So, guten Abend nochmal zusammen.
Auch wenn die Einigkeit in den Themen gerade ein bisschen auseinander geht, so finde ich es immer schön, dass es ein sachlicher Austausch bleibt.
Und ganz ehrlich: Sich auch mal nicht einig zu sein ist wichtig. Nur so bekommt man auch mal die Chance vielleicht auch das eigene Denken und die eigenen Vorstellungen kritisch zu hinterfragen.
Sich gegenseitig zuzustimmen und sich aufzubauen ist auch wichtig, aber genauso eben Disskussionen wie hier.
Deshalb habe ich auch mal meine Vorstellungen angeschaut und mir ist einiges aufgefallen:
Mein ADHS-Verlauf war etwas unglücklich:
- als Kind diagnositziert, aber nichts gesagt bekommen
- auch keine Behandlung als Kind
- musste mein Leben lang ADHS „verstecken“
- wurde für Sachen fertig gemacht, für die ich nicht so viel konnte
- und so weiter, man kennt ja die klassiker
→ Deshalb hat sich bei mir eine riesen Wut gegenüber meinen Eltern (die habe ich schon deutlich durch Gespräche und Therapie) und auch gegenüber der Gesellschaft eingestellt, was vermutlich auch zu meiner Einstellung geführt hat, dass ADHS eigentlich nichts positives hat.
Weil es das für mich nicht hatte.
Und weil das Störungen nach meinem Verständnis an sich haben.
Und ich bleibe nach wie vor dabei.
ADHS an sich als Störung hat nichts positives. Zumindest nicht für mich.
Allerdings meine ich damit nicht, dass Menschen mit ADHS keine positiven Eigenschaften haben können. Und damit meine ich auch nicht, dass aus ADHS heraus keine positiven Eigenschaften entstehen können. Mehr zu dem Thema unten…
Ich bin davon überzeugt, dass wir alle viele positive Eigenschaften haben 
Aber gleichzeitig denke ich auch, dass wir eben positiven Eigenschaften nicht Teil dieser Störung sind.
Sie sind vielleicht aus einer Notwendigkeit in unserem Leben heraus entstanden, weil wir diese Störung haben.
Aber ist etwas Neues auch zwingend ein Teil von etwas Anderem, nur weil das Andere der Enstehungsgrund für dieses Neue war?
Oder kann Neues aus etwas Anderem enstehen, ohne dass es als Teil vom urprünglichen gesehen werden muss?
Entstehen die Vorteile aus dem ADHS heraus, oder enstehen diese Vorteile vielleicht aus der Notwendigkeit um das ADHS zu kompensieren?
Wann wird etwas eigenständig?
Ich nehme einfach mal das Henne-Ei Problem:
Klar ohne Henne kein Ei und ohne Ei keine Henne.
Aus einem Ei kann eine Henne werden, muss aber nicht. Und eine Henne kann ein Ei legen, muss sie aber auch nicht.
Damit beides eintrifft müssen also auch andere Faktoren eintreffen. Die Henne und das Ei gehören zusammen, so wie manche „Vorteile“ und ADHS. Aber ich denke, dass es vermutlich auch weitere Faktoren braucht, damit diese Vorteile bei ADHS entstehen und diese nicht dem ADHS selbst entspringen. Weil auch wenn diese Vorteile existieren, so profitieren doch nicht alle ADHSler davon.
@Justine Heiner Lachenmeier finde ich auch übrigens super!
Sein Buch „Mit ADHS erfolgreich im Beruf“ werde ich demnächst zum zweiten mal durchlesen, weil da so viel wertvoller Input drin steckt.
Aber zurück zum Thema.
Und ich will hier jetzt nicht der Miesepeter sein, der hier schlechte Stimmung verbreiten und sagen will „mit ADHS ist alles scheiße“.
Was ich eigentlich mit dem Thema anreißen wollte ist:
Wieso wird ADHS oft im öffentlichen Diskurs aber auch von „Profis“ nicht ernst genommen?
→ Weil oft gesagt wird „ADHS hat positive und schlechte Seiten“, was es ja in der Disskussion erst mal nicht als richtige Störung darstellt.
Daher war mein Argument:
→ Würden wir nicht diesen Menschen, die ADHS als Störung kleinreden und als lächerlich darstellen wollen, nicht das Wind aus den Segeln nehmen, wenn wir selbst als Betroffene und Leidende folgende Unterscheidung treffen:
→ ADHS ist an sich eine Störung, die mit Leidungsdruck und klinisch relevanten Problemen einhergeht.
→ Menschen mit ADHS können allerdings auch viele positive Eigenschaften haben, so wie es auch bei vielen anderen Störungen der Fall ist (ohne, dass ich die Absicht hatte diese anderen Störungen ins Lächerliche zu ziehen oder ähnliches, weil eben ADHS auch etwas ernsthaftes ist!)
Somit sage ich ja auch nur, dass man ADHS und die damit verbundenen Probleme ernst nehmen muss, aber Menschen mit ADHS auch viele positive Eigenschaften aufweisen können.
Wieso es dann wichtig ist zu sagen, dass ADHS einem auch Vorteile verschafft, verstehe ich in diesem Zusammenhang nicht. Das gibt doch nur wieder Futter für diejenigen Leute, die ADHS als nicht ernstzunehmende Krankheit darstellen wollen. Aber vielleicht übersehe ich da ja auch etwas.