Hello zusammen,
ich bin die Fledermausi (26) und wurde diesen Sommer mit AD(H)S diagnostiziert. Ich habe mich schon lange mit der Erkrankung auseinandergesetzt und musste mich echt durchsetzen endlich eine Diagnose zu kriegen. Ich alleine komme ganz gut damit klar, auch mit meiner Mediaktion.
Mein Umfeld hat mich damit auch ganz gut aufgenommen, allerdings merke ich, dass es doch echt schwer ist mit anderen darüber zu sprechen. Vor allem wie man das Thema bei nicht so engen Bekannten anspricht und zu vermitteln was genau das ausmacht bereitet mir noch große Probleme.
Daher meine Fragen an euch:
Wie kommuniziert euer AD(H)S? Habt ihr auch ähnliche Probleme? Und habt ihr das Gefühl eure Angehörigen können euch tatsächlich verstehen?
Bin sehr gespannt auf eure Rückmeldungen. Danke schon mal
Hey:)
Ganz ganz schwierig. Habe die Diagnose wie du seit dem Sommer.
Empathischen Personen und solchen, die schon mal mit Neurodivergenz zu tun hatten, kann ich es ganz gut erklären.
Familie ist schwierig, da es oft ältere Leutchen sind, die gar nichts damit anfangen können.
Überhaupt ist ja das größte Problem, daß die meisten Symptome recht banal klingen … sowas hat doch jeder mal. Mit Regelkreisen zwischen verschiedenen Neurotransmittern brauchst du gar nicht anzufangen.
Für mich wird es sehr schnell unangenehm, wenn ich auf Unverständnis stoße und es sich dann so anfühlt, als müßte ich mich rechtfertigen.
Sogar von einer promovierten Psychologin, die ich privat kenne, kam absurdes Zeug wie: das kann durch Erlebnisse in der Kindheit ausgelöst werden und man bräuchte keine Medikamente. Man könnte eine Hypnosetherapie versuchen. Auch hätte sie gehört, daß Bachblüten bei ADHS eine gute Wirkung haben könnten. Autsch. Wie soll es dann ein Durchschnittsmensch verstehen?
Ich gehe zur Zeit so damit um, daß ich nur mit sehr wenigen ausgewählten Personen darüber spreche, bei denen ich das nötige Verständnis dafür vermute. Muß ja nicht jeder wissen. Es wäre zwar schön, die Sichtbarkeit von ADHS in der Gesellschaft zu vergrößern, aber nicht auf Kosten meiner mentalen Gesundheit
warum sollte ich meinem Umfeld, also insbesondere nicht ganz so engen Bekannten, meine Diagnose und meine medikamentöse Behandlung mitteilen?
Ich sehe keine Vorteile darin.
Natürlich wissen meine Frau und meine Kinder Bescheid. Aber meiner Mutter, solange sie noch lebte, habe ich nichts gesagt und meinem Bruder, Schwiegereltern etc. auch nicht. Und noch entfernteren Verwandten, Kollegen oder Freunden erst recht nicht.
Da rede ich doch lieber in diesem Forum darüber oder in anderen Umfeldern, wo die Leute wissen und einschätzen können was ADHS ist.
Inzwischen liegt meine ADHS-Diagnose über 20 Jahre zurück und solange nehme ich auch Methylphenidat, und mit der Zeit bin ich auch nicht mehr so vorsichtig und erzähle es Einzelnen gelegentlich, ich bin ja auch nicht mehr so leicht zu verunsichern. Aber solange es ganz frisch ist, empfehle ich immer nicht zu vielen Menschen davon zu erzählen.
schau mal hier: Wie beschreibt ihr ADHS? - Leben, lieben, lachen. Mit mit und mit ohne ADHS - ADHS-Forum von ADxS.org
Da wurde so etwas ähnliches gefragt, vielleicht findest du dort ein paar interessante Sichtweisen.
Ich hatte meine Psychiaterin damals gefragt, ob ich mein ADHS kommunizieren soll. Sie meinte dann, ob ich auch kommunizieren würde, wenn ich ne Blasenentzündung hätte oder sonstige Medikamente nehmen müsste?! Das geht z.B. den Arbeitgeber und überhaupt irgendwelche Menschen erstmal gar nix an.
Anders wäre es natürlich, wenn du deswegen besondere Hilfe brauchen würdest.
Bei mir wissen es nur die engste Familie (wir haben aber auch ein sehr gutes Verhältnis) und Freunde und eine (!) Kollegin. Weiter möchte ich es eigentlich derzeit nicht publik machen. Sehe keinen Sinn darin
Habe die Diagnose erst seit kurzem. Es wissen meine Eltern und 5 Freunde/Freundinnen. Dazu gehört auch meine Mitbewohnerin - wir erzählen uns eigentlich alles & bisher ist sie da auch sehr verständnisvoll und hört mir zu. Auch der Rest hat Verständnis. Sie behandeln mich aber auch weiterhin ganz normal bzw so wie immer halt, es hat sich in den Beziehungen untereinander nichts geändert. Ich gehe damit eigentlich offen um, also ich habe auf social media auch schon kommentiert, dass ich ADHS habe ( bei Seiten, die eben auch offen über ihr ADHS reden). Das kann also theoretisch jeder lesen. Mir gefällt da der Austausch, habe schon nette Gespräche mit anderern betroffenen auf SM gehabt und ich bin neu in einer Selbsthilfegruppe in meiner Stadt, die Leute die man da so trifft wissen also auch bescheid ( sind zu 90% selber ADHSler).
