Warum Hausärzte Stimulanzien nur in Ausnahmefällen verordnen dürfen

Weil das immer wieder gefragt wird - hier nochmal die Erklärung.

Die Arzneimittel Richtlinie des gemeinsamen Bundesausschusses ist bindend - anders als die Leitlinien, die sind nicht rechtlich bindend.

Die Anlage III der Arzneimittel-Richtlinie enthält eine Übersicht über alle bereits bestehenden Verordnungseinschränkungen und -ausschlüsse in der Arzneimittelversorgung.

Hier ein Zitat (Nummer 14, Seite 22) bezüglich Stimulanzien:

  • ausgenommen bei Erwachsenen ab einem Alter von
    18 Jahren mit Hyperkinetischer Störung bzw.
    Aufmerksamkeitsdefizit / Hyperaktivitätsstörung (ADS / ADHS), sofern die Erkrankung bereits im Kindesalter
    bestand, im Rahmen einer therapeutischen
    Gesamtstrategie, wenn sich andere Maßnahmen allein als
    unzureichend erwiesen haben. Die Diagnose erfolgt
    angelehnt an DSM-IV Kriterien oder Richtlinien in ICD-10
    und basiert auf einer vollständigen Anamnese und
    Untersuchung des Patienten. Diese schließen ein
    strukturiertes Interview mit dem Patienten zur Erfassung
    der aktuellen Symptome, inkl. Selbstbeurteilungsskalen
    ein. Die retrospektive Erfassung des Vorbestehens einer
    ADHS im Kindesalter muss anhand eines validierten
    Instrumentes (Wender-Utha-Rating-Scale-Kurzform
    (WURS-k)) erfolgen. Die Arzneimittel dürfen nur von
    einem Spezialisten für Verhaltensstörungen bei
    Erwachsenen verordnet (Fachärztin/Facharzt für
    Nervenheilkunde, für Neurologie und / oder Psychiatrie
    oder für Psychiatrie und Psychotherapie,
    Fachärztin/Facharzt für psychosomatische Medizin und
    Psychotherapie, ärztliche Psychotherapeuten gemäß
    Bedarfsplanungs-Richtlinie) und unter dessen Aufsicht
    angewendet werden. In therapeutisch begründeten
    Fällen können bei fortgesetzter Behandlung
    Verordnungen auch von Spezialisten für
    Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen
    vorgenommen werden. In Ausnahmefällen dürfen auch
    > Hausärztinnen/Hausärzte iFolgeverordnungen
    > vornehmen, wenn gewährleistet ist, dass die Aufsicht
    > durch einen Spezialisten für Verhaltensstörungen erfolgt.
1 „Gefällt mir“

Wer mehr zum Thema Arzneimittel Richtlinie wissen möchte, es gibt hier eine Podcast Folge darüber:

1 „Gefällt mir“

Die Anlage 3 ist aktualisiert worden. Für ADHS Medikamente hat sich jedoch soweit ich weiß nichts geändert.

1 „Gefällt mir“

Ich hol das nochmal hoch, weil mich das gerade beschäftigt hat.

Ich hab mich gerade mit einer Ärztin (anderes Fachgebiet) in unserer lokalen Selbsthilfe Gruppe unterhalten.
Sie meinte, dass sie mal wegen einem abgelaufenen BTM Rezept (und weil der verschreibende Arzt gerade im Urlaub war) bei der Bundesopiumstelle angerufen hat um sich zu erkundigen. Dort habe man ihr gesagt, dass sie als aprobierte Ärztin auch einen BTM Rezeptblock beantragen könnte und dann ADHS Medikamente verschreiben könnte (wie jedes andere BTM auch).

Ich entgegnete ihr, dass das bei ADHS Medikamenten nur die oben von Justin erwähnten Fachärzte als Spezialisten für Verhaltensstörungen ADHS Medikamente verschreiben dürften, weil der g-ba sich das so vorstellt und da aus Gründen auch einen Zuständigkeit bei Selbstzahler/Privatpatienten beansprucht.

Ich hab jetzt nochmal recherchiert und auch ChatGPT etwas gequält, der g-ba hat im Bereich Medikamente nur eine Zuständigkeit für vertragsärztliche Versorgung (bzw bezieht sich darauf die AM-RL), also bei allem was über die GKV abgerechnet wird.
Die Einschränkung auf die genannten Spezialisten für Verhaltensstörungen, bei der Verschreibung von ADHS Stimulanzien gelten also nur bei GKV Patienten.
Privat, also als Selbstzahler, kann jeder in Deutschland aprobierte Arzt theoretisch alles an Medikamenten verschreiben.
Das ist dann mehr eine Fach- bzw. eine Haftungsfrage.
(Also auch Elvanse als Erstlinienmedikament.)

