Hallo an alle,
gestern fing ja die Schule wieder an und ich habe meine Große (7, 2. Klasse) unerwartet leicht in der Schule lassen können und als ich fragte, wie die Schule war, sagte sie in Ordnung. Heute war es wieder eine Vollkatastrophe, sie wollte mich nicht gehen lassen, sie wollte nicht ihre Hausaufgaben abgeben, sich hinsetzen oder sonstiges. Ich hatte dann zu viel und meinte ich gehe jetzt und bin aus dem Raum. Sie kam hinterher und ich habe mit ihr diskutiert, dass sie wieder reingehen soll, bis ich weinend zusammenbrach, weil es immer, immer wieder das Gleiche ist und ich das einfach nicht mehr schaffe. Ich hole mal aus, wie es vorher lief.
Als sie in die erste Klasse kam, freute sie sich noch aufs Lernen und sie lernt auch echt gerne, aber schon in der ersten Schulwoche kam Frust bei den Hausaufgaben auf, weil sie es nicht so hinbekommen hat, wie sie wollte. Die Hausaufgaben blieben im weiteren Verlauf auch erstmal das größte Problem daheim, da ist sie oft ausgerastet, hat für eine Aufgabe eine halbe Stunde gebraucht, weil sie dauernd abgelenkt war (zb von der Tapete) oder hat ihr Blatt total zerkritzelt oder zerrissen, wenn etwas nicht klappte, noch dazu hatte sie Angst vor den Lupen, die die Lehrerin verteilt hat, wenn zb der Bogen vom n etwas zu weit unter der Linie war etc. Oftmals fängt sie bei so einem Ausbruch auch an, sich zu hauen, oder zu kratzen und sich als dumm zu bezeichnen und alle würden sie für dumm halten und sie hassen, was wir natürlich dementieren. Es war irgendwann so schlimm, dass das pure Erwähnen von Hausaufgaben und Schule bei ihr einen Wutanfall, oder Weinanfall auslöste, von dem sie sich schlecht wieder beruhigen konnte. Natürlich hat das bei mir auch Stress ausgelöst und auch ich habe mittlerweile Angst mich mit ihr an Hausaufgaben zu setzen.
Dann kam auch mal das erste Gespräch mit der Klassenlehrerin, dass sie sehr unkonzentriert und langsam wäre, wenn alle anderen schon ihre Aufgabe machen, packt sie gerade ihr Federmäppchen aus und wird natürlich auch nicht rechtzeitig fertig und natürlich wegen der oftmals unvollständigen Hausaufgaben. Das alles wurde immer schwieriger über das erste Schuljahr. Meine Tochter wurde im Unterricht immer passiver, sie spielt auch in Pausen nicht mit anderen und will am Liebsten gar nicht erst raus, obwohl sie eigentlich ihre Kindergartenfreundin in der Klasse hat und auch noch andere Freundinnen, sie war einmal sehr kontaktfreudig, aber in der Klasse scheint sie sich einfach nur noch abzukapseln. Daheim wurden parallel ihre Wutausbrüche immer mehr und schlimmer, sie konnte dann auch nicht mehr alleine einschlafen, sie hat sogar Angst alleine aufs Klo zu gehen daheim. Obwohl ihre Ängste sehr willkürlich kommen, mal geht alles super und mal hat sie plötzlich panische Angst vor irgendwas, sie steigert sich da richtig rein und es sieht dann total übertrieben und gespielt aus, aber sie scheint es einfach wirklich so zu fühlen in dem Moment. Sie ist auch sehr sensibel generell, wenn ihre Lehrerin sie ermahnt, ist das für sie schon ein Weltuntergang und ein schimpfen. Alles was auch nur irgendwie negativ ausgelegt werden kann, von dem, was ihre Lehrerin sagt, macht sie total fertig.
