Zeitblindheit - Definition und Beispiele

Hallo,

bezieht sich die Zeitblindheit bei ADHS eigentlich nur auf den Alltag, also im Bereich von Minuten und Stunden? Oder gehört es auch dazu, dass man zum Beispiel das Gefühl hat ein bestimmtes Ereignis wäre schon ein halbes Jahr vergangen und wenn man nachrechnet stellt man fest es waren doch nur 3,5 Wochen.

Oder, dass man länger zurückliegende Ereignisse gar nicht mehr zeitlich zuordnen kann („war das vor 5 oder vor 10 Jahren?“).

Habt ihr Beispiele aus eurem eigenen Leben zur Zeitblindheit?

Gruß

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Hallo Sims,

ich habe keine Ahnung, was da ‚offiziell‘ gilt. Ich weiß nur, dass ich was längere Zeiträume angeht, ein völlig anderes Verhältnis zu Zeit und Wahrnehmung habe, als andere Menschen. Bei mir ist es aber mehr, dass ich ‚keine Meinung‘ zu der Frage habe, wie lange sich etwas her anfühlt. Wobei andere Leute ständig irgendwelche Verwunderung äußern, dass etwas schon so lange her sei, aber es sich anfühlt wie gestern. Oder umgekehrt.
Meine Therapeutin stellt mir manchmal solche Fragen, wie lang sich etwas anfühlt und ich kann es nicht sagen. Meistens bin ich auf der Skala einfach nicht verwundert. Das findet sie wiederum Bemerkenswert…

Beste Grüße
Sören

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Ich weiß nicht, ob es zur Zeitblindheit gehört, wie es hier verwendet wird.

Ich habe mal vor kurzem gelesen, dass Kinder z.B. 2 Stunden im Voraus denken und planen können. Ältere dann 2 Tage und Jugendliche 2 Wochen (glaube ich)
ADHS Jugendliche können es nicht, leben in hier und jetzt und erledigen dann alles im letzten Moment (wenn sie es denn schaffen)

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Vorausdenken hat bei mir vor allem etwas mit bewusster Anstrengung zu tun. Ich glaube, wie so viele Dinge, können adhsler eigentlich alles, es passiert nur weniger unbewusst und ist mit bewusster und anstrengender Gedankenarbeit verbunden. Bei generellen Energiemangel beschränkt sich bei mir das vorausplanen dann tatsächlich auf 'hauptsache den morgigen Tag überleben ’ :roll_eyes::sweat_smile:

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Also bei mir persönlich bezieht sich die Zeitblindheit eigentlich auf sehr vieles in meinem Leben.

Das fängt damit an das ich nicht mit Sicherheit sagen kann ob ich für etwas 5 Minuten, 10 Minuten, 15 Minuten, eine halbe Stunde, eine Stunde, oder sogar den ganzen Tag benötigen würde, und wenn ich ganz ehrlich bin wäre es sogar möglich das ich nicht mal das mit Sicherheit sagen könnte, also ob ich eventuell einen ganzen Tag für etwas brauchen könnte.

Denn es könnte auch sein das ich mehrere Tage bräuchte, vielleicht aber sogar mehrere Wochen bräuchte, je nach dem aber auch mehre Monate bräuchte, auch mehrere Jahre wären nicht unmöglich.

Kurz gesagt, ich persönlich, kann ehrlich gesagt nie mit Sicherheit sagen wie lange ich für etwas brauche, mir persönlich fehlt da tatsächlich jegliches Zeitgefühl.

Manchmal schaffe ich es etwas innerhalb von Minuten zu machen, aber meistens erst wenn mein Zeitdruck extrem hoch ist.

Manchmal schaffe ich es trotz extremen Zeitdruck nicht, was mir dann Mahnungen und so weiter auf den Hals hetzt, was dann manchmal etwas bewirkt, aber auch nicht immer, sondern das es dann so weiter geht bis eine zweite Mahnung eintrudeln muss, im schlimmsten Fall sogar eine dritte.

