Keine Kostenübernahme durch die KK wenn kein ADHS-Nachweis aus der Kindheit?

Hallo liebe Gruppe,

ich bin ganz neu hier und freue mich die Gruppe gefunden zu haben :slight_smile:

Habe direkt eine Frage:
Stimmt es oder stimmt es nicht, dass die Krankenkasse ADHS-Medikamente nur dann bezahlt, wenn es Beweise oder Indikatoren aus der Kindheit gibt?

Ich war vor kurzem bei einem Psychiater für den ersten Termin bezüglich ADHS. Lange Rede, kurzer Sinn, er sagte mir, dass die Krankenkasse die Medikamente nicht bezahlen wird, wenn es keine Beweise aus meiner Kindheit gibt, dass ich ADHS haben könnte. Das fand ich sehr seltsam, ich habe das Gefühl dass es nicht stimmt. Es entspricht nicht dem Eindruck, den ich von Freunden und ADHS-Erfahrungsberichten im Internet hatte. Habe sowas bislang nie gehört oder gelesen. Abgesehen davon macht es für mich keinen Sinn und erscheint mir nicht logisch, ausserdem der Grund, warum ich den Termin überhaupt gemacht habe, war, eine Diagnose und Hilfe zu bekommen, entweder Medikamente und/oder eine Therapie. Nicht jeder hat Beweise oder Anzeichen aus der Kindheit. Außerdem bin ich jetzt 38 Jahre alt, wir sprechen also von über 30 Jahren in der Vergangenheit. Ich war nicht einverstanden mit dem, was der Psychiater sagte, aber der Psychiater bestand darauf, und was konnte ich tun? Am Ende gab er mir ein privates „Off-Label“-Rezept, das ich selbst komplett aus eigener Tasche bezahlen müsste. Ich erklärte ihm, dass ich derzeit arbeitssuchend bin und auch gerade schwierige Geldprobleme habe, aber das war ihm egal. Ich weiß, dass er dafür nichts machen kann, aber ich meine, dass er auch null Verständnis hatte.

Wie dem auch sei, meine Frage ist die gleiche wie oben und wie auch immer die Antwort ausfällt, gibt es einen Link zu einer Quelle, die diese Politik/Regel bestätigt? Ich habe selbst gegoogelt, konnte aber keine Antwort finden. Wenn das, was der Pychiater gesagt hat, nicht stimmt, dann hätte ich gerne Beweise, um mein Argument zu untermauern.

Freue mich über jede Rückmeldung und Antwort freuen, danke im Voraus!

Liebe Grüße

hallo @boyfromtomorrow ,

bei mir wurde ADS im vergangenen Jahr diagnostiziert und ich bin 57. Was nachweise betrifft gabs ein Ereignis, bei dem meine damalige Freundin sich von mir und damit mich von all meinem Habe und Unterlagen(Zeugnisse) getrennt hatte. Somit konnte ich keinerlei Beweise vorlegen.
Es wurde ein Test (glaube DIVA5) gemacht, zu vielen Fragen zur Kindheit konnte ich keine genauen Angaben machen.
Dennoch bekomme ich Concerta, Medikinet und Intuniv problemlos von der KK bezahlt.

Ich weiß diese Antwort beantwortet deine Frage nicht, denke jedoch Sie bestärkt dich in der Gewissheit dass, mit dem Entscheidung des Pillendoktor etwas nicht passen könnte.

Grüße
Mr Nicebit

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Hey @boyfromtomorrow und herzlich willkommen :hugs:

Laut den aktuellen Diagnosekriterien müssen Symptome schon vor dem 12. Lebensjahr vorhanden gewesen sein. Das bedeutet konkret, dass bei der Diagnostik nach Grundschulzeugnissen gefragt wird, es Fremdbewertungsbögen gibt (die Eltern rückblickend dann ausfüllen) und Fragebögen, die über die eigene Kindheit ausgefüllt werden.

Also ja: Ohne Symptome in der Kindheit (theoretisch) keine Diagnose und ohne Diagnose (theoretisch) keine ADHS-Medikamente.

Aber hier wollte dir der Arzt wohl Off-Label trotzdem was verschreiben, das ist echt selten! Was wollte er dir geben? Ist er ADHS-Spezialist/macht Diagnostik?

Hast du eine Diagnose?

