Medizinstudium mit ADHS-Elvanse hilft nicht

Hi,
Bin ganz neu hier, aber habe ein Riesen Problem und wollte daher mal ein paar Meinungen/erfahrungen/Tipps hören…ich werde mich versuchen wirklich sehr kurz zu fassen, alles andere würde den Rahmen sicher sprengen.

Ich bin weiblich, habe vor 4 Jahren ein 1,0 Abi gemacht und hätte im Leben nicht gedacht dass ich jemals irgendwie Schwierigkeiten haben werde mit dem lernen…

Die Schule fiel mir super leicht, es hat Spaß gemacht und ich hatte absolut keine Schwierigkeiten zu dem Zeitpunkt dachte ich.

Ich wollte schon immer Medizin studieren und habe dementsprechend mit dem Abi auch viele Angebote erhalten. Leider nicht an der Uni wo ich wollte, deshalb wollte ich dann den TMS schreiben. Rein logisch betrachtet brauchte ich keinen soo guten TMS, aber ich hab einfach nicht dafür lernen können…ich hab es mir mit tausend anderen Dingen erklärt aber letzenden Endes habe ich also eine andere Uni wählen müssen und bin in eine andere Stadt gezogen.

Ich habe von Anfang an extreme Schwierigkeiten gehabt. Ich wusste auf einmal nicht mehr, wie man lernt. Ich habe es drei Jahre in der anderen Stadt versucht, wurde immer depressiver und labiler und habe nichts auf die Reihe gekriegt. Wirklich nichts. Keine Methode und kein Ort und keine Tipps haben geholfen.

Ich habe dann Uni gewechselt und mir einen „Neustart“ erwünscht aber ich habe mich direkt wieder verzettelt: Tausend Lernquellen, perfektionierte LernKarten, zu viel vorgenommen.
Aus Verzweiflung habe ich super viel recherchiert und bin dann zum Psychiater gegangen und habe elvanse zum ausprobieren bekommen. Jeweils einen Monat 20 mg, dann 30 mg und jetzt seit zwei Monaten 40 mg.
Ich habe ein paar Erfolge gesehen, aber es war nur eine kurze Zeit, in der das gut ging. Meine depressiven Züge wurden gelindert, ich hatte mein Essverhalten im griff und am Anfang ging es auch mit dem Lernen.

Nach 1 Monat ca spürte ich allerdings nur noch die Verbesserung im privaten Bereich, im Alltag quasi.
Lernen funktioniert GAR nicht mehr. Ich bin seit Februar nur noch am planen. Ich erstelle perfekte lernpläne, die ich nicht einhalte, und erstelle dann am nächsten Tag einen neuen usw. Und die Zeit rennt dabei natürlich und das bringt mich beim Planen dann in die Verzweiflung….

Jetzt möchte ich im August ENDLICH den vorklinischen Abschnitt hinter mir lassen (für den ich jetzt schon 2 Jahre länger gebraucht habe!) Aber ich versage komplett. Ich halte mich wirklich nur am Planen auf, verzettel mich, weiß immer noch nicht wie man lernt….ich wollte mit anki (Karteikarten) lernen, aber auch da verfalle ich (wenn ich um 23 Uhr nach dem Planen dazu komme) in den Modus einfach Blind Karten zu erstellen und nichts zu verstehen. Ich gehe wirklich täglich in die Bibliothek und komme an 99% der Tage nach Stunden nach Hause und habe wirklich Orginal nichts gelernt.

Ich bin wirklich komplett am Ende seit Jahren und dabei möchte ich unbedingt Medizin erfolgreich studieren:(

Weiß jemand wie ich damit umgehen kann? Ob ein anderes Medikament da besser geeignet wäre? Ich bin generell echt paranoid und hab Angst dass ein anderer Wirkstoff die depressiven Züge wieder aufklingen lässt oder mich stark verändert/aggressiv macht…

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Keine kurzfristige Lösung, aber ich würde unbedingt empfehlen auch eine Psychotherapie zu machen und dem ganzen nochmal auf den Grund zu gehen, oder Lerntechniken zu entwickeln die für dich funktionieren.

