Jährliche Pause mit Medikinet?

Hallo ihr Lieben,
komme grade von meiner Psychologin. Habe vor 1/2 Jahr die Diagnose ADHS erhalten und nehme aktuell 20 mg Medikinet und aufgrund meiner Depression 112,5 mg Venlafaxin. Jetzt endlich fühle ich mich wieder normal, meine Depression ist weitestgehend unter Kontrolle und meine Konzentration, Unruhe sowie mein Zittern ist im Griff. Ich kann mich besser konzentrieren und fühle mich seit Jahren endlich normal und soweit stabil.
Nun sagte mir meine Ärztin, dass man wohl einmal jährlich Medikinet komplett absetzen sollte um zu schauen ob man auch ohne Medikamente funktioniert.
Jetzt meine Frage: ADHS ist ja grob gesagt eine Erkrankung bei der eine Störung der Botenstoffe im Gehirn vorliegt. Das ist doch nicht mal eben so erledigt nur weil ich ein halbes Jahr Medikinet genommen habe. Warum sollte ich also plötzlich ohne Medis wie ein normaler Mensch funktionieren? Hat einer Erfahrungen damit gemacht?
PS: Warte derzeit noch auf einen Platz für eine Verhaltenstherapie, also der Plan ist schon irgendwann mal ohne Medikamente auszukommen.

Die offizielle Empfehlung für Stimulanzien ist meines Wissens nach tatsächlich so.
Es ist eigentlich nicht vorgesehen, dass man sie ein Leben lang nimmt.

Daher ist die Kombinationstherapie so wichtig; Medikamente und Coaching/Verhaltenstherapie.

Hallo Kopfchaotin,

nein, ich habe keine Erfahrungen damit, weil ich bisher eine Einnahmepause verweigert habe. Ich sehe das wie du.

Aber es ist wohl so Richtlinie, und wenn du deine Ärztin nicht davon abbringen kannst, musst du es wohl machen. Aber nicht nach einem halben Jahr, frühestens nach einem.

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Das ist nur ein Sicherheitscheck.
AD(H)S-Symptome können auch durch chronischen schweren Stress oder andere Krankheiten entstehen und verschwinden bei denen mit dem Stressor oder der Krankheit oft wieder.
Es geht nur drum, zu sehen, dass das bei Dir nicht vorliegt.

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Das war mal so, im letzten Jahrtausend, als man dachte, AD(H)S betrifft nur Kinder und wächst sich aus. Heute weiß man, dass AD(H)S bei mehr als der Hälfte der Betroffenen das Leben lang bleibt. Bei denen muss man auch davon ausgehen, dass sie ihr Leben lang Medikamente brauchen werden.

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Also ich habe das Buch von Herrn Lachenmeier über ADHS gelesen und er ist sehr aufgeklärt über die ganze Thematik. Er hat es ja selbst auch.
Und er sagt auch, dass es eigentlich das Ziel ist irgendwann ohne Medikamente auszukommen.

Ich nehme mal an, dass man zunächst danach streben sollte und darf, es irgendwann ohne Medikation zu schaffen. Aber man darf sich nicht einbilden, dass es auch gelingt.

Nichtsdestotrotz sollte man bei begründetem Verdacht und wenn die Situation es erlaubt, irgendwann mal schauen, ob es ohne geht.

Mir wurde am Anfang auch gesagt, dass man in der Regel einen Auslassversuch macht. Angesichts meiner Situation hat die Ärztin mich noch nie in den drei Jahren darauf angesprochen.

Bei meinem Sohn wollte sein Psychiater das nach einem Jahr in den Sommerferien machen. Er hat dann aber meine Argumente akzeptiert, weshalb ich damals fand, dass es keine gute Idee sei. Zwei Jahre später habe ich das dann in Anbetracht der Situation, dass sich einiges gebessert hatte und der Appeitverlust zu schlimm war, selber vorgeschlagen. Da hat mein Sohn es in mehreren Schulferien weggelassen. Und dann hat er jetzt seitdem schon wieder länger als ein Jahr keine Pause eingelegt.