Schön, dass du da bist! :blush:

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Ich hab meine Diagnose mit 52 Jahren bekommen, meine Eltern leben nicht mehr beziehungsweise sind nicht mehr in der Lage, über meine Kindheit Auskunft zu geben. Grundschulzeugnisse gibt es schon lange nicht mehr und auch meine Geschwister konnten mir nicht viel zu meiner Kindheit sagen.
Trotzdem hat der Arzt, der die Diagnose gestellt hat, im Gespräch auch in meinen wenigen Kindheitserinnerungen Symptome deuten können und mir die Diagnose guten Gewissens und voller Überzeugung stellen können

Aber auch schon vor der Diagnose hat mein behandelnder Psychiater, der mich vorher auf Depressionen behandelt hat und nicht viel Erfahrung mit ADHS hat, mir bereits Medikamente verschrieben

Ich gehe also stark davon aus, dass das im Ermessen des Arztes liegt und an seiner Bereitschaft, sich mit dir und dem Thema auseinander zu setzen

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Natürlich, wenn die Eltern nicht mehr leben/nicht zugänglich sind, keine Zeugnisse da sind. Dann beruft man sich auf den WURS-K und/oder das Interview.

Letzten Endes gibt es da Richtlinien, aber wir alle wissen, dass sich Ärzte mal an Sachen halten und mal gar nicht.

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Bei mir mit 62Jahren sind auch keine Unterlagen aus der Kindheit mehr vorhanden, ich wurde im Interview zur Kindheit und Pubertät befragt und musste WURS-K ausfüllen wie @anon97342551 geschrieben hat. Das war für die Diagnose ausreichend.

Und ich hatte bei dem Fragebogen so meine Schwierigkeiten und musste manches aus der Erinnerung rekonstruieren. So in dem Stil: …stimmt, da hieß es doch zu mir: lasst ihn doch, er fängt immer gleich an reinzureden, bei drei Geschwistern… ok, Impulsivität war damals wohl schon da.

Oh und herzlich willkommen :adxs_winy:

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Um welche Medikamente geht es denn?
Wir bekommen z.B. die unretardierten Tabletten trotz Diagnose und Nachweise aus der Kindheit auch nicht bezahlt. Es sei denn man hat eine offizielle Diagnose aus der Kindheit und hat diese Medikamente dann schon genommen.

Strebt denn dein Psychiater noch eine Diagnostik an?
Kennt er sich mit ADHS aus? Weil manchmal kristallisiert sich erst dann doch heraus was in der Kindheit schon war.

Hast du denn schonmal so für dich eine Onlinetestung gemacht ?

Was sind denn so deine Hauptsymptome?

Schräg ist natürlich schon dass er einerseits meint es müsste in der Kindheit vorhanden sein und andersherum dir was verschreibt.

Aber für deine finanzielle Situation kann er natürlich nix und kann darauf dann keine Rücksicht nehmen .
Hier sind einige , die bestimmte Medikamente aus eigner Tasche zahlen.

Es ist leider auch so, dass manche trotz der Diagnose nicht sofort jemanden für die Medikation finden.

Ist eh voll schräg, dass man als Erwachsener Medikamente nicht bekommt die für Kinder zugelassen sind.

Aber wie gesagt , um welches Medikament geht es? Vielleicht ist er auch nicht auf dem neusten Stand.

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Hallo und herzlich willkommen!

Ich reih mich mal ein bei den Spätdiagnostizierten. Bin 59 und bekomme seit einigen Wochen Ritalin Adult. Meine Mutter ist 89, die wollte ich damit nicht belasten, die Grundschulzeugnisse geben nicht viel her. Damals war es noch nicht üblich, Romane zu schreiben. Ich selber erinnere mich nicht mehr an viel. Bekomme die Medikamente trotzdem.

Vielleicht solltest Du Dir einen anderen Psychiater suchen. Hat er denn jedenfalls eine Diagnostik gemacht oder Dir einfach so ein Privatrezept ausgestellt? Das geht dann ja ganz schön ins Geld. Was hat er Dir denn überhaupt verschrieben?

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Gesetzlich geregelt ist das in der Anlage 3 der Arzneimittel Richtlinie.

Kannst du hier nachlesen:

Die Anlage III der Arzneimittel-Richtlinie enthält eine Übersicht über alle bereits bestehenden Verordnungseinschränkungen und -ausschlüsse in der Arzneimittelversorgung.

