Guten Morgen liebe Forenmitglieder,
ich möchte heute Morgen gerne mal das Thema Stolz in den Raum werfen. Dabei möchte ich beschreiben, was Stolz für mich bedeutet, was ich davon halte und würde mich über eure Sichtweisen freuen.
Definition von Stolz:
Stolz ist in unserer Gesellschaft ja etwas, das die Freude darüber zum Ausdruck bringt, was wir selbst in irgendeiner Form erreicht haben. Es drückt aus, dass wir einen starken emotionalen Bezug zu dem Erreichten haben. Weil wir uns eben darüber im klaren sind, was das Ganze letztendlich für eigene Ressourcen gekostet hat, und welche eigenen Fähigkeiten und Kräfte dabei zur Wirkung gekommen sind.
Wir haben also etwas bereitgestellt, dass uns dieses Ziel hat erreichen lassen. Darauf kann man stolz sein!
Bsp.: Ich bin stolz darauf, dass ICH meine Ausbildung abgeschlossen habe. Ich war mutig, entschlossen, habe durchgehalten, mich nicht unterkriegen lassen, habe Fleiß bewiesen, ect. …
Was Stolz für mich bedeutet:
Was für viele Stolz ist, ist für mich Dankbarkeit. Ich bin dankbar dafür, dass ich Mensch bin. Dankbar dafür, dass ich in meiner Unvollkommenheit die Chance bekomme zu wachsen. Erkennen zu dürfen, dass ich Teil meiner eigenen Entwicklung sein darf. Dankbar dafür, Kämpfe mit dem Demut führen zu dürfen. Und ja, er bezwingt mich oft. Und nein, er gibt mir keinen Gnadenstoß. Nie. Er hilft mir auf. Reicht mir seine Hand und lässt mich weiterziehen. Ich werfe ihm vor, dass er über mich spottet. Macht er aber nie. Selbst dann, wenn ich aus dem Kampf doch nichts gelernt habe. Eben weiterhin in der Selbstüberschätzung verharre.
Mit Übermut und Stolz, kann ich diese Kämpfe im Leben nicht gewinnen. Und wenn ich es lebend heraus schaffe, wird der Gewinn aus dem Sieg doch niedrig bleiben.
Ich hasse ihn! Ich hasse den Stolz. Er widert mich an. Wenn ich an ihn denke, bringt er meine größte Arroganz zum Vorschein. Er lässt mich abartig und ekelhaft werden. Und doch, stehe ich ihm so oft zu Diensten. Oft verbirgt er sich vor mir. Zeigt sich über Mittelsmänner. Zum Beispiel wenn ich wieder gekränkt bin.
Und bei anderen hasse ich ihn auch. Den Stolz. Vor allem dann, wenn er in meinen Augen gar nicht verdient ist. Und doch ist die Vernunft noch mit im Spiel. Lässt mich wissen, wann mich Dinge etwas angehen, wann diese einen Platz in meinem Leben haben sollten oder eben nicht. Aber die Vernunft ist geduldig. Geduldiger als meine Gefühle. „Lass die Leute doch in ihrer Welt. Kümmere dich um deine eigenen dunklen Lügen und Heucheleien.“
Was haltet ihr von Stolz?
Kann man also stolz auf etwas sein, an dem man selbst nicht beteiligt war oder ist? Ist es nicht eine Lüge und Heuchelei, sich selbst zu danken, dass man zwei Hände und zwei Füße hat? Kann man denn nicht NUR stolz auf Dinge sein, die man selbst erschaffen hat? Für die man eine Verantwortung hatte oder diese immer noch trägt?
Jetzt gibt es aber viele Menschen, die sind Stolz auf Dinge, für die sie selbst gar nicht gekämpft haben. Ich kann eben nur schwer stolz darauf sein, dass ich zwei Hände habe. Oder stolz darauf sein, als Mensch geboren zu sein. Ich habe dafür ja nichts getan! Es ist einfach so. Ohne ein Zutun. Eine Sache, über die wir keine Macht haben.
Warum verwechseln Menschen Stolz so oft mit Dankbarkeit? Und tun sie das überhaupt? Und wenn ja, warum ist für viele die Dankbarkeit so viel unangenehmer als das eigene Lob?
Warum wollen Menschen stolz auf Dinge sein, an denen sie nicht mitgewirkt haben? Und warum sollte zum Beispiel ich stolz auf etwas sein, dass mir Leid und Ärger bereitet hat, und für das ich noch nicht einmal etwas kann? Warum sollte ich also stolz darauf sein, ADHS zu haben? Wirklich nur deshalb, damit andere verstehen, dass man sich selbst mit einer wertvollen und einzigartigen Person identifiziert, oder noch besser, so gesehen werden möchte? Muss das auf diesem Weg zum Ausdruck gebracht werden? Warum bräuchte ICH Stolz, damit andere mich als wertvoll anerkennen können?
Und warum braucht man diese Anerkennung von anderen, wenn man doch so stolz auf sich ist? Wenn man die vermeintliche Wahrheit doch kennt (wie toll man doch ist), in ihr badet und sich an ihr ergötzt? Warum ist man mit Stolz so angreifbar, wo er doch zeigt, was für ein geiler Mensch man doch ist?
Versteckt sich hinter dem Stolz nicht oft genug eine Wahrheit, welche wir nicht sehen und verstehen möchten? Ich hasse den Stolz. Ich will ihm nicht dienen. Ich will zur Wahrheit gehören. Stark werden dieselbe auszuhalten. Und alles loslassen, was mich von ihr abhält.
Ich freue mich auf diesen Kampf. Ich freue mich darauf zu fallen. So lange ich falle, weiß ich, dass ich noch Mensch bin.