Wenn ich lese das du bis 23 Uhr total fokussiert Karteikarten erstellen und planen kannst, würde ich (aus meiner persönlichen Erfahrung) schon sagen das die Medikamente funktionieren. In dem Sinne, das du dich lange auf ein Thema fokussieren kannst und dich nicht ablenken lässt.
Das „Problem“ scheint also irgendwo anders gelagert zu sein.

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Könnte es sein, dass es ein Doppelpack aus „Läuse und Flöhe“ ist? Perfektionismus kann sich aus ADHS-Quellen speisen, aber auch aus Hochbegabung, insbesondere weiblicher.

Kann sogar sein, dass die Perfektionismus-Paralyse erst richtig aufblüht, wenn man die Prozessorleistung nicht mehr zum Kompensieren der ADHS braucht.

Gibt es bei Euch eine psychologische Studienberatung? Die sind m.E. oft sehr gut vertraut mit dem Thema.

Ich kenne leider den Teufelskreis aus Selbstvorwürfen, noch mehr anstrengen, noch härter gegen die eigene innere Wand rennen…

Sehr guter Beitrag für die Stimmungslage, m.E.: https://www.adhs-riedstadt.de/media/71748a84-795b-44f0-b90e-4bcdc2a46da4.pdf

Bei vielen jungen Frauen treten die Symptome mit
dem Auszug aus dem Elternhaus oder der Aufnahme einer
Ausbildung bzw. eines Studiums übergangslos mit einer
Brachialität hervor, die das Umfeld (und auch die Betrof-
fenen selbst) völlig überrascht und überfordert. Zuvor be-
stehende Strukturen von außen brechen mit dem Auszug
weg. Die junge Frau verliert ihre Hilfen zur Kompensation.
Die ganze Zeit schien auf den ersten Blick alles normal,
jetzt kommt ein Verhalten zum Vorschein, das alle irritiert.
Die Lebensumstände der jungen ADHS-betroffenen Frau
verändern sich. Zuvor hatte sie ein Zimmer, welches sie in
Ordnung halten sollte. Dies hat sie gerade noch geschafft.
Die Wäsche erledigten die Eltern, Termine gab es kaum.
Auf einmal ist die junge Frau auf sich allein gestellt.

Ich bin sicher, Du schaffst das. Und das, was es gerade schwer macht, macht Dich dann sogar zu einer besseren Ärztin… Halte durch.

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Mit dieser Problematik bist du bestimmt kein Einzelfall . Ich habe vor kurzem erst mein Langzeitstudium beendet .

Welches Medikament besser geeignet ist muss man ausprobieren. Ein gut wirkendes Medikament wird aber vermutlich deine Grundproblematik nicht ändern .
Du brauchst Unterstützung von außen die dir eine Orientierung und einen Rahmen gibt wo dann die Wirkung eines Medikamentes greifen kann. Du erhoffst dir das ein Medikament dich strukturierter macht, aber das genau fällt uns ja schwer . Meist planen wir einen tolle Struktur, die toll klingt aber nicht machbar ist und uns dann blockiert .

Schau mal ob deine Uni was anbietet (Coaching/ Lernberatung / Lerngruppen)

Mein Psychiater hatte mir Ergotherapie für die Endphase meines Studiums verschrieben. Allerdings war in meinem Fall der einzig verfügbare Ergotherapeuth für mich ne Pappnase.

Mir hat dann jemand aus der Uni geholfen „realistischer“ zu planen und mir regelmäßig Feedback gegeben damit ich Orientierung habe.

BodyDoubling kann auch helfen.

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Danke für deinen Einblick. Vielleicht erhoffe ich mir zu viel von einem Medikament, aber ich dachte genau dafür ist es da? Dass ich mich aufraffen kann und beim lesen eines Abschnitts nicht direkt in tausend andere Gedanken verfalle und dann anfange meine nächsten 3 Jahre zu planen. Also ich weiß ja, was ich tun muss. Ich bin eine sehr organisierte Person, aber ich setze es halt nie um. Und da dachte ich, dass es vielleicht eben am Medikament liegen könnte?

