Ich bin wahnsinnig froh, dass meine Angst vor „harten Drogen“ immer größer war, als mein Wunsch sie zu probieren. Ich denke, wenn ich es probiert hätte, wäre ich wahrscheinlich nicht mehr unter den Lebenden.
Dafür trinke (oder besser: trank (hoffentlich endgültig!)) ich aber jahrelang zu viel Bier - und das seit der Jugend, wenn auch immer mal wieder mit Unterbrechungen.
Nach einem stressigen Tag war der Wunsch noch größer als an einem weniger stressigen. Die weniger stressigen waren in den letzten Jahren deutlich in der Unterzahl. Und mein Konsum zieht auch negative Konsequenzen nach sich - unter anderem eine Gewichtszunahme von rund 40 kg (in Verbindung mit anderen Gründen zur Zunahme z. B. die Schilddrüse und Bewegungsmangel).
Ich habe selber lange als Krankenpfleger in der Psychiatrie im Bereich Sucht gearbeitet. Ich habe dort im Zusammenhang mit der Behandlung eines ADHS-erkranten von unserem Oberarzt erfahren können, dass ca. 40 % der Anhängigkeitserkrankten Menschen einen unentdeckten ADHS haben. Das finde ich schon eine bemerkenswerte Zahl. Es gibt also eine große Komorbidität und deutliche Zeichen, das zwischen diesen beiden Krankheiten ein großer Zusammenhang besteht. Das konnte ich dann ja leider auch bei mir selber beobachten, aber wenn man sich mal genauer mit der Thematik beschäftigt, gibt es viele plausible Gründe dafür, dass ADHSler zur Sucht tendieren.
Ich würde allerdings differenzieren zwischen Sucht und Abhängigkeit.
Ich habe auch von sehr vielen ADHSlern gelesen, daß sie entweder Süchte haben oder hatten, und auch daß Abhängigkeiten von diversen Substanzen vorliegen.
Ziemlich bemerkenswert dabei, daß vor allem Alkohol, Nikotin, Cannabis, und Koffein vorrangig bevorzugte Stoffe sind, von denen viele ADHSler gewissermaßen abhängig sind, oder Sucht danach haben. Sicher gibt es noch andere, nicht substanzgebundene Süchte, die Komorbid gegeben sein können.
Was ich an der ganzen Sache schlimm finde, daß, wenn man unentdecktes ADHS hat und zu Süchten neigt, man sich oft keinen Reim drauf machen kann, warum man eigentlich zu XY greift, um sich zu „betäuben“, oder zu pushen. Und auch, daß es schwer fällt, es dem Umfeld zu erklären, weil da meist nur gesehen wird, daß man Sucht bzw. Abhängigkeit hat. Das ist ein Teufelskreis.
Und für Aussenstehende, die nicht dieses Chaos im Kopf kennen, oder die Hibbeligkeit, oder das innere Getriebensein, es auch nicht nachvollziehbar erscheint und sich eben nur auf das scheinbar offensichtliche beschränkt.
Das sind für mich gleichbedeutende Begriffe. Wie unterscheidest du diese?
Nicht zu vergessen dabei auch Amphetamine und Kokain. Beide Substanzen wirken bei ADHS-Betroffenen paradox. Man erlebt also keinen „Push“, sondern ist eher gedämpft und ruhig gestellt durch beide Substanzen/Stimulanzien. Deswegen werden amphetaminhaltige Medis eben auch gegen das ADHS eingesetzt. Ich habe selber Erfahrungen mit beiden Drogen und kann die paradoxe Wirkung bei mir ebenfalls bestätigen. Während andere damit nächtelang durchmachen konnten und feiern ginge, führte es bei mir zur Entspannung und ich konnte sogar damit einschlafen. In meiner Zeit als Pfleger auf einer Suchtstation galt dieses Phänomen als ein eindeutiger Hinweis auf das Vorliegen von ADHS, was meines Erachtens nach auch auf der Hand liegt.
