Tragen die "positiven Seiten" von ADHS zur Entvalidierung von Betroffenen bei?

Ich komm nochmal auf das Werbeargument für ein Auto mit extrem hohem Verbrauch zurück: Ist die häufige Gelegenheit einer Pinkelpause etwas, wofür sich ein hoher Verbrauch lohnt?
Es wäre erst dann ein VORTEIL, wenn es den Malus des hohen Verbrauchs überwiegt. Sonst ist es nur ein nicht ganz so schlimmer Nachteil.
Nach meinem Verständnis erfüllen Nebenwirkungen eines Nachteils, die den Nachteil abschwächen, nicht die Definition des Begriffs Vorteil.

Kreativität als Stresssymptom ist nicht freistehend. Es gibt es bei ADHS nur zusammen mit dem ganzen restliche Stresssymptomen. Wo ist dann der Vorteil?
Wenn ich doppelt so viele Probleme habe, aber etwas kreativer bin, was ich dann dazu nutzen kann, die vielen Extraprobleme etwas besser zu lösen, als wenn ich die Kreativität nicht hätte, habe ich dann einen Vorteil?

So wie @Beefcake sagt:
Wenn die Vorteile größer wären als die Nachteile, gäbe es keinen Leidensdruck. Dann wäre es kein ADHS, sondern Kreativität und Phantasie und Energie, mit ein paar kleinen Nachteilen, die den Vorteilen dranhängen. Vielleicht so wie wenn ein Nichtbetroffener sehr kreativer Mensch aufgrund der großen Kreativität dazu neigt, sich zu verzetteln.
Hier ist es aber andersherum.

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Dann nenne es „die positiven Seiten von einer Sache, in der die negativen überwiegen“… :tm:

(Ist hiermit von mir geschützt, bitte danke :stuck_out_tongue_closed_eyes:)

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Ob Menschen mit Zwängen, die sich immer die Hände waschen müssen, den Humor haben, es als Vorteil angepriesen zu bekommen, dass sie doch besonderes reinlich sind?
Ichweissjanicht…

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Kannst du ja mal die Menschen mit Zwängen fragen, die damit geboren wurden und es nicht anders kennen… hint hint :wink:

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Die Diskussion ist doch so ermüdend… Keiner und alle haben Recht.

Wichtig ist doch folgendes: Wie sehe ich mein ADHS? (Ich = wir alle hier)
Denn ich muss damit leben, damit umgehen. Und ich lasse da jedem seine persönliche Meinung über sich.
Aber ich finde es anmaßend, dass ich meine nicht haben darf oder sie ein „Irrtum“ ist.

Ich habe ja (wie bereits erwähnt) auch rezidivierende Depressionen und Traumafolgezeugs. Da sehe ich einfach nullkommagarkeine positiven Seiten dran.

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Und @Beefcake :heart:
Auf deinen sehr differenzierten Beitrag antworte ich morgen in Ruhe :blush: Ich finde aber nicht, dass du dich zu entschuldigen hast denn du hast nichts falsches geschrieben - ganz im Gegenteil finde ich deine Gedanken sehr nuanciert und das ist eine große Stärke!

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Ich finde die Vergleiche - ADHS mit Zwangsstörungen oder auch Depressionen total daneben und unpassend.

Die Diagnosen in der Psychiatrie sind ohnehin ein künstliches Konstrukt.

Ich kann nur empfehlen sich mal anzusehen, wie genau Diagnosen in der Psychiatrie zustande kommen. (Das erklärt Lachenmeier auch).

Für mich ist es vor allem wichtig die Funktionsweise von ADHS zu verstehen - und die bringt aus meiner Sicht auf jeden Fall Vor- und Nachteile mit sich. Was da überwiegt hat zum einen mit der Ausprägung zu tun und zum anderen mit der Umgebung, in welcher man sich befindet.



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So, guten Abend nochmal zusammen.

Auch wenn die Einigkeit in den Themen gerade ein bisschen auseinander geht, so finde ich es immer schön, dass es ein sachlicher Austausch bleibt.
Und ganz ehrlich: Sich auch mal nicht einig zu sein ist wichtig. Nur so bekommt man auch mal die Chance vielleicht auch das eigene Denken und die eigenen Vorstellungen kritisch zu hinterfragen.
Sich gegenseitig zuzustimmen und sich aufzubauen ist auch wichtig, aber genauso eben Disskussionen wie hier.

