Introspektion / Selbstwahrnehmung

Prolog: Sollte das Thema bereits schon irgendwo aufgekommen und/oder diskutiert worden sein: Sorry! :see_no_evil:
In dem Fall bitte einfach den Beitrag verschieben oder löschen - merci :blush:

Würde gerne, wie der Titel schon vermuten lässt, eine Aussage einer ärztlichen Internetpräsenz zur Diskussion stellen, welche wie folgt lautet:

„Erwachsene mit ADS (mit oder ohne Hyperaktivität) können ihre eigenen Probleme, die sie im Beruf, in der Beziehung und in der Familie haben, oft gar nicht selbst feststellen. Die Erkrankung selbst - mit Ursache einer Störung in der Selbstwahrnehmung - steht dem entgegen. Ich kann nicht etwas erkennen, was ich gar nicht wahrnehme. Die Art zu denken, steht der Analyse entgegen.“

Quelle: Internetpräsenz des Zitats

Als Betroffener sowie Psychologie-Studi finde ich aktuell, sowohl aus Sicht der Forschung sowie aus eigener Erfahrung, keine zufriedenstellenden Argumente respektive Erklärungen, welche diese Aussage untermauern könnten.
Was selbstrendend nicht bedeutet, dass es diese nicht gibt :sweat_smile:

Aus diesem Grund würde ich gerne Mal die Meinung der Community dazu hören (und hoffe, die Schilderung meiner eigenen Perspektive ist nicht zu suggestiv sondern wird als Motivation zur Nachfrage in diesem Forum verstanden) :smiling_face:

Beim Lesen dieser Aussage fehlt mir momentan etwas die Trennschärfe zwischen (selektiver) Wahrnehmung von Reizen aus der Umwelt vs. Introspektion respektive der Wahrnehmung (= Richten der gezielten Aufmerksamkeit auf die/) der eigenen emotionalen Gefilde :thinking:

Würde zum jetzigen Zeitpunkt sogar so weit gehen, zu sagen, dass gerade Betroffene einer Ad(h)s aufgrund des Feedbacks der Umwelt sowie der eigenen, oft langfristigen & schmerzlichen, Erfahrungen bzw. des Gefühls, dass man „anders“ ist, gerade als Folge dessen ihre Introspektion-Skills über Jahre hinweg „geschärft“ haben (könnten). :male_detective: :man_detective:

Aus meiner subjektiven Wahrnehmung spricht diese o.g. Aussage Betroffenen irgendwie die Fähigkeit ab, reflektiert zu sein - was mir, wie man evtl. schon gemerkt hat, etwas aufstößt :grimacing:

Sollte Letzteres für Betroffene nur moderat oder gar nicht möglich sein, so wären die Effektstärken einer beispielsweise VT/DBT-Psychotherapie, welche ein gewisses Maß an Reflexionsfähigkeit voraussetzt, doch nicht so groß, oder? :thinking:

P.S.: Selbstverständlich kann man weder die oben zitierte Aussage noch meine kurze eigene Perspektive dazu generalisieren und für alle Betroffenen gleichermaßen „anwenden“. Die Range der Kompetenz zur Reflexionsfähigkeit bzgl. des eigenen Verhaltens & Emotionen ist bei neurotypischen Personen ja auch relativ groß. Dies ist bei neurodivergenten Menschen wahrscheinlich ebenfalls nicht anders.

Genau deswegen weil wir reflektieren entstehen doch die ganzen Kompensationstrategien um uns anzupassen.
Weil ich reflektiere habe ich bestimmte Berufswege nicht eingeschlagen
Weil ich reflektiere mache ich bestimmte Sachen nicht.
Weil ich reflektiere leide ich unter den Dingen , die ich nicht hinbekomme.
Weil ich reflektiere hole ich mir Hilfe .
Weil ich reflektiere kommt auf meinen ganzen Input noch mehr Input, den ich dann auch noch reflektiere.

Darauf kommt dann wiederum all der Müll den man unreflektiert raushaut und immer wieder verzapft und Dinge tut oder annimmt , womit man sich überfordert.

Ich glaube ein gewisses Maß an Reflektionsfägigkeit ist ehr Typ und Characterbedingt.
Weil es rennen auch genug unreflektierte NTs durch die Weltgeschichte.