Dann kamen die Sommerferien und es beruhigte sich kurzzeitig alles etwas bei uns. Bis das neue Schuljahr immer näher rückte und sie schon immer wieder damit anfing, dass sie nicht in die Schule will und panisch wurde. Die ersten zwei Schulwochen habe ich sie dann öfter mal wegen Bauchschmerzen abholen müssen und zu Beginn der dritten Woche, ging sie einmal widerwillig, nach vielen Diskussionen zur Schule (sie ging immer alleine zur Schule, das sind 8 Minuten Schulweg) und ich bekam irgendwann gegen 8 Uhr einen Anruf, meine Tochter wäre noch nicht da, ob sie krank wäre etc. Ich meinte, dass sie auf dem Weg sein müsste und eventuell sehr viel bummelt, sie sollen mich anrufen, wenn sie da ist. Zehn Minuten oder ne viertel Stunde später, kam wieder ein Anruf, sie wäre nicht angekommen. Ich meinte, ich laufe mal den Weg ab, vielleicht ist sie beim Spielplatz hängengebleiben oder sitzt vor der Schule und will nicht rein. Leider war sie nirgendwo zu finden, also rief ich die Schule an und sagte, dass ich sie nicht finden könne, die Sekretärin meinte dann, dass sie dann die Polizei verständigen müssen. Ich sagte ok und dass ich wieder heim gehe, falls ich sie irgendwie verpasst haben sollte und sie schon wieder daheim sein sollte. Ich war natürlich schon leicht beunruhigt, aber hatte noch immer die Hoffnung, dass sie schon daheim sitzt, da kam sie mir kurz vor unserer Straße auch schon entgegen, Barfuß und weinend, sie hatte sich im Hausflur versteckt die ganze Zeit und hat wohl Panik bekommen, als ich dann die Treppe runterging und nicht wieder hoch kam. Ich rief bei der Schule an, dass sie mir eben entgegenkam, dass sie sich daheim versteckt hatte, um nicht zur Schule zu gehen. Da bekam ich erstmal erzählt, dass sie schon informiert wurden von einer Dame, die ihr auf dem Weg begegnete und dass sie Barfuß wäre und wurde angepampt, dass sie ja die Polizei verständigt hatten und ich solle doch das nächste mal… mehr keine Ahnung, ich habe sie danach durch den Hörer angeschrien, dass ich gerade andere Probleme habe, als von ihr belehrt zu werden und habe aufgelegt und geweint und bin mit meiner Tochter heim. Ich ließ die dann die restliche Woche daheim, um die ganze Situation wieder etwas zu entspannen und weil wir dann auch einen Termin mit dem Kinderarzt hatten, den wir vor den Ferien bekamen um die Situation zu besprechen.
Er verstand die Situation, hat auch ihre Lebhaftigkeit und Aufgewecktheit mitbekommen und schon gemeint, dass sie auf jeden Fall eine sehr gute Auffassungsgabe habe, es also nicht an der Intelligenz liegen sollte (es hieß auch von der Lehrerin, dass sie sich super an Diskussionen beteiligt und da auch den anderen viel voraus hat). Er gab uns Anlaufstellen für eine Diagnostik mit und ich habe bei einer auch einen Termin für März bekommen. Die Woche drauf hatten wir ein Gespräch mit der Lehrerin und Schulpsychologin, welche uns auch einige Tipps mitgegeben hat und uns sagte, dass sie sich eine Liste besorgt mit Diagnostikplätzen bei dringenden Fällen und als sie diese hatte ging das alles recht schnell und wir hatten in den Herbstferien unseren ersten Termin mit der Diagnostikerin.
Ich habe meine Tochter, nach diesem Vorfall immer zur Schule begleitet, um sicherzugehen, dass sie auch wirklich hingeht, das war immer ein Kampf und wurde immer schwerer. Bis ich an einzelnen Tagen nicht mehr die Kraft hatte, die Diskussion zu beginnen und sie direkt daheim ließ. Auch wenn ich sie zur Schule brachte, fühlte es sich oft so falsch an, sie so zu sehen, voller Panik dort zu bleiben. Und ich wollte sie auch immer weniger dort hin bringen und hatte immer weniger Kraft.
Ende November bekamen wir dann die Diagnose F90.0 also ADHS Mischtyp (was eine Überraschung…) Intelligenztest ergab einen Spitzenwert von 105, war aber insgesamt bei 95, also recht normal. An diesem Tag ging sie auch lieber zur Schule, als nochmal die Dreiviertelstunde zur Therapeutin zu fahren (wurde von Mal zu Mal schwieriger sie dort hinzubekommen, weil ihr beim Fahren schlecht wird, weswegen wir auch eine weitere Therapie ablehnen mussten, auch die Therapeutin meinte, es würde keinen Sinn machen, wenn sie sich so sehr sperrt wegen der Autofahrt, leider!). Ich fragte die Lehrerin per Mail, wie es lief und erfuhr, dass meine Tochter die ersten beiden Stunden hinten im Klassenzimmer apathisch auf dem Boden lag und sich wälzte und dann zur Pause langsam auftaute und zu ihrem Platz ging und letztendlich sogar einen sprachlichen Beitrag zu einem Thema lieferte, die Pause wollte sie aber nicht draußen verbringen und war alleine im Flur vor dem Lehrerzimmer. Das hat mich ziemlich fertig gemacht, muss ich ehrlich zugeben, klar ist sie dann aufgetaut, aber das kann es doch nicht sein, dass sie erstmal so leiden muss. Am nächsten Tag brachte ich sie widerwillig zur Schule, leider war ihre Lehrerin da krank und es war eine Vertretung im Klassenzimmer, das hat sie wohl noch mehr verunsichert und ich habe sie nicht ermutigen können zu bleiben und sie dann wieder mitgenommen, auch weil es sich für mich richtig anfühlte, dann habe ich es uns die letzten zwei Wochen vor den Weihnachtsferien erspart, noch einen Versuch zu wagen, ich war psychisch einfach zu sehr am Ende, um das weiter durchzustehen am Morgen.