Deshalb habe ich auch mal meine Vorstellungen angeschaut und mir ist einiges aufgefallen:
Mein ADHS-Verlauf war etwas unglücklich:

  • als Kind diagnositziert, aber nichts gesagt bekommen
  • auch keine Behandlung als Kind
  • musste mein Leben lang ADHS „verstecken“
  • wurde für Sachen fertig gemacht, für die ich nicht so viel konnte
  • und so weiter, man kennt ja die klassiker

→ Deshalb hat sich bei mir eine riesen Wut gegenüber meinen Eltern (die habe ich schon deutlich durch Gespräche und Therapie) und auch gegenüber der Gesellschaft eingestellt, was vermutlich auch zu meiner Einstellung geführt hat, dass ADHS eigentlich nichts positives hat.
Weil es das für mich nicht hatte.
Und weil das Störungen nach meinem Verständnis an sich haben.

Und ich bleibe nach wie vor dabei.
ADHS an sich als Störung hat nichts positives. Zumindest nicht für mich.
Allerdings meine ich damit nicht, dass Menschen mit ADHS keine positiven Eigenschaften haben können. Und damit meine ich auch nicht, dass aus ADHS heraus keine positiven Eigenschaften entstehen können. Mehr zu dem Thema unten…
Ich bin davon überzeugt, dass wir alle viele positive Eigenschaften haben :blush:

Aber gleichzeitig denke ich auch, dass wir eben positiven Eigenschaften nicht Teil dieser Störung sind.
Sie sind vielleicht aus einer Notwendigkeit in unserem Leben heraus entstanden, weil wir diese Störung haben.

Aber ist etwas Neues auch zwingend ein Teil von etwas Anderem, nur weil das Andere der Enstehungsgrund für dieses Neue war?
Oder kann Neues aus etwas Anderem enstehen, ohne dass es als Teil vom urprünglichen gesehen werden muss?
Entstehen die Vorteile aus dem ADHS heraus, oder enstehen diese Vorteile vielleicht aus der Notwendigkeit um das ADHS zu kompensieren?
Wann wird etwas eigenständig?

Ich nehme einfach mal das Henne-Ei Problem:
Klar ohne Henne kein Ei und ohne Ei keine Henne.

Aus einem Ei kann eine Henne werden, muss aber nicht. Und eine Henne kann ein Ei legen, muss sie aber auch nicht.
Damit beides eintrifft müssen also auch andere Faktoren eintreffen. Die Henne und das Ei gehören zusammen, so wie manche „Vorteile“ und ADHS. Aber ich denke, dass es vermutlich auch weitere Faktoren braucht, damit diese Vorteile bei ADHS entstehen und diese nicht dem ADHS selbst entspringen. Weil auch wenn diese Vorteile existieren, so profitieren doch nicht alle ADHSler davon.

@Justine Heiner Lachenmeier finde ich auch übrigens super!
Sein Buch „Mit ADHS erfolgreich im Beruf“ werde ich demnächst zum zweiten mal durchlesen, weil da so viel wertvoller Input drin steckt.

Aber zurück zum Thema.
Und ich will hier jetzt nicht der Miesepeter sein, der hier schlechte Stimmung verbreiten und sagen will „mit ADHS ist alles scheiße“.

Was ich eigentlich mit dem Thema anreißen wollte ist:
Wieso wird ADHS oft im öffentlichen Diskurs aber auch von „Profis“ nicht ernst genommen?

→ Weil oft gesagt wird „ADHS hat positive und schlechte Seiten“, was es ja in der Disskussion erst mal nicht als richtige Störung darstellt.

Daher war mein Argument:
→ Würden wir nicht diesen Menschen, die ADHS als Störung kleinreden und als lächerlich darstellen wollen, nicht das Wind aus den Segeln nehmen, wenn wir selbst als Betroffene und Leidende folgende Unterscheidung treffen:

→ ADHS ist an sich eine Störung, die mit Leidungsdruck und klinisch relevanten Problemen einhergeht.

→ Menschen mit ADHS können allerdings auch viele positive Eigenschaften haben, so wie es auch bei vielen anderen Störungen der Fall ist (ohne, dass ich die Absicht hatte diese anderen Störungen ins Lächerliche zu ziehen oder ähnliches, weil eben ADHS auch etwas ernsthaftes ist!)

