Woher haben wir diese "Stehauf-Männchen" Mentalität?

Immer wieder Scheitern, viele Misserfolge, und trotzdem sind wir noch da.
Ich frage mich öfters, warum wir trotz allem noch nicht resigniert haben!
Meine Theorie ist, das Vergessen.
Oder Täglich grüsst das Murmeltier.
Bei mir ist es so, dass ich viele negative Dinge in der Vergangenheit stärker vielleicht als andere vergesse. Aus den Augen, aus dem Sinn, oder Vergesslichkeit nach hinten.
Leider neigt man dann dazu, auch Fehler zu wiederholen, so dass man im Kreis geht.
Geht mir bei Süchten aller Art so, dass wenn ich davon genesen bin, aufpassen muss, da der Harte Entzug z.B. von Medikamenten kaum noch Erinnerbar ist, höchstens rational, aber nicht vom Gefühl, wie eklig das war…
Schulzeit, Jugend, aus meiner Retrospektive toll. Real völlig anders. Klar neigen alle dazu zu verdrängen, aber ist das bei uns ausgeprägter, weil vergessen?
Was habt ihr so für Erklärungen?

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Spannendes Thema! Meine Theorie ist: das immer wieder Aufstehen ist der verzweifelte Versuch des dopamin-defizitären Gehirns auf der Suche nach Glück/Bestätigung/ Erfolg/ Liebe/ Freundschaft im weitesten Sinne. Konkret denke ich: es ist die „Jagd“ nach Dopamin, um zu überleben, quasi evolutionär/ biologisch begründet. Dass wir ADHSler schnell vergessen, hilft sicherlich dabei, an dieser ewigen Suche nicht zu verzweifeln. Ist nur ne Vermutung. QED= Quod erat demonstrandum :smile:

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Eine sehr interessante Frage, die ich mir komischerweise nie wirklich gestellt habe, obwohl ich jetzt da Du @Hypoborea diese interessante Frage stellst, mich plötzlich fast schon „ertappt“ fühle.
Vergessen kann vielleicht eine Methode sein, wenn ich aber über mich selbst nachdenke müsste ich ganz eindeutig zugeben das ich verdränge.
Wenn ich ehrlich bin, bin ich wahrscheinlich sogar eine wahre Meisterin im verdrängen.
Hätte ich gewisse Dinge in meinem Leben, aus der Vergangenheit, nicht verdrängt wäre ich vielleicht nicht mehr am Leben.
Aber eigentlich hänge ich ziemlich an meinem Leben, auch wenn meine Kindheit/Jugend in einem gewalttätigen Elternhaus nicht traumhaft war.
Gleichzeitig gibt es trotz all dem negativem das ich erlebt habe auch so viel gutes, Menschen die ich aus tiefstem Herzen Liebe, meine Kinder, mein Partner, für die ich durchs Feuer gehen würde.
Ich denke das ich irgendwie nie richtig erwachsen wurde, mir eine kindliche Gutgläubigkeit erhalten geblieben ist, fast schon ein Zwang in allem das Gute sehen zu wollen, obwohl ich doch sehr genau weiss das ich mich dahingehend meistens selbst belüge.
Dennoch kann ich nicht aufhören damit, dieses ewige Spiel das fast schon einem Tanz gleicht: stolpern, hinfallen, liegen bleiben, aufrichten, weiterkämpfen.
Und dieser Tanz wiederholt sich immer und immer wieder, als würde ein unsichtbarer Puppenspieler im Hintergrund die Fäden ziehen, oder irgendjemand immer wieder auf die Repeat Taste drücken.
Obwohl ich eigentlich normalerweise über einen gesunden Menschenverstand verfüge, scheine ich nicht in der Lage zu sein effektiv etwas aus vergangenen Fehlern zu lernen.
Zum Beispiel gelingt es mir nicht nach dem gefühlt hundertausendsten mal, ENDLICH sowas wie einen ganz beschissen, einfachen, fucking „Wochenplan“ stur „durchzuziehen“.
Ich bin ja schon froh wenn ich es schaffe an einem einzigen Tag meine Aufgaben zu erledigen.
Und diese Unfähigkeit macht mich dann wieder total wütend auf mich, und dann bin ich wieder am resignieren, bin deprimiert und so weiter und so weiter.
@Hypoborea , ich wollte ich könnte Dir eine halbwegs schlaue Antwort geben, aber ich kann es nicht.

