Manche "typische" ADHS-Symptome erst bei medikamentöser Behandlung entstanden?!

Hi, ich versuch mich diesmal ein bisschen kurz zu fassen, aber das klappt leider wahrscheinlich eh nicht. :sweat_smile:

Ich (24w) habe vor etwa zwei Monaten eine ADHS-Diagnose bekommen und nehme seitdem Elvanse® (LDX; Lisdexamfetamin).

Meine Symptome, die auch zur Diagnose geführt haben, waren ungefähr unter anderem folgende:

  • Keine Konzentrationsfähigkeit auf längere Texte oder Vorträge, ständiges Abdriften nach kurzer Zeit, weil zwar die Worte scheinbar mein Gehirn erreichten aber dort nicht verstanden/verarbeitet wurden. Prokrastination, mangelnde Exekutivfunktion, praktische Paralyse.
  • Starke und regelmäßig wechselnde Nischen-Interessen, auf die ich mich dann aber im Gegensatz zu allem anderen wirklich gut konzentrieren und stundenlang an ihnen arbeiten konnte (Hyperfokus).
  • Leerer Kopf, häufig einfach gar keine Gedankengänge, „TV-Statik-Rauschen“ ohne die Möglichkeit, konkrete Gedanken zu fassen.
  • Richtig nervige gedankliche Schleifen: mir wurde auch sehr häufig gesagt, dass ich in Gesprächen extrem viel rede und mich dabei inhaltlich wahnsinnig viel im Kreis drehe und alles im Laufe des Gesprächs mehrfach wiederhole. Das liegt meiner Wahrnehmung nach daran, dass ich immer das Gefühl habe, dass ich die „Essenz“ meiner Aussage noch nicht ganz gefunden habe und nochmal ein Detail klarstellen oder wiederholen muss.
  • Ständige innere Unruhe im Sinne von Anxiety/leichter Hintergrundnervosität.
  • Suchtähnliches Essverhalten, weil Essen meine einzige Dopaminquelle war, wenn ich mich nicht konzentrieren konnte, „schlimme Langeweile“ hatte oder ich die Nervosität nicht mehr ausgehalten habe
  • Impulsive Entscheidungen, um die Unruhe zu bekämpfen.
  • Grundschulzeugnisse, die das alles auch bestätigten.

Der Arzt ist ein ADHS-Spezialist und er meinte, ich sei ein Lehrbuchfall gewesen. Meine Medikamente haben auch mein Leben total zum Guten verändert und ich schaffe auf einmal alle möglichen Sachen, die ich vorher nie für möglich gehalten hatte. Ich bin mir also sehr sicher, dass ich wirklich ADHS habe.

Ich hatte aber niemals einige andere der richtig typischen ADHS-Symptome gehabt. Das ist ja auch in Ordnung, nicht alle haben ja alle typischen Symptome.

Was mich jetzt aber total verwirrt ist, dass ich, seit ich Medikamente nehme, jetzt plötzlich einige dieser total typischen ADHS-Symptome bekomme, von denen andere immer berichten, die ich vorher aber noch nie hatte!

