(Prokrastinierend) der Prokrastination auf der Spur

„Jetzt ist immer“ kenne ich auch und dachte bis eben, das hätten alle. Es reichen bei mir schon „schlimme“ Gedanken und diese ziehen mich dann so runter, weil sich plötzlich alles so ausweglos anfühlt. Vor ein paar Jahren habe ich das dann mal beobachtet und festgestellt, dass selbst die traurigsten Phasen (damals in der Trennung von meinem Mann) immer höchstens nur ein paar Stunden andauern. Ich konnte mir dann mit voller Überzeugung sagen: Das geht vorbei, Hedwig. Bald scheint wieder die Sonne!
In der Situation fühlte es sich jedes Mal so an, als ob ich mich für den Rest des Lebens so fühlen würde. Aber ich konnte in meinem Kopf umschalten auf „es geht vorbei“ und entspannter weiterweinen.

Mir hat es da sehr geholfen, meine Gedanken zu kontrollieren. Buchtipp: Mind-Fuck

Rückblickend dachte ich, diese traurigen Phasen hätten Tage gedauert. Aber das kann gar nicht sein, ich saß z.B. nie weinend im Büro und bin ja immer arbeiten gegangen. Also stimmte da die Zeitwahrnehmung definitiv ist.

Und bei der berüchtigten Spülmaschine, von der ich schon mal schrieb, fühlte sich das Ausräumen für mich wie Stunden an. Mindestens aber eine Stunde harte Arbeit. Ich habe es nie gestoppt. Aber ich schätze jetzt mal höchstens 5 Minuten. Bei Wäsche habe ich z.B. keine Ahnung, wie viel Zeit ich damit verbringe. Sollte ich auch mal stoppen. Wir sind 4 Personen, da kommt was zusammen, vermute ich jetzt mal. Aber Wäsche machen hat mich nie so gestört.

Vielleicht sollten wir so eine Art Sammlung starten: „So lange dauern unangenehme Dinge wirklich“

Noch ein Beispiel: Golf - da unterschätze ich völlig, wie lange das dauert. Zum Glück, kein normaler Mensch würde freiwillig so viele Stunden einem Ball hinterherlaufen. :lol:

Weil ich letzte Nacht noch gebacken habe und danach auch noch einen Salat vorbereitet habe, kann ich heute morgen noch ne Runde Golf spielen bevor die ganze Familie heute zu mir kommt. Sogar meine Schlafzimmertür könnte ich offen lassen. Ich liebe mein ADHS manchmal!

@UlBre

Das mit dem Jetzt ist immer ist eines meiner größten Probleme.

Das ist auch genau der Grund, warum sich die Psychotherapie an mir die Zähne ausbeißt: Das Gefühl des Versagt-habens z.B. ist stärker als der Hinweis auf mögliche Erfolge.

Ich habe insgesamt das Gefühl, dass ich mir kognitiv vieles klar machen kann, was aber am negativen Gefühl nichts ändert - als sei das Gefühl eben doch unabhängig und nicht beeinflussbar.

Ich hatte zuletzt wieder Tage mit extremen Gefühlsabstürzen, an denen nichts nützte außer abwarten. Als es vorbei war konnte ich nicht mehr verstehen, warum es mir so schlecht ging…

@UlBre

Das mit dem Jetzt ist immer ist eines meiner größten Probleme.

Das ist auch genau der Grund, warum sich die Psychotherapie an mir die Zähne ausbeißt: Das Gefühl des Versagt-habens z.B. ist stärker als der Hinweis auf mögliche Erfolge.

Ich habe insgesamt das Gefühl, dass ich mir kognitiv vieles klar machen kann, was aber am negativen Gefühl nichts ändert - als sei das Gefühl eben doch unabhängig und nicht beeinflussbar.

Ich hatte zuletzt wieder Tage mit extremen Gefühlsabstürzen, an denen nichts nützte außer abwarten. Als es vorbei war konnte ich nicht mehr verstehen, warum es mir so schlecht ging…

Oh du mein heiliges liebes Forum ,
Es tut so gut sich in so „schrägen“ Gedanken einfach verstanden zu fühlen.

Ich möchte versuchen , es nun mal umgekehrt zu machen.
Statt morgens zu planen Abends getanes einzutragen , oder statt morgens zu planen getanes von gestern einzutragen
Wie oft habe ich meinen Tag schon versucht zu planen und scheiterte am Einhalten dieser Planung.
Auch da immer wieder, weil ich eben so Dinge wie Essen und Hygienen, Wegzeiten, Zeiten um sich für einen Termin fertig zu machen eben nicht mit im Blick habe.
ob ich nun den Tag 15 Minuten plane und „nichts“ einhalte oder 15 Minuten mir Zeit nehme um getanes aufzuschreiben ist ja was das betrifft egal.