Mich macht es grade tatsächlich etwas traurig, dass ihr alle sagt, ihr redet nicht so viel bzw. gerne darüber. Vielleicht ist meine Ansicht auch komisch. Bin ein sehr offener Mensch und um mich rum wissen eigentlich alle davon, auch auf der Arbeit (arbeite aber auch in einem sehr kleinen, familiären Betrieb). Meine Einstellung dazu ist auch, dass ich es sehr gut finde andere darüber zu informieren um ein Bewusstsein für neurodivergente Personen zu schaffen. Aber klar das ist sehr persönlich.
Habt ihr denn das Gefühl das geht nicht, weil es von anderen falsch verstanden wird oder sind bei euch tatsächlich schon Konflikte aufgekommen?
Verstehe, dass es da nicht wirklich nen Vorteil gibt. Aber ist es nicht total komisch für dich, mit deiner Familie nicht darüber zu sprechen?
Stelle mir vor, dass es dann immer so unausgesprochen über einem hängt.
Freut mich, dass du auch so schöne Erfahrungen gemacht hast. Finde es auch sehr cool, dass du auch auf Social Media darüber schreibst. ^^
Darf ich fragen, wie du da ran gehst darüber zu sprechen? Würde mich sehr interessieren!
Nein, finde ich nicht komisch. Psychiatrische Diagnosen und Psychopharmaka sind doch sehr privat. Ich habe meinen Bruder auch nie gefragt, wie seine Frau und er verhüten.
Und speziell bei ihm kommt noch dazu, dass er immer wieder den großen Bruder raushängen lässt. Er war immer der mit dem schnelleren Studium, dem höheren Einkommen, den klügeren Kindern, derjenige der sein Fahrrad selbst reparieren konnte und ich nicht, der Modelle selbst baut und tolle Sportarten macht.
Nö, da muss ich mich nicht noch angreifbar machen als der, der zum Psychiater geht und Ritalin nimmt.
Na ja…ich schreibe halt einfach. Keine Ahnung, es gibt ja viele Accounts von Leuten mit ADHS und die machen darüber eben Content und dann gibts so fragen wie"…kennt ihr das auch?" Und dann antworte ich darauf zB „Ja, bei mir ist das so…“ oder ich antworte direkt auf einen Kommentar, den jemand anderen geschrieben hat
Also ich bin eigentlich ein sehr offener Mensch. Ich hab kein Problem damit meine Diagnose(n) mitzuteilen. Hatte ich noch nie. Mir ist das weder unangenehm, noch schäme ich mich dafür. Meine größte Angst ist es, einen Stempel aufgedrückt zu bekommen. Dass mich Leute dann mit anderen Augen sehen, obwohl ich die gleiche Person wie vorher bin.
Als ich meine Diagnose bekommen habe, habe ich es meinen engsten Umfeld mitgeteilt. Einfach weil die wussten, wie krass mir alleine dieses Wissen hilft und wie erleichtert ich war zu Wissen, warum ich so bin wie ich bin. Aber mein engstes Umfeld weiß eh alles über mich. Ich bin ein richtiges Plappermaul und kann mich nicht richtig kontrollieren, welche Informationen ich teile und welche eher unwichtig/unnötig sind Ich hab neue Bilder bestellt und aufgehangen? Direkt eine Whatsapp an meine Freunde, damit die Bescheid wissen, haha.
Meine Mutter weiß es, hat aber keine Ahnung davon (sie war ja auch 1x bei einem Diagnosegespräch dabei), mein Vater weiß nichts und hat safe auch keine Ahnung davon. Mein Bruder weiß es und ich bin mir ziemlich sicher, dass er auch ADHS hat. Er ist da auch nicht abgeneigt, würde sich aber nicht um eine Diagnose kümmern, weil er ja klar kommt und das nicht braucht.
Leute, mit denen ich nicht so viel zu tun habe, binde ich das jetzt aber nicht auf die Nase. Warum auch? Mach ich vllt in bestimmen Situationen impulsiv, wonach ich mich dann gleich ärgere. Aber ich hatte bisher noch keine schlechten Erfahrungen gesammelt (außer eine Kollegin, die mich damals nur 3 Monate von Arbeit kennt und mir das absprechen wollte).
Gestern habe ich es meine Teamleiterin erzählt. War eher eine impulsive Reaktion von mir, einfach aus dem Gespräch raus. Ich weiß nicht, ob ich es noch bereuen werde. Aber ihre Reaktion war einfach SOOOOO TOLL! Sie hatte Verständnis und mir dann auch nochmal mitgeteilt, dass sie es schätzt, dass ich so offen bin und sie froh ist, dass ich dort arbeite. Das tat sooooo gut, das war ein richtig richtig schönes Gefühl für mich.
