In einem anderen Thread ging es darum, dass schon offenbar schon Kinder ihr ADHS-/ASS-Verhalten verstecken …?!
Eine Mutter beschrieb, dass ihr Kind aufgrund von „sozialer Anpassung“ die Diagnose ADHS nicht bekam, sondern erstmal nur von einem „vermuteten ADHS“ die Rede ist.
Immerhin wird das Kind medikamentös behandelt.
Aber das Ganze erstaunt mich.
Wenn ein Kind ADHS hat - kann es sich wirklich so verstellen?
Offenbar ist es unter extremer Anstrengung möglich.
Aber dass man es als Arzt nicht schafft, herauszufinden, was Masking ist und was nicht…?
Ich vermute, dass es ein Zeichen von mangelnder Erfahrung ist. (Siehe auch den Medikationsplan, der - wohlbemerkt - für unretardiertes MPH mitgegeben wurde….).
Also jedenfalls denke ich, dass das Thema sehr wichtig ist und hier auch nochmal ein Erfahrungsaustausch interessant wäre.
Ich kann aus eigener Kindheitserfahrung sagen: Ja! Ich habe gestern nochmal auf meine Grundschulzeugnisse geguckt und demnach war ich sozial und in allen Schulthemen ganz uneingeschränkt vorbildlich.
Einzig in Mathe und bei Textaufgaben sei ich wohl etwas langsamer gewesen und in der 4. waren die Hausaufgaben „meist“ zuverlässig. Ab der 5. gings dann bergab.
Ich muss dazu sagen, dass Kinder ja auch oft auf soziales Kooperieren angewiesen sind und manche schnell lernen, durch „kopieren“ anderer oder eben das „Sich-Zusammenreißen“.
Zu Hause hab ich dann schon mal gelegentlich auffälliges Verhalten gezeigt, was aber super schnell durch meine Eltern und Geschwister geahndet wurde und so lernte ich „ein braves Mädchen“ zu sein. In der Pubertät sind mir dann irgendwann sämtliche Sicherungen durchgebrannt vor lauter Anpassungsleistung.
Das hab ich dann aber irgendwann auch wieder abtrainiert durch „Innenkehr“, es hat sich ab dann die Hyperaktivität nur im Inneren gezeigt.
Nachdem nun eine ADHS mit 35J. diagnostiziert wurde, bekomme ich immer noch die Rückmeldung, auch von Ärtzen, es sei eigentlich nicht ersichtlich und ich kann nicht sagen was Masking ist und was nicht. Ein Arzt hat trotz bereits gestellter Diagnose diese angezweifelt… Es ist ein Pain, immer wieder die Erfahrung zu machen, dass man nicht in die Gesellschaft passt, aber auch offenbar nicht in das „Bild“ von ADHS.
Hallo Nono,
ich denke, dass das eine Frage der ganz individuellen Ausprägung ist, ob das möglich ist.
Wenn Hyperaktivität zu ausgeprägt und die Konzentrationslenkung zu eingeschränkt sind, dann funktioniert das mit der Anpassung nicht.
Ich hab mich in meiner Schulzeit auch gezielt angepasst.
„Gutes Benehmen“ hat mich nicht halb so sehr angestrengt, wie so zu tun, als sei ich wie meine Klassenkameradinnen. Ich hab ihr Verhalten nachgeäfft um Teil der Gruppe zu sein. Das hat gut funktioniert und fühlte sich völlig beschissen an, weil ich ja wusste, wenn ich ehrlich sage, was ich denke und bin wie ich bin, mag mich keiner. Ich kann mich sooo gut daran erinnern, wie ich versucht habe, betont mädchenhaft zu sein und vor allem Small Talk über Dinge zu halten , die mir total egal waren . Ich hab das zu Hause vor dem Spiegel geübt.