Nun ja wenn 1:40h bei mir zu 5min werden ist dein Vergleich schon sehr stimmig :wink:

Was ich nur immer wieder nicht verstehe, dass wir/ich z.B. bei Abgabefristen von Aufgaben passend im Hyperfokus landen und dann auf der letzten Minuten getanes fertig haben. Woher kommt dieses Zeitempfinden für passend noch auf die Minuten ???


Ja, weil man nie einen Zeitbezugsanker findet.
von der Wahrnehemung her zu sagen morgen ist ja auch noch Zeit , ist ja schon nicht falsch gedacht wenn einem noch Zeit zur Verfügung steht.
Zeit heisst bei uns halt einfach Zeit. Also wir müssten dann uns vielleicht sagen morgen habe ich dafür noch genau eine Stunde Zeit .

Denkfehler ist bei mir auch immer wieder. Der Tag hat 24 Stunden , die mir für alles zur Verfügung stehen. Ich vergesse da schon immer wieder zu bedenken 7 Stunden Schlaf / 7Stunden Arbeit . All diese Dinge sind in meinem Empfinden nicht drin.

z.B, Zeitplanung wo einfach nur untereinander steht
9:00-10:00 dies und das
10:00-12:00 Das und dies
12:00-18:00 Jenes und Welches

Das lässt mich nicht erfassen wie es sich auf den Tag verteilt
Markiere ich es in einen Kalender mit Uhrzeiten ist es etwas besser
Am besten erfasse ich es immer noch in sowas wie chronodex oder ähnliches

[attachment=0]5.png[/attachment]

ich trage auch auf der Arbeit eine Analoge Uhr, weil ich z.B ½h darin besser erfassen kann wie in einer digitalen Uhr.


Das trifft es schon sehr gut. Das ungünstige bei uns ist, das selbst wenn etwas immer gleich abläuft und in einer bestimmten Form endet, es trotzdem uns kaum eine Rahmen vom Ende gibt, weil dies „jetzt-immer“ ja immer vorhanden ist.

Es ist dasselbe bei einer vollen ToDo Liste. „Boh wie soll ich das AAAALLES nur schaffen“
andere erkennen vielleicht direkt, „Dass und dass kann ich heute in der Zeit schaffen“


ja so wirkt es, es sei denn ich gehe essen :wink: oder werde bekocht


Ist bei mir ähnlich !
Deswegen ist es eigentlich auch gut wenn z.B. ein Komponist etc… Haushaltshilfe etc. hat weil er dann seine Zeit auch wirklich nutzen und mit „Arbeit“ füllen kann. Überlegt euch mal die ganzen großen klassischen Werke, ich möchte nicht wissen in wieviel Hyperfokussen die komponiert wurden während alles andere :wink:


Da suche ich auch immer noch nach Antwort, weil irgendwie scheint bei einigen das Tageswerk in seinen abläufen so easy zu funktionieren , wie man halt atmet . Die tun es einfach und ohne Quälerei


Was ist den ne Stunde :wink:
Ich denke man muss es in seiner Zeit zur Tätigkeit erfassen ???
aber mal was aufzulisten wäre bestimmt interessant

Vielleicht ist es auch dass was @toastbrot meint, das Psychotherapie bei ADHS nicht viel bringt??? Weil es bestimmte Sachen nicht ändert, weil z.B. dies „Jetzt-immer“ nicht wirklich so sehr beeinflussbar ist.
Magersucht kann vielleicht ganz heilen und die Wahrnehmung wird wieder normal

Bei ADHS hilft da an bestimmten Punkten wirklich nicht der klassische psychotherapeutische Ansatz , aber die Therapie könnte helfen herauszufinden

Wie komme ich mit dieser Begebenheit besser klar
Was kann ich installieren , wie kann ich intervenieren das aus „Jetzt-Immer“ wenigstens manchmal ein „gleich-vorbei“ „bald-Ende“ wird.

Vielleicht stehe ich ja jetzt auf der Leitung und verstehe das „Jetzt ist immer“ falsch, denn mein Empfinden ist genau umgekehrt:
Ich denke immer „ich mach mal eben schnell noch“…und dann sind plötzlich zwei Stunden rum. Das heißt dann wohl, dass ich, im Gegensatz zu euch wirklich länger brauche, ihr es aber nur so empfindet oder?

@Nelumba_Nucifera
Wie ich schon sagte: Psychotherapie hilft mMn, mit ADHS umzugehen, nicht, sie zu beseitigen. Das ist bei anderen psychischen Problemen, z.B. Depressionen, übrigens genauso. Viele Depressive habe wiederkehrenden Depressionen bzw. müssen lernen, frühzeitig gegenzusteuern und entsprechend lernen, Warnsignale frühzeitig wahrzunehmen. Aber die sog. Vulnerabilität verschwindet damit nicht.

