Sohn, ADS, 12, sehr klug, verweigert total Schule

Guten Morgen, ich bin neu in diesen Forum, unsere Familie lebt im Kanton Zürich in der Schweiz. Mir haben Eure Beiträge von Tonfall her und auch bei ernsten Themen immer gesprägt von viel Verständnis sehr gefallen, darum habe ich mich jetzt auch registriert. Meinem Sohn, 12, wurde vor einigen Monaten eine ADS diagnostiziert. Wir sind derzeit am Suchen der richtigen Dosierung des richtigen Medikaments. Es war eine ziemliche Offenbarung, weil ich jetzt auch weiss, was mit meinem Mann los ist. Dieser weigert sich leider, sich abklären zu lassen, was die Situation sehr erschwert. Wir haben noch einen kleineren Sohn, 8, der dieses Thema nicht hat, ich auch nicht. Die Situation ist sehr schwierig. Unser älterer Sohn hatte noch nie gross Lust zu lernen. Da er aber sehr intelligent ist, ging das mit den Noten einigermassen gut sehr lange und sehr lange haben wir nicht gemerkt, dass es da ein Aufmerksamkeitsproblem gibt. Jetzt aber, in der sechsten Klasse, ist der Druck in der Schule dermassen hoch, dass er sehr viele sehr schlechte Noten schreibt. Und: Sich schlichtweg weigert, länger zu lernen, als er Lust hat. Was meistens zu wenig ist für eine gute Note. Wenn Mann mit ihm lernt, dann macht er eine Weile mit, aber mein Mann ist schnell erschöpft von den Wutanfällen unseres Sohnes. Er lässt ihn einfach machen, sobald der Sohn sagt, er lerne selber. Das Resultat: Schlechte Noten, denn es reicht nicht mehr, die Sachen durchzulesen, man muss üben. Wenn ich mit ihm lerne, mache ich es aus ADS-Sicht wohl falsch: Ich bin sehr strukturiert, ich will, dass er die Sachen selber schreibt und so weit nötig, auch versteht und ich bin sicher auch streng, (soweit das geht, wenn man an den schlechten Tagen, und die sind öfter als die anderen, dauernd aufs übelste beschimpft wird vor, während und nach dem Lernen). Ich habe in diesem Forum gelernt, dass dieser massive Widerstand mit dem Thema ADS zu tun hat. Da aber mein Mann das Thema nicht angeht, ich selber das nicht habe, weiss ich einfach nicht weiter. Meine Frage an Euch Profis: Er ist 12. Er lernt es womöglich nur auf die harte Tour. Soll ich ihn einfach sich selber überlassen, sprich, ihm sagen, dass ich da bin, wenn er mich braucht und die schlechten Noten einfach im Raum lassen? Oder soll ich mich jeden Tag auf den Sturm einlassen? Danke!!!

Hallo und willkommen hier.

Ganz ehrlich, nimm Fahrt raus…

Du hast es im Grunde selbst schon erkannt. Dein Sohn ist vermutlich momentan mit allem überfordert. Die Diagnose ist sicher ein Schlag ins Kontor. Dann die höheren Anforderungen in der Schule - seine bisherige Methode funktioniert nicht mehr gut, vermutlich hat er nie gelernt, wie man lernt, das war nicht notwendig. Und dann kommt wahrscheinlich dazu, dass er einfach zwölf ist. Rüpeljahre.

Nagut, schlechte Noten in der sechsten Klasse ist nicht schön, aber ist das wirklich so wichtig? Ich bin mit dem Schweizer Schulsystem nicht vertraut, hängt vom Abschluss der Sechsten irgendwas ab für die spätere Schullaufbahn?

Wenn du mit ihm lernst, erwartest du vielleicht etwas, was er nie können wird. Du musst dich auch nicht von so einem Rotzlöffel (Entschuldigung!) beschimpfen lassen. Überlass das Schulthema deinem Mann, der hat möglicherweise die bessere Methode, weil er ähnlich tickt. Er muss keine Diagnose haben, um als Vater kompetent zu sein. Und überlass es deinem Sohn. Erklärt (beide Eltern) ihm die Konsequenzen und bietet ihm eure Hilfe an. Jederzeit. Mit allem.

