Topaktuelle Fan-Fiction Zeitschrift aus Seligenburg!

Kenne ich :see_no_evil:
Rotwein und besoffene Eichhörnchen mag die auch nicht.

Mimimiiii… geht nicht.. mimimiii..
  • Das Eichhörnchen sieht zu unheimlich aus. Es sollte lustig und betrunken aussehen.

  • Ich konnte das gewünschte Bild momentan nicht erstellen, da es Rate-Limits für die Bilderstellung gibt. Bitte warte etwa 6 Minuten, bevor ein weiteres Bild generiert wird. Lass mich wissen, wenn du in der Zwischenzeit etwas anderes bearbeiten möchtest!

„Ja“

  • Ich konnte das gewünschte Bild leider nicht erstellen, da die Beschreibung gegen unsere Content-Richtlinien verstößt. Wenn du möchtest, können wir die Szene anpassen und erneut versuchen, eine lustige, chaotische Weihnachtsdarstellung zu schaffen. Lass mich wissen, wie wir fortfahren sollen!

:adxs_wand:

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Mein Highlight war heute ein (hier leicht impulsiv offenbarter) Vorgriff auf Tür 21:

Womit wir bei der bisher viel zu selten gestellten Frage wären: Wann gibt es endlich anständige NC-Kopfhörer für reizüberflutete Mäuse?

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Die hat richtig sBass an den Backen :eyes:
Aber den angeknabberten Apfel hat sie gut hinbekommen, ohne zu murren.

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Tür 17: Lean on me, Leni

Niklas war auf Klassenfahrt. Julia und Mario waren zum aufregenden „1. play-date mit Übernachtung“ bei Anja eingeladen. Stand so alles auf dem Plan, den Rike sich inzwischen wieder täglich in die Familien-Whatsapp-Gruppe schicken ließ.

Und Leni? Leni blieb unter ihrer Gewichtsdecke. Zimmertür zu. Das war so nicht auf dem Plan. Paul wusste aber, dass dieser Tag kommen würde. Schlimmer noch: Er hatte das Gefühl, dazu beigetragen zu haben mit allem, was er selbst nicht geschafft und auf Leni abgeladen hatte.

Sie hatte ihm ganz früh eine Whatsapp-Nachricht geschrieben: „Ich bleibe im Bett und gehe heute nicht raus. Mach Dir bitte keine Sorgen. Aber bitte lass mich erstmal alleine.“ Dann noch ein „Sag Mama nichts. Alles gut.“

An der Tür hing das „Do not disturb“ aus dem Hotel vom letzten Schottland-Urlaub.

Paul überlegte kurz, ob er Torben mal einen psychologisch verbesserten Vorschlag für diese Hotel-Tür-Hänger machen sollte: „Please do not disturb. And please do not take this personally.“ Das hätte er jetzt gern gelesen, sei es auch nur als Erinnerung an seine Rejection Sensitivity.

Er hatte auf Niklas’ Skateboard das Super-Mario-Cape als Tischdecke ausgebreitet. Darauf hatte er einen Thermo-Becher Lavendeltee, einen Teller Stern-Kekse und Meal-Prep-Gemüse-Sticks gestellt. (Wäre Niklas bloß Longboard-Fahrer! Dann hätte Paul noch Platz für Bücher.)

Fehlte nur noch eine kleine persönliche Botschaft?

  1. Versuch: „Das ist meine Schuld, Leni. Wir haben viel zu viel auf Dir abgeladen. Lass mich Dir bitte ein paar Sterne in der Dämmerung zeigen. P.“

„Verkopft und furchtbar kitschig zugleich, Paul. Next level shit bleibt shit!“ hörte er einen inneren Niklas. Dessen Stimme war noch recht neu in Pauls Geister-Team.

  1. Versuch: „Ich wünschte, Du könntest mit Rikes und meinen Augen sehen, was Du alles leistest und wie sehr Dich alle schätzen!“

Auch nicht. Wenn sich Tränen der Selbstergriffenheit beim Verfasser einstellen, war das immer ein Kitsch-Alarmzeichen.

