Danke für deinen Input!
Ich habe mich auf Grund der schweren Depression dieses Jahr intensiv mit mir selbst beschäftigt und bin vor kurzem erst auf das komplette Bild gekommen, wie sich alles zusammen setzt. Ich wollte das im Anfangskommentar nur nicht mit reinnehmen, weil der sowieso schon so voll war und es hier ja primär ums ADHS geht.
Es deutet vieles darauf hin, dass ich keine chronifizierte Depression und nicht einmal eine rezidivierende Depression habe. Zu Beginn jeder depressiven Episode bei mir stand bisher immer eine Panikattacke. Was passiert also mit mir? Irgendwas triggert bei mir die Panik. Das kann innere Unruhe (eventuell verinnerlichte Hyperaktivität), Stress durch große Veränderungen o.ä. und Langeweile/Stillstand sein. Langeweile/Stillstand sind ja aus unterschiedlichen Gründen für ADHS schwierig (Dysphorie durch Inaktivität, Langeweile wird generell viel stärker unangenehm empfunden, usw.). Und zusätzlich noch fehlende Motivation, wenn ich dann nicht mehr Lust auf das habe was ansteht. Das ist indirekt ja auch mit Langeweile verknüpft oder aber auch mit der Angst, was ändern zu müssen. Jedenfalls, aus so einem Trigger spüre ich innerlich die Unruhe mehr, ich fange an mich zu beobachten und noch mehr in mich zu spüren. Das löst bei mir Sorge aus, dass etwas nicht stimmt. Diese Sorge löst mehr Stress aus und das Gefühl wird stärker. Ich fange an zu viel nachzudenken, fange an mir das Schlimmste auszumalen. Vor allem weil bei mir im Kopf fest abgespeichert war, dass eine Panik definitiv eine Depression bedeutet. Und so dreht sich der dieser „Circle of doom“ immer weiter und verstärkt sich selbst. Manchmal reicht auch die Angst vor der Angst aus, wenn ich nur vermute, dass einer der Trigger bald feuert.
Was passiert Neurologisch? In diesem Panik-Modus ist die Amygdala involviert. Sie ist dafür zuständig, den Körper im Alarmmodus zu steuern. Fight, Flight or Freeze zu initiieren. Sobald die Trigger laufen, registriert die Amygdala das als anstehende Bedrohung und fängt an die Geschütze aufzufahren. Adrenalin und Cortisol werden ausgeschüttet. Das kognitive Denken wird heruntergefahren und Dopamin an die Amygdala gebunden. Also noch weniger Motivation als sowieso schon. Und logische Denkvorgänge um die ganze Situation zu bewerten, sind erschwert. Es geht der Amygdala ums Überleben. Also Fliehen. Gerade wenn irgendwelche Änderungen oder Ereignisse anstehen, kann es schon einmal vorkommen, dass ich fliehe. Das beste Beispiel der Abbruch des anstehenden Urlaubs dieses Jahr. Und selbst wenn die Flucht funktioniert, hört der Loop nicht unbedingt einfach auf. Weil ja immer noch die Verstärker „Angst vor der Angst“ bzw. „Angst vor Depression“ immer weiter feuern und als Bedrohung wahrgenommen werden. Oder aber es ist schon von Grund auf eine Situation, die nicht bekämpft oder vor der geflohen werden kann,
Also macht die Amygdala die letzte Variante die sie kennt: Freeze. Es folgt Handlungsunfähigkeit und Rückzug. Abschottung als Schutzhaltung. Erschöpfung setzt ein, weil die Amygdala permanent den Körper auf Hochtouren hält. Aber Schlaf ist mit dem ganzen Stress gestört. Die Lust auf alles hört auf, weil kein Dopamin mehr zur Verfügung steht. Soziale Kontakte werden nicht mehr wahrgenommen, einerseits weil man nicht zur Last fallen will, andererseits weil alles einfach zu viel ist.