Also war das jetzt quasi ein Neustart und wir hatten daheim auch viel geredet und sie wollte auch zur Schule gehen. Meistens ist sie daheim noch sehr motiviert gewesen und direkt im Klassenzimmer ist die Stimmung komplett umgeschlagen. Ich saß dann heute laut weinend im Flur in der Schule und habe mit dem Thema komplett abgeschlossen, ich kann sie da nicht mehr hinbringen, ich halte den Stress nicht mehr aus und womöglich würde ich ab sofort jedes mal einen Zusammenbruch haben, es hatte sich ja vorher schon immer mehr angestaut bei jedem mal, nur konnte ich es da unterdrücken und habe daheim erst geweint und bin verzweifelt. Nun weiß ich einfach nicht mehr weiter. Wir sind auf Wartelisten von Ergotherapeuten, wir haben noch immer Anfang März den Termin beim Kinderpsychiater, wo wir dann eine Medikation besprechen wollen, aber bis März ist es noch so weit, wir bekommen jetzt schon eine Menge Druck von der Schule. Wir haben am Freitag wieder einen Termin mit dem Jugendamt und schauen mal, was der Herr uns noch raten oder anstoßen kann. Ich habe nun auch endlich das Formular für die Schulbegleitung ausgefüllt und möchte eigentlich auch noch Ambulanzen für Autismusdiagnostik anrufen, weil ich glaube, dass da mehr als nur ADHS dahinter steckt (wie ich auch bei mir und meinem Mann vermute). Mir fällt momentan aber wirklich alles schwer, ich bräuchte echt Hilfe beim Ausfüllen von Formularen und bei der Suche nach Hilfe. Früher habe ich alles überpünktlich hinbekommen, jetzt verpasse ich Termine und Abgabefristen, arbeiten kann ich auch kaum noch (selbstständig). Ende des Monats haben wir noch einen Termin beim Kinderarzt, ich weiß aber nicht, was uns das bringen wird.
Habt ihr vielleicht noch Tipps, wie wir mit der Situation umgehen sollen, was wäre jetzt richtig und wichtig zu tun. Ich werde natürlich dem Herrn vom Jugendamt sagen, dass ich das nicht mehr schaffe und ich komplett überfordert bin mit der Situation, ich werde versuchen es diesmal nicht runterzuspielen und zu sagen, wie ich mich fühle, mit dem Zeigen habe ich da leider so meine Probleme, ich wirke leider immer viel entspannter, als ich wirklich bin und kann da auch nicht anders, außer ich breche total in Tränen aus. Aber wie sollen wir mit der Schule weiter verfahren? Ich habe meinem Mann schon geschrieben, dass er sie morgen in die Schule bringen muss bevor er zur Arbeit fährt, weil ich es nicht mehr kann… ich frage mich nur, ob das klappen wird und glaube auch, dass mein Mann das auf Dauer nicht schaffen wird, auch er bricht daheim immer wieder zusammen, weil er nicht weiter weiß. Ich stecke echt viele Hoffnungen in die ADHS Medikamente, dass sich das alles dann beruhigt und bessert und natürlich auch, dass wir bald eine Therapie beginnen können. Aber März ist so weit weg, ich halte es ja jetzt schon nicht mehr aus, dieser Druck von außen, von der Schule, die Angst versagt zu haben und nichts wert zu sein, eine schlechte Mutter zu sein und das niemand uns versteht. Schlimm genug, dass ich ein Leben lang selbst versuche normal zu wirken und mein Mann wollte eigentlich auch immer nur „ein richtiger Junge“ sein, (er zieht da wirklich immer die Analogie zu Pinocchio) und jetzt zu sehen, wie wir versagen und dass wir unserer Tochter nicht helfen können, das macht uns echt fertig…
Achja, die Schulzeit haben wir theoretisch schon auf 2 Stunden verkürzt, aber auch das hilft unserer Tochter nicht gegen ihre Angst. Die Lehrerin meint immer, wenn wir sie nicht zur Schule bringen, wird die Angst nur immer größer, dabei wurde ihre Angst ja immer größer während sie noch zur Schule ging, also irgendwas passt doch an der Logik echt nicht…