  1. Versuch: „Die Schulzeit ist eine Frage von Durchhalten, Leni. Später schätzt Dich Dein Umfeld genau für das, was Dich heute verunsichert, weil es Dich besonders macht. Für Dich getestet.“

Pauls innerer Niklas kommentierte auch diesen Versuch mit abschätzigen Jugendworten, die Paul teilweise gar nicht kannte.

  1. Versuch: Du hast bisher 100 % Deiner schlechten Tage überstanden! So wird es auch mit diesem sein. Meine Playlist für schlechte Tagen: - Don’t give up. - Lean on me - Stürmische Zeiten. - Make your own kind of music. U.v.m.

Auch nicht. Leni hatte sicher ihre eigene Playlist. „Und die ist nicht von 1986!!“ kam es von Niklas.

  1. Versuch: „Was steht auf Platz 1 Deiner Not-to-do-Liste?“

Toll, Paul, eine Känguru-Anspielung… Hatte Leni die Kling’sche Känguru-Tetralogie überhaupt gelesen? Warum fiel ihm das gerade nicht ein? Falls sie es nicht kannte, war das hier nur verwirrend…

Bald wäre der Tee selbst im Thermobecher kalt.

Und überhaupt: Was, wenn er hier einfach seine eigene Unsicherheit auf sie projizierte? Was, wenn sie nur erkältet war? Oder sollte er vorsorglich mal Endometriose ansprechen?

Er nahm keinen der auf dem Küchentisch inzwischen gestapelten Zettel. Schrieb ihr nur per Whatsapp „OK. Mehr als OK, Leni.“ zurück. Dann machte er ein Foto des inzwischen vor ihre Tür gerollten Skateboards und schickte auch das. Und dann noch ein „Sorry, falls übergriffig. Weiß es gerade nicht besser. P.“

Emoji dazu? Besser nicht. Hohes Boomer-Risiko!

Jetzt erstmal ihren Wunsch nach Abstand respektieren? Die eigene Sauerstoffmaske zuerst aufsetzen, bevor man potentiell hilfsbedürftigen Menschen im Umfeld hilft?

Spazierengehen und ihr dadurch signalisieren, dass er ihr zutraute, alleine zu bleiben? Sie nicht wie ein rohes Ei behandeln, weil sie kein rohes Ei war, sondern eine resiliente Leni?

Lieber doch in der Nähe bleiben! Wenn er den Keller aufräumte, würde er durch das Fenster sehen, falls sie aus dem Haus ging.

Als er nach drei Stunden Sortieren der Weihnachtsdekoration zurück in die Küche kam, waren alle dort gedankenlos verbliebenen Zettel weg. Hatte Leni aufgeräumt?

Was Paul erst später entdeckte: Zettel 5, ausgerechnet der mit der Känguru-Frage, hing auf dem Küchen-Planer, in der Leni-Spalte des Tages.

Darunter hatte sie geschrieben: „Platz 1 auf der Not-to-do-Liste: Aufgeben. Danke, Paul.“ Und ein gemaltes Känguru-Emoji.

Ob „Tür 18 oder Not-Tür-18“: Spätestens Mittwoch sehen wir, ob der Kalender bis dahin aufgegeben hat.

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Oh mann… so gut beschrieben, diese Situation… wie ich das kenne… !!! wo hast Du so viele Details aus dem Leben von Müttern, oder zumindest meinem Leben als Mutter…

Wie schaffst Du solche Beobachtungen…?

Hast Du insgeheim vielleicht doch 4 Kinder oder 5…?

Oder bastelst Du das aus meinem Gestöhne und dem der anderen Mütter hier so realistisch zusammen…?