Somit sage ich ja auch nur, dass man ADHS und die damit verbundenen Probleme ernst nehmen muss, aber Menschen mit ADHS auch viele positive Eigenschaften aufweisen können.

Wieso es dann wichtig ist zu sagen, dass ADHS einem auch Vorteile verschafft, verstehe ich in diesem Zusammenhang nicht. Das gibt doch nur wieder Futter für diejenigen Leute, die ADHS als nicht ernstzunehmende Krankheit darstellen wollen. Aber vielleicht übersehe ich da ja auch etwas.

Diese Diskussion hat mich jetzt doch beschäftigt.

Ohne zu tief einsteigen zu wollen, würde ich für michzunächst den Begriff „ADHS“ eingrenzen: für mich ist das erstmal eine organische Störung im Dopamin- und Noradrenalinhaushalt. Das führt zueiner veränderten Wahrnehmung und Verarbeitung im Gehirn und damit auch zu verändertem Verhalten. Entsteht daraus Leidensdruck, der eine bestimmte Schwelle überschreitet, folgt eine Diagnose und anschließend therapeutische Maßnahmen.
Für mich ist es von Anfang an ADHS, sonst hätte ich im Laufe meines Lebens eine An-Aus-An-Aus-ADHS, je nach Leidensdruck.

„Profis“ erlebe ich auch im IT-Bereich. :sunglasses: Für teures Geld liefern sie dann pauschale, schlecht angepasste und unzureichende Ergebinsse. Unser Rechnungswesen hat die „Profis“ einer bekannten Unternehmensberatung vor die Tür gesetzt, weil die Leistung im Vorprojekt daneben war. :crazy_face:
Von daher wird das glaube ich immer so sein. :face_with_spiral_eyes:

Ich glaube nicht, weil diese Menschen ADHS nicht nachvollziehen können. Wenn ich auf Arbeit sagen würde, dass ich ADHSler bin, bekäme ich die Antwort, dass ich doch so strukturiert bin. Ja ich brauche Strukturen, das ist Überlebensstrategie, ohne bin ich verloren. Wieviel Energie und Anstregung das kosten kann, weiß niemand, weil sie den Bienenstock im Kopf nicht sehen, den ich im Griff behalten muss.
Das kennen die meisten neurotypischen Menschen nicht, das findet für sie nicht statt, sie sind da aus meiner Erfahrung sozusagen „blind“.

Ich war im Urlaub eine Woche auf einer Gruppenreise zufällig mit einem Neurodiversler zusammen, ich habe noch nie soviel Freude, Spaß und gute Gespäche bei so einer Reise gehabt, und das, weil ich ADHSler bin. Es hat so gut getan, und mich ein gutes Stück mit mir selbst wieder versöhnt.

Das ist auch der Punkt, der mir keine Ruhe gelassen hat. Ich will nicht (mehr) auseinander dividiert werden. Beides gehört zusammen.
„Du bist doch so nett und witzig, aber kannst du nicht…“ Nein, kann ich nicht. Vielleicht, ein bißchen, unzuverlässig.
„Sei doch nicht so impulsiv, das ist so anstrengend, du bist doch eigentlich…“ Siehe oben.

Ihr NTler: Nehmt mich bitte, bitte so wie ich bin. Und versucht zu verstehen, dass ADHS einfach genauso so ist und wir die positiven Seiten nicht geschenkt kriegen.
Alles hat zwei Seiten.

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Ok, ich versuche mal an einem Beispiel festzumachen, was ich meine. Wichtig auch hier: Ich spreche von mir und wirklich niemand anderem!

Also, nehmen wir das assoziative Denken und die 1000 Gedanken die Teil meines ADHS sind.

Die negative Seite davon ist, dass ich auch 1000 negative Gedanken haben kann. Und dass das assoziieren auch gegen mich verwendet wird, wenn ich vermeintlich 1 und 1 zusammen rechne und das Ergebnis wird: Tja, Person XY hasst mich wohl!

Die positive Seite ist, dass ich schnell und um die Ecke denke. Dadurch komme ich an andere Lösungen, meistens auch schneller als andere und habe darin schon X Aspekte eingearbeitet, an die ich mit „linearem Denken“ nicht gedacht hätte. Das bekomme ich tatsächlich auch oft als Feedback!
Aus dem Grund werde ich oft bei Problemen gefragt, weil mir gesagt wird, ich habe immer so gute Ideen.

