Hallo zusammen!
Ich hatte heute meinen Diagnosetermin und weiß gerade nicht so recht wohin mit mir. Das Ergebnis lautet „starke Tendenz zu ADS, aber nicht ausreichend für eine Diagnose“. Ich fühle mich gerade sehr komisch…
Nach dem ich bei unzähligen Psychiatern angerufen habe und es immer wieder nur hieß, dass sie keine ADHS-Testung durchführen und ich mich zunehmend verzweifelt gefühlt habe, stieß ich über Google auf die Privatpraxis einer Diplom-Psychologin, welche auf ADHS spezialisiert ist. Die Praxis wäre zwar relativ weit weg von mir gewesen, sie bietet allerdings wegen Corona zur Zeit auch Videosprechstunden an. Nach dem ich zunächst unsicher war, ob ich wirklich den Selbstzahler-Weg gehen will, habe ich mich dann für sie entschieden, weil es bereits eine Woche später einen freien Termin gab und mir die explizite Spezialisierung auf ADHS ein gutes Gefühl gab.
Heute war dann der Termin. Der Termin fand allerdings nicht bei der Psychologin, sondern bei einem ihrer Mitarbeiter statt (es war auch auf der Website angegeben, dass der Termin entweder bei der Psychologin selbst oder einem ihrer MitarbeiterInnen stattfindet). Zu den formalen Qualifikationen des Mitarbeiters habe ich leider keine Informationen. Er wirkte allerdings durchaus sehr kompetent.
Der Diagnosetermin bestand aus eineinhalb Stunden Gespräch und Interview, in dem ich auch meine im Vorfeld angefertigten Notizen zu meinen Symptomen vorgetragen habe.
Anschließend sollte ich drei Online-Tests des Hogrefe-Verlags absolvieren. Das hat insgesamt nochmal eine Stunde in Anspruch genommen. Der erste Test war ein Vigilanz-Test bei dem es eine Art Radarschirm mit Kreisen und Quadraten gab. Der Test dauerte über eine halbe Stunde. Im zweiten Test musste ich bei verschieden angezeigten geometrischen Formen schnell beurteilen, ob sie vorgegebenen Formen entsprachen. Beim dritten Test gab es immer 8x8 (?) -Raster die mit zufälligen Zahlen gefüllt waren und ich sollte beurteilen, ob die Zahlen „43“ und/oder „63“ darin vorkommen.
Ich habe den Mitarbeiter vor den Tests gefragt, wie viel Mühe ich mir dabei geben soll, da ich im Forum schon öfters gelesen hatte, dass eine große Anstrengung und Motivation bei AD(H)S-Tests zu falschen Ergebnissen führen kann. Mir wurde geantwortet, dass ich es so maximal gut machen soll wie ich nur kann. Entsprechend habe ich mir sehr viel Mühe gegeben.
Bei den Tests habe ich dann unauffällig/durchschnittlich abgeschlossen, teilweise sogar im oberen Durchschnitt.
Damit kam er dann zu seiner Diagnose:
Ja, es gibt Anzeichen und Symptome von AD(H)S bei mir, allerdings keine ausreichenden um eine Diagnose zu stellen. Er hätte das Gefühl ich „könnte ja schon, wenn ich wollte“, z.B. wäre ich bei meinen Hobbys ja motiviert und vor allem auch konzentriert. Das Spräche gegen AD(H)S. Die Computertests würden bestätigen, dass ich keine ausgeprägten Aufmerksamkeitsprobleme habe. Die Situationen, in denen ich mit die meisten Probleme habe, nämlich Schule/Uni/Lernen, lägen mir einfach nicht gut, ich wäre eben eher ein „Praktiker“ und ich solle nach einer Tätigkeit in einem praktischerem Bereich umschauen. Beim Thema einschlafen hätte ich ja ein „Ritual“ gefunden (Melatonineinnahme und Hörbücher laufen lassen), das mir erlaubt damit klar zu kommen.
Ich bin verunsichert. Einerseits denke ich, dass seine Einschätzung nachvollziehbar ist. Andererseits fühle ich mich missverstanden. Wenn ich auf meine letzten 13 Lebensjahre blicke (ich bin jetzt 23), dann sehe ich einen großen Leidensdruck der aus meinen Symptomen resultiert, insbesondere die letzten fünf Jahre in meinem Studium. In seinem Fazit hört es sich an, als ob er zwar meine Probleme sieht, aber nicht den damit verbundenen immensen Leidensdruck. Andere für mich wichtige Themen, wie z.B. das bei mir im Haushalt immerwährende Chaos, fanden zum Schluss auch keine Erwähnung mehr. Ebenfalls wundert mich die Aussage „ich könnte ja, wenn ich wollte“ - ist das nicht gerade das altbekannte Missverständnis? Dass man als betroffener ja doch könne, wenn man genug wolle, wenn eben die Motivation groß genug ist. Aber gerade das „wollen“ können, ist ja häufig eben das Problem…
Insgesamt fühle ich mich jetzt unsicherer als vorher. Denn ich habe schon das Gefühl die Gelegenheit gehabt zu haben ausführlich über meine Symptome berichten zu können und auch mit einer kompetenten Person gesprochen zu haben. Andererseits fühle ich mich aber auch missverstanden. Ich bin allerdings auch nur Laie und habe eigentlich nicht die Kompetenz das zu beurteilen.
Was sind eure Gedanken? (Bitte seid nicht zu hart zu mir, ich bin gerade noch ziemlich durch den Wind… )
Letztendlich: Wenn ich kein ADS habe, dann habe ich es nicht und dann akzeptiere ich das natürlich. Ich bin nur verunsichert von dem was ich heute erlebt habe.
Liebe Grüße!