicht zufrieden mit dem, was ich erreicht habe. Ich spüre keine Befriedigung, kein gefühl eines kleinen Sieges. Ich habe das gefühl, meine Zeit komplett verschwendet zu haben. So endet die Tätigkeit dann irgendwann. Ich bin erschöpft, unbefriedigt, unzufrieden. Und selbst gutes zureden ändert diese Gefühle nicht (da die Gefühle komplett vom „inneren Saboteur“ gesteuert werden). MAche ich dies nun über Wochen hinweg jeden Tag, werden diese Gefühle immer stärker, die unzufriedenheit immer größer. Die erhoffte gewöhnung findet nicht statt, stattdessen wird die innere Kraft jeden Tag stärker, die sich dagegen wehrt.
Und auf diese Weise endet jede Tätigkeit, jede Therapeutische Maßnahme, jeder Versuch etwas zu verändern/verbessern in meinem Leben. Und ich bin wirklich ratlos, was man dagegen tun kann. Dann ergebe ich mich manchmal und lass diesen „inneren Saboteur“ einfach freie hand, in der Hoffnung, dass er dadurch vielleicht gnädiger wird. Doch das endet dann darin, dass ich bis 6 Uhr wach bin, bis um 6 Uhr abends schlafe, kaum etwas esse, mit niemanden mehr Kontakt aufnehme und völlig degeneriere. Doch genau dann merke ich, dass dieser „innere Saboteur“ zufrieden ist.
Tatsächlich haben bisher nur Extreme geholfen. Ich nehme sehr viele Tabletten gegen den Bluthochdruck, dazu noch Tabletten zum einschlafen, dann noch Antidepressiva. Wenn ich das alles in hohen Dosen nehme, und dann noch viel Kaffee trinke, dann bin ich tatsächlich fähig, Dinge zu tun, die ich mir vornehme. Es ist so, als würde diese Extreme mischung mir eine kleine Handlungsfähigkeit geben. Aber zu einem Hohen Preis und starken Nebenwirkungen.
Auch extremer Alkoholkonsum hatte mir eine Zeitlang geholfen. Da aber Drogenkonsum in meiner Familie schon zu einigen Todesfällen geführt hat, bin ich da sehr vorsichtig.
Mir gehen aber wirklich die Ideen aus. Dieser innere Saboteur scheint mit jedem Jahr besser zu werden, er übernimmt immer mehr „Körperfunktionen“ und wird immer kleverer.
Ich frage ja jetzt hier nach Ratschlägen, und ich weiß jetzt schon, was passieren wird. Ich bekomme sicherlich einige gute Ideen, Vorschläge und Erfahrungsberichte. Und schon während ich diese lese, wird in mir etwas für jeden Ratschlag gegenargumente sammeln, bei jeder Idee sagen „das trifft nicht auf dich zu, das ist bei dir komplett anders“. Und obwohl ich das weiß, renne ich praktisch „mit offenen Augen ins Messer“, ich kann es nicht stoppen.