Das sind die 2 Seiten der Medaille - bei mir. ADHS ist ein Spektrum, den Menschen wird es also niemals einheitlich gut/schlecht gehen und niemals wird jeder gleich von etwas profitieren oder nicht profitieren.

Mir geht es nicht um die Verharmlosung und niemals würde ich jemand anderem sagen, er solle sein ADHS positiv sehen. Das finde ich furchtbar!

Ich habe in meinem Leben auch genug gelitten, mein ADHS hat mir vieles unendlich schwer gemacht aber wie ich bereits in dem anderen Thread auch mal schrieb: Das, was mich am meisten kaputt gemacht hat war, wie andere Menschen mit mir umgegangen sind. Weil ich zu laut, zu impulsiv, zu emotional, zu sensibel war.

Aus diesem Grund finde ich es einfach wichtig, dass man bei sich bleibt.

Weil keine psych. Störung (oder whatever) ernst genommen und verstanden wird. Also in der breiten Masse!
Glaub mir, bevor ich die ADHS Diagnose hatte und noch mit anderen Diagnosen rumgerannt bin, da wurde ich keinen Deut besser behandelt.

Ich glaube halt, dass vor allem im öffentlichen Diskurs ein Schwarz-Weiß-Denken statt findet. Bezogen auf alle Themen, denn so kann man sich die Welt so schön leicht erklären. Die Welt ist aber nicht leicht, sie ist komplex

Ich weiß nicht, inwiefern wir helfen, wenn z.B. „ADHS = cool, witzig, keine Störung“ der Konsens ist und wir deshalb das andere Extrem dagegenhalten „ADHS = krank, Leid, Störung“… wenn es doch offensichtlich Nuancen gibt?

Möglich ist das. Aber die andere Möglichkeit wäre, dass ich mich ändere um krank genug auszusehen damit ich ernst genommen werde? Das finde ich schlimm. Wenn wir wirklich wollen, dass man uns ernst nimmt dann darf alles Teil davon sein.

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Hi, vielen Dank auch für deine Antwort!

Am Anfgang bin ich voll bei dir :+1:

Hier ist es für mich nicht von Anfang an ADHS, sondern erst wenn es zu einer Störung wird, die mit relevantem Leidensdruck eingeht, der behandelt werden muss. Da war meine Annahme von vorhin wahrscheinlich etwas überspitzt, dass es ja nicht sein kann, dass „Profis“ sich nicht irren sollten oder zumindest nicht so oft. Wäre zwar auch schöner so, aber ist vermutlich nicht realistisch.

Da hast du völlig recht, es ist durchaus menschlich, dass Fehlannahmen auch bei „Profis“ bestehen, das ist in jeder Branche zu sehen.

Hier wäre dann wiederum mein Argument, dass diese Blindheit genau deshalb besteht, weil eben ADHS nicht als reine Störung sondern eher als Auslenkung der Persönlichkeit in eine hyperaktivere, unaufmerksamere Richtung dargestellt wird.
Und dass man genau diesen Denkfehler „begradigen“ müsste, damit ADHS als Störung ernster genommen wird.

Ich kann das auch sehr gut verstehen, dass man sagt, dass ADHS auch schon in milderen Varianten als ADHS bezeichnet werden kann oder sollte

Allerdings führt das wieder genau zu dem Problem, dass sich viele Menschen (darunter auch offensichtlich ich) wünschen, dass ADHS als klinisch relevante Störung gesehen wird, die massive Probleme verursacht. Auf der anderen Seite gibt es noch ADHS, welches als Abweichende Variante von der Norm gesehen wird, die nicht behandelt und deshalb nicht diagnostiziert werden muss.
Und das verursacht genau die Probleme. Auf der einen Seite ist ADHS eine Abweichung der Norm, die nicht der Therapiert werden muss, auf der anderen Seite ist ADHS eine Diagnose, die schon behandlungsrelevant ist.