Letztendlich kann so ein Auslassversuch vielleicht, vielleicht auch so eine Hintertür zum gänzlichen Ausstieg für einen Arzt sein, wenn er das Gefühl hat, es entwickelt sich zu einem Missbrauch oder die Diagnose stimmt vielleicht doch nicht… aber das ist mir nur grade so eingefallen und vielleicht doch zu abwegig…

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Das Ziel ist eine stabile Situation bei guter Lebensqualität. Nicht das Weglassen des Medikamentes.

Wir Erwachsene kennen uns doch gut. Wir haben 30, 40 Jahre ohne medikamentöse Behandlung erlebt und den Unterschied wahrgenommen. Das ändert sich nicht nach einem Jahr und auch nicht nach zwei Jahren.

Dass es da draußen in nennenswerter Anzahl ADHS-ler gibt, die eigentlich ohne Medikament auskommen könnten und das gar nicht bemerken, ist doch eine ziemlich absurde Vorstellung.

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Dass du eine Verhaltenstherapie machen möchtest, ist super. Mit Stimulanzien wird es dir leichter fallen neue Verhaltensweise zu verinnerlichen. Die Hoffnung ist dann immer, dass du diese Verhaltensweisen auch halten kannst, wenn die Medikamente weg fallen.
Zumindest so die Theorie. Ich habe da noch keine Erfahrung mit. Ich bekomme ab Februar El Vanse und bemühe mich auch derzeit um eine Therapie. Mal sehen, was da noch so kommt.

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Es ist, glaube ich, so eine Art Narrativ.
Wenn die Hoffnung nicht mehr wäre, dass Medis bei AD(H)S um Alles in der Welt bloß nicht mehr sind als eine möglichst schnell vorübergehende Phase, wäre AD(H)S noch viel schwerer zu ertragen und deshalb muss sie, entgegen jeder wissenschaftlichen Evidenz, aufrecht erhalten bleiben.