Hier ein Zitat (Nummer 14, Seite 22) bezüglich Stimulanzien:

  • ausgenommen bei Erwachsenen ab einem Alter von
    18 Jahren mit Hyperkinetischer Störung bzw.
    Aufmerksamkeitsdefizit / Hyperaktivitätsstörung (ADS / ADHS), sofern die Erkrankung bereits im Kindesalter
    bestand, im Rahmen einer therapeutischen
    Gesamtstrategie, wenn sich andere Maßnahmen allein als
    unzureichend erwiesen haben. Die Diagnose erfolgt
    angelehnt an DSM-IV Kriterien oder Richtlinien in ICD-10
    und basiert auf einer vollständigen Anamnese und
    Untersuchung des Patienten. Diese schließen ein
    strukturiertes Interview mit dem Patienten zur Erfassung
    der aktuellen Symptome, inkl. Selbstbeurteilungsskalen
    ein. Die retrospektive Erfassung des Vorbestehens einer
    ADHS im Kindesalter muss anhand eines validierten
    Instrumentes (Wender-Utha-Rating-Scale-Kurzform
    (WURS-k)) erfolgen. Die Arzneimittel dürfen nur von
    einem Spezialisten für Verhaltensstörungen bei
    Erwachsenen verordnet (Fachärztin/Facharzt für
    Nervenheilkunde, für Neurologie und / oder Psychiatrie
    oder für Psychiatrie und Psychotherapie,
    Fachärztin/Facharzt für psychosomatische Medizin und
    Psychotherapie, ärztliche Psychotherapeuten gemäß
    Bedarfsplanungs-Richtlinie) und unter dessen Aufsicht
    angewendet werden. In therapeutisch begründeten
    Fällen können bei fortgesetzter Behandlung
    Verordnungen auch von Spezialisten für
    Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen
    vorgenommen werden. In Ausnahmefällen dürfen auch
    > Hausärztinnen/Hausärzte iFolgeverordnungen
    > vornehmen, wenn gewährleistet ist, dass die Aufsicht
    > durch einen Spezialisten für Verhaltensstörungen erfolgt.

Letztendlich ist es so, dass man rückwirkend die Symptome in der Kindheit eruieren muss.

Aber handfeste „Beweise“ lassen sich oft nicht finden.

Ich würde einen anderen Psychiater suchen!!!

Ich kann hier vielleicht noch meine Erfahrung teilen: in meinem Befundbericht steht explizit, dass im Kindesalter keine Auffälligkeiten zu finden waren (Zeugnisse angeschaut, ich und meine Mama haben je einen Fragebogen ausgefüllt), aber mit der Vermutung, dass eine sehr hohe Grundintelligenz und die Freude an der Schule die „typischen“ Anzeichen im Kindesalter verschleiert haben könnten.

Ich bekomme Methylphenidat von der KK bezahlt.

Die Krankenkasse überprüft ja die Diagnostik als solche auch nicht.

Ich finde nur wichtig zu erklären was hinter solchen Aussagen steckt.

Von „Beweisen“ steht da auf jeden Fall nichts!

Aber die Symptomatik sollte dagewesen sein, auch wenn sie gut verdeckt war. Nicht alle sind in der Schule auffällig.

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Die Krankenkasse fragt nicht explizit nach den Befundberichten, die ein Arzt ausstellt.
Steht die Diagnose ADHS und du bekommst ein Medikament dafür verschrieben, dann zahlt die Kasse.

Die Kasse zahlt nicht, wenn es keine Diagnose ADHS gibt. Das ist richtig.

Für die Kasse ist lediglich die Diagnose wichtig. Für den Arzt ist es für die Diagnosestellung wichtig, dass ADHS in der Kindheit vorhanden war.
Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten, wie man sowas feststellen kann, oder nicht. In manchen fällen ist das wirklich nicht nachvollziehbar in der Kindheit, wenn festgestellt wird, dass zb. ein hoher IQ besteht.

Allein die Zeugnisse sind nicht aussagekräftig genug.

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Das kommt glaube ich auf die Zeugnisse an.
Habe kürzlich die meiner Tochter angeschaut - da kommt ja auch einiges zusammen.

Also - nach dem lesen dieser Zeugnisse hätte ich als Arzt definitiv keine Fragen mehr über ADHS Symptome in ihrer Kindheit :sweat_smile::see_no_evil:.

Aber unauffällige Zeugnisse sind natürlich im Umkehrschluss kein Beweis dafür, das es keine Symptome gab.

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Japp, meine Zeugnisse sind auch eindeutig. :adxs_lol:

Aber: natürlich nur für jemanden, der weiss, wonach er suchen muss.

Gebe ich das Zeugnis einem Idioten, z.B. meinem Hausarzt, sieht er darin überhaupt nichts auffälliges.

Also ja: ADHS-Smptome sind ausgeprägt und erkennbar. Aber eben lesbar nur für Nicht-Idioten oder Leute, die wissen, wonach sie suchen müssen.

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