Ich bin nicht sicher, ob mein Thema in diesem Forumsbereich oder in „Alles andere“ besser aufgehoben ist fürs Erste. Vielleicht ist es auch mehr ein Borderline Kriterium, also mit Komorbiditäten in Zusammenhang stehend, und/oder Depressivitäts- und/oder eine Art Dissoziationssymptomatik. Dieses Gefühl begleitet mich im Grunde schon mein halbes Leben. Erstmals deutlich in Erscheinung getreten ist es Anfang der 2000er Jahre, als ich …
… einen Job angenommen hatte, der etwa 35 Autominuten (Autobahn) von meinem damaligen Wohnort entfernt war. Von den Fahrtkosten mal abgesehen, kamen unter jenen Umständen - hier wohnen und dort arbeiten - schnell Gefühle von Zerrissenheit auf. Ein weiterer, gewiss schlimmerer Umstand war, dass in diesem Betrieb extrem gemobbt wurde, sodass ich es irgendwann u.a. deswegen nicht mehr schaffte, durch das Tor zur Höhle des Löwen zu gehen und mich ausklinkte. Allerdings denke ich, dass diese Zerrissenheit vordergründig auf die Entfernung Wohnort-Arbeitsort zurückzuführen war und durch die Mobbingluft vielleicht noch zusätzlich befeuert wurde.
Mir war schon damals immer schleierhaft, wie problemlos andere mit der Trennung von Wohnort und Arbeitsort klarkamen. Ein Freund hatte sogar einen wochentäglichen Arbeitsweg von bis zu 2x 1,5 Stunden, je nachdem, ob er mit dem Auto oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln fuhr. Mich machte schon allein meine scheinbar rasende Wanduhr verrückt, je näher sie in die 0 Uhr Nähe kam, besonders, wenn ich Frühdienst hatte. In früheren Zeiten, als meine Arbeitsstätte 2 Kilometer Luftlinie entfernt lag, machte die Uhr das nicht…
Genau genommen habe ich nun eine ähnliche Situation wieder: Arbeitsort etwa 25 Autominuten (Bundesstraße + Autobahn) vom Wohnort entfernt. Allerdings mit dem Unterschied, dass in diesem Unternehmen kein Mobbing herrscht und ich im Außendienst tätig und damit zu 90% für mich alleine bin, was mir im Allgemeinen auch lieber ist. Teamarbeit ist nicht unbedingt meine Königsdisziplin. Mein relativ weiträumiges Einzugsgebiet schürt die Zerrissenheitsgefühle eher wieder, die überwiegende Bekanntheit der Region hingegen wirkt wieder eher verbindend.
Kurz: Je weiter alles auseinander gezogen ist, desto größer können diese Zerrissenheitsgefühle sein und im Umkehrschluss fühlt sich alles verbundener an, je näher alles beieinander ist.
Kürzlich kam mir die folgende Erklärung unter: Ich lebte sehr lange in einem kleinen „Penthouse-Appartement“, aus dem ich zwar immer wieder versuchte auszuziehen, dies aus verschiedenen Gründen aber nie fertigbrachte. Einer dieser Gründe war, dass es meiner Familie, besonders meinen Eltern besser ging, wenn ich in diesem „eingepferchten Zustand, … diesem hochgelegten Kerker“ blieb. So bestand außerdem keine Gefahr für sie, dass ich ihnen (finanziell) zur Last falle, falls ein Vorhaben (Umzug, berufliche Veränderung, …) schief gehen würde. Ich hingegen fühlte mich immer häufiger schon allein deswegen immer abgeschnittener, weil mich etwa 30 Höhenmeter von der Erde trennten, bis mir …
… endlich die „Flucht“ in einen anderen Ort gelang, in dem ich auch immer noch wohne. Doch damit war die Krux noch nicht gebannt. Vielmehr war ich wieder immer stärker bemüht, alles immer weiter auf einen möglichst kleinen Radius zu pferchen, bis man beinah von einer Singularität sprechen konnte. Alles, bloß keine Zerrissenheitsgefühle aufkommen lassen, weshalb ich in der Anfangszeit nicht nur ein Mal fieberhaft überlegte, wie ich am besten alle meine Sachen in ein einziges Zimmer hineinbekommen könnte. Es dauerte ziemlich lange, bis ich mit diesem großen Haus (EFH) klarkam und mich sozusagen verteilte. Doch was mir im Haus gelang, gelang mir nicht nach außen hin. Manchmal wurde es (und wird es u.U. noch) mir schon zu viel, dem Grundstück länger als unbedingt nötig fern zu bleiben, vor Allem, wenn ich den Haushalt nicht auf Reihe hatte (was genau der damit zu tun hat, weiß ich nicht)…
Im physikalischen Sinne ist eine Singularität ein einzelner, quasi unendlich dicht gepackter Punkt, an dem alle Naturgesetze ihre Gültigkeit verlieren. Auf meine Situation übertragen also ein Punkt, an dem es nicht mehr möglich ist, alles noch weiter zusammenzu(d)rücken. Die logische Konsequenz irgendwann: Depri und/oder eine Supernova, also eine gewaltige Explosion…
Im Grunde habe ich diesen Punkt ja nun schon verlassen, indem ich eine Außendiensttätigkeit in einem anderen Stadt- bzw. Landkreis aufgenommen habe, wobei der Arbeitsort nur der Standort des Dienstwagens ist. Wenn ich weiter punktmäßig denke, kommen dabei wieder diese Zerrissenheitsgefühle auf, …
… wenn ich aber anfange, weiträumiger zu denken und die 25 Autominuten als dazugehörig ansehe und mich geistig verteile, dann fühlt es sich schon besser an. Ist jedoch keine leichte Sache, diese Horizonterweiterung stabil aufrecht zu halten, … wenn man es, mit Ausnahme von Urlaubsreisen, nicht kennt. Von Vorteil ist es auf jeden Fall, dass ich die 25minütige Verbindungsader mag und der Standort des Dienstfahrzeugs eine direkte Autobahnanbindung hat.
[size=120]Was ist das für ein komisches Gefühl? Was ist sein Ursprung? Wer kennt das noch, dieses eigendynamische Gefühl, dass alles auseinandergerissen wird, sobald man bspw. „hier wohnt und dort arbeitet“…?[/size]