So was ähnliches hatte ich heute auch wieder einzuschätzen… hrrrg…

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@Nono Ich glaube, @Elementary kennt Leni von früher… :heart:

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@Elementary also ich kann das total verstehen das sich die Leni nach dem ganzen Trubel erst mal kurzfristig auf ihr Zimmer zurück ziehen musste, denn das kennen wir ja von uns selbst auch, nach produktiven Phasen folgen Durchhänger, und danach geht’s dann wieder weiter, und schliesslich müssen Sherlock Holmes und Watson diesen Fall noch vor Weihnachten lösen. :male_detective: :heart_hands:

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Inzwischen liest Du, glaube ich, per Telepathie auch mein offline geschriebenes Tagebuch… :wink: :people_hugging: :pray:

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In einem Spiegel-Artikel darüber, „wieso Menschen mit ADHS seelisch verschleißen“, stand kürzlich, dass zur achtsamen Entspannung inzwischen eine LEGO-Gruppe angeboten wird: „Viele Achtsamkeitsangebote schrecken Patienten mit ADHS ab, aber das Bauen mit Klemmbausteinen mögen viele: Ihre Hände werden beschäftigt, der Kopf konzentriert sich auf das Modellbauen – eine sehr entspannende und auch achtsame Aktivität.

Ob das auch etwas für Rike in der Reha wäre? Oder würde das nur die Erinnerung an all die LEGO-Steine wecken, auf die sie in ihrem Leben schon barfuß getreten ist? Vielleicht würde sie eher über glühende Kohlen laufen…

Tür 18: Artgerechte Entspannungshaltung

Rike wollte nicht in die Reha. Paul vermutete, es liege an den Erfahrungen mit der Mutter-Kind-Kur auf Norderney. Noch in der ersten Woche war sie dort aus der Entspannungsgruppe geflogen.

Bei „Du atmest in Deine linke Kniekehle … und jetzt in die rechte“ entwarf Rikes Gehirn einen Krimi über einen neurodiversen Killer, der statt der eigentlich in Auftrag gegebenen Kehle am Hals nur eine der Kniekehlen durchschnitt und seinem Mafia-Auftraggeber dann mitteilte: „Habe die rechte genommen. Hoffe, ok so, Boss?“

Rike überlegte dann weiter, wie ein Rechtsstreit über diesen unpräzisen Kehlenschnittauftrag ausgehen würde. Sie kicherte über den Vortrag des Anwalts. Ruhestörung in der Entspannungsgruppe. Erste Verwarnung. (Mit einem besseren Anwalt des Mafia-Bosses wäre es vielleicht anders verlaufen, sagt Rike bis heute.)

Zwei Tage später konnte sie bei „Deine Augenlider werden schwer“ nichts dagegen tun, dass ihr Gehirn eine nach Schweregrad geordnete Playlist erstellte mit „Augenliedern“ wie „In your eyes“ (Peter Gabriel) - „Eye of the tiger“ (Survivor) - „Eye in the Sky“ (The Alan Parsons Project) - „Hungry Eyes“ (Eric Carmen) - “Can’t take my eyes off you” (Frankie Valli and the Four Seasons).

Grundsätzlich entspannend, aber dann schob sie die Reihenfolge der Top 5 hochkonzentriert um. Die Stunde war vorbei, ohne dass Rike das mitbekommen hatte. Die Übungsleiterin stieß sie an und mutmaßte, sie sei wohl eingeschlafen? Diese Unterstellung wiederum kränkte Rike so, dass nicht nur die gedankliche Ordnung der Playlist, sondern auch jede Entspannung verflogen war.

In Sitzung 3 schlief Rike dann tatsächlich ein, übermüdet nach Tagen nicht-artgerechter Haltung. Deshalb schlug die Leiterin ihr vor, als einzige Teilnehmerin der sonst liegenden Gruppe im Sitzen und mit offenen Augen der Meditation zu folgen. Mit offenen Augen auf ihrem Sitzkissen inmitten liegender Frauen sah Rike ihr Leben als Horror-Film an sich vorüberziehen: eine Abfolge von Momenten, in denen sie schon immer anders war als ihr Umfeld.