Ganz genau so war es eben bei mir auch. Ich habe versucht mich selber durch Substanzkonsum zu therapieren, weil ich merkte irgendetwas stimmte nicht mit mir. Aber keine der Diagnosen, die man mir gab, empfand ich als zutreffend. Ich habe Substanzen immer nur aus der Not heraus konsumiert, um meinen Kopf und das ständige Chaos zu betäuben und zu bekämpfen. Seitdem ich aber die Diagnose ADHS bekommen habe und mit Medikamenten eingestellt bin (auch wenn dabei noch nicht die perfekte Dosis/das perfekte Präparat gefunden wurde), habe ich sämtlchen Konsum eingestellt, weil ich endlich wusste, woran es lag und etwas greifbares hatte. Ok, ab und zu Alkohol trinke ich immer noch, aber nicht mißbräuchlich, um mein ADHS zu therapieren.
Die Definition von Sucht ist eine krankhafte Abhängigkeit einer Substanz.
@kidcologne
Es gibt da auch ein Thread Selbstmedikation unter der Rubrik Behandlung, falls du darüber schreiben möchtest. Du schreibst hier im öffentlichen forum. Nicht das du mal so viel preis gegeben hast, wo du denkst, dass soll nicht für jeden zugreifbar sein.
Ich wollte dich nur mal darüber informieren, damit du dich hier auch weiterhin wohlfühlen kannst
Aber wenn es hier um Abhängigkeit geht, dann doch immer nur um krankhafte, oder?
Klar, jeder ist z.B. abhängig von Wasser, das wäre natürlich nicht krankhaft, aber darum geht es hier ja nicht.
Ich denke auch, eine Unterscheidung zwischen Sucht und Abhängigkeit ist nicht nötig, da das Pathologische bei der Abhängigkeit mMn automatisch inbegriffen ist.
Die Rede hier ist von einer unreflektierten Selbstmedikation durch einige Substanzen, dadurch tritt die suchtproblematik ja auf.
Das Leben allgemein ist abhängig von Nährstoffen. Diese geben uns jede Grundlage zur Existenz, deswegen fällt abhängig in diesem Kontext raus.
Aber weil ich ja auch ein Fan der Philosophie bin…
Vielleicht sollten wir von Abhängigkeit und einer Dysfunktionalen Abhängigkeit Differenzen?
Edit
Der mensch besteht zu 60 bis 75 Prozent aus Wasser (gerade gegoogelt) da stellt sich mir die Frage ob es eine Abhängigkeit ist oder ob wir einfach Wasser sind…
Ab wann beginnt Abhängigkeit denn pathologisch zu werden?
Wenn sich durch Selbstmedikation die Lebensqualität zB verbessert, wie sieht es dann aus?
Bei Medikamenten entsteht ja auch eine Art „Abhängigkeit“, nur eben unter ärztlicher Aufsicht.
Abhängigkeit ist laut. Definition substanz(mittel) gebunden. Sucht kann alles einschliessen oder beinhalten, wie @Rocco auch schrieb.
Ein Diabetiker ist bspw. auch abhängig von Insulin, aber nicht süchtig danach.
Danke für den netten Hinweis. Habe ich gar nicht drauf geachtet.
Spielt für mich aber auch keine große Rolle, weil ich gelernt habe mit meinen Erkrankungen offen und ehrlich umzugehen. Das war nicht immer so. Ich habe mich lange dafür geschämto und mich im Prinzip selber belogen und mir alles schön geredet. Seitdem ich das geändert habe, geht es mir damit deutlich besser und auch meine Mitmenschen nehmen das zu 99% positiv auf. Ich habe auch nicht nur für mich einen großen Nutzen davon, sondern andere Betroffene ebenfalls. Wenn hier im Forum vielleicht auch der ein oder andere dadurch bereichert wird und ich Hilfe leisten kann, ist doch ganz viel gewonnen. Und ich mache das gerne!