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Merci für die schnelle Rückmeldung! :smiling_face:

D.h. wenn ich das gerade richtig verstehe, würdest du dieser Aussage des KJP-Arztes auch eher widersprechen? :sweat_smile:

→ Also eben nicht Symptom (oder wie in der Aussage des KJP erwähnt, sogar die Ursache) der AD(h)S. Habe ich das richtig eingepackt? :grin:

Oder ist das Fazit, dass Betroffene zwar reflektieren - viiiiiel reflektieren - aber es eben „irgendwie nicht richtig machen“ und somit eher hinderlich für das, in der Aussage erwähnte, Erkennen des Verhaltens/der Probleme etc. etc. ist?
Weeeeil das „zu viel“ reflektieren eher die Sicht auf diese Dinge behindert (maskiert), anstelle sie frei betrachten zu können? :upside_down_face:

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Moin Maddin und Willkömmchen :adxs_winy:

Ich habe das Thema mal in eine andere Kategorie + Unterkategorie verschoben.

Zum Thema Selbstwahrnehmung hatte ichs erst kürzlich mit dem Therapeuten.

Von aussen wird mir öfter mal gesagt, ich wäre reflektiert und so‘n Kram.

In meiner eigenen Wahrnehmung ist aber das Gegenteil der Fall. Ich muss wohl erst noch lernen, was für andere gut / normal ist und für mich nicht und auch anders herum :adxs_kp:

Ich denke halt sehr viel nach und beobachte mich, andere, hinterfrage alles mögliche und verballere damit eigentlich viel zu viel Energie.
Die fehlt dann natürlich gerne mal woanders.

Wenn das Reflektieren ist, mache ich das wohl permanent. Aber diese eigene Wahrnehmung… keine Ahnung, warum die das nicht so sieht / sehen kann, wie es andere tun.

Dachte jedenfalls, dass es u.a. um genau sowas in einer VT gehen würde. Also u.a. reflektieren, erkennen, das Denken/Fühlen/Handeln verändern und neu lernen.

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Moinsen, lieber Sneedle! :grin: :v:

Merci für die lieben Willkommens-Worte sowie das Verschieben des Posts an die richtige Stelle. War dezent unsicher, wo es wohl passen könnte :see_no_evil:
Weshalb ich bissi darauf gehofft hatte, dass ein Fachkundiger (wie du) es schon irgendwann richtig platzieren wird :stuck_out_tongue_winking_eye:

Lieben Dank auch für das Feedback zu der Thematik! :smiling_face:
Also ich weiß nicht, ob es dir in der Situation auch so vorkam - aber ich finde, das ist doch ein sehr schönes Kompliment sowie Feedback, dass du reflektiert seist und andere (wenn ich das richtig interpretiere, eben auch der erwähnte Therapeut) dir es so zurückmelden :blush:
Kann aber sehr, sehr gut nachvollziehen, dass man solche Rückmeldungen spätestens in dem Moment auch wieder in Frage stellt, in denen man eine Situation erlebt, in welcher man das Verhalten/die gezeigten Emotionen von anderen Personen - oder aber die eigenen Emotionen in der Situation - zunächst nicht so wirklich nachvollziehen kann & dann hinterfragende Gedanken kommen, wie „Wenn ich diese Person/mich in dem Moment nicht verstehe, wie kann ich dann reflektiert sein bzw. wieso meinen andere dennoch, dass ich reflektiert sei?“

Glaube, das Reflektieren impliziert meist einfach eine Art von „Wie nehme ich die Situation wahr?“ + „Wie nehmen andere die Situation wahr?“ + „Wie habe ich sie in diesem Moment (gefühlsmäßig) bewertet“ + „Wie würde ich sie jetzt bewerten (Stichwort: Re-Appraisal)“ was dann dazu führt, dass man besagte Situation + beteiligte Personen + sich selbst im besten Falle besser versteht. So, und diesen gaaaanzen Prozess nennen wir dann Reflexion :melting_face:
Was wiederum auch zu der Hypothese führen könnte, dass der Part der „Selbstwahrnehmung“ eben nur eine Variable in dieser ganzen Gleichung/dem Prozess des Reflektierens ist.
Und das DAS, also dieser ganze Verlauf, mega viel Energie kostet… das a) scheint vielen Nicht-Betroffene nicht nachvollziehbar, weil dort viele Variablen als Automatismus ablaufen und b) man als Betroffener sich das selbst auch immer vor Augen halten, und Rücksicht mit sich selbst haben, sollte, dass „Reflektieren“ hinsichtl. der AD(H)S so viel Energie kosten kann, dass man danach einfach erstmal komplett auf Null ist und man - wie @Nelumba_Nucifera es ja auch geschrieben hatte, darauffolgenden Situationen erstmal „unreflektiert“ begegnen muss :low_battery:

Long Story short:

Habe die oben zitierte Aussage bisher weder von Profs, noch befreundeten Therapeuten, noch befreundeten FÄ für Psychiatrie & Psychotherapie gehört.
Deshalb dachte ich, Betroffene selbst können diese „Behauptungen“ vllt besser beleuchten bzw. mir etwas verständlicher machen, wie besagter Mediziner dies meint und/oder darauf kommt:

  1. Warum Betroffene „[…]ihre eigenen Probleme, die sie im Beruf, in der Beziehung und in der Familie haben, oft gar nicht selbst feststellen“ können sollten?
    Denn meist ist genau das Feststellen dieser Probleme der Auslöser für die Frage „Habe ich evtl. AD(H)S?“ - würde man sie nicht wahrnehmen, würde sich die Frage ja gar nicht stellen.

