Hallo ich bin neu hier und suche Rat. Ich arbeite als Integrationshelferin seit kurzem mit einem Kind zusammen, das ADHS hat (1.Schuljahr). Nun habe ich selbst mit der Diagnose nicht ganz so viel Erfahrung (hatte bisher nur andere Diagnosen, Authismus usw).
Daher meine Frage ob es sich wirklich um ADHS handelt. Ich weiß, ihr könnt bestimmt auch keine Ferndiagnose stellen aber vielleicht findet ihr etwas, was ich übersehe:
das Kind ist sehr aggressiv und lässt sich leicht reizen, reagiert dann auf (zb einen unbeabsichtigten Schubser von einem anderen Kind) mit Schimpfwörtern und Geschrei.
der Sitzplatz ist (blöderweise) direkt am Fenster mit Blick auf den Park, aber das scheint das Kind überhaupt nicht zu interessieren, keine Ablenkung.
es kennt keine Grenzen, greift Erwachsenen ins Gesicht, provoziert.
es kann seine Aufgaben erledigen, macht sie aber nicht. Nicht weil es sich nicht fokussieren könnte sondern weil es nach eigener Aussage „keine Lust“ hat, stört stattdessen rigoros den Unterricht.
es zerstört seine Unterlagen und Bücher scheinbar mit Absicht, wirft zb Bücher statt sie zu tragen.
bei Leseaufgaben wird mit allem gespielt und geworfen, wenn die Kinder leise sein sollen wird lautstark nach der Lehrperson gefordert.
im Unterricht gelten zwar Regeln aber das Kind scheint davon ausgenommen, es genießt „Narrenfreiheit“. Die Lehrperson ist scheinbar überfordert.
Versteht mich bitte nicht falsch ich will das Kind nicht schlecht reden, ich teile nur meine Beobachtungen mit. Sowei ich es gelesen und gelernt habe sind Kinder mit ADHS zappelig, unruhig und können nicht kontrollieren ob und wann sie gerade zappeln. Sie lassen sich von allem Möglichen ablenken weil alle Eindrücke gleich stark bei ihnen ankommen. Das sehe ich bei meinem Schützling aber nicht. Vielleicht übersehe ich etwas.
Auf mich wirkt das Kind (nur) aggressiv und grenzüberschreitend.
Daher habe ich so meine Zweifel an der Diagnose. Aber wie gesagt ich bin kein Experte.
Deshalb die Frage an euch - erkennt ihr euch darin wieder? Übersehe ich etwas? Habt ihr Tipps für mich?
Das ist tatsächlich nicht so einfach zu beurteilen aus der Ferne.
Man weiß ja auch nicht so genau, was von was kommt, was ist schon eine Folgestörung.
Also auf jeden Fall würde ich auch mal raten, die visuelle und auditive Wahrnehmung zu prüfen.
Folgendes Buch sollten meiner Meinung nach alle Lehrer und THA lesen, Pflichtlektüre:
→ Heike Schuhmacher, Fehler muss man sehen
Da wird sehr anschaulich und super schön aufbereitet deutlich gemacht, auf welch vielfältige Weise sich Probleme mit einem oder mehreren der über 20 oder 30 Aspekte der visuellen Wahrnehmung äußern. Das ist hochinteressant, weil es auch ins Verhalten abfärbt.
Medikation wurde noch nicht angedacht? Das könnte eine große Entlastung für das Kind sein, falls es reizüberflutet ist…
Mein Sohn hat jetzt erst mit 16 Hörgeräte bekommen, weil der HNO Arzt meinte, es würde nicht viel bringen.
Und nun sagt unser Sohn, wie viel stressärmer der Alltag auch in der Schule die ihn ist!
Erstmal nur kurz:
„Keine Lust“, ließ mal, was langweilige Aufgaben für adhs - ler bedeuten - Er kann sich nicht überwinden, keine Motivation und Antrieb dafür.
Versehentliche Berührung - falsch verstandene Situation, was auch durchaus adhs sein kann.
Erwachsene angreifen… in welchem Zusammenhang? Ich vermute mal, er steht nicht Mitten im Unterricht auf und greift die Lehrkraft an?
Man kann ja Läuse haben und zusätzlich Flöhe, wie man immer so schön sagt.
Wenn das Kind eine ärztliche Diagnose hat, macht es ohnehin wenig Sinn, das zu hinterfragen.
Die sichtbaren Symptome müssen nicht bei allen Betroffenen gleich sein.
Man könnte jetzt ja auch wüst spekulieren: das Kind hat immer nur gehört, zappel nicht rum,. Reiß dich zusammen und trägt die Unruhe jetzt nicht mehr nach außen, sondern kompensiert sie dann durch Aggressionen.
Hat vielleicht sogar Gewalt erfahren, von überforderten Betreuungspersonen, was auch immer…
Dass das Kind nicht aus dem Fenster sieht, muss nichts bedeuten. Vielleicht ist da draußen einfach auch nichts interessantes.
Ich hab auch in der Schule nicht aus dem Fenster gesehen, gab doch im Klassenraum genug interessantes
Hi, erstmal danke für die Antworten, das Buch habe ich mir gleich mal notiert, werde es bestellen.
Nein, Medikation ist noch nicht in Kraft getreten, ich weiß leider nicht warum, die Diagnose steht seit ca einem Jahr.
