Was kann man von Stimulanzien erwarten? - Und was nicht?

Hello zusammen,
ich frage mich, ob meine Erwartungshaltung den Medikamenten gegenüber zu hoch ist.
Ich habe einen „Kick“ erwartet, oder ein „Wow“ Erlebnis. Ist das zu viel der Erwartung? Habe ich diese Erfahrung nicht, weil ich kein ADHS habe?
Was denkt ihr dazu?

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Zum Kick: Bei Medikinet Adult kommt es eher zu einem Kick, weil es recht schnell anflutet (20-30 Minuten). Wobei der Kick mit der Zeit abnimmt, eine gewisse Gewöhnung. Bei unretardiertem Methylphenidat (MPH) ist es ähnlich. Da gibt es zahlreiche Generika.

Zum Medikinet Adult/Retard: Hier ist die Nahrungsaufnahme zur Pille wichtig, weil es sonst nicht vernünftig wirkt. Frühstückt man nicht, ist dieses Mittel eigentlich schon die letzte Wahl. Genauso bei schwieriger Essensplanung was bei Schichtarbeit, Springertätigkeit oder Bereitschaft der Fall ist. Ähnlich bei unklarer Pausenzeitregelung. Alle anderen Mittel sind da nicht so anspruchsvoll, haben aber auch nicht die schnelle Anflutung.

Zur Erwartungshaltung: Bis alles zufriedenstellend ist, dauert es. Am Anfang hat man Tage der Euphorie (Honeymoon-Phase genannt), das ist nicht die Zielwirkung. Nach dem Honeymoon fängt die eigentliche Arbeit an. Und das kann dann schon Wochen dauern, beim Austausch des Präparats kann es sich um Monate handeln. Es kommt vor, dass Leute 1/2 Jahr später am Ziel sind. Spätere Modifizierungen sind dennoch normal und sollen an die Lebensumstände passen.

Dieses Thema kommt immer wieder auf und wurde bereits zahlreich diskutiert. Einfach mal durchschauen:

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Ich würde sagen, dass ist die falsche Erwartung. Einen „Kick“ kann man während der Eindosierung oder Dosiserhöhung noch spüren, dieser sollte aber nicht dauerhaft bleiben (bei passender Dosis) und auch schon gar nicht als Indikator für eine Wirkung gesehen werden.

Oft sind’s erstmal nur die kleinen Dinge, die einem selber gar nicht so auffallen.

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Was kann man von Stimulanzien erwarten?

Die Realität und die ist manchmal ziemlich bescheiden, milde ausgedrückt, macht sie aber besser handlebar, zumindest bei den meisten.

" Die falschen Erwartungen an die Medikation
Es erstaunt mich immer wieder, wie viele Menschen mit ADHS (oder ihre Behandler) erwarten, dass mit Beginn der Medikation sich das Leben plötzlich wie von Zauberhand ordnet und mentale Anstrengung überflüssig wird."

Martin Winkler

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Ob mit Kick am Anfang oder „mitohne“ Kick.

Man gewöhnt sich an die Medikation und die wirkliche Wirkung merke ich oft erst wenn ich pausiere oder bestimmte Situationen reflektiere wo ich ohne Medikation anders gehandelt hätte.

Manche Dinge bleiben auch wie sie sind, man kann nur etwas besser damit umgehen .

Ich glaube es ist nicht ausschlaggebend ob man am Anfang einen „Kick“ hatte wichtiger ist es ein Medikament und oder eine Dosis zu finden die Dauerhaft gut wirkt .

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:+1:

So ist es. Die ADHS-Diagnose half mir zunächst zu begreifen was die ganze Zeit los war und was ich anders machen muss (Selbstedukation!!)

Mit Medikation wurde das einfacher, weil ich nun auch besser filtern und regulieren konnte.

ADHS ist wie ein Sportwagen mit Fahrradbremse. Schwer zu kontrollieren.

Kommen Medikamente hinzu, kommen im schlimmsten Fall mehr Pferdestärken hinzu, aber auch eine bessere Bremse. Man weiß aber nicht wie und wann die Bremse zu betätigen ist. Eine Sportwagenbremse kommt aber nie!

Mit Selbstedukation lernt man die Bremse mit der Zeit besser zu bedienen und die Medikamente helfen dabei. Im Idealfall nutzt man dann nur noch die PS des Sportwagens, die der Bremse entspricht.:repeat:

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Danke @ALL für eure Antworten.

Für mich ist es momentan einfach schwierig zu erkennen, ob MPH hilft, oder nicht.
Daher habe ich hier die Frage gestellt. Aktuell sehe ich für mich persönlich nämlich keine Unterschiede zu der Pre-MPH Zeit.

Achte auf die Kleinigkeiten, die dir das Leben schwer machen.