@Andromache
Ich glaube, die Zeitwahrnehmung ist insgesamt verändert, was sich natürlich auch auf die Wahrnehmung von emotionalen Durststrecken auswirkt. Ich kann z.B. mit der Aussage: „Morgen wird wieder ein besserer Tag“ nichts anfangen, weil jetzt eben immer ist, d.h. was jetzt gilt, gilt auch für die Zukunft.

Hat aber auch einen Vorteil: Das, was gestern doof war, ist heute schon wieder ganz weit weg. :slight_smile:

Mir fällt gerade auf, dass daher auch der berühmte Berg an Aufgaben kommen könnte, der nicht zu bewältigen scheint: Wenn ich mir zeitlich nicht vorstellen kann, dass es einen Zeitpunkt geben kann, an dem ich alles hinter mir habe, dann ist das Gefühl des Berges unendlich lang. Warum dann überhaupt anfangen, wenn es emotional keine Erlösung zu geben scheint.

Jau, das passt ! Das könnte wirklich das selbe Schema sein…

Das ist dann die Zeitwahrnehmungsverzerrung einmal in die andere Richtung. Der Hyperfokus (aka Flow) hat ja bei allen Menschen die Wirkung, dass die Zeit fliegt.
Wenn Du aber häufig Sachen anfängst, für die Du eigentlich gar nicht die Zeit hast, wäre das auffällig.

Andro, kennst Du es also nicht (nicht ausgeprägt), dass Du in dunklen Momenten denkst, das geht nie nie nie wieder vorbei ?

Nein, das kenne ich zum Glück nicht. Das wurde hier ja schon einige Male beschrieben und jedesmal kam mir dann der Gedanke „zum Glück ist dieser Kelch an mir vorüber gegangen“.
Ich kann mich in dunklen Phasen immer mit dem Gedanken retten, dass diese auch wieder vorbei gehen.

Allerdings ist ja eine veränderte Zeitwahrnehmung mit Fokus auf das Hierundjetzt ADHS-Allgemeingut - dachte ich bisher. Zukunftsblindheit, u.a. die Unfähigkeit, Konsequenzen des Handelns abzuschätzen u.ä. werden ja oft beschrieben.

Aber was bedeutet das für die Emotionalität?

Bei ADHS-Kindern kann man beobachten, dass eben noch getobt wurde wie ein Rumpelstilzchen und dass durch eine passende Ablenkung plötzlich alles wieder super ist - etwas, was von der Umwelt nur mit Kopfschütteln quittiert wird.

Die Frage ist zwar nicht an mich gerichtet, aber in dunklen Momenten gibt mir gerade das Kraft zu wissen, dass auch das wieder vorbei geht und bessere Momente kommen.

Ok. Kognitiv versuche ich mir das auch immer klar zu machen, das empfiehlt ja auch die VT bei Depression.

Die Frage ist: Passt dann dein Gefühl dazu, bist du erleichtert - oder sitzt dann wie bei mir der Kloß genauso fest wie ohne die kognitive Beeinflussung?

Ich möchte gar nicht sagen, dass es mir immer gelingt. Aber in meinen Kopf Spielt sich dann immer ein Dialog ab als ob man einem Kind Mut zu reden möchte.
Was mir auch aufgefallen ist, dass ich sehr tief aus dem Bauch anfange zu atmen.
Ich hab sowieso das Gefühl wenn ich flachatmiger unterwegs bin, dann bin ich anfällig für negative emotionen.

Das geht aber auch nur wenn ich alleine bin.

Aber am Arbeitsplatz bin ich sowieso mit schlechter Laune produktiver als mit guter Laune.

Neuhaus geht ja davon aus, dass ein Großteil der Depressionen bei ADxS „reaktiv“ sind.

Wenn ich von der Außenwelt abgeschnitten zum 3. Mal erlebe, dass Besuch vor der Tür steht und der Bügelwäscheberg sich nicht mal mehr schnell genug unter’s Bett stopfen lässt und der Kuchen weniger Eier hat als ich… und dass dann ggf noch von der schlichtgestrickten Tante negativ kommentiert wird

(um mal ein beliebiges, pfingsmontägliches Beispiel „gerissener Fristen“ zu nehmen)

dann beziehe ich das alles individuell auf mich.

Mit Diagnose- und Medi-Brille gucke ich es meistens schon überindividueller an (was Abstürze nicht ausschließt).