  2. Seit wann ist AD(H)S eine Diversität, deren „Ursache eine[r] Störung in der Selbstwahrnehmung“ ist?
    Wenn überhaupt, dann wäre es doch eher ein Symptom.
    Ätiologisch, betrachtet man z.B. den ICD 11, ist es eine „neurologische Entwicklungsstörung“.
    Woraus resultierend eine Beeinträchtigung in der Wahrnehmung (siehe: Wahrnehmungssymptome - ADxS.org ) entstehen kann, aber nicht muss

  3. Ich kann nicht etwas erkennen, was ich gar nicht wahrnehme.“
    Was so viel heißt: Ein Mensch mit AD(H)S könne seine/ihre Gefühle und Gedanken etc. nicht wahrnehmen. Diese Hypothese spricht irgendwie für sich selbst :poop:

Hallo Maddin,

das ist tatsächlich ziemlich kontrovers. Ich habe das Gefühl noch immer am Anfang des Verständnisses von ADHS zu stehen, aber soweit ich es verstehe, ist es eine Entwicklungsstörung, sodass es durchaus möglich ist, dass manche Menschen im Spektrum, eben vor allem solche mit ausgeprägter Impulsivität und evtl auch narizsstischen Tendenzen, das tatsächlich überhaupt nicht wahrnehmen.

Die Aussage ist in der Form zu pauschal und ich glaube auch, dass sie einen Extremfall beschreibt. Was ich aber durchaus bei mir feststelle, ist, dass ich keine besonders ausgeprägte Selbstwahrnehmung habe - oder, dass meine Maßstäbe sehr verschoben sind (Stichwörter: neg. Selbstbild trotz guter Erfolge, wenig Versagen, dafür viel Versagensängste).

Es ist vor allem schwierig, mich mit der Norm zu vergleichen, weil ich die eben nicht kenne, nicht fühle. Darum kann ich eben nur auf eigene Erfahrungen zurückgreifen: Das Feedback von außen hat bei mir als sensiblem, aber auch impulsiven und lauten Menschen zu einer Anpassungsstörung und vielen sozialen Ängsten geführt, sodass ich permanent viel Aufwand betreibe, um in Situationen und Personengruppen hineinzupassen bzw. das Gefühl verstärkt, nirgendwo richtig reinzupassen. Allerdings gab es auch oft positives Feedback zu meiner Person und das konnte ich bisher kaum in mein Selbstbild integrieren. Bei mir hat also vor allem der Negativitity-Bias hart zugeschlagen - zu laut, zu wild, zu viel, zu anstrengend, zu emotional…

Andererseits ist es bestimmt allen schon einmal so gegangen, dass jemand von außen ein Problem treffsicher erfasst hat, das man selbst aus der Perspektive noch nicht so betrachtet hatte. Also ausgeschlossen ist es nicht, dass man entweder zu sehr im eigenen Kopf feststeckt oder eben auch (das scheint ja bei vielen Menschen ein Reflex zu sein) nur die anderen für „schuldig“ an Problemen hält.

Evtl. macht es auch einen Unterschied, ob man früh eine Diagnose hatte bzw. einen Umgang mit der ADHS erlernt hat und wie das Umfeld war… Es ist ja nie irgendwas monokausal und von daher ist die oben zitierte Aussage in ihrer Pauschalität ziemlich fragwürdig…

Ich habe keine Ahnung ob meine Gedanken an dieser Stelle weiterhelfen?!

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Moin Muggel! :grin: :v:

Definitiv! Finde, da stecken viele spannende Themen & Ansätze drin, die bei einem Perspektivwechsel/einer Fokusverschiebung hinsichtlich der Thematik sehr hilfreich sind!
Merci an der Stelle also schon Mal für deine Impulse und die Darstellung :smiling_face:

Werde diese nun erstmal ein bisschen im :brain: arbeiten lassen und nach dem Schlummern nochmal etwas adäquater darauf antworten :blush:

In diesem Sinne: Gud`s Nächtle erstmal :sleeping:

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:adxs_winy: @Maddin Herzlich Willkommen auch von mir…
So als Späti habe ich, gefühlt, ständig reflektiert & analysiert :face_exhaling: mit ganz bescheidenen Mitteln und eben ziemlich erfolglos :adxs_kp:

Kampf, unter diesem Wort könnte ich vieles einsortieren. Ich habe mir alles er-kämpfen müssen, selbst im Vergleich bin ich meistens hinten runter gekippt.