Das ist der Zustand, den ich früher immer als Depression wahrgenommen habe. Der in vielen Fällen wirklich auf eine Panik gefolgt ist. Eine Depression ist es aber nur dann, wenn ich in genau diesem Zustand länger verharre. Wenn ich dann denke „Jetzt ist es wieder soweit, es wird nie wieder besser“. Das ist dann das, was den Kreislauf am Leben erhält. Zusätzlich dazu kommt wahrscheinlich, dass unsere Psyche ja in zwei Wege geht. Physiologische Reaktionen können psychische auslösen und umgekehrt. Jetzt verhalte ich mich wie in einer Depression. Ich bin inaktiv, zurückgezogen. Menschen mit Depressionen haben erhöhte Entzündungswerte, weil eine Depression wahrscheinlich ursprüngliche eine Schutzreaktion auf Krankheit ist. „Zieh dich zurück um deine Herde vor Ansteckung und dich selbst vor anderen Krankheiten zu schützen. Stelle alles ein und mach nichts mehr, so dass du Heilen kannst“. Das Verhalten und eventuell auch die Entzündungsmarker im Blut, signalisieren dem Körper „Krankheit“. Das nimmt die Amygdala auch wieder als Gefahr und fährt zwar die Panik runter, weil der Körper die Ressourcen zum Heilen braucht, aber unterstützt weiter den Zustand indem das kognitive und Motivation heruntergefahren sind.
Der Zustand endet dann irgendwann von selbst, wenn vielleicht doch irgendwann das Signal kommt, dass keine Gefahr mehr herrscht. Oder aber man hat Hilfe und irgendwann genug Kraft um wieder aktiver zu werden. Die Aufwärtsspirale aus der Depression heraus, beginnt. Kleine Tätigkeiten zu erledigen geben die ersten Dopamin-Boosts und die Signale „Wir können wieder was tun, es herrscht keine Gefahr“. Dadurch wird es leichter, weiter zu machen. Mehr Tätigkeit wird aufgenommen, man beginnt wieder Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Die Amygdala gibt immer mehr Ressourcen frei und man ist aus der Depression raus.
Wenn ich also keine richtige Depression habe, sondern die nur eine Folge meiner Panik ist und im Prinzip nur die Angst vor der Depression diese immer wieder auslöst… woher kommt dann diese Angst? Wahrscheinlich habe ich bei der Bundeswehr eine Art Trauma erlitten. Zur Bundeswehr zu kommen war der absolute Kontroll- bzw. Autonomie-Verlust. Ich war absolut überfordert und habe entweder direkt eine Panikattacke oder eine Anpassungsstörung bekommen. Vielleicht beides. Aber das Resultat war der Zustand der wie eine Depression aussieht. Dieses Erlebnis und das Gefühl dieser Depression haben mich geprägt und bei mir diese Verbindung „Das Gefühl von Panik = Depression“ in mein Hirn gebrannt. Mit jedem weiteren Schub wurde die Verbindung noch verschärft.
Deswegen hat mein Psychotherapeut schon immer darauf bestanden, dass bei mir die Panikstörung im Vordergrund steht. Ich war aber so auf die Angst vor der Depression fixiert und habe die als mein primäres Problem gesehen, dass ich mich zwar hab auf die Panik von ihm behandeln lassen, aber erst dieses Jahr den Zusammenhang wirklich verstanden habe.
Jetzt, da ich den Zusammenhang verstehe, ist die Angst vor der Depression entschärft. Damit ist einer der Verstärker weg. Ich kann mich mehr auf die Trigger der Panik konzentrieren und die so weit wie möglich versuchen zu entschärfen. Und da die alle mit ADHS zusammen hängen könnten, ist meine Hoffnung, dass die richtige Medikation da Druck raus nimmt. Aber allein schon das Wissen, wie der Circle of Doom bei mir abläuft und die Depression nur ein Resultat daraus ist, ist schon eine große Hilfe. Ich muss das Konzept so verinnerlichen, dass ich es mir aufrufen kann, wenn Panik einsetzt. Selbst wenn die kognitiven Funktionen überschrieben werden.
Am Mittwoch war es dann das erste Mal soweit, ich habe Panik aufkommen fühlen und sofort angefangen mich selbst zu beruhigen. Indem ich mir versichert habe, dass dieses Gefühl gerade nicht bedeutet, dass alles wieder schlimm wird. Die Panik ist beide Male kurz danach abgeklungen. Vielleicht hat es wirklich geholfen, vielleicht waren es andere Faktoren.