  • Ich kann z.B. in Arbeit eine unangenehme Aufgabe ohne viel Nachdenken, wie ich es anstelle, damit das jetzt nicht machen muss, erledigen.
  • Wenn ich eine Arbeit unterbrechen muss, fällt mir ein, wo ich stehen geblieben bin.
  • In eine Besprechung kann ich zuhören und mich danach an Dinge erinnern, die besprochen wurden.
  • Unterhaltungen mit mehr als einer Person gleichzeitig überfordern mich nicht mehr und ich fühle mich wohl.
  • Beim Autofahren merke ich: Die anderen Verkehrsteilnehmer sind gar nicht vollkommen unberechenbar.
  • Wenn ich auf dem Weg zur oder von der Arbeit ins Auto steige und mir vornehme unterwegs noch kurz anzuhalten, um etwas einzukaufen oder Geld am Automaten zu holen, fällt mir das nicht erst daheim wieder ein.
  • Tage, an denen ich am Firmenparkplatz aussteige und keine Erinnerung an die Autofahrt habe, gibt es nicht mehr.

Medikamente sind kein Kippschalter. Du knipst ihn nicht an und bist „normal“. Aber sie unterstützen auf subtile Weise, die Herausforderungen des Alltags zu meistern.

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Hallo @kleinerSchwede,

wie ist es bei Dir inzwischen? Kannst Du mittlerweile einen Unterschied feststellen? Und hast Du evtl. nochmal das Medikament gewechselt?

Einen „Kick“ hatte ich am Anfang, glaube ich, auch erwartet, bzw. eigentlich weiß ich gar nicht so genau, was ich erwartet hatte, weil ich noch so durcheinander war, wg. der Diagnose ADHS.

Mein Anspruch an die Wirkung (nehme Medikinet 20-10) hat sich zwar sehr verringert, weil sie generell eher subtil verläuft. Was ich aber festgestellt habe, ist ein für mich ziemlich starker Unterschied zwischen Tagen mit und Tagen ohne Medikinet.

Ich muss dazu sagen, ich habe zusätzlich zwei Autoimmunerkrankungen, chron. Rheuma und Hashimoto. An Rheumatagen habe ich starke Schmerzen, will ich mich am liebsten nur noch irgendwo verkriechen, niemanden sehen, alles nervt mich, auch z.B. die armen Raben vor unserem Haus. Alles Scheiße, und zwar für immer, sozusagen.

Und hier merke ich die für mich wirklich starke Wirkung von Medikinet. Nach dem Frühstück dauert es eine halbe Stunde (ich kann echt die Uhr nach stellen), dann wird erst meine Stimmung besser, ich merke z.B., dass mein Denken zuversichtlicher („Wird schon wieder…“) und irgendwie geordneter wird. Das Rabenkrächzen nervt mich nicht mehr (fühlt sich an wie ein leichter Puffer zwischen mir und der Welt), ich hab wieder Lust, etwas zu tun (Antrieb wird also auch besser), und was das Beste ist (da hab ich bisher keinen genauen Zusammenhang gefunden): meine Rheumaschmerzen werden um 40 % besser! Das ist für mich so krass. Ich hab mal meinen Psycho-Doc gefragt, wie das kommt, und er meinte so: „Naja, der Stress ist durch das MPH eben weniger.“ Es hat wohl mit der nicht mehr intakten Stress-Achse zu tun, die anscheinend auch das Schmerzempfinden beeinflusst. - Gutes Thema für meinen nächsten Hyperfokus. :upside_down_face:

Noch ein Unterschied: an Tagen mit Medikinet ist mein Schlaf wesentlich besser, auch wenn ich nachmittags mal die 10 mg weg lasse. Wie viele hier, habe bzw. hatte ich lange massive Schlafstörungen.

Naja, ich will das MPH nicht mehr missen.

Die Wirkung bzw. den Unterschied habe ich erst nach längerer Einnahme richtig gemerkt, weil ich das MPH manchmal auch nicht genommen habe. Am Anfang war ich wie viele hier doch eher ungeduldig und dachte, es muss sofort und deutlich eine Veränderung da sein. Aber jetzt bin ich zufrieden damit. Ich will auch nicht endlos suchen, ob es noch etwas Optimaleres gibt.

Alles Gute & viel Geduld beim Eindosieren
LG P.

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Hallo @Perlentaucherin
Ich bin momentan zwischen 50 und 70 mg Elvanse.

Der Kick ist auch hier nicht eingetreten.

Hilft das Medikament? Ich weiß es nicht. Parallel nehme ich noch Duloxetin in einer hohen Dosis wegen Stimmungsschwankungen bzw. depressiven Phasen. Mein ADHS Doc meint, man könne das Duloxetin demnächst vielleicht überdenken.

Irgendwann war mein Duloxetin leer und ich habe auch die Elvanse nicht mehr genommen. Kurz danach hatte ich einen mentalen Breakdown. Lag aber wohl eher am Duloxetin.

Da ich aktuell aber drei Baustellen habe, auf denen ich herumturne und die funktionieren müssen, kann ich nicht sagen, ob die Elvanse mir so helfen wie sie sollen.

Eins weiß ich allerdings, ich will das Ganze auch nochmal therapeutisch angehen, wenn ich wieder Kapazität habe.