Zur Beruhigung zählte sie die Wellen der zwei Meeresbilder im Meditationsraum: links 20, rechts 17. Das rechte Bild hatte aber bei der zweiten Kontrollzählung nur 16 Wellen. Dann war die Stunde vorbei. Als Rikes innerer Monk bat, noch kurz zu einer dritten Kontrollzählung im Raum bleiben zu dürfen, hielt man das für therapieschädliche Provokation und verwies sie endgültig der Gruppe.

„Was stimmt nicht mit mir, Paul?“ Seit ihrer gemeinsamen Kindheit stellte Rike dieselbe Frage und ebenso lang suchte Paul die richtige Antwort.

Er arbeitete schon länger an ADHS-gerechten Phantasiereisen. Nun hatte er überlegt, dass Rike sich das von Torben ausgerichtete „Familien-Event“ in schönsten Farben ausmalen sollte. Wer sollte dabei sein? Wie war das Menu? Was für Spiele wünschte sich Rike für die Kinder? Das funktionierte aber nicht mal bei Paul selbst: Ständig schob sich ein Schneemann ins Bild, oder Niklas ritt auf dem weißen Stockpferd durch das Hotel.

Dann hatte Paul erwogen, Rikes Gedankensprünge mit einem kleinen Äffchen zu visualisieren. Das Äffchen würde von Baum zu Baum schwingen, aber allmählich würde es ruhiger und ruhiger. Unter einer Yukka-Palme würde sich das Äffchen für den Mittagsschlaf ein lauschiges Plätzchen…

Selbst Paul dachte nun an Butterplätzchen und sah Rike bereits überlegen, wie viele Äffchen-Plätzchen auf ein Backblech passten. Und ob es schwerer sein würde, die Plätzchen zu essen, wenn man sie „Herr Nilsson 1“, „Herr Nilsson 2“, „Herr Nilsson 3“, usw. taufte und dass das ohnehin nicht mehr gendergerecht sei und wie diverse Äffchen heißen sollten? Und neurodiverse Äffchen? Und welche Diagnose Pippi Langstrumpf wohl heute haben würde?

Paul gab auf: Er schrieb ihr ein Attest. Diesmal selbst, ohne rheumatologische Hilfe:

"Frau Rike Haverström, geb. Krampitz, wird aus neurobiologischen Gründen während ihres Aufenthalts ausschließlich an Reha-Sportmaßnahmen sowie Physiotherapie teilnehmen.

Sie ist Athletin einer lateralen Form des sog. „Mentalen Auto-Aktivierungstrainings“ (MAAT). Nicht artgerechte Verordnungen - insbesondere so genannte „Entspannungsübungen“ - wirken paradox und drohen, ihre individuelle Hochleistungsfähigkeit in rehabilitationsschädlicher Weise zu gefährden. Ich bitte um Berücksichtigung bei Ihrer Planung.

Seligenburg,
Dr. Paul Krampitz"

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Ok, jetzt will ich Äffchen-Plätzchen backen und dazu Augenlieder hören… :smile:

Danke @Elementary für den wunderbaren Kalender, er bringt mir jeden Tag gute Laune :heart:

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Ich :adxs_wub: alles an diesem Attest Text…

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Komm nach Seligenburg. Paul und sein Attest-Block sind jederzeit für Dich da… (Rheumatologen-Atteste hingegen nur an Sonntagen vor Latein-Arbeiten.)