Venlafaxin hat vielleicht ein wenig geholfen, weil es (gerade in hohen Dosen) auf Noradrenaline/epinephrine und minimal auf Dopamin eingewirkt hat. Und damit ein wenig mehr Balance in die Neurotransmitter für ADHS gebracht hat. Und damit wahrscheinlich ab und zu vor allem die Unruhe ein wenig abgemildert hat. Mit der gezielten Behandlung auf ADHS wäre das Venlafaxin dann überflüssig.
anfingst warst Du so um die 20 J. alt, jedenfalls noch sehr jung, deshalb habe ich mich gefragt ob in Deinem Leben irgendwas vorgefallen ist, als Du noch so jung warst, was Deine Panik Attacken und Deine Angst Störung ausgelöst hatte, wie zum Beispiel ein Todesfall in der Familie, Trennung der Eltern, Trennung von einem Partner:in, irgendwas was Dich aus der Bahn geworfen hatte, und Du vielleicht bis heute noch nicht verarbeitet hast, respektive bis heute nicht damit abschliessen konntest.
Mein Therapeut und ich haben viel in meiner Kindheit und Jugend nach möglichen Ursachen gesucht. Es gibt keine so richtigen Auffälligkeiten die eine psychische Erkrankung erklären würden. Da wir jetzt vor Kurzem über mehrere Ecken darauf gekommen sind, dass ich so ein starkes Bedürfnis nach Autonomie / Selbstverwirklichung habe, schauen wir gerade darauf. Die Verletzung von diesem Bedürfnis kann ich aber eher nur bis in meine Teenager Jahre zurück verfolgen. Davor ist mir nichts bewusst. Das ADHS wird auch eine Rolle spielen, eben weil ich häufig wahrgenommen habe irgendwie nicht ganz zu passen und anders zu sein. Weil ich immer und immer mehr andere beobachtet und mein Verhalten angepasst habe. Und manchmal war das halt so schwierig, dass es durchaus auch meine Bedürfnisse nach Zugehörigkeit verletzt haben könnte. Und diese Verletzungen sind über die Zeit summieren. Dann gab es während der Teenager Zeit, mit zunehmenden Alter, immer mehr Konflikte die sehr wahrscheinlich wieder im Bedürfnis nach Autonomie begründet lagen. Und mit der Bundeswehr kam die ultimative Verletzung.
Es macht mich nichts wirklich traurig. Ich bin eher unruhig und ständig angespannt, wegen den Ängsten die im Hintergrund lauern. Und die Beziehen sich ausschließlich auf mich selbst bzw. meine Emotionen. Ich habe keine Angst vor äußeren oder existentiellen Bedrohungen, sowas wie Armut oder Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Tod. Ich habe eigentlich nur Angst vor meiner eigenen Reaktion/Emotion als Reaktion auf gewisse Umstände. Ich habe, rein von außen betrachtet. Ein gutes Leben. Ein guter Job, tolle Kollegen und Freunde, verdiene genug um mir auch Annehmlichkeiten leisten zu können. Lebe in einem Land mit guter Versorgung, auch im Ernstfall. Natürlich hätte ich wahrscheinlich Angst wenn ich Überfallen werde oder in einer anderen gefährlichen Situation lande. Aber mein Problem liegt in meinem Innenleben bzw. was in meinem Kopf vorgeht.
Ich bin in jeder wachen Minute, wenn ich nicht gerade stark fokussiert bin, immer nur mit mir selbst beschäftigt. Wie geht es mir gerade, was empfinde ich wenn ich an den Rest des Tages oder an die Zukunft denke. Warum empfinde ich so wie ich empfinde? Was kann ich tun damit ich mich besser fühle. Wie kann ich meine Symptome am Besten beschreiben und welches Bild passt dazu.
Ich weiß, dass dieses konstante Grübeln darüber wahrscheinlich auch dazu beiträgt, dass es sich nicht bessert. Und ich arbeite daran weniger genau immer nachzuprüfen wie es mir geht. Und trotzdem drängt sich genau dieses Gefühl der Unlust und fehlenden Motivation immer wieder rein, so dass sich mein Fokus darauf richtet und meine Stimmung dementsprechend nur schwer bessert.
