Überdiagnostik von ADHS

Ich lese doch Kreuz und quer. Habe ja nur die Erfahrungen aus dem Alltag berichtet, wie ich andere und mich selbst mit ADHS erlebt habe.

Da war halt distanzlos und provozierend und andere nerven zumindest im jüngeren Alter häufig.

Aber denke, ich habe einfach viele Störungen und je nach Verfassung und Medikation tritt das Eine oder Andere stärker hervor.

Von depressiv, ängstlich über zwanghaft und autistisch oder ADHS ist da alles im Angebot

In Summe fühlt man sich einfach wie ein Pflegefall in einem nach außen gesund wirkenden Körper.

Ohne therapeutische Hilfe sehe ich da leider eher wenig Chancen auf Besserung. Wenn dafür die Luft fehlt, könnte so eine DiGA jedoch ein sinnvoller Anfang sein.

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Macht „man“ das wirklich gerne?
Oder geht es eher darum:

  • Aufmerksamkeit zu bekommen (halt auch negative, wenn man sonst gar keine bekommt)?
  • Überhaupt wahrgenommen zu werden?
  • Aktion und Reaktion von anderen Menschen zu testen?

Ich habe als Jugendliche meine Eltern bewusst so lange provoziert bis sie mich geschlagen haben - damit ich meinen Körper spüre und fühlen kann, dass ich existiere. Spaß gemacht hat mir das definitiv nicht.

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Dass das Spaß macht, sage ich ja nicht. Die genauen Gründe weiß ich nicht, vielleicht geht es genau um Aufmerksamkeit.

Ich habe es nur beobachtet.

Die innere Unruhe ist halt auch ziemlich unerträglich.

Ich weiß nicht, ich bin aktuell total frustriert und hoffnungslos und vollkommen mit dem Leben überfordert.

Ich hatte so viel Hoffnung auf Medikamente, aber die gesamten ADHS Medikamente machen mich erst Recht hyperaktiv und impulsiv, ich bin einfach nur noch ratlos und weiß nicht mehr weiter.

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Hallo liebe Gemeinschaft,

Ich habe gerade auf ZDF eine Dokumentation zum Thema AD(H)S verfolgt. Titel „Haben jetzt Alle AD(H)S. Und bin einigermaßen verschnupft. In dieser Dokumentation wurde so eine Art Klischeee AD(H)Sler dargestellt. Primär schien es darum zu gehen, das Erscheinungsbild für Laien greifbar zu machen, Soweit. so gut. Ich empfand sie allerdings ausgesprochen oberflächlich/einseitig. ADHS erscheint mir niemals als reiner Symptomkomplex. Dargestellte Alltagseinschränkungen kamen mir eher nicht so vor, dass ein Leidensdruck erkennbar wurde. Diese langjährige Expertin, die von „Superkraft“ sprach und fröhlich lachend einen Betroffenen darauf hinwies, kam mir vor, als schlüge sie einem mitten ins Gesicht. Die klischee betroffenen können eventuell vorhandene Kreativität o.ä. vielleicht a la Will Smith nutzen, aber es gehört mehr dazu, als kreativ zu sein, um positive, erfolgreiche Lebensgestaltung aufzubauen. Es wurde mal so garnicht darauf eingegangen, dass ADHS in vielerlei Hinsicht die persönliche Entwicklung beeinflussen kann im Sinne von Reifeprozessen im entwicklungspsychologischen Sinn, was dann wiederum diverse verschachtelte Problemstellungen bewirkt. Die Frage „ist ADHS“ als neurochemisches Ungleichgewicht Ursache oder Wirkung wurde überhaupt nicht erörtert. Die Komplexität , Vielschichtigkeit und verbundene Schwierigkeiten und Nöte wurden absolut nicht deutlich. Die Diagnose wurde dargestellt, wie ein Herzinfarkt, der ganz klassisch therapiert wird. Sozusagen aus a folgt b. Das ist aber nicht der Fall. Die Persönlivhkeit ist dermaßen vielgestaltet, dass die isolierte Dopamingesvhichte doch nur ein winziger Teil ist. Was als sogenannte Komorbiditäten steril medizinisch definiert ist, sie definiert niemals den Fluss, die Gesamtheit des Menschens.