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Etwas was mir gerade noch dazu einfällt, und natürlich kann ich auch hier nur wieder von mir selbst sprechen, ist das ich nie gelernt habe „richtig“ zu lernen, heisst mir im Prinzip niemand von Anfang vorgelebt hat, wie man sein Leben „richtig“ bewältigt.
Denn das Dilemma ist ja das, das schon meine Eltern mit ihrem Leben, ihren Aufgaben, sei es der
tägliche Broterwerb oder die Kindererziehung , total überfordert waren.
Wenn das tägliche Leben im Prinzip zum Überlebenskampf wird, jeder Tag aufs neue alle Kraft erfordert die man aufbringen kann, man oft das Gefühl hat als kämpfte man gegen Windmühlen an, sich nie ein grosser Erfolg eingestellt hat, dann erwartet man irgendwann auch nichts mehr.
Man hofft zwar unterschwellig schon noch darauf, aber man glaubt nicht mehr daran.
Sozusagen gibt man dann aufgrund davon das man eh nicht mehr wirklich an eine Verbesserung glaubt auf, bevor man was wirklich zu Ende gebracht hat.
Das Leben wird so praktisch zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung , nach dem Motto: Ok, ich probiere es nochmals, obwohl ich nicht daran glaube das ich das hinkriege.
Naja, kann das schwer beschreiben, aber irgendwie so in der Art.

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Und dann lähmt mich auch dieser ständige Erfolgsdruck, kaum hat man doch endlich mal was hingekriegt kommen wieder neue Anforderungen, ja aber jetzt musst du doch noch dieses und jenes auch noch erreichen, da geht doch noch mehr, andere können das doch auch.
Es scheint kein Ende in Sicht, genug ist nie genug.
Dieser Druck kommt sowohl von aussen, als auch von mir selbst.
Irgendwie fühle ich mich fast wie unter einem Zwang mich mir selbst, aber vorallem anderen beweisen zu müssen, zu zeigen das ich es nicht nur könnte wenn ich wollte, sondern das ich es wirklich kann wenn ich will.
Aber dann scheine ich auch wieder nicht in der Lage zu sein, eine Grenze zu ziehen, zu sagen „Stop, es ist genug jetzt, gönne dir erst mal eine Pause bevor du wieder etwas neues in Angriff nimmst“.
Ich habe einfach nie das richtige Mass, powere mich bis zur Erschöpfung aus, oder lasse mich treiben, habe einfach kein gesundes Mittelmass.
Ich ist als sei ich gefangen in diesen Gegensätzen, einem Leben in den Extremen.

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Ist ja nicht so, dass Aufgeben uns irgendwie voran bringen würde. Das Leben wird dadurch nicht besser, nur hoffnungsloser. Und langweiliger.

Ich weiß nicht, ob Vergessen eine Rolle spielt. Ich kann mir aber vorstellen, mir vorzunehmen, nichts Spannendes mehr von einem Leben voller Reinfälle zu wollen – und mich spätestens nach ein paar Wochen so zu langweilen, dass ich mich dann doch wieder in irgendein unüberlegtes Abenteuer stürze.

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Wenn man aufhört gehts bergab. Als stünde man auf einer Rolltreppe.

Ich hatte mal gelesen, dass ADHS auch burnoutprotektive Aspekte beinhaltet. Eben das Vergessen.
Und ich glaube, dass man durch diese übermäßige Emotionalität eben auch Positives stärker wahrnimmt? Das ist eine Quelle. Kraft die wir für die nächste Bruchlandung brauchen.

Dieses Zitat finde ich sehr schön und passend:

„Ich bin, ich weiß nicht wer. Ich komme, ich weiß nicht woher. Ich gehe, ich weiß nicht wohin. Mich wundert, daß ich so fröhlich bin.“

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Ich begründe es damit, dass eines meiner Lebensmottos von Samuel Beckett stammt:
„Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern“

Über Aufgeben denke ich fast nie nach.

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das finde ich sehr spannend. Gerade so sachen wie

da finde ich mich auch sehr gut drin wieder. Ganz egal wie sch*** das Leben manchmal auch ist, wir blicken ihm frech ins Gesicht und sagen „jetzt erst Recht!“

Liegt es an der kindlichen Gutgläubigkeit? An dem „Dopaminkick“, wenn etwas geklappt hat? Die Hoffnung auf Lob, wenn man etwas hin bekommen hat? Ich weiß es nicht.