Eine tägliche Konfrontation mit immer dem gleichen Thema wird jedenfalls auf Dauer toxisch.

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Vielen Dank für Deine Antwort. Das hilft mir sehr. Die 6. Klasse ist allentscheidend hier. Akademische Karriere oder nicht, der Entscheid fällt in diesen Monaten und der Notendruck ist enorm. Zudem, was bei dem neuen Bildungssystem hier, ich weiss nicht, wie das in Deutschland ist, zählt: Er muss zudem motiviert sein und sich richtig verhalten, pünktlich sein und Hausaufgaben immer gemacht. Sie haben Wochenpläne, die pro Tag zwei Stunden Hausaufgaben bedeuten. Diese können teilweise in der Schule gemacht werden, aber es gibt mindestens 1 Stunde am Tag, die sie zuhause machen müssen, leider auch am Wochenende. Dazu kommen die Prüfungen, pro Woche mindestens drei, die nochmals täglich eine Stunde lernen bedeuten. Nun: Natürlich muss das Kind nicht ans Gymi, das ist sowieso keine Frage. Aber: Die Lehren sind heute auch so, dass man gute Noten braucht und motiviert sein muss. Der Druck ist auch hier enorm. Und wenn er sich komplett verweigert, dann wird es da auch schwer. Aber: Dein wertvoller Beitrag zeigt mir etwas ganz wichtiges: Druck rausnehmen, sofort. Ich weiss nur nicht, wie viel Druck rausnehmen. Verstehe ich Dich richtig: Er soll kommen, und wenn er nicht kommt, dann einfach lassen? Oder braucht er doch etwas Druck?

Ist halt auch noch die Pubertät…alles keine so einfache Zeit für alle Beteiligten. Und wenn die “Eltern Stress machen” wird diese Zeit nicht einfacher. Pubertierende sind halt auf Widerstand gegen die Eltern aus. Das ist ganz normal und nichts persönliches, die pubertierende Hirnchemie macht aus lieben Kindern regelrecht Außerirdische die man nicht mehr versteht.

Kenne das Schulsystem der CH (und Kantone) auch nicht. Aber oftmals basiert der spätere Schulstoff auf den Grundlagen der frühen Jahre. Wenn da der Anschluss fehlt, macht man es sich nicht einfacher.

Um die familiäre Situation zu entspannen, wäre (falls finanziell tragbar) eine spezialisierte Nachhilfe von Vorteil. Es gibt Nachhilfeeinrichtungen die sich mit der ADHS-Thematik auskennen. Lernen mit Freunden in dem Alter ist eher kontraproduktiv.

Wurde bereits mit den Lehrern ein Dialog geführt und über das ADHS informiert? Dann könnten Lehrer auch ein bisschen aufmerksamer sein, was er während des Unterrichts so treibt und ihn mehr aktiv einbeziehen. Dann müsste er nicht so viel lernen, wenn er aktiv dabei ist.

Wichtig ist, darüber zu jeder neuen Jahresstufe mit den Lehrern zu sprechen, sonst geht die Info mit der Zeit verloren.

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Und erneut, vielen Dank! Hier in der Schweiz wurde das Thema länger nicht angegangen, wir sind in einigem hinterher. Ihr seid in Deutschland so viel weiter. Bin wirklich wirklich froh.

Ganz ehrlich: Lieber eine Stufe wiederholen und die Wiederholung anders angehen. Das wiederholte Jahr interessiert im späteren Leben wirklich niemanden mehr.

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Danke! Die Lehrer sind informiert, er spricht mit einer Schulpsychologin darüber einmal in der Woche, wir haben einen Augenoptiker, der mit ihm arbeitet, der auch auf Aufmerksamkeitsthemen spezialisiert ist und wir sprechen regelmässig mit allen. Möglicherweise ist es aber alles in allem zu viel, auch wegen der Pubertät. ich hätte auch die Nase voll von der ganzen Förderung. Mit der spezialisierten Nachhilfe ist es eine Sache: Wir hatten das schon mal, aber nach einer Weile will er einfach nicht mehr.

ja, das ist ein wichtiger Punkt. Wir haben auch darüber geredet, die Lehrer sagen, er verstehe alles. Er will einfach nicht lernen. Sprich, er versteht die Sachen, für die guten Noten müsste er mehr üben. Die Lehrer meinen, eine Wiederholung bringe gar nichts, da langeweile er sich noch mehr, sprich, da mache er noch weniger.
Ich habe wirklich keine Ahnung, was tun:-)

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Dann hat’s auf der zwischenmenschlichen Ebene nicht gepasst. Für meine Schulzeit kann ich sagen, dass meine Noten bei von mir gemochten Lehrern gut/besser waren. Hat der Sohn gesagt wieso er nicht hin will?

