Zweifel an eigener Diagnose durch "neurotypische" Wirkung der Medikamente berechtigt?

Hallo,
vielen Dank für deine schnelle Antwort. Bin schon dabei alles zu lesen was du mir asn Links geschickt hast. :slightly_smiling_face:

Ja, habe ich auch schon dran gedacht. Bin leider durch den Erstversuch ziemlich verängstigt, weil es wirklich unschön war und ich mir denke, wenn ich kein ADHS haben sollte, schadet mir das Medikament bestimmt. Ich denke grade an eine noch geringere Dosis, wenn überhaupt, also nur 10 oder sogar 5mg. Oder glaubst du, das wäre sinnlos, weil es dann gar nicht wirken kann? (Ich nehme auch Sertralin gegen meine Ängste und Depressionen und hier profitiere ich von einer vergleichsweise niedrigen Dosis schon relativ stark.)

Vielen Dank, dass du fragst. Ich könnte einen Roman schreiben mit Hinweisen irgendwie, aber ich versuche es mal zusammenzufassen:
Meine Gedanken springen oft von einem Task zu einem anderen und ich halte es schlecht aus, wenn Aufgaben, Gespräche etc. zu lange dauern. Ich räume zum Beispiel die Spülmaschine immer nur halb aus (maximal), weil mich das sonst zu sehr langweilt. Ich mache auch einfach oft was nicht zu Ende, lese z.B. ein Buch nur zu einem Zehntel und fange auch in der Mitte des Buches an zu lesen, ich trinke meine Gläser und Tassen nicht aus, male Bilder nicht zu Ende, lege tausend Dinge in den Warenkorb um dann zwei davon zu kaufen usw. Als Kind habe ich meine Eltern immer mit dem Spruch „Mir ist so langweilig“ genervt.
Wenn mich etwas gar nicht interessiert, kann mein Hirn auch wirklich null Aufmerksamkeit aufbringen (alle mathematisch-naturwissenschaftlichen Themen). In meiner Schulzeit habe ich für die entsprechenden Fächer auch nie etwas getan, weder Hausaufgaben noch Lernen. Zum Durchkommen hat gereicht, dass mir mein Bruder manchmal einen Tag vor der Schulaufgabe das Notwendigste aus dem Stoff der letzten 8 Wochen erklärt hat oder ich einen Merksatz aus dem Physik-Buch abgeschrieben habe um nur einen 5er statt einem 6er zu bekommen. :joy:
Ich bin außerdem sensibel ohne Ende, ich fühle mich andauernd reizüberflutet (von Menschen, Stimmungen, Gefühlen, Geräuschen, Gerüchen, Sonne, Temperaturen, Stoffen usw.) und bin auch immer sehr schnell erschöpft und wirklich wenig belastbar, was mich unglaublich stört und depressiv macht.
Ich bin auch immer innerlich angespannt und nervös, spiele an irgendetwas rum, stehe oft auf, kritzel irgendwas voll usw. und brauche nach der Arbeit oder auch anderen sozialen Situationen mega lang um „runterzukommen“.
In meinem Leben bin ich, wie auch andere Mitglieder meiner Familie, beruflich deutlich hinter meinen (intellektuellen) Fähigkeiten zurück geblieben, hatte außerdem Probleme mit Alkohol- und Drogenmissbrauch sowie diverse psychiatrische Diagnosen (u.a. auch mal BPD, hat aber nicht so ganz gepasst und wurde eigtl. noch „unprofessioneller“ bzw. schneller diagnostiziert als das ADHS) und zwei Klinikaufenthalte wegen Depressionen.
Was mich zweifeln lässt sind:
a) meine guten Zeugnisse im Grundschulalter. Hier war ich anscheinend ein „ruhiges“ Kind, das alles richtig gemacht hat und auch unbedingt alles richtig machen wollte. Man muss aber auch sagen, dass mir das alles sehr leicht fiel. Erwähnt wird in den Zeugnissen halt nur meine geringe Frustrationstoleranz und mein Perfektionismus. Der Psychiater meinte halt, es wäre nicht unüblich, das weibliche ADHSler als Kind nicht wirklich auffallen. Ich kann mich leider nicht gut erinnern an meine Kindheit. Einzelne Punkte wie z.B. das Vergessen und Verlieren von Schulheften oder das einmal im Jahr aufgeräumte Zimmer weisen schon auf ADHS, aber die Anekdoten sind nicht ausreichend um mich zu überzeugen. Ich kann mir auch vorstellen, dass meine Eltern selbst neurodivergent sind und sie mich deswegen auch nicht als „unnormal“ erlebt haben.
b) meine nicht paradoxe Wirkung auf Koffein (werde nervöser davon und kann abends nicht schlafen, wenn ich nach 14 Uhr einen schwarzen Tee hatte) und ebenso auch diese nicht paradoxe Wirkung jetzt auf das Elvanse halt.
c) meine Komorbiditäten, die ja sowohl Symptome bzw. Folgen eines ADHS sein können als auch die Ursache mancher ADHS-Symptome (z.B. innere Unruhe typisch bei Angststörung).

Ich denke auch darüber nach ob zusätzlich ASS und/oder sogar Hochbegabung vorliegen könnten, aber das ist ja noch schwieriger, dafür eine vernünftige Diagnostik zu kriegen.

Ich traue meinen eigenen Gedanken halt genausowenig wie denen der Ärzte und Therapeuten und habe schreckliche Angst mich in die ein oder andere, falsche Richtung zu verrennen quasi. Ich bräuchte einen Therapeuten, der sich mit Neurodivergenzen auskennt und mit mir mehrere Stunden jedes Pro und jedes Contra einzeln auseinander nimmt, fürchte ich. :exploding_head:

Danke fürs Zuhören. Und sorry für die Länge des Textes. :face_with_peeking_eye:

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