Hallo zusammen,
Ich wende mich als verzweifelte Angehörige an euch, da ich in diesem Forum schon oft auf hilfreiche Tipps gestoßen bin. Ich muss etwas ausholen und hoffe das meine Schilderung nicht allzu „strubbelig“ ist.
Ich hatte einen Partner (beide Ende Dreißig) mit ADS (Diagnose seit 2,5 Jahren) der sich am Freitag nach einer Unterhaltung die etwas aus dem Ruder lief, getrennt hat.
Wir sind seit knapp einem halben Jahr zusammen. Vor etwa 2 Monaten hatten wir den ersten „Bruch“, er hat sich völlig überraschend nach unserem ersten, für beide wirklich schönen, gemeinsamen Urlaub eine Auszeit genommen weil er (wie er sich selbst ausdrückte) eine Gedankenspirale über all seine Probleme hat und er dies nicht in den Griff bekommt.
Es läge nicht an mir und er müsste jetzt alleine sein, da er immer alles mit sich alleine ausmacht. Ich gab ihm einige Tage und meldete mich bei ihm, wir fanden wieder zusammen und er erklärte mir, dass das mit seinem ADS zu tun hat, dass er das Gedanken Karussell nicht abstellen kann.
Er müsste dringend zum Psychiater und sich ein neues Medikament verschreiben lassen (nach der Diagnose bekam er Medikinet mit dem er nicht gut klar kam und es eigenmächtig abgesetzt und seither nicht mehr genommen hat).
Er bekam jetzt Elvanse (Dosierung bis zu 3 Stück/Tag á 30 mg). Ich habe parallel begonnen mir Wissen über ADS anzueignen und habe Fachbücher verschlungen.
Unsere Abmachung war, dass wir ab jetzt alles gemeinsam angehen und er mich nicht mehr emotional ausschließt. Wir sind ein Team und dafür bin ich als Partnerin schließlich auch da, um Probleme/Ängste/Sorgen gemeinsam mit ihm zu lösen.
Er kommt mit Elvanse gut klar, hat nur 2x 30mg täglich genommen und sie abends ausschleichen lassen.
Ich habe ihn immer mal wieder darauf hingewiesen, dass der Besuch eines Psychotherapeuten, ungeachtet der Tabletten, unumgänglich ist damit er Werkzeuge an die Hand bekommt um besser mit der ADS umgehen zu können (Gedankenspirale, „verkehrte Wahrnehmung von Zwischenmenschlichen Situationen“, depressive Episoden).
Seine Aussage war immer nur: hier in der Nähe gibt es keinen und Termine hätten die eh keine frei. Ob er wirklich nach einem Therapeuten gesucht hat, kann ich nicht sagen.
Mein Vorschlag eine Reha zu beantragen wurde nicht angenommen, da von der ADS auf der Arbeit niemand weiß und er nicht möchte das es durch die Reha rauskommt.
All mein Reden, dass das nicht passieren wird ist auf taube Ohren gestoßen. Ich habe eine Selbsthilfegruppe in unserer Nähe gefunden auf deren Info-Abend wir waren, ein Betroffenen Treffen hat er noch nicht wahr genommen.
Seit etwas mehr als 3 Wochen ist er, meiner Meinung nach, in einer depressiven Episode.
Unkontrollierte Weinkrämpfe, dauerhaftes wälzen der immer gleichen Probleme (unglücklich über seine Wohnsituation, Motorrad kaputt ggf. teure Reparatur, empfundene Ungerechtigkeit auf der Arbeit, kein richtiger Sommer auf den er sich so gefreut hat, uvm.) also wirklich von allem etwas.
Ich habe ihm immer zugehört, bin alles mit ihm durchgegangen und habe ihm Lösungen vorgeschlagen.
Für den Moment war dann auch alles wieder OK, bis einige Tage später die gleichen Themen wieder aufkamen.
Ein paar Probleme sind auch gelöst worden, so ist zum Beispiel das Motorrad für einen Spottpreis repariert worden.
Hierüber war er weder glücklich noch erfreut, stattdessen sah er wieder nur das Negative und zwar, dass das Motorrad wieder kaputt gehen könnte.
Kurz darauf kam wieder das Thema Wohnsituation auf. Eine Stunde lang haben wir darüber gesprochen (meine Lösung war, er kommt erst einmal bei mir unter und kann von dort aus in Ruhe nach einer neuen Wohnung suchen.
Er war dankbar für den Vorschlag, hat ihn aber weder angenommen noch abgelehnt), sind danach mit meinem Hund raus, kamen zurück und es fing von vorne an.
Nun war ich das erste Mal seit Monaten an dem Punkt das ich nicht mehr konnte. Ich bin aufgestanden und habe gesagt, dass ich mal 2 Minuten Pause brauche. Danach wollte ich neu sortiert wieder zurück in das Gespräch – so mein Plan.