Das Dilemma ging schon in der ersten Klasse los. Da wollten die anderen Mädchen „Pferdchen“ im Pausenhof spielen. Das war mir einfach zu peinlich. Ich hab mich in Grund und Boden geschämt. Ich KONNTE es nicht mitspielen. Meine Eltern haben mir immer nur gesagt, ich sei frühreif und bräuchte nur Geduld haben, dann würden sich die anderen Mädchen auch für andere Dinge interessieren. Aber irgendwie hab ich gespürt, dass das nur die halbe Wahrheit ist.
Bei ASS ganz klares Ja. Studienergebnis dazu findet sich hier. Man hat in der Studie 7-jährige Kinder gehabt.
Es fehlen noch Studien die untersuchen, wann das Maskieren bzw. Camouflaging beginnt.
Wenn ich an die Kindergartenzeit meiner Tochter denke, kann ich mich an Situationen erinnern, wo sie beim Abholen komplett ausgeflippt ist, und die Erzieherinnen dann jeweils meinten, so kennen sie dieses Kind gar nicht. Da stand schon viel Anpassungsleistung dahinter denke ich.
Meine Tochter hat ja beim CAT-Q einen sehr hohen Wert, maskiert also sehr viel.
Ich kann mich ebenfalls daran erinnern, dass sie im Kindergarten “unauffällig” war, zu Hause aber nicht. Im Kindergarten gab es keine starken Gefühlsausbrüche, zu Hause dann schon. Wir haben das aber immer so erklärt, dass Kinder nun mal zu Hause anders sind.
Aber hier muss man auch ganz klar die Frage stellen, wo normales soziales Lernen und Anpassung endet und ungesundes Maskieren/Camouflaging beginnt.
Sehr spannendes Feld. Da wünsche ich mir tatsächlich noch mehr Studien.
Spannend wäre auch die Frage, ob Maskieren und ADHS schonmal untersucht wurde. Hat da jemand Studien zu?
Ich kann mich sehr gut an Ereignisse erinnern, die mir gezeigt haben, dass mein Verhalten so nicht passend war und ich es daraufhin bewusst angepasst habe. Das ging bei mir im Kindergarten los.
Gerade Kinder passen ihr Verhalten ja an, um überhaupt sozial aufgefangen zu werden. Ich habe auch als Kind schon gegenüber meiner Familie maskiert. Für sehr viele Kinder ist es enorm wichtig angepasst zu erscheinen. Aus meiner Sicht teilweise noch wichtiger als es für viele Erwachsene ist.
Dazu fällt mir ein: Gibt es überhaupt Erwachsene die erst mit dem Maskieren beginnen oder hat das nicht immer in Kindheit oder Jugend begonnen?
Man merkt schon als Kind, dass man anders ist. Je nach Ausprägung gibt man sich alle Mühe dieses „anders sein“ zu verdrängen, sich anzupassen.
Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen: es schmerzt und das bis heute. Diese riesige Wunde in einer Kinderseele braucht so unfassbar viel Zeit und vorallem Zuwendung um zu heilen…
Ich habe immer versucht, alle möglichen Situation, inden ich meine Probleme „öffentlich gemacht hätte“ zu vermeiden. Nicht vor anderen schreiben, Hyperaktivität unterdrücken und zuhause dann vollkommen durchdrehen (inklusive Wutausbrüche/Meltdowns mit selbstverletzendem Verhalten).
Ich wusste lange nicht, warum ich so war, was mit mir nicht stimmt. Ich wusste nur, dass mit mir etwas nicht stimmt.
Als Kind habe ich auch bereits maskiert, ob das schon im Kindergartenalter war kann ich nicht mehr genau sagen, weil an diesen Altersabschnitt habe ich ehrlich gesagt nicht wirklich zuverlässige eigene Erinnerungen.
Aber ab der Einschulung, daran kann ich mich gut erinnern, da habe ich schnell begriffen das man mich nur mag wenn ich immer brav und leise bin und am besten so wenig wie möglich weine.
Viel Lächeln und ein Piepsstimmchen und dabei aussehen wie ein Püppchen, dann hat man mir nichts getan, und alle fanden mich süss und mochten mich.