Kann ich sehr gut verstehen, ich glaub das kennt jeder von uns, dass man sich mit gleichgesinnten besser versteht :blush:

Zum Begriff der „Neurodiversität“ habe ich tatsächlich auch eine komplizierte Beziehung, die ich kurz anschneiden möchte:
Aus meiner eigenen Erfahrung heraus habe ich oft erlebt, dass der Begriff oft Missbraucht wird weil:

  • Einige Menschen nutzen den Begriff für sich, die eigentlich keine Diagnose haben, die sie der „Neurodiversität“ zuordnen würde. Oft kommen dann Argumente wie „ich habe mich in den sozialen Medien damit auseinandergesetzt, es passt alles so gut, daher gibt es eigentlich keine andere Möglichkeit“. Finde ich persönlich eher gefährlich, weil der Begriff dann eigenltich falsch genutzt wird, um oft eben zum nächsten Punkt zu gelangen:
  • Einige Menschen nutzen den Begriff „neurodivers“ auch, um sich von der „grauen Masse der Neurotypischen“ abzugrenzen oder gar abzuheben. Um ein Gefühl der Besondersheit aufgrund der eigenen Diagnosen oder eben auch Vermutung bei sich selbst zu erzielen (habe mich da auch schon selbst dabei ertappt, obwohl ich die Diagnose auch habe). Aber auch diesen Punkt finde ich nicht so toll, weil: Letztendlich schaffen wir dadurch eine Spaltung und Grüppchenbildung in der Gesellschaft, die sich erst mal gut anfühlt, weil wir uns gegenseitig besser verstehen etc. so wie du es auch beschrieben hast. Das ist etwas schönes und an sich auch nicht falsch. Wenn sich das aber zu einer Extremform entwickelt, dass nur noch „Neurodiverse“ unter sich sein wollen, dann geht meiner Meinung nach etwas ganz wichtiges in der Gesellschaft verloren: Der konstruktive Austausch zwischen Menschen mit Differenzen.

Edit: Und ja, der Begriff „neurodivers“ ist an sich nicht falsch und es ist auch an sich nichts verkehr daran, sich mit „Neurodiversen“ zu Umgeben. Ich wollte an dieser Stelle nur nochmal meine persönlichen Bedenken aus meinen eigenen Erfahrungen heraus zu diesem Thema äußern.

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Es geht ja nicht um „Vorteile“, sondern um Eigenschaften, die bei ADHS häufig auftreten und die ich persönlich als positiv bewerte. Ob sie vom ADHS kommen oder ob ich sie auch ohne ADHS hätte, weiß ich nicht und das ich mir ehrlich gesagt auch egal. Ich habe sie - denke ich. Warum soll ich das negieren? Das macht die negativen Seiten von ADHS doch nichts weniger schlimm oder nervig. Ich fühle mich auch nicht "gestört2. Ich habe diverse Probleme in diversen Bereichen meines Lebens, die ich lieber nicht hätte und die mich total nerven und die mich manchmal an mir zweifeln lassen. Und ich hoffe, sie mit Medikamenten besser in den Griff zu bekommen.

Ich sehe das ähnlich wie @anon97342551. ich bin z.B. auch relativ gut in kreativer Problemlösung. Oder ich bin generell kreativ. Kann mich auch vage erinnern, dass Leute geschrieben haben, dass ihre Kreativität durch die Medikation leide. Also scheint ja auch ein Zusammenhang zu bestehen :thinking:

Bei jedem hat ADHS andere Symptome und andere Auswirkungen, keiner ist gleich. Die einen leiden mehr, die anderen weniger. Die einen hatten eine sche… Kindheit, andere nicht. Abgesehen davon kann jemand, der kein ADHS hat, der noch nie eine Depression oder eine andere psychische Erkrankung hatte, die Symptome und Auswirkungen nicht verstehen. Ich glaube nicht, dass das böser Wille ist, sondern Unvermögen. Auch wenn heutzutage viel offener mit psychischen Erkrankungen umgegangen wird. Zumindest mit Depressionen. Aber dass man dann z.B. eben nicht „einfach machen“ kann, sich. nicht „einfach zusammenreißen“ kann, kapieren die wenigsten.