Nicht umsonst gibt es soviele sehr schwierige Diagnosen, oder besser Seinsformen , Charakterzüge, wie z.B. extremes Gerechtigkeitsgefühl, nicht ADHS bezogene intrinsische Strukturen. In der Dokumentation jedoch schien es so einseitig. Die Not, die Folgen einer ständigen Überreizung, fixierter Gedankengänge , wie in einem Dominospiel in Unterformen aufgrund Überlastung, fehlender Selbstwirksamkeitsmöglichkeiten, damit verbundene Depressionen, Beziehungsprobleme etc. kamen überhaupt nicht zur Sprache. Auch nicht, dass es sich um ein Geflecht handelt mit vielen schlimmen Auswirkungen. Auch wurde nicht darauf eingegangen, dass andere psychische Problemstellungen, z.B. komplexe PTBS mit ADHS assoziiert sein können, (ich weiß, einige Diagnosen überlappen im Symptomkomplex). Die Frage, ob ADHS als Modediagnose betrachtet werden muss, bzw. die oberflächlichen Äußerungen dazu, sind schon fast peinlich und sind eher gesellschaftlich begründet, als psychologisch. Bessere Aufmerksamkeit in dieser Hinsicht ist eine Seite, Anspruchsverhalten und Pathologisierung persönlichen Versagens zwecks Verleugnung persönlicher Grenzen eine andere. Ein weites, sehr komplexes Feld der modernen Zeit. Vielleicht auch ein Problem der rein verhaltensfokussierten Betrachtung vielfältiger Seinsformen unter Ausschluss gesellschaftlicher Perspektiven. Ich wüsste gern, was ihr, als Mitglieder dieses Forums mit vielfältigen persönlichen Erfahrungen und Lebenswirklichkeiten dazu sagt. Liebe Grüße

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@Mechthild2912 da es hier um die gleiche Doku zu gehen scheint, habe ich dein neues Thema mal mit diesem hier zusammengeführt :slight_smile:

Oben gabs schon reichlich Diskussionen dazu.
Bzgl. Superkraft gabs auch schon ein Thema mit ellenlangen Diskussionen.

So lasst uns nicht nochmal von vorne anfangen :crossed_fingers:t2::grinning_face:

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Hallo Mechthild2912,

ich finde, du hast sehr gut auf den Punkt gebracht, was mich an der Doku auch gestört hat. Vielen Dank dafür.
An und für sich fand ich nicht alles schlecht, z.B. gefiel mir die Stelle, wo die ältere Dame zu Wort kommen durfte, um von ihrem Leidensweg zu berichten.

Wenn man so will, kann man sagen, solche Darstellungen spielen mit reduktionistischen Images im weiteren Sinne, die die Komplexität einer ADHS im Zusammenspiel mit der Entwicklungsgeschichte eines Individuums nicht darstellen können.
Dann werden ein paar oberflächliche Symptome, wie z.B. Rastlosigkeit am Beispiel von paar umtriebigen Personen gezeigt und Kreativität und Schaffensdrang als irgendein typisches Merkmal von ADHS dargestellt, was im Grunde auch nur eine Behauptung ist, wo sich der Zuschauer am Ende berechtigterweise fragt, was jetzt eigentlich das Problem sein soll?
Aber dass Menschen ihr Handeln, adaptives Lernen und ihre Beziehungen hauptsächlich durch Aufmerksamkeitsprozesse steuern und was es bedeutet, wenn sie dies nur eingeschränkt können, findet keine Erwähnung.

Irgendwie hinterlassen mediale Darbietungen, wie diese den Eindruck ADHS sei nur ein kulturelles Konstrukt für Menschen geschaffen, denen es nicht gelingt, ihre „Superkräfte“ richtig einzusetzen oder solchen, die an der Gesellschaft scheitern, weil diese Gesellschaft ihre „Superkräfte“ nicht erkennt.
Das schadet uns sehr.

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Ich stimme dir zu, @Mechthild2912 !

In den Medien wird ADHS gerne oberflächlich so abgebildet, dass der Eindruck einer Lifestyle-Diagnose entsteht. Wie oft sah ich auf Sozialen Netzwerken dann Postings wo jemand meint ADHS zu haben, weil er sich bspw. ein T-Shirt falsch herum angezogen hat. ADHS hat die Person aber nicht. Oder: „Ich hab vergessen, was ich gerade sagen wollte – haha, typisch ADHS!“

Ich nenne sowas Ästhetisierung von ADHS.

Zerstreutheit, Impulsivität oder eine gewisse „Schusseligkeit“ wirken ja ganz lustig, weshalb Seriencharaktäre oft wie ADHSler wirken.

Ich kenne 2 Menschen, die ADHS auch nur oberflächlich gekannt und als nichts schwerwiegendes dargestellt haben. Ich gab da ordentlich (sachliches) Kontra in Form von Fragen.

Die Personen haben verstanden, dass ihr Bild falsch war und haben paar Wochen darauf Interesse gezeigt und um Literaturempfehlungen gebeten.

Unabhängig voneinander sagten nun beide in etwa: Ich habe ADHS absolut unterschätzt, es ist so individuell bei jeder Person, wirkt sich aber massiv auf alle Lebensbereiche aus. Diese klassischen, sichtbaren Symptome wie Hyperaktivität und Aufmerksamkeit/Vergesslichkeit sind im Vergleich nichts zu all den Auswirkungen im Leben.

Dennoch habe ich noch Leute im Umfeld, die mein ADHS (und Autismus) bagatellisieren, es anzweifeln als faule Ausrede oder es nicht verstehen wollen („Du suchst nur Aufmerksamkeit.”). Da besteht durch Ignoranz auch kein Interesse, keine Fragen, keine Eigenrecherche, keine Empathie, kein Respekt.