Ich weiß deinen Hinweis aber sehr zu schätzen! Danke! @Rocco
Ja, so war es von mir gemeint und ging ja glaube aus meinen Schilderungen ganz gut hervor.
Die WHO hat das ganz eindeutig definiert, ist sozusagen der Goldstandard nach dem Sucht definiert wird. Es gibt noch andere Ansätze, aber der, der WHO, findet die häufigste Anwendung. Aber wie bei allen psychischen Erkrankungen fällt das ales immer hochindividuell aus und kann nie von einen auf den anderen Menschen übertragen oder pauschalisiert werden.
Könnten da jetzt lange drüber reden, aber ich denke wir wissen alle, was gemeint ist
Das ist bei der klassischen Selbstmedikation meiner Meinung nach häufig nicht der Fall, zumindest Punkt 4 und 5 und ich denke auch bei Punkt 2 wird es da eher den Trend zu einer bestimmten, aber konstanten Dosis geben.
Also, ich seh das aus eigenen Erfahrungen und aus Erfahrungen, die ich an meinem Arbeitsplatz gesammelt habe, ein bisschen anders. Selbstmedikation bedeutet für mich, dass ich allein versuche mich durch eine Substanz in einen erträglichen Zustand zu bringen. Selbstmedikation bedeutet für mich auch, dass ich das ganze ohne Absprache mit einem Arzt oder anderen professionellen Instanzen durchführe, also keine Aufsicht habe und schon alleine dadurch Gefahr laufe mich überzudosieren. Und daraus entsteht schon eine potentielle Schädlichkeit, weil ich einfach selbst nicht einschätzen kann, wie die Medikation wirkt und was sie für Konsequenzen hat. Und spätestens da habe ich auch die Kontrolle über mein eigenes Verhalten verloren. Im Prinzip aber auch schon dann, wenn ich beginne mich selbst zu medizieren.
Dass Sucht bei Adhsler mehr vorkommt als bei Menschen mit anderen psychischen Belastungen glaube ich eigentlich nicht. Viele Depressive, Autisten, Borderleiner etc. greifen zu Selbstmedikamentation mit Alkohol, Rauchen, Drogen etc. Auch Normalos haben Süchte wie Zuckersucht, Beziehungssucht, Esssucht, Sportsucht, Spielsucht etc.
Ich gehe sogar ein Schritt weiter aus eigener Erfahrung und behaupte, dass Punkt 5 bei uns eigentlich fehlt. Hier in Forum, inklusive ich, haben die meisten User rechtzeitig erkannt, wann es zu viel geworden ist und wann Schluss ist.
Der Substanzmittelmißbrauch ist bei ADHSlern wohl am höchsten. Nicht zu vergessen dass Depression, Borderline usw. sehr häufig Komorbid zu ADHS auftreten.
Und da ist die Gefahr freilich potentiell auch höher, zu irgendeinem Stoff zu greifen.
Abhängig bzw süchtig ist im Endeffekt eh fast jeder Mensch von irgendwas. Die meisten wohl von Zucker, das wird nur unterschätzt.
Selbstmedikation an sich sehe ich zB auch nicht als so schlecht an. Es gibt ja auch genug ADHler, die dadurch klar kommen (dass Rauchen usw auch schädlich ist ist klar). Was ich als größeres Übel sehe, dass man oft zu den falschen Substanzen greift, weil man
A) keine große Auswahl hat
B) D/Österreich usw. ziemlich hinterher ist, was ADHS und Behandlung betrifft
C) es kaum Ausweichmöglichkeiten gibt.
MPH, LDX usw. birgen auch das Potential, Abhängigkeiten zu entwickeln. Nur dass es durch einen Arzt verschrieben wird.
So ungefährlich bzw Nebenwirkungsarm sind diese Substanzen nämlich auch nicht.
Die Dosis macht das Gift, und wie man als einzelner damit umgeht.