  • Alles gleichzeitig anfangen, viel zu viele gleichzeitige Prozesse, Ablenkbarkeit, unsortierte und wilde Gedanken: lustigerweise hatte ich vorher eher keine Gedanken, keine Konzentrationsfähigkeit oder Energie und war ständig lethargisch. Seit ich die Medikamente nehme, habe ich wahnsinnig viele gleichzeitige Prozesse laufen und werde ständig abgelenkt. Ich will ein einfaches Problem am PC lösen und merke dann irgendwann plötzlich, dass ich 11 Stunden lang jetzt nicht nur Updates gemacht habe, sondern auch noch „mal schnell“ ein Schriftartenpaket installiert, einen Fehlerbericht dazu geschrieben, mich auf Wikipedia in die Geschichte der Schrift eingelesen und schließlich ein Buch über persische Literatur bestellt habe, und am Ende das Ausgangsprojekt gar nicht angefangen habe. Das ist eigentlich so typisch ADHS, dass ich echt verwirrt bin, wieso ich das jetzt ausgerechnet erst bekomme.
  • Vergesslichkeit und Unkonzentriertheit: ich habe letztens fünf Stunden lang meine Frühstücksbrötchen im Ofen vergessen, bis der Rauchmelder losging. Ich vergesse jetzt sogar meinen Schlüssel manchmal, was ich vorher noch nie hatte. Ich habe mir einmal sogar eine Hose versucht anzuziehen obwohl ich noch meine Schlafanzughose getragen hatte. Das ist vorher nie passiert.
  • Viel stärkerer Hyperfokus und ‚Special Interests‘: obwohl ich das schon vorher gewissermaßen hatte, habe ich jetzt viel intensivere Phasen des Hyperfokus und arbeite praktisch jeden Tag stundenlang an bestimmten Projekten, die mich interessieren. Ich kann mich dann auch kaum losreißen und bekomme meine Umgebung kaum mit. Selbst Posts wie dieser hier werden immer ultra-lange Listen und Fließtexte.
  • Tollpatschigkeit: Ich lasse viel eher Sachen fallen, mein Gleichgewichtssinn ist schlechter geworden und allgemein bin ich eher motorisch gesehen unsicherer unterwegs.
  • Hyperaktivität: Im Gegensatz zu früher, wo ich eher lethargisch und völlig energielos war und nie hyperaktiv aufgefallen bin, bin ich heute voll Bewegungsdrang, Drang, produktiv zu sein und auch Stimming passiert jetzt auf einmal häufig.

Kennt das noch jemand? Ist das nicht seltsam und paradox, dass ich jetzt erst mit den Medikamenten so einige typische ADHS-Symptome zum ersten Mal bekomme?

Die Angaben in diesem Thema hier verwirren mich, wenn ich sie mit den Schilderungen in deinem anderen Thema vergleiche.

Hier seit Beginn der Medikation.
Drüben erst seit der Erhöhung der Dosis oberhalb 40mg :adxs_noidea:


Kann ich dieses Thema hier dann schließen, damit nicht in zwei Themen paralell diskutiert wird? :slight_smile:

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Ich habe ja durchaus das Gefühl, dass es sich um zwei völlig verschiedene Themen handelt.

Ob eine Überdosierung von LDX zu paradoxen Symptomen von Schläfrigkeit und Lethargie führt ist eine Sache.

Ob man durch eine medikamentöse Therapie typische ADHS-Symptome wie Ablenkbarkeit quasi ‚nachentwickeln‘ kann ist eine andere, das hat ja auch nichts mit gegenteiliger Amphetaminwirkung, Antriebslosigkeit oder Hypoaktivität zu tun.

Weil es sich um zwei völlig verschiedene Themen handelt.

Bereits seit Anfang der medikamentösen Therapie bemerke ich das Einsetzen von typischen ADHS-Symptomen, die ich vor der Behandlung nie hatte, wie z. B. die eben erwähnten wilden Multitasking-Gedankenstränge, die Vergesslichkeit und die Ablenkbarkeit.

Völlig unabhängig davon ist, dass ich oberhalb von 40mg Schläfrigkeit, Lethargie und Antriebslosigkeit verspüre, also eigentlich untypische, gegenteilige Symptome einer Amphetamin-Überdosierung, die ja eigentlich zu Hibbeligkeit, Angst und Energieüberschuss führen sollte.

Klar sind die Angaben wiedersprüchlich und es sind zwei verschiedene Posts, weil es ja auch zwei verschiedene Sachverhalte sind.

Ab einem gewissen Level von Überstimulation des Hirns eben nicht. Siehe anderes Thema bzgl. Inverted-U Kurve und Zombie-Modus.

Letzteren dürfte es nach deinem Verständnis dann ja nicht geben - gibts aber und es ist neurologisch alles plausibel erklärbar.

Das ist eine ziemlich komplexe Geschichte da oben mit der Neurochemie, den verschiedenen Hirnarealen, Dopamin, Noradrenalin, Serotonin und und und.

Im Kompendium drüben auf adxs.org gibts viel Lesestoff.
Ansonsten PubMed, oder andere Research-Datenbanken durchforsten.

Hier und da wurde auch schon einiges im Forum verlinkt.
Müsste man aber nach suchen. Sowas geht hier in der Flut der sich wiederholenden Themen zu Medikamenten leider immer wieder ein bissl unter :slight_smile:

https://adhs-forum.adxs.org/search?context=topic&context_id=27606&q=Inverted-u&skip_context=true

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