Unter Zuhilfenahme des
Steh-auf-Weibchen-Gen, habe ich die Leistung dann irgendwann auch abrufen können, nur der Weg dorthin war hart erkämpft.

Selbst in Supervisionen ist es leider nie soweit gekommen, das jemand einen Zusammenhang herstellen konnte, weshalb einige Sachen für mich so schwierig waren.

Ich habe alles geschafft, nur eben anders und ich wusste nicht, warum :adxs_gruebel:

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Moin & Merci, liebe @Silberlocke :smiling_face: :v:

Ich fühle das Geschriebene sehr und kann deshalb aufrichtig sagen:
RESPEKT! & Hut ab, dass du dich nicht hast unterkriegen lassen! :mechanical_arm:, auch wenn es vermutlich Phasen gab, bei denen es hart war :dizzy_face:

Meine ersten Gedanken dazu:

Nach all der durchforsteten Literatur sowie teilweise sehr diffusen oder sogar widersprüchlichen Aussagen von „Experten“ (oder jenen, die es sein sollten), spielen da wahrscheinlich mehrere wichtige Aspekte mit rein.

  1. Wie, Wer & v.a. Wann definiert & diagnostiziert [man] AD(H)S.
  2. Beruft man sich ausschließlich auf Diagnosekriterien à la DSM V & ICD 10 oder geht man differenzialdiagnostisch ran (Berufliche Erfahrung + S3 Leitlinien + weit gefasstere Fragebögen, die z.B. keine AD(H)S Diagnose ausschließen, sobald keine Hyperaktivität vorhanden ist + Schulzeugnisse + Anamnese durch Bezugspersonen + Austausch mit Kollegen + Eigene Einstellung als Behandler [Stichwort: Modediagnose] etc)
    Oder stellt man sich z.B. gegen neuere Forschungsergebnisse, die auch „Adulte AD(H)S“ als Diagnose erlauben.
  3. Ist man Behandler, der/die die Verantwortung beim Betroffenen sieht oder ist man Betroffene/r, der/die sowieso immer die Schuld bei sich selbst sucht, so könnte man arumentieren, er/sie habe eine „falsche“/unzulängliche Selbstwahrnehmung, weshalb die Diagnostik für den Behandler erschwert wird/unmöglich ist. (Stichworte: Oberes Zitat; Verantwortungsdiffusion; Bias in der Selbstwahrnehmung)
  4. Psychoedukation: Woher haben Betroffene sie und wie gut wusste die Quelle selbst über besagte Neurodiversität bescheid? Werden evtl. veraltete oder gar falsche Ansichten über diese vier Buchstaben verbreitet, wie soll der/die Betroffene es also einschätzen können, ob es das ist oder nicht und falls ja, wie kann er/sie dann adäquat lernen damit umzugehen?
  5. Was sind eig. „falsche“ Ansichten über AD(H)S?
    Sind es veraltete Ansichten?
    Antiquierte Diagnosekriterien (Stichwort: S3-Leitlinien werden seit Jahren überarbeitet, weil immer wieder „Neues“ aus der Forschung dazu kommt)
    Sind es Symptome, die im Laufe der Zeit zum AD(H)S-Spektrum hinzugenommen wurden?
    Welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit Symptome einer AD(H)S zugeschrieben werden (können)?
    Oder deuten sie eher auf eine Komorbidität hin und werden fälschlicherweise auch AD(H)S zugeschrieben?
    Oder sind es Symptome, die bei beiden „Störungs-“ Bildern vorkommen?
  6. Wenn ich als Betroffener die Symptomatik korrekt schildere, der/die Behandler es aber dennoch nicht diagnostizieren/diagnostiziert haben: Sind die vorliegenden Symptome dann tatsächlich kein AD(H)S oder kennt sich der Diagnostizierende nur nicht gut genug in der Differenzialdiagnostik aus (Stichwort: Spezifische AD(H)S Sprechstunden oder jahrelange Fehldiagnosen, bis dann endlich Mal jemand kam, der es endlich erkannt und es richtig diagnostiziert hat usw.)
  7. Spielt das alles überhaupt eine Rolle, wenn es sowieso keine „endgültige Heilung“ gibt? Erinnere mich da an ein Zitat eines Chefarztes einer Psychosomatischen Klinik, dass man bei den meisten Krankheits-/Störungsbildern heutzutage meist eh nur Symptome behandeln kann.
  8. Dem entgegen steht natürlich, dass die Frage nach dem „Warum bin ich so?“ durch einer Diagnose auch endlich eine Antwort/einen Namen bekommt, welche den Leidensdruck bereits beträchtlich lindern kann und Verständnis für sich selbst hervorrufen kann (Stichwort: Aussage von Betroffenen „Ich habe erstmal geweint, als ich die Diagnose bekommen habe, weil ich endlich wusste, was los ist!“)
    9. Sollten sich Betroffene in einer Phase des hohen Leidensdruckes überhaupt mit den Punkten 1. - 8. auseinandersetzen müssen oder sollten sie darauf vertrauen können, dass der Behandler schon weiß, was er da tut und man die, als AD(H)S’ler*in meist eh schon verminderten, Kraftreserven lieber in die Genesung bzw. den Umgang mit der entsprechenden Diagnose investiert?