Und auch dann schaffe ich es nicht unbedingt endlich meinen A… hoch zu kriegen, sondern bin spätestens in diesem Stadium dann auf die Hilfe von anderen angewiesen.

Jedenfalls, Zeit einzuschätzen ist schon immer eine meiner grössten Baustellen die ich kenne.

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Hallo,

vielen Dank an alle für eure Antworten. Das ist interessant…

Bei @AbrissBirnes Schilderung musste ich daran denken wenn mein Chef mich fragt:

„Wie lang brauchst du für diese Aufgabe?“

Dann rate ich immer irgendwas und da er mich kennt verdoppelt er die Anzahl der Stunden/Tage/Wochen :slight_smile:

Ich schätze eigentlich immer viel zu wenig für die meisten Sachen, gerade auf der Arbeit… Vielleicht sollte ich den Prokrastinierungsfaktor berücksichtigen (x2).

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Ich muss da dann noch den „Ich halte mich an den kleinsten Details auf“-Faktor hinzurechnen.

Also irgendwie dann (x5)? :adxs_lach:

Wenn die mich fragen „Wie lange wird das dauern?“ kommt von mir eigentlich erstmal ein „Puh, muss ich mir genauer angucken“.

Wenn ich andere unwichtigere Dinge dann flexibel verschieben kann, beiße ich mich aber sowieso erstmal an dem heißen Thema fest, weils dann permanent im Kopf ist und ichs wissen will :see_no_evil:

Dann fange ich an und finde dabei oft genug immer mehr neue Details. Aber aus unerklärlichen Gründen schaffe ichs irgendwie doch. Da wird dann alles drangesetzt, was geht :exploding_head: :man_facepalming:t2:

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Genau, da wird alles drangesetzt und nicht selten funktioniert es auch, nur der Preis dafür ist häufig ein sehr hoher🥴

Hast Recht, das ist natürlich auch meine erste Reaktion. Immer :sunglasses:

Ich wurde bis vor einer Weile innerlich echt aggressiv, wenn mich Mitarbeiter aus anderen Projekt Teams außerhalb unserer IT sowas fragten, die einfach kein Gefühl dafür haben, wie mein Job aussieht und was ich da mache.

Diese Standard Frage ist in manchen Bereichen einfach unangebracht, aber ich verstehe natürlich auch, warum die fragen.

Meist scheints mir aber eher aus eigener Unsicherheit heraus, weil die das eventuell einem Kunden dann mitteilen müssen und keine Lust auf unangenehme Fragen haben. Das sind i.d.R. dann aber auch nur Email-Weiterschieber.

Das wäre so, als würde man ein Auto mit unbekannter Fehlerursache in die Werkstatt bringen und gleich bei Schlüsselabgabe fragen „Wie lange wird das dauern?“.

  • Fehlersuche
  • Gesamtüberblick verschaffen
  • … dann melden wir uns bei Ihnen :man_shrugging: :smile:
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Ja :see_no_evil:

Mittlerweile achte ich auf Pausen und nach einer Umstellung auf ein anderes Medikament noch mehr.

Es ist mir zwar immer noch wichtig und habe auch Lust, die Sache zu lösen (innerhalb der Deadline), aber ich lasse mich irgendwie nicht mehr so stressen und ab 18:00 oder spätestens 19:00 ist dann auch mal Feierabend.

Auf Überstundenausgleich habe ich viele Jahr auch mehr oder weniger verzichtet, aber auch da hole ich mir mittlerweile die Stunden zurück.

Der neue Chef besteht sogar drauf. Dann fange ich, wie letzte Woche, auch mal den Rest der Woche 2-3h später an und die anderen können warten. Irgendwie hats den Selbstwert nochmal gepusht und das fühlt sich mal gut an.

Die wollen was von mir.
Ich machs echt gerne und bin auch zu Extraarbeit bereit, wenn’s unbedingt sein muss. Aber nicht mehr in der Form, wie noch bis vor paar Monaten. Und erst recht nicht mehr, wie noch vor der Diagnose.