Ich denke aber irgendwie, dass für unsereinen ein Lob viel schwerer wiegt, als das Scheitern, der Misserfolg. Dass die positiven Gefühle ein stärkeres Gewicht bekommen und deshalb intensiver erlebt werden…? Weiß nicht ob das jetzt richtig vormuliert ist, aber irgendwie so könnte ich es mir vorstellen.

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Ich hatte diesen Beitrag bestimmt ein paarmal aufgeklappt, um zu antworten. Dann wieder zugemacht, weil ich gar nicht recht wusste wie und eben habe ich es doch tatsächlich in einem anderen Beitrag einfach so meine Sichtweise beschrieben, es kam sozusagen von selbst:
Eines haben wir Neurodiversen fast alle gemein: wir haben die Kraft immer wieder aufzustehen, das schier unmögliche möglich zu machen, die Karre aus dem tiefsten Dreck zu ziehen, zu sagen und zu erkennen, das das „geht nicht“ eben doch geht. Dass ist das was uns vorantreibt, der innere Schweinehund, der immer wieder besiegt wird und das ist das gute Gefühl, das uns immer weiter machen lässt.
Ich finde diese Frage auch höchst interessant und bin sehr auf die Antworten anderer gespannt. Man lebt es einfach und macht sich nicht wirklich Gedanken darum, wieso es eigentlich so ist. Viel öfter steht man an dem Punkt „ich kann nicht mehr“ und macht dann doch weiter, immer und immer wieder. Dies ist ja etwas, was für uns, für mich, überlebensnotwendig ist, ohne das „Duracell“-Hasi in einem geht es einfach nicht, unermüdlich jede Hürde zu nehmen. Pause ja, aber dann geht es auch direkt wieder weiter. Ganz getreu meiner Weckeransage zum Aufstehen: „Hopp Bubbl“! Typisch pfälzisch eben… :sweat_smile:

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Ich denke dass wir einfach an einem Punkt einfach für uns beschlossen haben dass Versagen bzw. Aufgeben keine finale Option ist.
Die Geschichte wie wir im einzelnen an diesen Punkt gelangt sind ist bei jedem unterschiedlich. Genauso wie die finalen Auswirkungen dieser Entscheidung da jede/r für sich selbst entscheidet wie weit er / sie tatsächlich bereit ist zu gehen.
Habe am Wochenende dazu auch mal was längeres geschrieben was es für mich selbst ganz gut auf den Punkt bringt. https://adhs-forum.adxs.org/t/was-mir-kraft-gibt/7089

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Ein schlauer Mann hat mir mal gesagt:
„Erfolg ist einmal mehr aufstehen als hinfallen“

Ich denke, wir sind alle so, weil wir uns beim „wieder aufstehen“ hier anmelden.

Es gibt sicherlich auch genug Fälle, die es nicht bis an diesen Punkt schaffen.

Bezogen auf die Eingangsfrage denke ich, wir vergessen ganz allgemein Sachen.
Mir fällt oft auf, dass ich gerade gute Sachen schnell vergesse oder manchmal auch gar nicht mitbekomme, wenn etwas gut ist oder war.

Davon würde ich die negativen Suchtaspekte angrenzen wollen:

Bei Sucht ist es, glaube ich, unabhängig von ADHS so, dass man die negativen Aspekte verdrängt, da die Sucht ja irgendein Bedürfnis befriedigt hat.
Darum besteht eine starke positive (weil bedürfniserfüllende) Assoziation im Kopf, die aufgrund ihrer stärke und häufigen Aktivierung einfach besser „gelernt“ ist, als das Negative.

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Ehrlich gesagt funktioniert es einfach nicht aufzugeben.
Ich wollte ein paar mal aber wusste nicht wie. „Es“ lässt einen garnicht.
Dann kommt auch Stolz und Trotz dazu.

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„Aufgeben ist keine Option!“
„Weil wir so willensstark und zielstrebig sind?“
„Nein, weil wir nicht auf die Idee kommen.“

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Das hat auch mit der eigenen Naivität zu tun, zu glauben, dass es jemals besser wird.
Irgendwie eingebaut.
Wir rennen jedes mal mit dem Kopf gegen die Wand und haben schon Hornhaut auf der Stirn.
Wir kennen es ja nicht anders, und der Mensch ist ein Gewohnheitstier.
Lebten wir auch nur einen Tag im Kopf eines NTs, wir würden verzweifeln, wie leicht das Leben sein kann!
Grade wenn noch andere Co-Morbiditäten vorhanden sind.
So stelle ich mir die Lichtblicke unter Amphetaminen vor.