Er findet generell, das bringt ihm nichts. Ist halt auch die Antwort, die mein Mann gibt, wenn ich ihn bitte, das Thema mal bei sich anzugehen.

ich muss vielleicht nochmals drauf hinweisen. Die Themen ADS/ADHS explodieren hier geradezu, aber die Schweiz ist nicht darauf eingestellt. Wir bewegen uns in einem sehr förderreichen Umfeld, aber man hat wenig Erfahrung mit den Themen und die Lehrer sind mit dem integrativen Schulsystem unter so starkem Druck, dass sie sich nicht separat gross um irgendwas kümmern können.

Boah, das ist doch heftig, euer Schulsystem… Jetzt überleg doch mal, was für ein Pensum den vorpubertierenden Kindern abverlangt wird… bin gerade etwas sprachlos… da ist ja ein Arbeitstag ein Spaziergang…

Das ist wirklich sehr schwierig, wenn soviel davon abhängt. Ich würde tatsächlich ganz viel Druck rausnehmen, aber Interesse zeigen. Ich habe zum Beispiel meinen Sohn bei einer schlechten Note nach den Sachen gefragt, die er falsch hatte und meistens konnte er mir das sehr gut erklären. Mir hat das genügt. Er hatte also den Stoff gelernt, konnte den nur in Prüfungssituationen nicht abrufen. Vielleicht bei euch auch ein Thema: Prüfungsblockade.

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Danke, das ist sehr hilfreich. Es ist tatsächlich so, dass die Schweiz ein extrem repetitives Schulsystem hatte vorher, die ersten sechs Jahre wurde der Fokus auf Rechtschreibung und Grundlagen Mathematik und lesen gelegt. Heute geht es nur um „Kompetenzen“ und es ist Mord. Will Euch nicht langweilen, aber ich habe Gymi und Uni gemacht und wir hatten vielleicht dann mal am Gymi so eine Woche wie die hier haben an der Primarschule. In der Schweiz war die Gymiquote sehr sehr tief früher, heute wollen alle ins Gymi, weil so viele Ausländer Stellen hier wollen, ist man direkt in Konkurrenz und die bisher in der Schweiz hochgehaltene Berufslehre ist nicht mehr gleich viel wert.

Hi Rocky,
ich kann mich nur den anderen anschließen, Druck rausnehmen und immer helfen, wenn er es braucht. Ihr redet da ja bestimmt ganz offen mit ihm, dass er immer zu Euch kommen kann.

Besonders wichtig finde ich, dass Ihr Euch zuerst auf die medikamentöse Einstellung fokussiert. Wenn die passt, wird er sowohl emotional stabiler sein und hoffentlich auch leichter lernen können. Dann wird der Stress zu Hause nicht mehr so groß sein. Unser Sohn (11) hat auch ADS und uns helfen die Medikamente sehr. Er weint sonst entweder oder schimpft.

Der zweite Schritt ist, mit ihm darüber zu sprechen, wieviel Eigenständigkeit er braucht. Oft neigen wir Eltern dazu, den Kindern zuviel abzunehmen. Da ist ein bisschen Fingerspitzengefühl gefragt, nicht zuviel durchgehen lassen und trotzdem das Kind auffangen und fördern.

Und denkt nicht zu sehr über seine Zukunft nach, sondern über das Jetzt. Wenn er einmal Akademiker werden will, finden sich Wege.

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Danke!!! Das ist ein ganz wichtiger Punkt!