Gutes Gefühl und bekomme auch Recht vom Cheffe. Er schützt mich. Ich mag den Kerl und auch dieses neue Selbstbewusstsein :adxs_friends:

Dachte immer, ich muss… und es wäre selbst dann noch nicht gut genug.
Nee, es ist gut und muss gar nix :pray:t2:

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Ich hab da rein recht frisches Beispiel, was Zeitblindheit u.a. für mich bedeutet. Ich war in Portugal im Urlaub und die ersten 3-4 Tage habe ich noch mein Elvanse genommen. Die Tage kamen mir echt lang vor! Die nächsten Tage hab ichs ausgelassen und die Tage gingen gefühlt irre schnell vorüber. :person_shrugging:

Also nicht erst am Ende des Urlaubs (ab der 2. Urlaubshälfte soll das angeblich ein normales Empfinden sein, hab ich iwo gelesen)…sondern bereits am Anfang.

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Dito! Wenn ich noch 20 Minuten bis zur Busabfahrt habe geht mein „innerer Timer“ davon aus, dass ich in der Zeit noch „ein Buch lesen“, aber zumindest eine Email schreiben könnte, sodass ich entweder zum Bus rennen muss (und ihn auch regelmäßig verpasse), um mich dann zurück im Haus angekommen vor einer weiteren Email sitzend wiederfinde, weil ich ja noch ewig Zeit habe bis der nächste Bus in 15 Min kommt oder - Szenario 2 - ich nichts machen kann - weil in 15 Minuten der Bus kommt und ich bis dahin nichts anfangen „kann“. Ein zeitloses Thema…

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Ach ja stimmt, wie oft bin ich dem Bus hinterher gerannt früher :slight_smile: Wie gut, dass ich jetzt ein Auto habe und flexible Arbeitszeiten.

Ich denke oft, einen Job bei dem ich jeden Tag um, sagen wir 8:00 Uhr, pünktlich da sein müsste, könnte ich überhaupt nicht machen…

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Kann ich zu 100% so nachvollziehen. Meistens vergesse ich auch die kleinen Details, die noch gemacht werden müssen, bevor es los geht. Pinkeln zum Beispiel. Schlüssel suchen :wink:
Durch die Wohnung laufen und Fenster schließen. Mir brechen in den meisten fällen immer die nicht einfallen wollenden Details das Genick.
Auch was schätzung von Aufgaben angeht: immer die Details die sich läppern, die ich aufwendig ins Bewusstsein rufen muss, oder einfach unintuitiv als Faktor draufschlagen muss.

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Bei mir ist tatsächlich beides der Fall.
Ich kann absolut nicht einschätzen, wie lange ich für etwas brauche, auch wenn ich es schon 1000 mal gemacht habe
Da ich aber schon älter und gut dressiert bin, führt es bei mir eher nicht zu Verspätungen, sondern dazu, dass ich vor irgendwelchen Terminen/Abfahrzeiten etc total blockiert bin und gar nichts mehr anfangen kann

Auf längere Zeiträume bezogen ist es mir fast unmöglich zu sagen, wie lange etwas her ist.
Das funktioniert nur mit irgendwelchen Bezugspunkten, also Ereignissen, die mir sehr präsent sind und die ich auch datieren kann

Bei allem anderen ist es mir schleierhaft, ob etwas ein paar Wochen ein Jahr oder zehn Jahre her ist

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Meine beiläufige Copingstrategie ist die Datumsanzeige in den Fotos, die ich zahlreich mache :sunglasses.

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Bei mir ist es umgekehrt. Schätze immer viel zu lange für Sachen ein und habe dadurch das Gefühl ständig keine Zeit zu haben.

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Mein einziges Zeitgefühl was ich habe , ist auf dem letzten Drücker mit Punktlandung oder so eben noch kurz nach knapp noch fertig zu werden . :sweat_smile:

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Das würde für mich auch die totale Erklärung sein, weshalb ich, schon immer und für andere🙈zu viel, fotografiere…

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