Es waren übrigens Freunde, mittlerweile aber Leute im Umfeld weil ich lieber alleine unterwegs bin statt in schlechter Gesellschaft und einsam. Meine Distanzierung konnten sie auch nicht nachvollziehen, tatsächlich machten sie es mir leichter mich abzugrenzen mit einem Vorwurf mangelnder Loyalität. :exploding_head:

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Vielen lieben Dank.

Ich bin kein Profi; kann es ADHS sein, wenn die üblichen Medikamente eben NICHT ruhiger machen?!

Und sorry, dass jüngere Kinder mitunter kleine Arschgeigen sein können und noch keine nennenswerte Empathie drauf haben, ist normal, dafür brauchen sie nicht mal ADHS zu haben.

Sei es wie es sei. Was also ist dein Plan?

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Bei dir aber auch, wie’s scheint.

Gibt es da eine Quelle dazu?

Kann, muss nicht.

Eine von vielen Quellchen: https://www.adxs.org/de/page/45/sensibilitaet-stress-und-adhs

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ist auch ganz spannend.

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Die Menge macht das Gift?

Die Aussage, dass Empathie eine der Stärken von ADHS-Menschen sei, empfinde ich als übertrieben. Empathie geschieht automatisch auf emotionaler Ebene. ADHS hingegen beinhaltet oft eine Komponente emotionaler Dysregulation. Ich habe bereits ADHSler erlebt, die wegen eines überfahrenen Frosches in Tränen ausbrachen. Das war mir total suspekt. Oder sie passen sich aufgrund von RSD extrem an, aus Angst vor Ablehnung, und opfern dabei ihre eigene Stabilität.

Die Aufnahme der Emotionen und Bedürfnisse anderer wird bei ADHS oft besonders intensiv wahrgenommen, und die Reaktion darauf kann sehr stark ausfallen. Diese hohe Sensibilität kann wertvoll sein, birgt jedoch auch die Gefahr, dass ADHSler ihre eigenen Bedürfnisse vernachlässigen, während sie sich für andere aufopfern.

Ob dies als Stärke oder Schwäche erlebt wird, hängt stark von der Umgebung ab: Auf dem Land ist ein Auto eine Stärke, da man sonst nicht vom Fleck kommt. Ein Monatsabo für Öffis bringt da wenig. Umgekehrt in der Metropole, wo das Monatsabo für die Öffis ein Gamechanger ist weil das Auto ein Hindernis ist.

Abgrenzung der Begriffe:

  • Empathie: Ich spüre bzw. verstehe, was du fühlst.
  • Mitleid: Ich bedauere dich aus der Distanz.
  • Mitgefühl: Ich spüre dein Leid und möchte es lindern.

Ich habe eine AuDHS-typische Empathie, kann es aber nur über das Double Empathy Problem erklären:

Unterschiedliche Wahrnehmungs- und Verarbeitungsmuster über das Vier-Ohren-Modell

  • Selbstoffenbarung, Beziehungsebene und Appelle verstehe ich oft nicht, erst im Nachhinein, oft Tage später
  • Sachebene unproblematisch. Alles andere kostet Hirnkraft.

Das Problem habe ich naturgemäß mit Neurotypischen, aber eben oft mit ADHSlern die mir oft zu stark emotional/empathisch und dadurch irrational bis unecht vorkommen.

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Hier ein paar Quellen: (wird aber auch andersherum diskutiert)
https://adhsspektrum.com/2019/12/07/adhs-und-empathie/

https://www1.wdr.de/kugelzwei/gluecksfunken/adhs-im-alltag-100.html

https://www.adhdcentre.co.uk/how-when-and-where-adhd-and-empathy-are-linked/

https://adhs.expert/2024/12/02/selbstfuersorge-und-empathie-ein-balanceakt-fuer-menschen-mit-adhs/

Die Bedeutung einer Botschaft bestimmt immer der Empfänger.
Du bist also frei, das so zu sehen.

Das ist ne gute Frage. Am 1. Tag war ich ruhiger mit Elvanse. An anderen Tagen überdreht. Ich blicke auch überhaupt nicht durch.

Aber wieso bin ich auch ohne Medikamente lebenslang völlig unruhig und kann meine Konzentration nur auf Verhaltenssüchte lenken und der ganze Alltag geht nicht. Laut Kinderpsychiater ADHS und Autismus.

Mit der Zeit kamen dann Angststörung, Panikstörung, Zwangsstörung, Depressionen und Verhaltenssüchte dazu.

Außer ADHS fällt mir da auch kein Grund ein.

Mein Plan? Aktuell habe ich absolut keinen Plan. Man kämpft sich halt von Minute zu Minute wie die letzten 40 Jahre auch. Und hofft, dass es irgendwie weiter geht.

Man vegetiert halt vor sich hin und hofft auf ein Wunder.

@Akana @Iwan bleibt bitte nett zueinander🙏