Kann man "spüren", wenn das Gegenüber auch ADHS hat?

Was ist eure persönliche Antwort auf diese Frage?..

Ich bin hypersensibel und extrem empathisch und daher springen mich bestimmte Schwingungen und psychische oder andere Probleme von Menschen regelrecht an, aber ADHS kann ich nicht spüren, sondern mache es lediglich an bestimmten Symptomen fest.

Aktuell betreue ich einen Auszubildenden, bei dem ich bereits einige Male intuitiv erkannt habe, dass er sich überfordert fühlt und mit einer Aufgabe nicht gut klar kommt. Ich habe ihm gegenüber ganz behutsam den Verdacht geäußert, dass er sich aufgrund Überforderung und Versagensängsten lieber krank gemeldet haben könnte, als sich jemandem anzuvertrauen. Und er hat es mir bestätigt.

Bei ihm habe ich außerdem den Verdacht, dass er ein ADHSler sein könnte und habe auch darüber mit ihm gesprochen. Er hat nur sehr wenige Symptome bestätigt und ich denke, wenn er wirklich ADHS haben sollte, dann nur in sehr leichter Form.

Genau das hat mir gezeigt, dass wir als Diagnostizierte sehr vorsichtig sein sollten mit vorschnellen „Diagnosen“ von vermeintlich ebenfalls Betroffenen, die noch nicht diagnostiziert sind. Wo wir denken, ADHS beim Gegenüber zu „spüren“, muss es nicht zwangsläufig vorliegen. Auch da sollten wir nicht einfach vorpreschen und auf unserer Meinung beharren.
Also bitte VORSICHT!


Die Antwort lautet ja.

Ich meine auch, einen bestimmten Persönlichkeitszug zu kennen, den ich jetzt darauf prüfe, ob er geberall zu ADxS passen könnte…

ich bin total gespannt auf die ADHS Deutschland Tagung im April… denn da sind sicher weit überproprtional viele ADxS ler unterwegs… :lol:

(Müsste ja ne tolle Kontaktbörse ergeben… wenn man schon so eine gute Vorauswahl präsentiert bekommt… :lol:)

War von euch schon mal jemand in den letzten Jahren auf so einem Treffen? Wie war das denn?

Stichwort Wesensverwandtschaft eben, wobei man schon auch vor Schnellschüssen sich in Acht nehmen muss wenn man meint, beim Gegenüber ADHS wahrzunehmen…

Meine Mutter hat auch ADHS und meint immer wieder, bei Kollegen, Personen aus ihrem Leben etc. ADHS wahr zu nehmen… in ungefähr 70% der Fälle liegt meine Mutter dabei falsch. Diese intuitive Fähigkeit, als ADHSler beim Gegenüber auch ADHS zu erkennen, die funktioniert nur, wenn sie geordnet ist, nicht durch emotionalen Nebel „vernebelt“ wird und zusätzlich auch durch Faktenwissen über ADHS eben strukturiert, geordnet und stabilisiert ist… damals bei ADHS-Chaoten, da kamen dann von anderen Foristen Namen wie Angela Merkel und alle möglichen anderen… Angela Merkel ist so ziemlich die letzte Person auf der Welt, der man ADHS attestieren kann, genau so wenig wie Putin (hab ich auch schon von ADHSlern gehört, dass Putin ADHS hätte… das ist so was von abwegig)… wer im kompletten emotionalen Nebel durch die Welt läuft, der sieht gar nichts mehr… auch nicht, dass beim Gegenüber eben kein ADHS vorliegt… also das mit dem „Spüren“ von ADHS beim Gegenüber, Vorsicht ist angebracht…

…ebenfalls spielt es natürlich eine Rolle, wie stark ADHS beim Gegenüber vorhanden ist: Boris Johnson und Nicolas Sarkozy, bei beiden liegen eindeutige Persönlichkeitsmerkmale im Sinne von ADHS vor… aber: weder Boris Johnson noch Sarkozy kann man auf eine Stufe stellen mit jemandem, der ADHS in deutlich pathologischem Schweregrad hat, in seiner Schullaufbahn deshalb komplett gescheitert ist, sozial ständig aneckt und der wegen dieser Konstellation mehrere stationäre Psychiatrieaufenthalte hatte… Johnson und Sarkozy sind „ADHS-Persönlichkeiten“ ohne wirklichen, ernsthaften Krankheitswert…

…auch nicht vergessen natürlich: Komorbiditäten… und zwar die primär vorhandenen wie Autismus, aber auch sekundär vorhandene wie Borderline, Depression, soziale Phobie usw… derartige Personen geben in der persönlichen Interaktion ein mitunter deutlich unterschiedliches Bild ab als ADHSler ohne all diese Komorbiditäten…

Ich glaube immer mehr, dass man nicht das AD(H)S spürt, sondern die darunter liegende Hochsensibilität…
…und ja, ich denke, Hochsensible erkennen sich ziemlich gut.
Die ist meines Erachtens auch für die typischen Charaktertraits verantwortlich.