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Danke, der Artikel war total schön und gleichzeitig total aufwühlend für mich. Ich habe mich dadurch aber sehr verstanden gefühlt.

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Was könnte denn ein solches Problem sein als Bsp? Also sagst du das Medikament scheint schon Wirkung zu zeigen, auch in meinem gewünschten Bereich (Fokus), aber eben auf falsche Dinge?

Einerseits ja, aber unser ADHS Gehirn benötigt mehr wie nur Medikation und die Medikation hat ja trotzdem positive Einflüsse.
Unter Medikation kann z.b ein Coaching erst gelingen .
Wie erwarten manchmal durch Medikation etwas was wir nie trainiert haben , wir sind ja unser Leben lang gestruggelt .
Das du dein ABi so gut hin bekommen hast liegt bestimmt an der Struktur und dem doch überschaubareren Rahmen als ein Studium .

Im Kopf wissen wir vieles aber die Umsetzung ist das Problem.

Ich habe mir z.B ein Aufräumcoaching gebucht , welches mir helfen soll langfristig meine Bude ADHSfreundlicher einzurichten auch da reicht nicht alleine die Medikation, aber ohne hätte ich überhaupt keine Chance .

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.Verzettelst du dich?
Oder gehst du zu sehr in eine Art Hyperfokus in dem die Raum Zeit Barriere nicht mehr mitbekommst und die wie ein Bermudadreieck wirkt?

Was macht Probleme? Uni? Ist es bei Menschen? Oder ist es ‚nur‘ die eigenständige Leistung die du erbringen mußt und einfach nicht mehr hinbekommst?

Weil letzteres kenne ich und hatte auch viel Mühe und experimentiert. Seit 2 Tagen versuche ich dafür einen neuen Ansatz, der zu funktionieren scheint

Ja genau, es ist meine eigene Leistung an der es scheitert. Wenn du bereit wärst und deine Methode teilen würdest wäre ich dir sehr sehr dankbar, ich bin offen und verzweifelt und würde sie sehr gern probieren!!:slight_smile:

Ich glaube, daß du deine Dosis gefunden haben könntest, wenn du im Alltag nicht überflutet bist es nur das ist.

Ich nehme 70 mg am Tag und habe es jetzt in 30 - 20- 20 aufgeteilt. Um 9.00 Uhr 30 mg um 12.00 20 mg und um 14.00 20 mg. Hat am ersten Tag unangenehmes bewirkt, aber ich war handlungsfähiger, heute passt es und ich hab schon viel geschafft, aber man ist emotionaler als mit 1 Dosis und das scheint mich handlungsfähiger wie ohne Medikament zu sein

Interessant, danke!

gerne.

Versuch macht klug, kann sein, das wir bei hohen Dosen Zeit bräuchten um wieder mehr wie vorher zu sein

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Vielleicht lohnt sich auch die Erforschung, was damals anders war als heute. Hast Du Dich in der Schule weniger verglichen zB, weil Du Deiner Position sicherer warst? So kenne ich das von mir in Uni-Zeiten. Das hat mir immer viel vom Arbeitsspeicher vollgemüllt.

Zudem kann bei ADHS ein Riesenunterschied sein, ob man eine bestimmte Person vor Augen hat, früher ggf. einen bestimmten Lehrer, den man nicht enttäuschen wollte. Und vielleicht fehlt so ein Pendant im Massenbetrieb?

Aber vielleicht lässt es sich doch noch etwas verschulter gestalten? Gibt es evtl. kommerzielle E-Learning-Repetitorien? Die Dir die ganze Planung abnehmen und es häppchengerecht pro Tag präsentieren? So etwas war bei mir ein großer Unterschied.