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Wer käme auf die Idee bei jemanden mit einer Sehschwäche zu versuchen, ob er/sie nach einem Jahr ohne Brille auskommen würde??
Die Brille hilft, sowohl Augen wie auch Hirn nicht zu überfordern, überzustrapazieren…das ist mit den Stimulanzien nicht viel anders.
Die Theorie dahinter ist ja, das die Stimulanzien in Verbindung mit einer Verhaltenstherapie andere Strukturen im Hirn erschafft und diese festigt.
Was bei ADxSlern abläuft, nenne ich das Spaghetti-Hirn, ohne es böse zu meinen. „Normale“ Menschen haben durch Erlerntes und Wiederholung kräftige Bahnen im Hirn, ADxSler schaffen bei der Wiederholung ständig neue Bahnen, die eher dünnen Drähtchen ähneln, dafür sind es einige mehr (Spaghetti) wie bei Menschen ohne AdxS. Dieses Phänomen ist für die Kreativität und die Möglichkeit, sich schneller neuen Situationen anzupassen, bei ADxSlern zuständig. Das ADxSler Hirn braucht 8-18 Wiederholungen, bis etwas fest verinnerlicht ist. Wer kennt es nicht…wir schauen einen Film und ein halbes Jahr später kommt uns nicht mal der Verdacht auf, das wir ihn schonmal gesehen haben…wahrscheinlich war der Reiz des Gesehenen zu niedrig oder wir waren gedanklich mit etwas anderem beschäftigt, das was vor uns abgeflimmert ist, hat uns einfach nicht richtig erreicht und wurde nicht vom Kurz- ins Langzeitgedächtnis übertragen. Das ist auch das „Problem“ in Prüfungen oder stressigen Situationen: dann wird so ein dünnes „hab ich gelernt-Drähtchen“ gekappt und wir stehen in der Prüfung da, wie der letzte Honk! Das „normale“ Hirn hat da einen dicken Schlauch, dem so schnell nichts anhaben kann. Wer jetzt frustiert ist, dem versuche ich einen anderen Vergleich aufzuzeigen: wir nehmen zwei Sportler, der eine massiv gebaut, der andere drahtig…den Muskelklotz haut so schnell nichts um, dafür kann er die schnellen und gelenkigen Bewegungen des Ausdauersportlers nicht umsetzen. Und das ist eben bei Beiden sowohl Nachteil wie eben auch Vorteil.
An diesem Punkt setzen die Medis ein, durch das halten und/oder steigern von Dopamin und Noradrenalin werden diese Bahnen gefestigt, so zumindest die Theorie. Was für mich (!) eine passende Theorie ist, denn ich spüre, wie meine hochsensible, sehr emotionale Seite unter Stimulanzien etwas „leidet“, bzw. zurückgegangen ist, ich bin nicht mehr so extrem im Mitgefühl für die Menschen in meinem Umfeld. Die Frage, ob das gut oder schlecht ist, konnte ich mir selbst noch nicht beantworten.
Der Hintergrund des Absetzens ist a) wie UIBre schon schrieb, um auf Nummer sicher zu gehen und b) um zu schauen, ob die Bahnen sich so gefestigt haben, das der Patient auch ohne Stimulanz auskommen könnte.
An welchem Punkt ich stehe, weiß ich gar nicht, vor einem halben Jahr noch sagte ich, so wie viele andere auch: ich möchte Amphetamin oder Methylphenidat nicht mein Leben lang nehmen.
Die andere Seite ist: setze ich es ab, werde ich gewiss nach einem Zeitraum x wieder verpeilt und überfordert sein, denn es prasseln ja unablässig neue Eindrücke auf das Hirn ein, das ist unvermeidbar…korrigiert mich da bitte gerne, wenn ich da falsch liege oder zu engstirnig erscheine!
Sollten die Stimulanzien es schaffen, genug Bahnen zu stärken, reicht es vielleicht auch, um „klarzukommen“…ich denke, das ist auch bei jedem anders, eine sehr individuelle Geschichte.
Fakt ist, ich komme morgens ein paar Stunden klar, mein Hirn läuft ein Stück weit, wie unter den Medis. Aber dann spüre ich auch „das es wieder Zeit wird“, zu viele Eindrücke prasseln ohne Filter rein und ich merke das es „eng“ wird. Ich möchte da ganz klar zwischen Sucht und Schutz vor Reizüberflutung unterscheiden!!
Während ich das hier schreibe, habe ich weder meine Alterssehhilfe auf, noch mein Elvanse genommen…aber so langsam wird es Zeit für Beides!
In diesem Sinne, ich wünsche euch ein schönes Wochenende!

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Sehe ich nicht so. Schwer zu ertragen ist eine unbehandelte ADHS. Und dass man Methylphenidat oder andere ADHS-Medikamente auch jahrzehntelang nehmen darf wenn es nötig ist, beruhigt mich.

Hatte wohl meine Ironiewarnlampe nicht auf Sarkasmus eingestellt ;-)))

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Ich mach es so, dass ich einen gewissen Vorrat an Medikamenten immer da habe, um Zeiten „ohne“ zu überbrücken. Das entspricht sogar der Empfehlung der Bundesregierung. :innocent: Es hat sich auch schon während des Coronavirus-Lockdowns als richtig erwiesen. Von daher habe ich vor solchen Fällen wenig Angst. Allerdings hätte ein Arzt, der so eine Wegnahme bei mir verordnen würde, mich die längste Zeit als Patienten gehabt. Einen Arzt brauche ich bei ADHD sowieso nur instrumental, als Rezeptaussteller.

Deine Ärztin forder dies wahrscheinlich nicht, weil sie denkt das du plötzlich kein ADHS mehr hast, sonder eher weil sich bei Stimulanzien recht schnell eine Toleranz aufbauen kann.
Durch regelmäßige Pausen kann dies verhindert werden und deine Medikamente wirken in niedrigeren Dosierungen einfach besser.