Ich erkenne sowas nicht bei anderen. Es gibt einzelne Menschen aus der Verwandtschaft, die ich schon seit vielen Jahren kenne, bei denen ich Vermutungen habe über mögliches ADxS. Aber mehr nicht. Als mir ein Person, die ich seit ca einem Jahr kenne und oft sehe vor ein paar Tagen sagte, sie sei Hochsensibel, hat mich das vollkommen überrascht.

ADHS ist eine wissenschaftlich anerkannte Diagnose, Hochsensibilität nicht. Allerdings klingt Hochsensibilität zugegebenermaßen deutlich positiver als ADHS…

Wer sich als hochsensibel bezeichnet, hat also möglicherweise einfach nur ADHS, ggf. auch in einer leichten Form und ohne Krankheitswert. Dies würde auch der Sichtweise auf ADHS in Sinne von Neuhaus oder Winkler entsprechen.

„Hardliner“ wie Barkley oder Rossi, für die ADHS immer auch einen Krankheitswert haben muss, würden dem sicher nicht zustimmen. Für die wäre Hochsensible wohl einfach nur schüchtern, introvertiert oder neurotisch - so, wie Hochsensibilität auch von der restlichen Fachwelt beurteilt wird.

Ich persönlich sehe die Sache ähnlich wie Neuhaus/Winkler und kann mit der Kategorie „hochsensibel“ entsprechend wenig anfangen…

Ähhhmmm,
Manche Hochsensible mögen zwar schüchtern, introvertiert und/oder neurotisch sein, aber DAS sind nun wirklich NICHT die Symptome von Hochsensibilität! Und ich glaube auch nicht, dass die „restliche Fachwelt“ dies wirklich so beurteilt. Falls ja, würden mich die Literaturhinweise brennend interessieren.

Hier eine kurze Information, was Hochsensibilität eigentlich bedeutet:

"Bisher liegen nur wenige wissenschaftliche Studien zum Phänomen der Hochsensibilität vor. Psychologin Franziska Borries untersuchte für ihre Doktorarbeit an der Universität Bielefeld 898 Personen (darunter 73 Prozent Frauen) mit psychologischen Befragungsinstrumenten und kam zu dem Schluss: „Es gibt HSPs! Sie sind eine eigene Gruppe von Personen, die sich von anderen in der Art und Weise unterscheiden, wie sie Stimuli wahrnehmen und verarbeiten.“ 17,5 Prozent aller Menschen seien zu den Hochsensiblen zu zählen.

Der Grazer Psychologe Professor Josef W. Egger fand bei HSPs gehäuft Depressivität und Ängstlichkeit. Chinesische Untersuchungen ermittelten bei HSPs erhöhte Aktivitäten in Bereichen des Gehirns, die an der visuellen Wahrnehmung beteiligt sind."

Ich würde mal vermuten, dass Depressivität und Ängstlichkeit eher die Folge von Hochsensibilität sind.


Bei Wikipedia findet sich zur Rezeption des Themas Hochsensibilität in der Fachwelt folgendes:

[i]In der Neurologie wurde Hochsensibilität als nicht klar abgrenzbares Konstrukt und als überflüssiges Störungskonzept bewertet, weil die zentralen Merkmale Reizüberflutung und Überstimulation viel mit dem bei Erschöpfungszuständen verwendeten Begriff Burn-out gemeinsam hätten. Ferner wurde kritisiert, Hochsensibilität sei schwierig von affektiven Störungen abzugrenzen (…)

In der Psychologie wurde kritisiert, Hochsensibilität kombiniere unterschiedliche, nicht notwendigerweise zueinander passende Konzepte. (…)

Jens Asendorpf, an dessen Forschung zur Schüchternheit Aron anknüpft, sieht in Hochsensibilität eine Unterklasse des Persönlichkeitsmerkmals emotionale Instabilität. (…)

Das gängigste Persönlichkeitsmodell der Psychologie, die Big Five, erklärt außerdem nur 28 % der Varianz, d. h. Unterschiede zwischen Personen, im Merkmal Hochsensibilität. Dies bedeutet, dass Persönlichkeit als Erklärungsansatz nicht ausreicht, um das Konzept Hochsensibilität abzubilden. [/i]

Zum Thema Literaturhinweise: Ich habe mal umgekehrt versucht, etwas Wissenschaftliches zum Thema im Netz finden. Fehlanzeige. Dafür gibt es eine Flut an Ratgeberseiten - und eben reichlich Artikel über die fehlende Anerkennung in der Fachwelt und das Problem, dass seit 1987, als Aron zum ersten Mal mit dem Thema öffentlich wurde, kaum noch weitergeforscht wurde.