Was der Grund sein könnte weiß ich leider nicht. Ein paar Sachen wurden ja schon genannt, wie Perfektionismus, andere Struktur als im Abitur etc.
Das ist aber sehr individuell, da hilft wahrscheinlich am besten ein Coaching oder ähnliches.

An der Uni gibt es eigentlich meistens Beratungsangebote (Studienberater o.ä.) die einen dabei unterstützen können, schnell zugänglich sind und auch kostenlos. Am besten dort einmal den Kontakt suchen :slight_smile:

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Moin,

ich frach mal ganz dreist (aber wohlbedacht):
WARUM möchtest du Medizin studieren?
Ist es die Medizin oder eigentlich doch eher etwas anderes (Status, Geld, die heißen weißen Kittel oder der Duft von Desinfektionsmittel…?)

Ich meine das ernst.
ADHS kann einen mit Hyperfokus beglücken, wenn ein INTRINSISCHES Interesse da ist. Und es kann einen knallhart auflaufen lassen, wenn man sich für das, was man soll, nicht wirklich interessiert.
Intrinsisch ist in Großbuchstaben, nicht weil ich dich anschreien wollet, sondern zum Nachschlagen.

Herzlich

U.

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Im Nachhinein habe ich im Abitur halt eben einfach nicht viel lernen müssen sondern „konnte“ es einfach. Das ist halt nicht mehr der Fall…Ich weiß nicht, ob ich einem Video all zu lange konzentriert zuhören kann, aber sowas wie Body doubling soll wirklich gut sein, das muss ich demnächst ausprobieren.

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Ich habe in den letzten Jahren dadurch dass ich eben so viele Probleme mit dem Studium habe darüber tatsächlich auch oft nachgedacht und meine Wahl angezweifelt, aber ich habe auch bei anderen Dingen, die nichts mit dem Studium zutun haben aber ähnliche Aufgaben beinhalten das gleiche Problem. Ich möchte dementsprechend wirklich eher an diesen Problemen und dieser Blockade arbeiten statt meinen Traum aufzugeben, ich finde es schon schlimm genug dass ich diesen inzwischen so oft anzweifeln musste vor Verzweiflung.

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Will da nicht an Deiner Wahrnehmung zweifeln… Vermutlich liegt die Realität irgendwo dazwischen: Es ging damals nicht alles wie von selbst für 1,0. Und es ist heute nicht so, dass nichts mehr geht. Aber mag uns so vorkommen, phasenweise.

Ich meinte eigentlich auch nicht Body Doubling, sondern eher eine Stückelung des Lernstoffs. Dann musst Du den Lernplan nicht selbst perfektionieren, sondern es ist so ein Lern-Pendant zu „Essen auf Rädern“.

Beim Lernen passiert ja häufig, was Lachenmeier als „Filtermodell“ beschreibt. Eine Verzweigung nach der anderen… Wenn Du Universalgelehrter aus dem 17. Jahrhundert wärst, super, aber eben nicht unter Fristendruck. Das Risiko konnte ich limitieren, als mir der Lernstoff fremdverpackt wurde.

Aber falls Body Doubling eine Option ist: Flown.com könntest Du mal ausprobieren. Die haben sogar einen freien Probe-Monat, glaube ich. Da sind viele ADHSler. Man hat im Grunde eine mitlaufende Zoom-Konferenz, nach einer Stunde gemeinsame Pausen mit etwas Bewegung, usw. Und wenn es nicht hilft, schaltet man eben aus. Unverbindlich und niedrigschwellig.

Nicht für jeden und nicht immer, aber kann den Versuch wert sein.

Hast Du Chat GPT mal probiert als Unterstützung bei der Portionierung und Lernplan-Erstellung? Wenn man es in die anfängliche Prompt-Aufforderungen packt, kann das nach meiner Erfahrung ganz gut einbremsen, wenn man später wieder das Thema verlässt. Es ist immerhin ein Mini-Korrektiv als Echo.

Viel Erfolg.

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Danke für deine Sichtweise und deine lieben Tipps! Kannst du mir deine Idee mit Chat gpt etwas genauer erklären?