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Hallo Rocky 1

Die Geschichte erinnert mich sehr an meine eigene Kindheit
Ich habe mich durch die Grundschule so durchgemogelt
Ab der 5.Klasse bekam ich starke Probleme in der Schule mitzuhalten
Mein Vater hat jeden Abend unter Tränen mit mir gelernt und der Erfolg blieb trotzdem aus
Leider kam zu meiner Zeit keiner auf die Idee dass ich Adhs haben könnte
Ich war auch eher eine ruhige verträumte Schülerin
In der 6. Klasse bekam ich aufgrund meiner schlechten Noten Hauptschulempfehlung
Meine Eltern habe mich aber auf die Realschule geschickt
Irgendwann in der 8. Klasse wurde mir klar das ich für mich lerne und ich konnte mich durch viel Fleiß im dreierbereich in fast allen Fächern halten
Meine Adhs Diagnose habe ich erst mit 52 bekommen
Hätte ich damals schon Medikinet genommen hätte ich sicher schulisch und beruflich mehr erreichen können
Vielleicht könnte ein Nachhilfe in Fächern die ihm besonders schwer fallen eine Hilfe sein

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Hallo Rocky,

ich hab hier eine ganz ähnliche Situation. Mein Sohn ist auch 12 und in der 6. Klasse des Gymnasiums. Heute gab es Halbjahreszeugnisse: Englisch 2 (sein Lieblingsfach, viel mündlich), Deutsch 5 (viel Stillarbeit, interessiert ihn nicht), Rest 3, 4 oder 5. Mit einer 5 in Deutsch im Sommer muss er auf die Stadtteilschule wechseln, was er und wir eigentlich nicht möchten.

Er ist clever, aber die Hausaufgaben sind schwierig. Wir sind aber zumindest bei „schwierig“ angekommen und nicht mehr bei „absolut unmöglich“ Dank des passenden Medikaments. Das hat sich damit sehr verbessert, auch wenn es nicht alles perfekt ist. Ich würde bei euch auch sagen, startet mit der Medikamenteneinstellung. Ist da was in Arbeit?

Mein Mann hat höchstwahrscheinlich auch ADHS, aber kommt gut klar, so dass keine Diagnostik im Raum steht. Aber ich hänge jeden zweiten Abend 1,5 h an den Hausaufgaben mit unserem Sohn. Mein Mann ist dafür nicht gemacht. Er erinnert die Kinder maximal mündlich, dass sie ihre Hausaufgaben machen sollen, und wenn ich ihn bitte, sich dazu zu setzen, hat er nach 2min das Handy in der Hand und nach 5min sitzt er auf dem Sofa. Ist ihm zu stressig. Und wenn er den Kindern was erklärt, dreht er das Thema 10x im Kreis und holt soweit aus, dass die Kinder nur noch mit mir Hausaufgaben machen möchten, weil er es leider schlimmer als besser macht, auch wenn er definitiv bemüht ist.
Lange Rede, kurzer Sinn: Ich kann’s absolut nachfühlen. Und mir ist es auch wichtig, dass die Kinder ihre Hausaufgaben machen. Bei meiner Tochter (12), die kein ADHS hat, bringt es was, sie „reinrasseln“ zu lassen. Bei meinem Sohn und meiner größeren Tochter (14), die ADS hat, bringt es nix. Dann wird halt im Unterricht noch weniger mitgemacht und das war’s. Ich bleibe darum am Ball und mache die Hausaufgaben mit ihm.

Liebe Grüße
Katha

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Wer hat dir denn erzählt, wie mein Vater mir bei Schulaufgaben „geholfen“ hat? :adxs_lach:

Ich bin am Zürichsee aufgewachsen, ich kenn hier die Fische mit Namen. Und ich möchte allen Eltern widersprechen, die genau mit dem Irrtum Druck auf Kinder machen, die 6. wäre entscheidend. Die Oberstufen wurden durchlässig gestaltet, d.h. zwischen den Niveaus kann gewechselt werden. Es gibt auch noch die Berufsmatur.

Wenn es euch gelingt zuerst mit dem AD(H)S klar zu kommen, wird das mit der Schule schon, wie es soll. Und warum alle Akademiker werden sollen müssen…? Auch die Fachmittelschulen hier sind top!

Weiss denn der „Kleine“, was er mal machen möchte? Die Motivation kommt ja erst, wenn man auch ein Ziel vor Augen hat.

Viel Erfolg!
Felixyz

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So war ich in dieser Zeit, genau so. Und niemand sprach damals von AD(H)S…

Warum glaubst du, etwas tun zu müssen?

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