Das Selbe gilt auch für die Frage, ob der WURS-K eine Vorraussetzung dafür ist, dass eine ADHS Diagnose bei Erwachsenen gestellt werden darf.
Dort hat der g-ba auch nur eine Zuständigkeit für Kassenärzte bzw. Kassenpatienten.
Wenn das für alle Patienten gelten würde, würde das so auch in den Leitlinien stehen. Wobei die auch nicht rechtlich bindend für einen Arzt sind, aber mit Sicherheit (ähnlich wie DIN Normen als Stand der Technik vor Gericht gewertet werden) bei Fach- und Haftungsfragen herangezogen werden, wenn der Arzt seine Handeln vor Fachausschüssen bzw. Gerichten verteidigen müsste.
Man hat als Patient bzw. Kassenarzt lediglich ein Problem, wenn die Behandlung auf Grundlage einer bestehenden ADHS Diagnostik über die GKV abgerechnet werden soll und der WURS-K im Rahmen vorhandenen Diagnostik nicht vorliegt.

Okay das musste ich irgendwo los werden :upside_down_face:.

Wurst-Kai-Uwe (und wie sie alle heißen) interessiert eigentlich keine Sau, wenn die Diagnose steht.

Die GKV hat gar keinen Zugriff auf die Ergebnisse der Fragebögen. Mal abgesehen von den privat durchgeführten Diagnostiken, wo die GKV überhaupt keinen Wind von bekommt.

Was Btm allgemein angeht, darf sie theoretisch jeder Arzt verschreiben, der befugt ist und einen entsprechenden Rezeptblock (mit auf seinen Namen registrierten fortlaufenden Nummern) besitzt.

Wenn der Diagnoseschlüssel passt, der Arzt die notwendige Ausbildung / Qualifikation hat und das ADHS Medikament entsprechend ordnungsgemäß verschrieben wurde, ist alles tutti und keinerlei Stress zu befürchten.

Ansonsten ist die Dokumentation des Arztes viel wichtiger, falls nach einer Prüfung mal Fragen aufkommen sollten.

2 „Gefällt mir“

Ja, das interessiert in sofern den Arzt, zu dem Du gehst, wenn Du eine Diagnose von einem anderen Facharzt/Psychotherapeuten hast und gerne Medikamente für ADHS haben möchtest.

(Ich les da ab und zu im Internet mit adx irgendwas oder so ähnlich :upside_down_face:)

Das war hier auch keine Frage, sondern mehr eine Art Brain :brain: Dump für mich, weil mich das Gestern beschäftigt hat und ich nicht wusste wo hin damit. Die Person mit der ich gesprochen hatte, ist leider auch nicht in unserer SHG WhatsApp Gruppe.
Ich musste es aber irgendwo loswerden :upside_down_face:

So wie ich das bis Gestern gesehen hatte, ist es nämlich nicht richtig. Ich dachte ursprünglich auch mal das der g-ba tatsächlich nur im Bereich der Kassenpatienten zuständig ist. Was nach meinem aktuellen Wissenstand auch richtig ist.

Irgendwo hat Justine mal was dazu geschrieben, wo der g-ba in einem anderen Zusammenhang eine Zuständigkeit für alle Patienten hat und deshalb ging sie davon aus, dass dem in den hier geschilderten Fällen auch so sein muss.

Ich hatte damals dann auch recherchiert und konnte auch keine anders lautende Aussage finden, dahingehend, dass der g-ba eben keine Zuständigkeit bei Privatpatienten (bzw. in welchen Fällen, falls doch) habe.
Man findet dazu aber keine Aussage für die hier geschilderten Fälle, weil immer nur davon geschrieben wird, wo der g-ba eine Zuständigkeit hat und nicht wo dem nicht so ist.
Macht ja z.B. keinen Sinn, dass der g-ba in seinen pdf Dateien Wusst, immer dazuschreibt wo er keine Zuständigkeit hat. :woozy_face:

Ne die GKV hat ja auch keine Zuständigkeit dahingehend, dass die Regelungen die der g-ba aufstellt von Ärzten eingehalten werden.
Die interessiert nur ob ein Medikament eine Zulassung für den Patienten hat und sie es deshalb bezahlen müssen.
Die interessiert höchstens ob ein Arzt zu viele Offlabel Medikamente, also welche die für Erwachsene keine Zulassung haben (Attentin oder so), bei einem Patienten abrechnen will, ohne dass eine fachlich gute (bzw für sie ausreichende) Begründung vorliegt.

Die Probleme die es mal gab, weil manche Ärzte zu oft Elvanse als Erstlinienmedikament abgerechnet haben, kamen ja vom g-ba und nicht von den einzelnen Kassen.