→ Aufploppende Fragen:
Lag es also daran, dass die Supervisoren nicht genug Kenntnis darüber hatten?
Ist es ihre Aufgabe, das zu wissen?
Haben sie überhaupt das Recht, dir so einen Verdacht um die Ohren zu hauen? (Wenn die erwähnten Supervisoren z.B. Pädagogen waren, die keinerlei klinische Ausbildung haben.)
Oder lag es an dir, weil du es nicht schildern konntest?
Ist es überhaupt deine Aufgabe, darüber Bescheid wissen zu müssen?
Wie so oft kommt bei vielen Diskussionsbeiträgen an dieser Stelle dann meist die Frage nach dem „Wer ist nun also schuld und für das Leid verantwortlich?!“ ins Spiel - was dann meist gaaanz schnell eskaliert :sweat_smile: :see_no_evil:
Andererseits könnte man natürlich argumentieren, dass man von einem Behandler (egal ob Facharzt, psychologischer Psychotherapeut, klinischer Psychologe etc) schon erwarten kann, dass er sich über gewisse Störungsbilder, auch über das Studium hinaus, up2date hält.
Immerhin muss man sich auch vor Augen führen, dass dies Lebensjahre samt Lebensqualität eines Menschen sind/ist, die durch eine falsche/späte Diagnose einfach unwiderruflich flöten gehen :melting_face:
Andererseits ist es bei Komorbiditäten mit ähnlicher/überschneidender Symptomatik tatsächlich oft schwierig, das AD(H)S zu erkennen.
Und selbst wenn, wird von Fachgremien und Leitlinien empfohlen, bei mehreren persistierenden Störungs-/Krankheitsbildern zunächst das subjektiv belastendste Störungsbild zu behandeln.

Wobei wiederum bei, wenn man beispielsweise AD(H)S und eine Depression nimmt, ein kausaler Zusammenhang besteht. Sprich, lindert man die AD(H)S Symptomatik, so kann zeitgleich auch die depressive Symptomatik weggehen. Behandelt man allerdings isoliert die Depression, ohne AD(H)S mit einzubeziehen oder davon zu wissen, so kann dies wiederum ein Kampf gegen Windmühlen sein, weil das unbehandelte AD(H)S immer wieder depressive Symptomatik auslösen kann - man also das aus dem Fass herauslaufende Bier (depressive Symptomatik) immer wieder durch die Maßnahmen aufwischt, das Loch des Fasses (ADhS) aber nicht verschlossen wird und immer weiter leckt.

Aber nun bin ich ganz fernab der eigentlichen Thematik :sweat_smile:
Sorryyyyyy :innocent:

Fazit zur Selbstwahrnehmung sowie zu deinem individuellen bisherigen Leidensweg:
Es kommt wahrscheinlich, wie so oft, auf die Perspektive an :nerd_face:
War deine Selbstwahrnehmung getrübt und somit war es für am Heilungsprozess beteiligte Leute schwierig, adäquat auf deine „Themen“ einzugehen und den Zusammenhang herzustellen?
Oder hätten geschulte Experten es erkennen müssen (weil diese ja Pros in der Fremdwahrnehmung sein sollten), so dass sie dir hätten erklären können, warum du Sachen „anders“ geschafft hast und wie man die bisher oftmals aufkommende"Schwierigkeit" zukünftig lindern könnte.
Aber wie so oft, kann das wshl keiner zu 100% beantworten.
Und schon gar nicht so ein fremder und nicht ausgebildeter Hanswurst wie ich über einen Forumspost :sweat_smile:
Aber ich glaube, darum ging es dir (und mir) auch gar nicht - sondern einfach um den Erfahrungsaustausch, den ich wahrlich sehr schätze und für den ich sehr dankbar bin! :smiling_face: merci also nochmal, liebe @Silberlocke