Ich kann mich persönlich als deprimierenden, hoffnungslosen Fall einordnen, weil ich die Nacht immer als zusätzliche 8 h sehe und Schlafbedarf mich jede Nacht überfallartig überrascht wie andere Weihnachten im Dezember. (und man braucht ein frei geräumtes Bett zum Schlafen? Dafür ist es dann vielleicht schon zu spät.)

Oder ich lese hier von Euch Formulierungen, die wie aus meinem Tagebuch klingen. Weniger individuelles Vergeigen und Montagsauto, schon eher serienmäßig.

(Eine zweite, vielleicht primär selbstwertstreichelnde Ebene sehe ich aktuell übrigens in dem Konzept „reaktive ADS nach Hochbegabung“. Wir wissen doch insgesamt noch sehr wenig (@UlBre etwas mehr, klar) über Ursache und Coping-Optionen.)

Ich halte deshalb auch „Therapie“ für differenzierungsbedürftig.

Wenn das subjektiv konnotiert wird „mit Dir ist etwas nicht ok. Wir müssen Dich reparieren.“ führt das a) zu Abwehr und ist b) auch sinnfrei, weil bestimmte Cortex-Bauweisen eben einem Fixing nicht zugänglich sind. Klar, dass man bei so einem Angang verzweifelt.

Wenn es aber um eine Herangehensweise geht wie „Bei den Privatjets Deiner Familie fehlt ab Werk die Sensorik für die Zeit- und Höhenmessung. Wir haben hier Mike, einen erfahrenen Kampf-Piloten. Bei dessen Familienflotte ist das auch so. Der zeigt Dir, wie Du nach Karte und Wolken fliegst und mit Checklisten kompensierst. Ihr habt ausreichend Gutes an Bord.“

Dann ist Mike als mein Therapeut engagiert. Der eine hat Zeitblindheit, der andere kein Zeitgefühl. Vielleicht hat Mike Techniken wie „dreimal am Tag den Wecker stellen, Transitionsphasen/-oasen beim Atlantikflug, Höhe anhand des Horizonts bestimmen und Zeit mit einer Sonnenuhr“. Und das unaufgeregt und wertschätzend.

Mein Gehirn war schon immer hoch aufgeschlossen wie ein Schwamm für Lerntechniken, Farben, Strukturen, etc.

Das fand ich immer eher zufälliges Interesse. Zunehmend glaube ich, dass ich genau auf solche lenkenden Stimmen in mir hören muss.

Heute früh habe ich im Stuhl-Dialog eine Vermutung entwickelt, warum das so ist.

Die Technik habe ich hier gestern in der Gruppentherapie gelernt.

Und das kommt auch auf Tages Form an. Wenn ich zu verkopft bin, dann kann ich mich auch diese negativität richtig hineinsteigern.

Das ist bei mir auch nicht so ausgeprägt, da hilft mir dann ja Das nicht vorhanden Zeitmaß, weil ich vertraue das es irgendwann wieder gut ist und es war ja im Leben meist so, das es irgendwann wieder gut war. Also das global zeitlose Vertrauen ist dann an keine Ereignisse geknüpft , so nach dem Motto Weihnahchten könnte es vorbei sein.

Ist ähnlich bei diesen ADHS typischen Minidepressionen. Sie nerven , ich leide aber weiß es geht vorbei .

Und diese ganz dunklen Moment, z.B TRAUER ich glaube die lösen bei allen dieses Gefühl für „immer und jetzt“ aus.

Aber ich kann einer Minidepression ohne Zeitmaß anhaften, hinsichtlich endlich den Schalter umlege, weil morgen ist ja auch noch ein Tag.
Ist ein blöder Teufelskreis vom „immer-jetzt“ in einer Emotion eingegangen und dann den „immer-jetzt“ Berg an Tätigkeiten vor sich.

Dieses mit „jetzt ist immer“ beziehe ich auch sehr auf anstehendes, eigentlich zu tuendes was mich für eine nie endende Zeit, von all den schönen Dingen abhält.
Also wenn ich jetzt Spüle werde ich für immer mit dem Pinken Spüllamm in Arbeit sein. :wink:
Das „eben schnell“ noch habe ich ja auch, und in dem Sinne verschwindet es auch im „jetzt immer Land“ weil ich dann auch kein Maß habe, weil das „ mal eben jetzt“ sich auch wieder in ein nicht greifbares Maß ausbreitet.

Soo langsam sind wir bei einem neuen Thema angekommen :face_with_hand_over_mouth:
Ich will bestimmt schon seit 1 1/2 wochen einen thread mit affektiver labilität auf machen. Hab das die ganze Zeit vor mich hin prokrastiniert. Und jetzt seid ihr schon fast bei dem Thema angekommen.