Wer hat mal geschrieben, ADXSler leben immer im Hier und Jetzt?
Also doch das Murmeltier, dass täglich grüsst.

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Ich mag das nicht so pauschal unterschreiben. Wieviele sind nicht diagnostiziert, medikamentieren sich selbst und rutschen vollständig ab? Diese Menschen sind unsichtbar. Nicht nur bezogen auf AD(H)S.
Resilienz hängt auch unfassbar stark von äußeren Faktoren ab. Und die sind für viele Menschen absolut tödlich.

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Aufgegeben ist tatsächlich keine Option :wink:

Es mag durchaus was dran sein, dass wir einfach nicht anders können als weiter machen.

Ich habe schon viele kleinere und große Löcher hinter mir und bin immer wieder aus eigenem Antrieb wieder aufgestanden.

Außer alles was hier schon genannt wurde, sehe ich noch einen weiteren Grund warum wir immer wieder weiter machen und der heißt Erfahrung.

Auf den ersten paar Mal trifft das natürlich nicht zu, aber nach ein paar Mal neu anfangen, speichert unser Gehirn dies ab als ein erfolgversprechender Herangehensweise. Wir wissen quasi, ohne diese Gedanken bewusst auf zu rufen, dass weiter machen bzw neu anfangen funktioniert und können fast nicht anders. Wir haben es uns sozusagen selbst beigebracht.

Auch jetzt, wo ich mich in einem großen Loch befinde und ziemlich depressiv bin, halte ich mich daran fest und suche ständig nach Wege um da wieder raus zu kommen. Bin trotzdem überzeugt, dass es wieder besser wird.

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Am Ende ist es sowieso nur der natürliche Überlebenswille den jedes Lebewesen in sich trägt der uns dazu antreibt immer weiter zu machen.

Je länger je mehr frage ich mich, wer zum Geier hat diese Hypothese das angeblich ausgerechnet wir Adhs’ler* so besondere Stehaufmännchen sind in die Welt gerufen?.

Und wie sollte das überhaupt überprüfbar sein das diese Aussage stimmt?, und warum ausgerechnet wir Adhs’ler*?, wenn dann sollte das doch auf Normalos viel mehr zutreffen, oder?.

Am Schluss glaubt eh jeder was er glauben will, letztendlich geht es nämlich nur darum.

Ist ja auch nicht schlecht solange es denn Zweck des überlebens erfüllt, aber wissenschaftlich bewiesen ist damit nichts.

Ein Stehaufmännchen ist also im Prinzip jeder* solange er/sie daran glaubt, und an sich glaubt.

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Interessanter Gedanke. Das Wir schließt allerdings nicht aus, dass jeder Mensch von Natur aus Überlebenswillen zum Steh-auf-Männchen mutiert. Daher stimme ich dir zu.

Vielleicht hat es mit der Häufigkeit des Fallens uns wieder aufstehen zu tun? Aber auch da gibt’s natürlich eine Menge Beispiele, auch unter mehr oder weniger Normalos :wink:

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Ich glaube durch starke Rückschläge und Niederlagen wird Schmerz und Unwohlsein induziert, was wiederum das Dopaminsystem sensibilisiert. Pain-Pleasure-Balance nennt man das. Sprich, wer völlig am Boden ist und sich dann aufrafft, bei dem hat Dopamin mehr Effekt. Diese „Underdog-Mentalität“ bei der man sich aus dem letzten Drecksloch nach oben kämpft, wird wahrscheinlich ne gute Dopamin-Reaktion hervorrufen.

Gleichzeitig vermute ich dass ADHSler wahrscheinlich besser mit hohen Stresspegeln und Noradrenalin-Leveln umgehen können, weil die Stimulation dann genau richtig ist. Während ein Normie bei dem Stresslevel absolut überfordert wäre.

Das alles passt in die Theorie, dass ADHS einen Selektionsvorteil in gewissen Lebensumständen brachte. Wenn du z.b. als ADHsler im Kampf oder auf der Flucht bist, biste ideal stimuliert und deine Sinne und Reaktionen funktionieren einwandfrei. Eine aussichtslose oder sehr negative Situation ist eigentlich nicht viel anders, es stimuliert halt einfach.

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