Schlusswort:
Unbestritten sollte jedoch sein, dass mehr Wissen und mehr Auseinandersetzung mit der Thematik rund um die vier Buchstaben sowohl Betroffenen als auch Experten/Behandlern hilft und man dies gemeinsam sowie im Dialog auf Augenhöhe angehen sollte, um Diagnosestellung niederschwelliger + sicherer zu machen und die Zeit und das Leid bis zur Diagnose bei Betroffenen auf ein bestmöglichstes Minimum zu reduzieren - Diskussion um die Selbstwahrnehmung von Betroffenen hin oder her :crazy_face:

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So viele spannende Gedanken…
Ich schaue ja nun retrospektiv, da war der Sonderschulpädagoge, da waren Psychologen im Team…vielleicht ist daran aber auch zu sehen, daß es wirklich wichtig ist, sich auszukennen, um es zu erkennen.

Hilfreich wäre es für mich auf jeden Fall gewesen, aber das ist sicher individuell. Es hätte auch einfach ein Wink gereicht, um dem nachzugehen, wieviele Windmühlen hätte ich mir ersparen können :face_exhaling:

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Dieser Ausschnitt ist recht kurz.
Mir kam dennoch spontan (sorry, habe ADHS :adxs_lol:) der Gedanke an den Text der Emotionalen Dysregulation. wenn ich deinen Text, als auch den unteren zusammen betrachten würde, könnte es Sinn ergeben. Wenn gleich ich mit solchen „Können oft gar nicht“ Aussagen, nicht gut umgehen kann.

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:adxs_wink: @Florjetzt beziehst du dich gerade auf mich, oder wen anderen? verwirrt guckt :adxs_kp:

Sieh einer an, da bin ich so nachlässig :adxs_ai:

Ich beziehe mich auf das Zitat:

Mit dem die Diskussion begann.

Ich wollte dich nicht verwirren :sunflower: Blümchen überreich

Wenn ich zu sehr von meinen eigenen Gedanken getrieben, dass Thema verfehlt haben sollte :see_no_evil: bitte ich um Entschuldigung.

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Wie du siehst @Maddin es lässt mich noch nicht los :adxs_grins: einen Heilungsprozess in dem Sinne, gab es so gesehen ja nicht, da kein Zusammenhang hergestellt wurde/werden konnte.

Eventuell war auch meine „Maske“ einfach zu gut, weil letztlich habe ich ja alles bewältigt und es gab eher ungläubige Reaktionen, weil was ich schilderte, wohl nicht zu dem Eindruck passte, welchen meine Arbeitsfamilie von mir hatte…

Diesen Part hätte ich mir gewünscht, als in der Psychiatrie war, das wäre mein letzter Anker gewesen, aber leider leider…selbst auf Nachfrage wurde ich damals „abgebügelt“ und alles auf eine schwere Depression geschoben :adxs_jamma:

Mit dem winzigen Wissen von heute, klassischer Fall von RSD und eine der Windmühlen Imposter, aber bedauerlicherweise etwas zu spät, aber Balsam für die geschundene Seele :pray:t3:

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:adxs_knuddel: alles gut sich über Blümchen freut

Ich stecke ja selbst noch tief drin, in der Erkenntnissuche, von daher alles gut :adxs_friends:

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Finde das Thema super interessant aber auch sehr sehr komplex.

Mir geht es tatsächlich so (vorallem seit Februar) daß ich das Problem ( um in den Worten des Zitats zu bleiben) im Beruf nicht feststellen kann. Sprich ich wurde gekündigt und weiß nicht warum und aufgrund der Kleinbetriebregelung braucht man mir den Grund nicht zu nennen.

Trotzdem würde ich mich als reflektiert bezeichnen.
Wobei was versteht man darunter?

Erstmal wäre es für mich interessant zu wissen ob die Annahme in dem ZItat von einem neurodivergenten oder einem neurotypischen stammt. Um so mehr ich darüber nachdenke um so mehr stelle ich fest daß es gar nicht möglich sein kann einen Vergleich herzustellen ob Leute mit oder ohne Adhs reflektierter wären. Diese Studie hätte ja total unterschiedliche Startbedingungen.

Nachdem die Leute ohne Adhs in Überzahl sind werde ich ja zwangsläufig mit Adhs viel öfter mit Leuten konfrontiert die anders ticken und trainiert das zu reflektieren als Leute ohne Adhs

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Diese Sache mit meinem Beruf belastet mich aber.

Etwas hilft mir die Adhs Diagnose seit 3 Monaten

Gibt ein bischen ein Anhaltspunkt daß ein für mich normales schlüssiges Verhalten vielleicht in der neurotypischen Welt meines Jobs auf Abwehr gestoßen ist. Vielleicht komplizierte ausschweifende Gedankengänge von denen ich dachte das „wäre“ normal oder ähnliches.