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Den Punkt verstehe ich gut.
Allerdings ist es bei mir so: Ja, oft bin ich schneller, weil eben viele Lösungen auf einmal aufploppen, statt wie bei anderen vielleicht mehr systematisch generierte Lösungen zu erstellen.
Aber dann ist es auch so, dass ich erst mal nur viele Lösungen schnell generiert habe, ohne dass ich zu dem Zeitpunkt über die qualität meiner Lösungen urteilen kann.
Und da ist vielleicht auch der Unterschied zu den anderen Menschen und zu dem was wir oft als Kreativität bei uns selbst wahrnehmen:
Der nicht ADHSler braucht vielleicht länger, weil er in seinem gedanklichen Prozess der Lösungsfindung auch die Qualität seiner Lösung prüft und dabei auch seine Lösung optimiert.
Mir fliegen erst mal alle möglichen Lösungen durch den Kopf, ich schaue mir an welche davon am besten Klingen, wähle davon nochmal die plausibelste aus und fange dann erst diese Lösung nach qualitativen Kriterien in meinem Kopf zu modifizieren.
Ja, ich habe erst mal mehr Lösungen deutlich schneller finden können als ein nicht ADHSler, und das lässt mich ziemlich kreativ und auch schnell wirken, was mein Denken angeht.

Aber ob dann der Gesamtprozess von der Problemstellung bis hin zur Darstellung und Umsetzung, einer qualitativ hochwertigen Lösung schneller läuft, als bei Menschen ohne ADHS, das möchte ich mir selbst nicht zuschreiben.

Und ja, am Anfang wirken wir dadurch super motiviert, lösungsorientiert, kreativ und schnell in unserem Denken. Die Probleme, wenn es dann an die Umsetzung geht, kennen wir leider auch alle.

Aber wie du sagst, das sind die 2 Seiten der Medaille.
Man muss die jeweiligen Seiten wahrscheinlich auch einfach zielgerichteter nutzen:
*also die kreativität und schnelligkeit am Anfang nutzen

  • und danach so gut es geht versuchen, auch in der Umsetzung nicht zu viel Zeit zu verlieren oder auch garnicht an der Umsetzung teilzunehmen?

Das wäre dann quasi nur den Vorteil zu nutzen.

Ok Leute, es tut sich was, ich glaub da legt sich grad n Schalter im Hirn um:
Ich glaube, ADHS kann tatsächlich sogar eine Ressource sein, wenn man sich dieser Wechselbeziehung zwischen positiver und negativer Seite bewusst ist und versucht, die negative Seite zu umgehen bzw. zu minimieren.

Ich denke, dass das für mich passen würde :sweat_smile:

Ich glaube das möchte tatsächlich niemand im Forum. Da bei mir aber grundsätzlich sehr schnell vieles als „Angriff“ gewertet wir, habe ich das vielleicht mal fälschlicherweise so verstanden… Woher das wohl kommt? ADHS vielleicht? :joy: :joy:

Fair enough. Traurig aber wahr.

Da hast du völlig recht. Schwarz-Weiß-Denken ist auch eine meiner Spezialitäten.

Und du hast auch recht, eigentlich ist es ja völlig zu sagen „ADHS ist in erster Linie eine Störung, aber wenn man sich viel damit auseinandersetzt und lernt, wie man seine Ressourcen am besten nutzt, dann kann ADHS unter Umständen in manchen Situationen eine Stärke sein.“
Und wenn ich mich richtig erinnere beschreibt das Heiner Lachenmeiner auch genau so, nur mit anderen Worten.

Und auch hier hast du wieder Recht. Ja, ADHS ist eine Störung die ernst genommen werden muss. Aber uns selbst schlecht zu reden bringt auch nichts. Bringt auch mir nichts. Bringt keinem was.
Ehrliches reflektieren ist wichtig. Aber selbst fertig machen ist was anderes.

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@ulschke auch noch vielen Dank für deinen Beitrag.

@anon97342551 hat wirklich viel guten Input in der Antwort verfasst, der mich spürbar zum Nachdenken meiner eigenen Meinung angeregt hat.

Weil ja: das war ja schließlich nichts anderes als meine Meinung.

Aber genau deshalb sind ja diese Diskussionen in dem Forum auch so wichtig.
Weil ich vielleicht sonst weiter mit diesem Frust zu diesem Thema in mir rumgelaufen wäre. Und das fühlt sich inzwischen schon deutlich besser an.

Daher auch nochmal Danke euch allen!