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Dieses Attest hätte ich bei meiner Mutter-Kind-Kur auch gebraucht!
Das Einzige, was ich dort hilfreich fand, waren die Gruppensitzungen und die Landschaft.
Der aufgezwungene Tagesablauf und die aggressiv machenden Entspannungsübungen, fremde Umgebung und fehlendes Hobbyhopping, also unausweichliche Langeweile, fand ich dagegen sehr anstrengend :sweat_smile:

Rike könnte ja mal Handspinnen mit einer Handspindel versuchen. Man macht was mit den Händen, sieht ein Ergebnis und es dreht sich was (visuelles Stimming).
Wenn man es einmal gelernt hat, kann man sich dabei unterhalten, oder aber meditativ darin versinken. Die Anschaffungskosten sind gering, Platzbedarf ebenso. Für eine Hobby- und Handwerksprofi-in wie Rike ist das Erlernen bestimmt innerhalb eines Tages drin. Besonders, da die Kursleiterin in der Reha die YouTuberin Chantimanou ist, die diese Anfänger-Videoreihe gedreht hat, mit der so viele Handspinnerinnen damals ihr Handwerk erlernt haben.

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Lieben Dank und Äffchen-Kekse für alle! (Sind noch nicht gezählt…)

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Oh Man sind die Äffchen Plätzchen aber herzig, @Elementary Du bist einfach grossartig. :+1: :gift_heart:

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:sweat_smile::sweat_smile::sweat_smile:

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Tür 19 Reanimation eines toten Briefkastens

Paul wollte Rike vor allem Verständnis signalisieren, als er bei seinem nächsten Besuch das Attest mitbrachte und damit wieder in die Planung der Reha einsteigen wollte. Es stellte sich aber heraus, dass er bislang gar nichts verstanden hatte. Und das gelang ihm auch nicht mal mehr akustisch, als Rike bald heulte wie seit dem Tod ihrer Mutter nicht mehr.

Nicht gut. War das mit dem Attest übergriffig gewesen? Mansplaining? Pauls innerer Kritiker hatte aus dem Stand Selbstvorwürfe in mehreren Varianten parat.

Es war also gar nicht die Pflicht-Entspannung in der Reha, die Rike abschreckte. Das hatte er inzwischen ihrem Kopfschütteln entnommen. Es war etwas mit einem O und einem A. Der Boxsack? Was sagte sie da bloß? Warum heulte sie so?

„Das Postfach.“

„Dein Mail-Postfach? Hattest Du schlechte Nachrichten auf dem Handy?“

„Mein Postfach bei der Post.“ Finanzamt, Versicherungen, usw. - das gehe an ihr Postfach, nicht an die Hausanschrift, erklärte Rike, als sie wieder einigermaßen sprechen konnte.

Paul bot an, gleich heute die Post zu holen: „Im Krankheitsfall lässt sich so etwas doch begründen? Selbst bei Fristen?“

„Ich war auch vor dem Unfall schon länger nicht da.“ sagte Rike erst nach einer gefühlt ewigen Stille, die Paul nur mit Mühe ausgehalten hatte.

Das Problem, die Post zu öffnen, habe sie schon lange. „Ich kann es Dir nicht erklären. Ich verstehe mich auch nicht.“

Vor ein paar Monaten habe sie sich mal Anjas Mutter anvertraut. Die sei Steuerberaterin. Dazu habe Rike sich aber auch nur überwunden, als sie an einem Sonntag im Elternwartebereich des Schwimmkurses nebeneinander saßen und Rike dort eine Panikattacke hatte: „Am Freitag vorher hat mich eine Finanzbeamtin aus dem Bereich ‚Liquiditätsprüfung‘ angerufen. Die wollte ein paar Tage später kommen. Den Papierkram und die Wohnung einigermaßen aufräumen, das hätte ich doch in der Zeit nie geschafft! Und dann noch der ganze Druck. Die Schätzungen wurden höher und damit die Krankenkassenbeiträge und alles, was an den Bescheiden hängt.“ Ein Kanalrattenschwanz…

Anjas Mutter habe ihr dann mit den wichtigsten Erklärungen geholfen und auch mit dem Finanzamt gesprochen, schon am nächsten Tag. Es sei alles gar nicht so unlösbar gewesen wie Rike befürchtet habe. Danach habe sich Rike vorgenommen, dass sie sich „jetzt wirklich“ um die Post kümmere: „Ich habe mir jeden Abend gesagt, dass ich am nächsten Tag alles hinbekomme.“ Aber sie schaffe es nicht.