Aber das reflektieren zu können hat viel mehr damit zu tun daß ich die Diagnose bekam als das ich die Fähigkeit dazu hab.

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Moin Moin, lieber @Windflower :smiling_face: :v:

Auch ein dickes MERCI! an dich, dass du deine Gedanken zu der Thematik geschildert und so offen über die individuelle Situation berichtet hast! Finde das gleichermaßen mega mutig (weil es sehr viel Kraft kosten kann) & auch wichtig, da man manche Auswirkungen, die das AD(H)S Dasein mit sich bringen kann, auch ent-tabuisiert! :people_hugging:

Aber zuallererst:
Es tut mir sehr leid zu hören, dass du deinen Job verloren hast :disappointed_relieved:
Ich wünsche dir wirklich von :heart:en, dass sich die dadurch entstehenden (finanziellen, sozialen, perönlichen usw.) Probleme im Mindestmaß halten & du ganz bald einen neuen Job findest, der dich erfüllt und du deine individuellen AD(H)S Themen vllt sogar als starke Kompetenzen mit einbringen kannst :muscle:
Die Plattitüden à la „Wo sich eine Türe schließt, da öffnet sich eine andere.“ spare ich mir jetzt Mal… :grimacing:
Auch wenn man dies bei Beginn des neuen Jobs evtl. restrospektiv so sehen kann, so hilft es einem in der Phase des Jobsverlustes wshl eher nur bedingt :see_no_evil:

Was mich, und das ist jetzt nat. eine harte Wertung meinerseits (sorry dafür), etwas wütend macht, ist, dass man dir die Möglichkeit nimmt, das ganze „verarbeiten“ zu können, in dem man dir den Grund vorenthält.
Mag es auch für ein Unternehmen respektive die Personaler aus gutem Grund geschehen, so lässt es den/die Betroffene/n einfach nur mit einem riesen großen " :interrobang:" zurück…
Was ich aktuell zwischen den Zeilen herauslese (sorry, falls meine Zwischen-Zeilen-Lese-Brille einen Sprung haben sollte), dann gibt es aktuell auch keine Möglichkeit/Vetrauensperson, der man doch eine Erklärung herausleiern könnte? :pensive:

Habe die bisherigen Threads in dem Forum bisher leider nur überflogen (weil ich mich sonst wshl drölf Tage später ohne Schlaf sowie mit :exploding_head: auf Grund der fesselnden Erkenntnisse wiederfinden würde), aber man liest ja schon öfter, dass Betroffene die Situationen (und nat. sich selbst) gerne verstehen würden, Ihnen aber ein Feedback/eine Reflexion verweigert wird.
Klar kann man im (Berufs-)Alltag nicht jede einzelne Situation (sowie es ein AD(H)S Gehirn evtl automatisch macht) aufdröseln und verstehen lernen.
Aber gerade bei so einer gravierenden Sache, wie es eine Kündigung ja durchaus ist, sollte man (auch von menschlicher Seite) als Arbeitgeber evtl. nochmal Kosten-Nutzen eines enthaltenen Abschlussgespräches abwägen.
Evtl. hat es aber auch einen jursitischen Grund - da hab ich leider viel zu wenig Einblick ins Arbeitgeber/Arbeitnehmer-Recht :see_no_evil:

Summa Summarum: Ich fühle mit dir! :smiling_face: :people_hugging:

Habe selbst schon zahlreiche Situationen erlebt, in denen ich danach in Ruhe nochmal erfragen wollte, warum das jetzt so war, wie es war, und wurde mit:

„Sei nicht immer so kompliziert.“
„Das war doch gar nichts! Das habe ich schon lang wieder vergessen. Warum beschäftigt dich das überhaupt noch?!“
Der Klassiker: „Ist halt einfach so!“
oder gar einem Augenverdrehen abgefertigt wurde…

Aber ich stelle jetzt Mal die unfassbare Behauptung auf, dass es wshl 80% der Community Mitgliedern hier mindestens schon 10 Mal so ging :sweat_smile: :see_no_evil:

Meine Ausschweifung ändert aber natürlich nichts an der Situation, dass du aktuell in einem sehr einschneidenden Fall mit sowas konfrontiert wurdest :pensive:

Sehr spannend (positiv) finde ich die Aussage:

Zeigt allemvoran natürlich wiedermal, wiiiiie verdammt wichtig eine (richtige) Diagnostik ist!