Natürlich bin ich in meiner Meinung immer noch auf der Position, dass ich ADHS viel mehr als Störung statt als Ressource sehe. Aber die Trennung von beidem ist nicht mehr so streng wie vorhin, und ich denke dass das auch etwas Gutes ist, um mich selbst und auch mein ADHS wieder ein Stück mehr zu akzeptieren.

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Ich sehe meins als beides :slight_smile: Das ist das wichtige, denke ich. Ich bin ja auch nicht hier im Forum gelandet, weil es mir so wahnsinnig gut geht und mein Leben top läuft.

Und das dauernde ominöse Gefühl, sicherlich etwas Wichtiges vergessen zu haben - das wird niemals schön für mich sein. Was ist es diesmal? Ein Termin, auf den ich lange gewartet habe oder ein Geburtstag?
Vielleicht auch eine Rechnung zu bezahlen, sodass hier bald wieder eine Mahnung liegt?

Wie oft ich hier sitze und an mir scheitere. Dass ich nicht anfangen kann, wenn ich doch MUSS. Dass ich nicht aufhören kann, obwohl ich wirklich dringend schlafen/essen/trinken/Pipi muss.
Wie oft ich mich für einen minderwertigen Menschen halte, weil ich „Erwachsenendinge“ nicht auf die Kette bekomme. Ich hab mich mein ganzes Leben dafür verurteilt und wusste nie, was mit mir los ist.

Jetzt weiß ich es und ich sehe Verbindungen, die in alle Richtungen gehen! :deciduous_tree: Wie Äste, die sich immer weiter verzweigen. Ich finde das okay, solange ich niemand anderem damit etwas abspreche/runterrede :blush:

Ich finde deinen Gedankenprozess total interessant @Beefcake! Und generell die Diskussion hier wirklich angenehm, ohne dass man sich verurteilt und das ist doch das Wichtigste :slight_smile:

Die positiven Aspekte machen die negativen nicht weg, nicht schöner. Aber vielleicht hilft es einigen, doch etwas konstruktives aus diesem Wirrwarr zu erschaffen… einfach so, für sich :heart:

(Deshalb nochmal ein Appell an unseren lieben @UlBre den Beitrag auf adxs abzuändern, denn den könnten (Oh Sorry, kleiner Hustenanfall :stuck_out_tongue_closed_eyes:) doch einige als sehr beleidigend auffassen. Damit ist wirklich keinem geholfen, also sollten solche Informationen zumindest ausgewogen dargestellt werden und nicht beeinflusst vom (uns völlig unbekannten…) Autor des Beitrags :wink: Bitte ändern, bitte nicht hauen.)

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War er schon.

Und nochmal: die Aussage, dass ZUWEILEN Betroffene …, bedeutet(e) sprachlich, dass nur manche und manchmal. Und nicht jeder und immer.
Wenn jemand das aber so liest und sich den Schuh dann anzieht, habe ich den da nicht immer auch hingestellt :wink:

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Danke für den kleinen Exkurs, ich versteh Wortbedeutungen aber denke ich :slight_smile:
Ändert ja nichts daran, dass das eine Meinungsäußerung ist und nicht „Fakt“ und „Irrtum“.

Da finde ich so kleinkariertes Worte sezieren nicht so hilfreich :tipping_hand_woman:t3:

(Ich finde den Beitrag auf adxs eher ADHSlighting in Richtung derer, denen bewusst ist dass es verschiedene Meinungen und Ansätze gibt. Du ADHSplainsed uns das quasi… um mal dein Wording aufzugreifen :wink: )

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Danke nochmal für dein positives Feedback.

Auch wenn wir uns sicherlich nicht in allen Punkten einig werden, müssen wir das auch garnicht :sweat_smile:

So wie hier die Disussion abgelaufen ist fand ich das eigentlich super.

Sachlich, jeder hat seinen eigenen Standpunkt, ist aber auch nicht so verbissen, dass er oder sie die eigenen Gedanken nicht hinterfrägt.

Wie du es auch schon gesagt hast: Solange man sich nicht gegenseitig oder auch andere verurteilt ist das super und das sehe ich genauso :blush:

Richtig, vielleicht würde es auch mir helfen, aber dafür stecke ich noch zu sehr in meiner ursprünglichen Meinung fest, auch wenn sich das jetzt angefangen hat zu ändern und sich vielleicht mit der Zeit noch mehr ändert.