Das ist der Grund, warum ich damit wenig anfangen kann.

Dass es sich bei Hochsensibilität einfach nur um eine schöngefärbte Beschreibung von ADHS handelt, erscheint mir aufgrund der Fülle an Überschneidungen wesentlich einleuchtender.

Aber ich lasse mich natürlich - belastbare Fakten vorausgesetzt - gerne eines Besseren belehren… :slight_smile:

Vielleicht zählen ja für dich diese wissenschaftlichen Fakten zum Thema Synästhesie:

„Das Wort Synästhesie ist abgeleitet von den altgriechischen Wörtern syn (= zusammen) und aisthesis (= Empfinden), laut Duden die Miterregung eines Sinnesorgans bei Reizung eines anderen. Synästhesie beruht auf zusätzlichen neuronalen Verbindungen zwischen den einzelnen Sinnen.“

Wie du im letzten Abschnitt lesen kannst, ist Hochsensibilität auch in diesem Zusammenhang ein Thema für die Wissenschaft. Den folgenden Artikelausschnitt findest du unter Was ist Synästhesie? | Deutsche Synästhesie-Gesellschaft e.V..

"Synästhesie ist keine Erkrankung, Halluzination oder Einbildung.
Prof. em. Dr. Dr. Hinderk Emrich, Psychiater, Hirnforscher, Philosoph und Mit­be­grün­der der Deutschen Synästhesie-Gesellschaft bezeichnete das neurobiologische Phänomen als physiologische Normvariante. Diese Bezeichnung scheint auch insofern passend, als die individuelle synästhetische Wahrnehmung von den jeweiligen Synästheten selbst als völlig „normal“ empfunden wird.

Oft dient sie unbewusst als Erinnerungshilfe und Orientierung im Alltag. Die Synästhesie kann z.B. bei der Beurteilung von Situationen oder körperlichen Befindlichkeiten (z.B. Einordnung von Schmerzen durch visuelles Empfinden) eine Hilfe sein. Die zusätzliche Fähigkeit wird von den meisten Synästheten als bereichernd, „unverzichtbar“ und wesentlicher Bestandteil der eigenen Identität empfunden.

Das sich Synästhetiker ihre zusätzliche Wahrnehmung nicht einbilden, machen MRT-Untersuchungen deutlich, die eine Aktivität in den verknüpften Gehirnarealen belegen.
Auch hat man inzwischen herausgefunden, dass Synästhetiker eine veränderte Gehirnstruktur, z.B. eine dichtere graue Substanz in bestimmten Bereichen, aufweisen.

Bestimmte Phänomene treten anscheinend gehäuft bei Synästhetikern auf. Dazu gehören Hochbegabung, Hochsensibilität und erhöhte Kreativität, aber ebenso Aufmerksamkeitsstörungen und räumliche Orientierungsschwierigkeiten. Auch kann es aufgrund der zusätzlichen Wahrnehmung schneller zu Reizüberflutungen kommen."

Deine These kann schon deshalb nicht stimmen, da nicht jeder AD(H)Sler Hypersensibilität aufweist. Außerdem hat Hypersensibilität ein eigenes Spektrum, dass sich nur zum Teil mit dem von AD(H)S überschneidet. Ergo kann Hypersensibilität nicht grundsätzlich mit ADHS gleichgesetzt werden! :wink:


Da würde ich widersprechen. :wink:

Aber jetzt erstmal Gute Nacht! :slight_smile:

Damit habe ich jetzt aber ein argumentatives Problem. Wenn du Hypersensibilität lediglich für eine schöngefärbte Beschreibung von ADHS hälst, dann gibt es also deiner Meinung nach Hypersensibilität als eigenes Phänomen nicht und damit auch keine eigene Definition. Damit stimmt dann deine Argumentation irgendwie nicht. Denn entweder gilt: Hypersensibiltät = ADHS oder aber Jeder ADHSler ist auch hypersensibel.

Gegen die erste These spricht schon, dass ADHS ein sehr viel breiteres Spektrum als Hypersensibiltät aufweist.

Sorry für meine Dipfelschissigkeit, aber ich bin großer Fan schlüssiger Argumentationsketten. :wink:
Aber trotzdem gute Nacht!