Und genau da habe ich eigentlich auf die Stimulanzen gehofft. Weil so viele andere berichtet haben, wie es in ihrem Kopf plötzlich still geworden ist und sie nicht mehr Konstant über alles kreuz und quer denken mussten. Andere Berichte, die dann erzählen, wie sie in der Lage waren auch alltägliche Routineaufgaben ohne großes Nachdenken angegangen sind und nicht gleich das Gefühl dabei hatten vor Langeweile zu sterben. Und genau das macht ja auch Sinn, wenn genug Dopamin da ist. Das Hirn sucht nicht nach der nächstbesten, schnellen Quelle für Dopamin sondern ist mit dem zufrieden was es hat. Also gehen die aktuellen Aufgaben einfacher von der Hand. Das Grübeln hört auf, weil das Hirn sich nicht beschäftigen will sondern sich auf das Konzentrieren kann, was gerade ansteht. Wenn ich genau diese Effekte von den Medikamenten hätte und dazu die innere Unruhe beruhigt wäre - ich habe das Gefühl, dass genau das alle Trigger für meine Panik entschärfen würde. Und mir so eine Sicherheit geben würde, dass es noch viel Unwahrscheinlicher wird, je wieder „Opfer“ meiner Emotionen zu werden oder Panik haben zu müssen. Außer in Situationen, wo es angemessen ist.
Klar, das Absetzen mache ich nur in Abstimmung mit meinem Psychiater. AD wechseln… vielleicht auch eher auf was, was mehr Wirkung auf ADHS und/oder Motivation haben könnte… ja, mal sehen.
Zu deinem letzten Absatz:
Aufhalten in der Natur, Malen und Achtsamkeit. Bewusst Genießen, Schönheit der Natur. Alles schon probiert, hilft nichts. Ich war in der Klinik sogar extra in einer Genussgruppe, i der diese Fähigkeit wieder aufgebaut werden sollte. Das hat mir gar nichts gebracht. Ich fand es eher langweilig.
Jetzt mit der ADHS Diagnose weiß ich: Ich hab gar kein Problem mit dem Genießen. Ich genieße Essen und ich kann auch schöne Anblicke in der Natur genießen. Ich hab ja sogar ein relativ gutes Auge, was Fotomotive angeht. Aber der Genuss hält nur für einen Augenblick. Dann will mein Gehirn wieder was spannenderes. Deswegen war ich nie Fan vom Wandern oder Spazierengehen. Wenn man dabei vielleicht irgendwas besonderes (Burgen, Denkmäler, usw.) besichtigt und in einer Gruppe ist, dann ist das mal ok. Da ist dann eher das Ziel und die Gemeinsamkeit der Grund. Achtsamkeit wurde mir in der Klinik auch nahe gelegt und ich habe mich intensiv damit beschäftigt. Achtsamkeitstechniken waren gut um mich dann in einem Panikschub zu beruhigen. Aber sonst? Ich bin schon 24/7 mit mir und meinen Gefühlen beschäftigt. Achtsamkeit ist das Letzte was ich brauche! Und Achtsamkeit für meine Umgebung? Genau das Gleiche wie beim Bewundern der Natur. 5 Sekunden ist das schön und dann ist mir wieder Langweilig.
Meditation habe ich mal ein paar Wochen, wenn möglich täglich, gemacht und dabei teilweise sogar bis zu 1h meditiert. Es war beruhigend und hat gut getan. In der Klinik war ich auch immer gerne in der progressiven Muskelentspannung und hab mich da immer am meisten drauf gefreut. Wichtig ist, dass es Meditation ist, die sich auf einen Fokuspunkt konzentriert. Meditationen die sich auf die Gedanken konzentrieren, sind zu gefährlich. Zen Meditation oder PMR, dagegen sind gut um Stress zu reduzieren. Allerdings momentan, da ich mich eher weniger unruhig und gestresst fühle, sondern eher nur Unlust empfinde, schaffe ich es nicht zu meditieren. Klar, Meditation ist nicht stimulierend genug.
Musizieren bin ich bei dir, deshalb auch der Pianounterricht. Ansonsten ist mir beim Sport auch wichtig, viel mit anderen Menschen zu interagieren. Das habe ich zu lange schleifen lassen und merke so richtig, wie gut mir das tut.