Habe auch das Gefühl (zumindest war es am Tag meiner Diagnose so - evtl. ging es dir und anderen ja ähnlich), dass die Diagnose eine Art „Schablone“ vor dem inneren Auge erzeugt. Wenn man diese „Schablone“ dann auf das beschriebene Papier namens „Lebenslauf“ legt, erscheinen viele Dinge auf einmal anders, verformen sich, werden bunter, salienter, bekommen eine ganz andere Konnotation - weil man auf einmal auch Zusammenhänge sieht, die vorher vielleicht durch anderes Geschreibsel im Lebenslauf verdeckt/schwer erkennbar waren :page_facing_up: :mag:

Reflektion wäre in dieser Metapher wohl dann, dass man überhaupt gewillt ist / es kann (jaja, die leidige Wollen/Können aka Motivation/Volition Diskussion lasse ich jetzt Mal aus :sweat_smile:), die Schablone auf sein bisheriges Leben zu legen und zu sehen, was da dann bei rum kommt :upside_down_face:

Soooo, um das Logorrhoe nun zum Abschluss zu bringen:

Merci vielmals, dass du trotz aktuell intensiver Lebenssituation die Zeit und Kraft für eine Antwort auf den Post gefunden hast :hugs:

Auch wünsche ich dir, und das ist wohl gerade das Wichtigste, gaaanz viel Kraft, Durchhaltevermögen & v.a. auch Verständnis für dich selbst, damit du diese Situation gut durchstehen kannst :smiling_face: :muscle:

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Vielen Dank für Deine empathische ausführliche Reaktion.
Gehe schrittweise darauf ein.
Einen „Personaler“ gibt es nicht.Sonst hätte ich auch nicht auf diese Art und Weise gekündigt werden können. In einem Kleinbetrieb hab ich mit der Inhaberin zu tun.
Meine größte Kritik geht derzeit an die verschiedenen Vorgehensweisen meiner Rentenversicherung die mich am meisten belastet die letzten Monate. Nachdem das hier aber nicht das Thema ist gehe ich nicht genauer darauf ein.Es ist auch zu belastend. Nur soviel im Februar wollte ich das " aufarbeiten" und abklären was passiert ist damit ich neu starten kann und war in einer beruflichen Reha (Kostenträger Rentenversicherung)vorstellig und wurde erst in eine med Reha der Rentenversicherung geschickt. Mein Thema hat eine Person dort auf die nächste abgeschoben und wurde bis jetzt in der beruflichen Reha nicht bearbeitet,was ich nicht verstehen kann wenn deren Ziel sein soll mich bald wieder in Arbeit zu bringen.
Um wieder zum Thema zu kommen. Es gibt ein großes Interesse bei mir das alles zu reflektiere aber stoße in meiner Umwelt auf großes Desinteresse darauf einzugehen.

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Zu Deinem Anfangszitat zurück.

Ist das wirklich so mit der Störung der Selbstwahrnehmung bei Adhs???.
Hab vor 1 Monat hier in dem Infoblock die Symptomenseite durchgearbeitet und kann mich nicht an den Punkt erinnern. Kann mir schon vorstellen daß dies in einer Phase während eines Hyperfokus passieren kann aber nicht grundsätzlich so ist.

In Deinem Zitat steht auch das die Art zu denken einer Selbstanalyse entgegensteht. Das kann ich in meiner Wahrnehmung gar nicht nachvollziehen.
Ich nehme es so wahr und das Buch von Herrn Lachenmeier bestätigt das daß ich mehr Informationen zur Verfügung habe. Man muss zwar deswegen mehr sortieren und es kann chaotisch AUSSEHEN aber die Analyse ist wenn man dann mal fertig ist gründlicher. Und weil das Vorgehen anders ist bei Adhs wie üblich heißt das nicht das es schlechter ist.
Wenn es darum geht Sachen zu verlegen Ordnung zu halten Zeit zu planen würde ich schon manchmal mein Adhs Hirn tauschen wollen aber nicht wenn es darum geht über irgendwas auch immer nachzudenken.
Adhs ist ja keine Krankheit!!!
Vielleicht mache ich mal ein neues Thema auf. Was ist wirklich problematisch bei Adhs und welche Probleme entstehen nur dadurch das man eben anders ist und neurotypische irritiert verunsichert etc sind.
Übrigens zu wenig fachliches Wissen oder zu viele Fehler war nicht der Grund der Kündigung .Das habe ich abgeklärt. Krankschreibungen gab es auch keine…

So vielfältig sind die Erfahrungen hier wie es sich mit Adhs lebt . Allerdings stelle ich fest daß es allen ziemlich ähnlich geht bei (richtiger) Diagnose
Fast immer Erleichterung obwohl sich erstmal im Außen nichts ändert.
Eben weil man sich schon viele Gedanken gemacht hat und reflektiert hat aber an einem Punkt immer an eine Wand angestoßen ist ,bis man durch die Diagnose endlich die Tür findet
Gerade das widerlegt ja schon die These das Adhs Leute keine Selbstanalyse können.

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