Dies einmal im Jahr zu tun ist aber nur eine Möglichkeit.
Je nach Medikament braucht man mehr oder weniger Pausen. (Beispiel Medikinet Adult - weniger; Elvanse - mehr) Und wie viele Pausentage du brauchst ist auch total unterschiedlich. Es gibt Personen die bauen kaum eine Toleranz auf und es gibt Personen, die haben nach 2 Wochen auf der gleichen Dosis eine Toleranz.
Klar ist aber: Um so länger du Medikinet am stück nimmst, um so länger sollte deine Pause sein.

Ich habe für mich festgestellt, dass ich relativ schnell eine Toleranz aufbaue, dementsprechend, will ich einen Tag pause pro Woche machen, halte es aber flexibel welcher es ist. Wenn es ne zeit lang stressig ist, nehme ich manchmal doch 2 Wochen durch und machen dann 3 Tag pause.
Aber am besten sprichst du das mit deiner Ärztin ab, denn ich bin keine!

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Hallo Pali und herzlich willkommen,

das tut mir leid, dass du eine Toleranzentwicklung bei Medikinet hast.

Aber es ist bei Methylphenidat- oder Amfetaminmedikamenten eine Ausnahme, die meisten, die es regelmäßig nehmen, beobachten dies nicht - ich z. B. nehme seit 2003 Methylphenidat und die Wirkung hat nicht nachgelassen. Auch sonst berichtet kaum jemand hier davon.

Daher halte ich es für sehr unwahrscheinlich, dass die Ärztin der Threaderöffnerin Einnahmepausen anordnet, um eine Toleranz zu vermeiden, die es eventuell bei der Threaderöffnerin gar nicht gibt.

Das habe ich im Forum auch immer wieder mal gelesen, dass es das geben kann.
Wobei eine Toleranzbildung eher die Ausnahme als die Regel zu sein scheint.

Ich muss nach dem Rat meines Arztes auch pausieren, so ca. 3 Tage, da ich auch eine Toleranz entwickelt habe, bin inzwischen bei 70 mg. Elvanse und 10 mg. Attentin, eine extreme Steigerung innerhalb von ca. einem Monat.

Mein Arzt war letzte Woche auf einer Konferenz und dort wurde das Thema Toleranzentwicklung besprochen, da offenbar sehr viele Patienten davon betroffen sein sollten.

Ich finde es bei mir nur komisch, dass ich die Toleranz erst nach 2 1/5 Jahren entwickelt habe. Wäre ja komisch, wenn etwas in meinem :poop: Leben mal ausnahmsweise reibungslos laufen würde :rage:

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Oje, das ist ja was… ich habe bei Elvanse eher das Gefühl, dass es sich Tag für Tag etwas überlappt mit dieser kleinen, unmerklichen Restwirkung von Vortag.

Im Prinzip das, was Nelumba vor ca 2 Jahren berichtete. Das führte dann dazu, dass sie sich immer Unwohlsein fühlte und so riet ihr der Arzt, am Wochenende zu pausieren.

Aus meiner Perspektive wäre das aber eher ein Zeichen für eine leichte Überdosierung. Ich habe grade nicht in Erinnerung, ob sie 30mg bzw eine andere feste Kapselgröße nahm oder schon irgendeine „maßgeschneiderte“ Dosis.

Ich denke, durch „Maßschneidern“ hätte sie ihr Problem wahrscheinlich in den Griff bekommen können.

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Kann ich bestätigen! Ich bin bei 50mg Elvanse, nichts verändert, immer brav dieselbe Tagesdosis, wie verordnet, habe aber mittlerweile auch das Gefühl , die Wirkung lässt irgendwie nach, so als würde sich der Körper daran gewöhnen und irgendwie mehr benötigen um die gleiche Wirkung zu erzielen wie zuvor.

Okay es ist immernoch um Längen besser als ohne Medis, aber auffällig ist das schon.

Mein Arzt hat auch zu jährlichen kurzen Breaks geraten, wobei Pausieren bei Elvanse im Beipackzettel ebenfalls erwähnt wird.

Interessant, dass es vielen offenbar so geht :thinking:

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