Im Teenie Alter hatte ich dann genug davon immer nur brav sein zu müssen, da machte ich dann einen starken Wandel durch, allerdings auch nur weil meine beste Freundin mich dazu ermutigt hatte.
Hätte ich nicht diese beste Freundin gehabt, die obwohl 1 Jahr jünger wie ich, bereits schon viel reifer war, hätte ich wahrscheinlich länger gebraucht um mich aus diesen Fesseln des immer braven Mädchen zu befreien, und z.B. auch endlich mal Nein zu sagen.
Ist denn der Begriff „Maskieren“ hier eigentlich passend?
Kann man soziale Anpassungsversuche bei ADHS auch als „Maskieren“ bezeichnen? In meinem Fall musste ich keine Symptome unterdrücken, sondern mich „nur“ verstellen. @schlingelprinz , kannst Du das vielleicht mal genau definieren?
Ich würde das mehr differenzieren, so wie es auch im CAT-Q gemacht wird.
Dieser unterscheidet drei Strategien. Kompensation, Maskieren und Assimilieren.
Maskieren allein bildet also nicht die gesamte Bandbreite ab.
das unterdrücken bzw. überspielen von adhs bzw. ass symptomatik im sozialen umfeld wird als camoflage bzw. masking bezeichnet
ist eine coping strategie zur sozialen anpassung, eine überlebensstrategie sozusagen.
als autist eignet man sich teilweise richtige rollen an, was das ganze sehr blöde macht. vor allem wenn man dies dann nach jahren merkt und aus dem „schlaf“ gerissen wird, weil man’s vergessen hat das man’s tut und das schon unbewusst abläuft, je nach situation.
vermutliches „beifahrer gefühl“ was vielleicht manche durch die medikation bemerken.
Also soweit ich das verstanden habe, ist Masking jedenfalls mal nicht manipulativ. Man verhält sich nicht deswegen anders, weil man sich eine Belohnung davon verspricht. Man verhält sich anders, um nicht aufzufallen und das halt langanhaltend und unter großer Anstrengung, was einen hohen Leidensdruck erzeugt und dadurch ausgelöste psychische Folgeerkrankungen begünstigen kann.
Das Verhalten anzupassen, um in irgendeiner Form belohnt zu werden, ist ja durchaus auch ein neurotypisches Verhalten und ein wichtiger Teil des sozialen Lernens.
genau, meine therapeutin meint dass das ok ist, auch wenn ich es als lügen oder „manipulation“ bezeichnet habe anfangs, für mich fühlt sich es widerlich an aber gibt mir auch gleichzeitig sicherheit wie ein mantel in gewissen situationen.
edit: wichtig zu erwähnen wäre vielleicht noch das es sogar soweit gehen kann das der betroffene, je nach rolle ( können auch mehrere sein), später dann sogar das gefühl haben kann, eine dissoziativen identitätsstörung zu haben. diese ist aber zu unterscheiden von masking, ich glaube das betrifft aber dann eher schon autistische menschen mit adhs bzw. autistische menschen, da dort natürlich wesentlich mehr anpassung erfolgt im sozialen miteinander.
edit2: das masking kann schon in früher kindheit beginnen bei adhs und oder ass und wie gesagt enorme aussmaße annehmen, vor allem bei letzterem.
ich selber kann meine körperhaltung, gang, sprechtempo, „mindset“, gestik, mimik usw. anpassen. bei einem burnout kann es dann zu einem zusammenbruch der angeeigneten copingstrategien kommen, die maske fällt dann quasi. der mantel bekommt dann löcher.
Das berührt mich so, weil ich darin wirklich meine Tochter lese. Bin vor paar Tagen über autistisches Burnout gestolpert. (sie hat noch keine Diagnose bzgl. ASS, also vielleicht liege ich auch ganz falsch).
Es tut mir sehr leid, dass du das erfahren musstest,das klingt unglaublich anstrengend.