Schöne Diskussion :slight_smile:

Richtig: Hochsensibilität ist bislang kein wissenschaftlich anerkanntes Konstrukt.
Andersherum gelästert: Wäre jede Hochsensibilität pathologisch (iSv mit Krankheitswert) hätten sich DSM und ICD das nicht entgehen lassen.
Würde die Lästerei stimmen, dass alles, was pathologisch ist, schnell ver DSMt wird, würde daraus aber auch folgen, dass es Hochsensibilität ohne Krankheitswert, also auch ohne AD(H)S geben muss.

Das deckt sich auch mit den bisher ermittelten Prävalenzen:
17,5 % Prävalenz von Hochsensibilität (bei Aron waren es 15 bis 20 %, oder ?) sind Werte, die wir trotz der Steigerungsraten in den USA hoffentlich nicht bekommen werden.
Obwohl nach den Zahlen des staatlichen amerikanischen Health Survey von 2018 bereits 13,6 % der Kinder von 12 bis 17 Jahren eine AD(H)S Diagnose haben. Bei den derzeitigen Steigerungsraten von 25 % pro Jahrzehnt hätten wir in 10 Jahren die 17 % schon erreicht…

Aber ratet mal, wer da dran rumforscht :wink:
Hier der ADxS-Fragebogen zur Hochsensibilität:
<LINK_TEXT text=„https://www.adxs.org/adhs-onlinetest-um … taetstest/“>https://www.adxs.org/adhs-onlinetest-umfragen/hochsensibilitaetstest/</LINK_TEXT>

Ich ein paar hundert Teilnehmern mit und ohne AD(H)S, die den Hochsensibilitätstest und den Symptomtest (innerhalb eines Accounts) gemacht haben, kann ich Euch dann sagen, wie häufig es AD(H)S ohne Hochsensibilität gibt und wie häufig es Hochsensibilität ohne AD(H)S gibt.

Ich bin super neugierig…

UlBre


Sagen wir mal so: Das, was an Symptomen dem Konstrukt „Hochsensibilität“ zugeordnet wird, findet sich mMn komplett bei ADHS wieder. Aber bei ADHS kommen eben noch weitere Symptome dazu. Demnach wäre „Hochsensibilität“ (als Summe der entsprechenden Symptome) eine Teilmenge von ADHS, sozusagen. :geek:

Apropos: Wenn man, wie seinerzeit Aron, eine genetisch bedingte veränderte Reizverarbeitung für Hochsensibilität zugrundelegt, dann müsste dasselbe gelten wie für ADHS, nämlich dass sich schon in der Kindheit entsprechende Symptome gezeigt haben müssen.

Interessant auch folgender Wikipedia-Eintrag: „Allerdings schließt sie nicht aus, dass ein geringer Teil der hochsensiblen Menschen die Hochsensibilität im Laufe ihres Lebens durch Traumata oder Dauerstress erworben hat“.

Hmm… kommt mir irgendwie bekannt vor… :sunglasses:


Je nachdem, wie man auf ADHS schaut, kann es das ja auch ohne Krankheitswert geben - oder wäre Hochsensibilität dann ADHS ohne Krankheitswert? :?

Ah, noch eine Variante. :wink:
Nach deiner letzten Ausführung dachte ich eigentlich, du hättest begriffen, dass ADHS und Hochsensibilität nicht ein und dasselbe sein können. Jetzt verwirrst mich wirklich! :?

Vielleicht beschäftigst du dich noch einmal etwas intensiver mit der Symptomatik von Hochsensibilität. Ich denke, dann wirst du einsehen, dass Hochsensibilität sowohl als Komorbidität von AD(H)S sowie auch als ein vollkommen unabhängig von AD(H)S vorkommendes Phänomen auftreten kann.

An überdurchschnittlicher Lärm- und Geruchsempfindlichkeit, großem Unbehagen gegenüber Menschenmengen, sehr intensiver Empathie, der Unerträglichkeit bestimmter Stoffe auf nackter Haut, intensiver Wahrnehmung von Dingen, die sich „normalen“ Menschen überhaupt nicht erst erschließen, etc. … kann ich übrigens keinen Krankheitswert erkennen.

Jetzt verwirrst du mich aber auch. Erst sprichst du von HSP als Komorbidität, dann sagst du, HSP habe keinen Krankheitswert. Letzteres stimmt ja auch, denn HSP ist keine Diagnose. Aber was ist es dann? Eine Persönlichkeitsvariante? Das ist ADHS je nach Standpunkt auch. Nur wo ist dann der Unterschied? Der zu offene Reizfilter als Ursache ist auf jeden Fall eine offensichtliche Gemeinsamkeit. Zufall?