Das verstehe ich natürlich auch.
Wenn das für dich so ein persönliches Thema ist und du das für dich behalten möchtest ist das auf jeden Fall auch die richtige Entscheidung für dich.
Ist für mich grade auch ein sehr neuer Einblick, habe selbst nur meine Mutter als Verwandte, daher bin ich so interessiert wie es für andere ist.
Hey Melly,
da sehe ich mich voll wieder bin auch so ein Plappermaul
Habe bisher auch geschafft es anderen nur geplant zu erzählen, hatte auch ne ganze Seite Notizen für das Gespräch mit meinen Chefs, aber wenns dann doch mal raus platzt hoffe ich auch so ne gute Reaktion zu haben wie bei dir.
Würdest du dir denn z.B. von deiner Mutter mehr Verständnis bzw. Aufgeklärtheit wünschen oder kommst du gut klar mit der Situation?
Ob es notwendig ist, die Arbeit darüber zu informieren, kommt immer auf die individuelle Situation ab.
Da ich fast wöchentlich Therapie habe und dann immer mal 3h fehle, wollte ich ganz ehrlich bescheid sagen wieso und weshalb ich so oft fehle. Dann ist mir das mit ADHS auch rausgeplatzt. Mein Therapeut hat mir das auch empfohlen, damit die Leute wissen, warum ich in Meetings vllt nicht zuhöre oder nebenbei was anderes mache. Wenn die das nicht wissen, können die das als unhöflich bewerten. Hab in meiner alten Arbeit deswegen auch mal Anschiss bekommen… (da wusste ich aber noch nichts von ADHS)
Muss man vermutlich nicht, aber mir ging es somit besser. Ich könnte auch nur nachmittags Therapie machen, aber dann wäre es eben unregelmäßiger. Meine Teamleiterin konnte mich da voll verstehen. Sie sagte auch, dass andere „dumm“ sind, wenn die mich dadurch in eine Schublade stecken. Keine Ahnung, ob es der Wortlaut war, aber irgendwie so.
Mit meiner Mutter ist das so ne Sache. Ich hätte mir schon gewünscht, dass sie mehr Wissen über ADHS hätte, aber viel ändern würde das halt auch nicht. Ich hab so gut wie gar kein Kontakt zu meinen Eltern. Die haben auch nicht wirklich Interesse. Machen die nicht böswillig, weil die mir was Schlechtes wollen - sondern die können anscheinend nicht mehr. Solange ich auch kein Kontakt habe gehts mir gut. Aber wenn doch mal was ist, fühl ich mich extrem unwohl.
… siehste. Plappermaul Aber ich bin Queen in #traumajokes. Mich stört das nicht drüber zu reden.
Ich wünsche dir auf jeden Fall alles Gute. Und du kannst mir glauben, dass die meisten Leute wirklich sehr gut reagieren! Das Hirn malt es oftmals viel schlimmer aus. Klar gibt es hier und da mal Ausreißer, aber die Mehrheit - vor allem die Leute, die dich kennen und mögen, werden Verständnis haben. Die kennen dich schon vorher und deine Persönlichkeit wird sich nicht ändern, nur weil du jetzt eine Diagnose hast. Im Gegenteil: Vielleicht verstehen die Leute somit mehr, warum du in einigen Situationen so bist.
So wie du das ganze beschreibst klingt das wirklich sehr ähnlich zu mir
Danke für deine lieben Worte, das gibt mir grade echt viel Zuversicht.
Finde es so schade dass es wie bei dir so oft die Eltern sind, die das wenigste Verständnis zeigen… verstehe dass es dann echt die besste Lösung ist den Kontakt zu reduzieren. Ich hatte dann wohl auch echt Glück mit meiner Mutter. Sie hat es am Anfang auch nicht wirklich verstanden, aber als ich sagte, dass sie wahrscheinlich auch ADHS hat (gleiche Symptome und so) war sie auf einmal total offen. Naja ging dann auch um sie und nicht um mich, aber ich nehme was ich kriegen kann.
Lieben Dank und ich wünsche dir alles gute
Ein hoch auf die Plapperqueens!
Ich habe nach einer Weile meinen eltern mal davon erzählt (sie sind 80+) und sie fragten, ob ich denn deswegen schmerzen hätte und das war sehr süß. Ansonsten nur mit vertrauten Personen, wenn ich weiß, dass keine blöden Kommentare kommen wie „ist nur ne Erfindung der pharma-Industrie“.
Ich kommuniziere allerdings meine Bedarfe, bitte um Erinnerungen, um Visualisierungen oder ziehe mich zurück, wenn ich Ruhe brauche, etc. Da fragt niemand nach einem Warum, ich erkläre es auch nicht weiter oder erwarte Dinge von anderen, es sind eher Self care Maßnahmen oder verantwortungsübernehmendes „sorry, ich steh da grad auf dem Schlauch, kannst du es mir bitte nochmal erklären?“