Einmal zwischendurch sei sie früh morgens beim Postfach gewesen und habe mit geschlossenen Augen den Inhalt in eine Reisetasche geschoben. „Die steht so immer noch unter meinem Bett zu Hause. Ich weiß doch, wie grotesk das jetzt für Dich klingt! Ich schäme mich ja vor mir selbst.“

Bei ihrem Sturz sei ihre erste Sorge gewesen, ob sie überhaupt krankenversichert sei. Aber das sei sie wohl noch. Das Schweigen fiel Paul jetzt etwas leichter, denn ihm fehlten die Worte. Den Teufelskreis aus Scham - Blockade - noch mehr Scham, den kannte er. Warum hatte Rike trotzdem auch ihm nicht gesagt, was sie mit sich rumschleppte? Das nagte am meisten an ihm.

Sie gab ihm den Postfachschlüssel aus ihrem Krankenhaus-Nachttisch. Er blieb noch, bis sie eingeschlafen war. Auf dem Weg zur Post fragte er sich, wie viele Patienten schon vor ihm saßen, denen es so ging wie Rike. Wie oft er eigentlich ermutigen wollte mit einem "Naja, mit der Steuererklärung haben auch Neurotypische Schwierigkeiten. Da kann man leider kein Wunder erwarten." Aber wie viele solcher Gespräche wie das mit Rike gerade hatte er damit verhindert und erstickt?

Ging es ihm nicht im Grunde auch so, dass er nicht hinsehen konnte, weil er zu große Sorge hatte, im übervollen Tagesplan den Konsequenzen nicht gewachsen zu sein? Vielleicht reichte aber auch sein Vorstellungsvermögen nicht dafür aus, wie sehr sich Menschen selbst im Weg stehen können. Brauchte es eine Phantasie wie die von Rike, um sämtliche Monster-Gremlins und Selbstwert-Räuber dieser Welt in einem kleinen Postfach zu fürchten und es nicht mehr öffnen zu können. Waren das zwei Seiten derselben Medaille?

Bei der Post packte er den ganzen Stapel Briefe erstmal ein und rief dann Anjas Mutter an, um die nächsten Schritte zu besprechen.

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Liebe @Elementary Danke Danke und noch mal Danke, das Problem mit der Post hast Du so gut beschrieben das ich dachte „Die Rike und ich wir könnten Zwillingsschwestern sein, oder sie ist ich, oder ich bin sie, oder wir sind schlicht und einfach gesagt auf jeden Fall Seelenverwandte, ja genau das trifft es von allen Vergleichen am besten“.
Ganz einfach weil ich mich mit ihrem Post Problem so unglaublich gut mit der Rike identifizieren kann, dass mir dieser Teil der Geschichte richtig nahegeht , aber überhaupt und sowieso, ich LIEBE Deine Adventskalender Geschichte einfach über alles, und möchte Dir nochmals ganz speziell Danke sagen das Du Dir extra Zeit nimmst und Dir die Arbeit machst um so etwas wunderbares und liebevolles in dieser Weihnachtszeit hier mit uns allen zu teilen.
:people_hugging: :sparkling_heart: :sparkles:

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Danke Dir, @AbrissBirne. Das bedeutet Rike und mir sehr viel. :people_hugging:

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:sob: ich hätte Rike so gerne eher kennengelernt

:adxs_jamma: und überhaupt von Seligenburg gewusst

:face_holding_back_tears: was hätte es Kummer ersparen können…so jemanden wie Paul, was hätte der mir gut getan…


Ich möchte mich @AbrissBirne uneingeschränkt anschließen, diese Folge trifft auch mich heute ganz besonders…es erklärt auch meinen Faible für Taschen :adxs_tuete:

Danke @Elementary für deine feinen Worte, sag bitte Rike, sie wird gesehen & ist nicht allein und auch ich teile jedes Gefühl mit ihr…
:white_heart: :bouquet:
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