Zu der Änderung des Beitrags:
Das würde ich dann euch beiden überlassen. Ich denke Ihr habt in dem Themengebiet ADHS deutlich fundiertere Kenntnisse als ich. Ich bin zwar mega motiviert und hab mir auch schon einiges an Wissen zu ADHS angeeignet, aber dieses Wissen hat eben auch seine Grenzen.
Und nochmal, wie gesagt:
Das ganze Thema ist mir durch meine eigene subjektive Meinung zu dem ganzen gekommen, die ich dann mit Argumenten und auch mit meinem Wissen gestützt habe. Um zu entscheiden, ob etwas davon in einem Beitrag landet oder nicht, dafür bin ich viel zu unerfahren und da will ich mich auch nicht einmischen.

Zudem hast du auch Recht @Zoi ich bin euch ja eigentlich völlig unbekannt, bis auf das, was ich hier im Forum von mir preisgebe.
Im Forum würde ich das gerne auch weiterhin so beibehalten. Weil ich mir eine gewisse (nicht komplette!) Anonymität im öffentlichen Austausch behalten möchte.

Falls sich aber mal die Gelegenheit ergibt, mich in kleinerem Kreis wie einer SHG oder sonstiges vorzustellen, hätte ich tatsächlich kein Problem damit. Dann hättet ihr vielleicht auch irgendwann ein Gesicht und einen Namen zu den Disskussionen.

Weil wie ihr vielleicht schon bemerkt habt diskutiere ich gerne und würde das auch weiterhin tun.

Und sicherlich: Ihr habt auch eine gewisse Verantwortung dem Forum und deren Mitgliedern gegenüber.

Wenn sich da Leute einschleichen würden, die einfach ihre eigene Meinung als Fakt oder als Wissen darstellen, dann kanns auch gefährlich für die anderen Leute im Forum sein, weil die könnten dann diese als Wissen getarnte Meinung evtl. nicht erkennen. Und das kann leider Schäden anrichten wie falsche Annahmen zu verbreiten und diese als Wissen darzustellen.

Auch wenn ich also gerne diskutiere, hoffe ich doch, dass meine Diskussionen als solche mit sachlicher Absicht und ich nicht als „Blender“ oder irgendjemand wahrgenommen werde, der hier Unfrieden oder Unruhe stiften möchte.

Und falls ja, einfach raus mit den Bedenken.

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Seh ich auch so! Ich lasse dir gerne deine Meinung, denn du musst schließlich mit deinem ADHS leben und umgehen und ich mit meinem :slight_smile:

Kann mich gar nicht erinnern, sowas gesagt zu haben :open_mouth:
Die Kritik am Beitrag geht ja an den (uns total unbekannten und anonymen) Autor, nicht an dich :wink:
Ich fand deine Gedanken sehr differenziert, reflektiert und mit Bedacht formuliert - das kann bei Weitem nicht jeder! Also Hut ab dafür, darauf kannst du wirklich stolz sein :heart:

Überhaupt garnicht. Also nicht von mir, eher im Gegenteil! Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass du von jemand anderem so wahrgenommen wirst. Alles gut! :hugs:

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:heart:

Ja gut, jetzt habe ich es überrissen. Ich dachte ich bin mit dem „anonymen Autor“ gemeint, jetzt verstehe ich wie das gemeint war :sweat_smile:

Danke, das bedeutet mir wirklich viel… :blush:
Aber auch du kannst sehr stolz auf dich sein. :smiling_face:
Schließlich hast du auch einen erheblichen Teil dazu beigetragen, dass ich mein ADHS nicht geradezu ausschließlich als „Behinderung“ sehe.
Das, und dass man hier wirklich schön und sachlich diskutieren kann werde ich vermutlich am meisten aus diesem Thread mitnehmen. Viel mehr als das ursprüngliche Thema denke ich sogar.

Ja, da sitzt noch etwas die Wunde aus meiner Therapie. Mir wurde ein „dramatischer Persönlichkeitsanteil“ diagnostiziert, der sich ja aus der histrionischen Persönlichkeitsstörung ableitet. Und seitdem hab ich viele Selbstzweifel, ob ich mich in Diskussionen oder in zwischenmenschlichen Beziehnungen vielleicht manipulativ verhalte. Das Beschäftigt mich vermutlich auch mehr als es sollte.

Aber mal schauen was dann daraus wird…

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