Hallo zusammen,
ich habe meine Diagnose noch nicht so lange und befinde mich noch immer in einem Prozess des Verstehens, der viele Ebenen beinhaltet, unter anderem auch mein eigenes Infragestellen der Diagnose, z.B. kann das wirklich sein?, ich habe es doch nicht so schlimm wie andere Betroffene, was wenn es eine Fehldiagnose ist? usw. Mir tut es gut, mich mit Betroffenen darüber auszutauschen und auch dosiert immer mehr Menschen aus meinem Umfeld davon zu erzählen. Bislang haben auch alle sehr zugewandt, interessiert und offen darauf reagiert, einige haben sogar gesagt dass es für sie nun total Sinn macht, da sie bestimmte Verhaltensweisen und Wesenszüge von mir damit in Zusammenhang setzen können.
Leider habe ich aber gestern eine ganz andere Erfahrung gemacht und mir geht es seitdem ziemlich schlecht, ich fühle mich irgendwie hilflos. Ich habe einer langjährigen Freundin gestern am Telefon von meiner ADHS erzählt und ihre erste Reaktion war „Was?! Nein, das kann doch gar nicht sein! Du bist doch gar nicht hibbelig!“ Ich habe dann ruhig versucht, ihr zu erklären dass das ein Klischeebild von ADHS ist, habe ihr einige meiner Symptome erläutert, u.a. den sehr starken Hyperfokus, woraufhin sie angab „Hää, das ist doch kein ADHS, ich kann mich auch in etwas verbeissen stundenlang!“
Auch die Tatsache dass ich beim Psychiater war und zusätzlich zur Diagnostik Medikation genommen und davon profitiert habe, schien sie nicht zu beeindrucken. Sie meinte nur, ich solle ihr auch mal so eine Pille geben, sie wüsste gerne mal ob sie es auch hätte. Ich weiß nicht was ich sagen soll, ich bin wirklich erschüttert, fühle mich ohnmächtig und nicht gesehen. Zusätzlich zu meinen unterschiedlichen Gefühlen bzgl. der Diagnose habe ich nun auch noch das Gefühl, dass mir das alles abgesprochen wird und nicht valide ist. Eine andere Freundin von mir reagierte vor Monaten auf meinen Verdacht, dass ich es haben könnte mit folgendem Satz „ich habe mich auch schon mal gefragt, ob ich es habe“, was ich in Ordnung finde, aber seitdem es bei mir klar ist und ich ihr kürzlich von Dingen berichtet habe, die mir im Alltag immer mehr auffallen und definitiv an der ADHS liegen, nickt sie nur und sagt „das hab ich auch“ - ich habe den Eindruck, sie sieht sich als Betroffene obwohl sie die Diagnose gar nicht hat, das löst irgendwie auch ein merkwürdiges Gefühl bei mir aus, ich weiß nicht wie ich das erklären soll… vielleicht wisst ihr, was ich meine.
Hattet ihr ähnliche Erfahrungen? Wie seid ihr damit umgegangen? Ich fühle mich irgendwie verletzt seit diesem Telefonat. Ich hatte überlegt, ihr Artikel zu schicken, die das Ganze auf den Punkt bringen, vielleicht auch aus Sicht von Betroffenen. Habt ihr da Tipps für mich? Ich sehe mich nicht in der Lage skeptische Menschen darüber aufzuklären, es erschöpft mich.
Danke schon mal für das Lesen des Beitrages.
Liebe Grüße