Der Abend endete mit einem Streit, da ich ihn nicht aushalte, eine Pause von ihm brauche und er mir nur zu Last fällt. Nichts davon sind meine Worte.
In den nächsten Tagen stellte ich fest wie sehr mich die vergangenen Wochen tatsächlich mitgenommen und belastet haben, dass ich schlicht und ergreifend auf der Strecke bleibe.
Am Freitag habe ich das Gespräch gesucht (mein Ansinnen war, gemeinsam zu besprechen was gut läuft, was wir besser machen können, wie wir mit den Gefühlen des jeweils anderen umgehen,…). Ich bin sehr vorsichtig in dieses Gespräch hineingegangen, habe noch ein paar kleine Witze eingebaut und damit er sich nicht sofort kritisiert fühlt, sehr auf meine Wortwahl geachtet.
Vergebens… Er unterbrach mich, fühlte sich sofort angegriffen und als Opfer. Ließ mich nichts mehr zu Ende ausführen und auf einmal befanden wir uns in seiner Wahrnehmung der Situation.
[Hier sollte ich anmerken, dass er zu diesem Zeitpunkt seit 4 Tagen keine Elvanse genommen hat, da er täglich seinen Hobbies nachgegangen ist bei denen er Adrenalin ausstößt.
Die Kombi Elvanse und Adrenalin hat bei ihm zu Unwohlsein und Panikattacken geführt. Nach Beendigung der Tätigkeiten hat er nach eigener Aussage „keine Tablette mehr gebraucht“ und somit die kompletten Tage keine eingenommen.]
Ich konnte nichts mehr „korrigieren“, er war zu aufgewühlt und hat dann die Beziehung beendet.
Das alles macht ihn krank, er sei ohnehin nur eine Last für mich das haben ihm die 2 Minuten Pause gezeigt, es hat keinen Sinn mehr, er kann mir nicht geben was ich brauche, verliebt hat er sich in die Frau die für ihn da ist und nicht in die andere die in mir steckt (die andere ist diejenige die ein eigenes Leben hat und auch mal eigene Probleme/Dinge über die sie nachdenkt bzw. nicht sofort als gute-Laune-Bär parat steht weil sie mit etwas anderem als ihm beschäftigt ist) und packte seine Sachen zusammen.
Ich habe versucht beruhigend auf ihn einzuwirken, ihn aus „diesem Tunnel herauszuholen“.
Er ließ sich nicht beruhigen oder dazu bewegen zu bleiben, er weinte, er wurde laut.
Bevor er ging nahm er mich noch einmal in den Arm, streichelte meinen Hund und ging mit Sack und Pack. Den Schlüssel zu meiner Wohnung hat er dagelassen.
Seither habe ich nichts mehr von ihm gehört (wir arbeiten im selben Gebäude und werden uns mit Sicherheit noch des Öfteren über den Weg laufen).
Ich bin jetzt an einem Punkt an dem ich nicht mehr weiß was ich tun soll. Rein objektiv ist mir klar, dass so lange er keine professionelle Hilfe in Anspruch nimmt er auch nichts verändern kann.
Sich von mir erzählen zu lassen was ich in den Bücher gelesen hab fand er ausreichend.
Dieses Forum hat er nie betreten.
Doch da sind auch meine Gefühle.
Ich bin nun mal in ihn verliebt. Ich vermisse ihn und die guten Zeiten die wir hatten ganz fürchterlich.
Ich weiß das er ein fantastischer, herzensguter, lieber Kerl ist (er ist für mich da wenn ich ein Problem habe und hat super Lösungen, ist hilfsbereit und packt mit an, er unterstützt mich,…) und wir passen gut zusammen, doch ich muss ehrlich gestehen das ich weitere Wochen wie die letzten seelisch nicht aushalten würde.
Ich würde gerne mit ihm sprechen, muss aber gestehen das nach seinem Abgang mein letzter Fetzen Stolz sagt: „lass es“.
Vor 2 Monaten war auch ich diejenige die auf ihn zugegangen ist.
Nun habe ich oft gelesen das es in Beziehungen vorschnell zu Neubewertungen des Partners kommt. Sprich: Für oder gegen. Vielleicht hat er sich ja auch schon für das gegen mich und unsere Beziehung sein entschieden.
Sollte aber das „sich noch mal bei mir melden“ kommen, wovon ich ebenfalls gelesen habe, was mache ich?
Gebe ich ihm eine weitere Chance unter der Bedingung sich professionell helfen zu lassen?
Ist er gefühlt überhaupt schon so weit sich mit seinem ADS auseinanderzusetzen oder würde er das dann nur für mich tun?
Mutmaßungen und Spekulationen so weit das Auge reicht…
Ich erhoffe mir von euch, Betroffenen so wie Angehörigen, keinen Masterplan oder die ultimative Lösung, sondern würde gerne eure Einschätzung hören.
Wie sind eure Erfahrungen was würdet ihr mir raten zu tun?
Vielen Dank und liebe Grüße