Die Frage ist wie ich am besten mit dem Kind umgehen kann und wie ich die Eltern richtig erreiche. Ich habe viel darüber gelesen, dass der Alltag mit ADHS extrem ist, daher möchte ich nicht mehr Stress machen als die Familie ohnehin schon hat.
Aber wenn es weiter so läuft wird mein Schützling die erste Klasse wiederholen müssen und das möchte ich vermeiden.
Vielleicht habt ihr noch Anregungen wie ich am besten vor allem mit der Aggression und der Verweigerung umgehen kann.
Ich weiß ja nicht warum er die Klasse wiederholen soll … Mein Sohn hat die 2. Klasse wiederholt. Und im Nachgang war es die beste Entscheidung. Er hat einfach das Jahr „länger“ gebraucht. Kommt mit den Schüler und der Lehrerin besser klar.
das ist nicht so einfach. ADHS-Betroffene sind nicht einfach nur ablenkbar und hyperaktiv. Sondern das ist stark unterschiedlich je nach Situation und Zusammenhang.
Die Frage ist meist nicht, ADHS oder nicht, sondern ADHS und was noch?
Ich finde es in diesem Fall fahrlässig und auch rücksichtslos gegenüber dem Kind und auch den anderen Beteiligten, wenn schon die Diagnose steht, wieso kein Medikationsversuch gemacht wird. Das wäre doch bei so einer starken Symptomatik ziemlich dringend, auch noch vor Einschalten einer Integrationskraft.
Bei ADHS ist die Selbst- und Fremdwahrnehmung gestört. Viele Betroffene sind erst mit Medikamenten in der Lage, mitzukriegen was um sie herum vorgeht und angemessen zu reagieren.
Ich würde sagen der Platz am Fenster ist gar nicht so falsch, ein Platz zwischen anderen Schülern wäre ungünstiger. Wobei ganz vorne wahrscheinlich noch besser wäre.
Vieles scheint bei solchen Kindern so, aber ich glaube niemand ist mit Absicht so. Auch die Aussage, keine Lust zu haben, ist nicht verlässlich. Kinder wissen nicht warum sie so handeln.
Jedenfalls, die Klasse wiederholen ändert an der Situation nicht viel. Er sollte Medikamente kriegen (und zwar erst einmal Stimulanzien und kein Neuroleptikum), was es bringt weiß man nicht vorher, aber es wäre einen Versuch wert. Und Separierung ist zwar nicht in Mode, aber eine Förderschule mit kleinen Klassen könnte für jemand wie ihn ein Segen sein.
So wirkte mein Sohn auch in der Grundschule. Er war maßlos überreizt und überfordert. Es kam zu Suspendierungen wegen unkontrollierten Eskalationen. Letzendlich hat mein Sohn gesagt: „Ich wollte nur Ruhe haben“
Was minimal helfen könnte ist, aus dem Geschehen etwas rauszunehmen. Dass er zum Beispiel einer der ersten und letzten rausgeht, mit etwas Abstand zu den Kindern sitzt. Pausen nicht unter 100 Kindern verbringt, sondern mit 1-2 Kindern unter Aufsicht.
Die älteren Bücher von Cordula Neuhaus finde ich ganz gut zu dem Thema.
Mein Sohn war immer lieb aber massiv verpeilt. Leider wurde uns keine Medikation angeboten.
Er hat quasi die ganze Grundschule versäumt, bis in der 4. Klasse Medikation und Assistenz gleichzeitig kamen und ein Jahr später noch eine Autismusdiagnose.
Das grenzt an Körperverletzung, eindeutig betroffenen Kindern in der Schule die Medikamente nicht zu geben. Und nachmittags brauchen sie die Medikamente für das soziale Lernen.
Ich werde die Familie nochmal auf die fehlende Medikation ansprechen, wie gesagt ich weiß nicht warum das Kind noch keine bekommen hat.
Vielleicht kann ich auch dieses Forum empfehlen, hier bekommt man ja wirklich viele Infos.
Also, danke nochmal für die Antworten.
Das Kind das ich betreue ist ja auch ganz lieb, nur zu impulsiv. Da wird aus einem gemeintem „Guten Morgen“ ganz schnell mal „AAAAARGH“…
Ich hab halt etwas Angst dass, wenn es die Klasse wiederholt sich auch die ganzen Beschwerden und die Ablehnung wiederholt. Jetzt ist das Kind ja in der Klasse so halbwegs integriert, die anderen Kinder wissen, es ist nicht böse gemeint.
Das mit der Wahrnehmungsüberprüfung habe ich angesprochen, es gab da wohl früher schon Untersuchungen aber vielleicht kann man das nochmal testen lassen.
Hallo Elitza, ich schließe mich @nono an. Es könnte auch eine Wahrnehmungsverarbeitungsstörung bei dem Kind vorliegen. Häufig verwechselt man das mit ADHS. Die Probleme liegen im auditiven, visuellen, propriozeptiven, vestibulären ,taktilen bereich … auch die laterlität, körperschema, grob- und feinmotorik spielen mit rein. Allerdings kann man halt auch von beiden betroffen sein.
Bekommt das Kind zusätzliche Förderung in form von ergotherapie? Wenn nicht,würde ich das den Eltern empfehlen. Ergos nit SI Ausbildung können ein Screening durchführen, ob das Kind eine Wahrnehmungsverarbeitungsstörung hat, eine sensorische Integrationsstörung oder ob die perestierende reflexe der Grund sein könnten.