Zu viel Ehrlichkeit?

Hallo, ich habe sehr oft das Gefühl Reaktionen meines Umfeldes und dessen Konsequenzen eher zu erkennen als die Leute selbst. Spreche ich offen aus, was ich vermute, wird das von Freunden als Blödsinn und abwertend abgetan. Meist habe ich im Nachhinein doch Recht. Dann sind meine Aussagen allerdings meist schon vergessen. Übrig bleibt die Einschätzung meiner Person als abwertend, bevormundend, unempathisch und rücksichtslos.
Kennt jemand ähnliches? Liegt das an unserer erhöhten Reizoffenheit? Wie schafft ihr es, dann einfach still zu sein? Oft sprudeln die vermeindlichen Erkenntnisse einfach aus mir raus, obwohl ich scheinbar lieber still sein sollte, um mein Umfeld nicht zu vergraulen.
Für Rückmeldungen wäre ich dankbar. LG, Julexy.

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Ich kenne das auch. Es ist besser geworden, seit dem ich es wenn ich keine Erwartung bzw. Hoffnung stelle, das man meine Hinweis ernst nimmt. Ich habe was benannt und dem anderen steht es ja frei, was er damit macht.
Es ist sein Leben, seine Entscheidung und finde es nicht schlimm wenn einer den anderen Weg wählt.
Zumal ich ja für mich selbst auch weiß wie schwer es ist , bestimmte Konsequenzen zu erfassen und dementsprechend zu handeln.

Mir hat auch jemand mal gesagt , wenn ich so Vorahnung hatte, dass sie es in dem Moment gar nicht erfassen konnte, was ich meine und das es dann ohne Zusammenhang und als Überflüssige Botschaft klingt.
Wenn es dann eingetreten ist war es logisch , aber auch dann erst so zu erfassen. Dann war es sehr unangenehme für sie , weil sie dann erst erfasst hat, dass ich wirklich recht hatte . das war eine Vorgesetzte und dem entsprechend war es auch von der Rolle her für sie etwas schwierig.
Also seit dem ich weiß, dass es gar nicht jeder so erfassen kann wie ich geht es mir auch besser damit

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Also mein näheres Umfeld hat sich schlichtweg dran gewöhnt… :smiley:
Dafür darf man mir halt auch lean coffee einschenken.

Ansonsten… Ehrlichkeit ist das Eine - ich denke man muss sich darüber klar sein, dass eine ehrliche Meinung halt nicht das gleiche wie eine objektive Wahrheit ist. Und bei Meinungen finde ich, dass man sie mindestens als solche auch „kennzeichnen“ sollte. Also nicht so tun sollte, als ob die ehrliche Meinung „Fakt und Wahrheit“ ist.

Bsp: meine Oma hat mir ganz ehrlich ihre Meinung zu Homosexualität gesagt (Sünde und Schweinerei) - und meinte dann, man muss doch ehrlich sein dürfen. Manchmal darf man sich die eigene Meinung ruhig mal verkneifen - wenn es halt in Richtung „übergriffig“ geht.

Vielleicht… Stichwort „Impulskontrolle“? :smiley: Ich kenns ja auch nur zu gut.

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Ich kenne das auch sehr gut, aber mein Umfeld hat sich auch daran gewöhnt, weil ich immer von meinem „Bauchgefühl“ spreche und auch immer sofort sage, dass mich das „anspringt“, ich es aber nicht wirklich begründen kann.
Ich denke, da ich dies so kommuniziere und es nicht als „Die Wahrheit“ propagiere, wird es zur Kenntnis und manchmal auch angenommen.

Mir geht es wie @Nelumba_Nucifera. Auch meine Vorgesetzte musste irgendwann zugeben, dass ich einige Dinge sehr viel schneller erfasst hatte als sie selbst. Darauf kam dann irgendwann mal die kommunizierte Erkenntnis „ich brauche dazu eben immer etwas länger“. Und seither bespricht sie viele Angelegenheiten mit mir und fragt mich nach meiner „Meinung“.

Das bekommen aber leider nicht viele Menschen so hin, da es zu sehr an ihrem Ego nagt.

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Ich muss mir ja von anderen auch etwas anhören, meist egal ob ich das will oder nicht, also müssen sich halt auch andere von mir etwas anhören, dann halt auch egal ob sie das möchten oder nicht, so läuft das eben im Leben, Leben ist ja angeblich ein Austausch zwischen nehmen und geben.
Ansonsten bin ich der Meinung das es genug Lügner* auf der Welt gibt, da muss ich mich ja nicht auch noch einreihen, und das um anderen zu gefallen?, Nein Sorry aber das geht auf keinen Fall.
Entweder man mag mich wie ich bin oder nicht, aber ich verabscheue nun mal Lügen, und deshalb werde ich immer ehrlich bleiben, komme was will.

Word.

Hi, erstmal danke an alle für eure Antworten.
Ja, Impulskontrolle ist ein gutes Stichwort. Aber wie bekomme ich die besser hin? Was hilft dir da?
Ich bekomme von meinem Umfeld momentan sehr oft gesagt, das ich meine Ehrlichkeit bleiben lassen soll. Also werde ich daran wohl sehr stark arbeiten müssen. Im Gegenzug erzählen sie mir, wo ich sie zu akzeptieren habe. „Kann ich nicht ändern“ ist der Lieblingssatz einer Freundin. Der Hauptanteil der Veränderung liegt also bei mir, sollte ich die Freundschaft halten wollen. Mal sehen…

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Ich habe auf die harte Tour gelernt, in einem Streit nicht innezuhalten und die Position des anderen zu analysieren. Ich denke immer, es ist doch hilfreich zu wissen, bei welchem Missverständnis man falsch abgebogen ist, aber rgendwie will das nie jemand hören…

Demnächst bin ich mit einerm alten Freund verabredet, mit dem sich das gegenseitige Missverstehen inzwischen so verselbständigt hat, dass ich kaum mehr eine andere Meinung über irgendwas äußern kann, ohne dass er sich angegriffen fühlt. Jedenfalls kommt es mir so vor, aber wie er mir neulich sagte, hat er bei mir den gleichen Eindruck.

Vielleicht haben viele Menschen auch einfach das diskutieren verlernt, oder das gegenseitige zuhören, dass gegenseitige akzeptieren und respektieren, die Möglichkeit in Erwägung zu ziehen das jemand anderes es eigentlich garnicht böse meint, sondern ganz einfach nur anders denkt.
Und wir Adhs’ler*, oder sagen wir Menschen aus dem Spektrum leben sowieso meistens gefangen in unserer eigenen Welt, was weiss ich, Kommunikation ist und bleibt wohl immer schwer.

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Ja, kenne ich. insbesondere auch auf der Arbeit. Ich musste lange lernen mich „zurück zu nehmen“ und bewusst langsam vorzugehen wenn ich die mögliche Lösung für ein Problem erkannt habe lange bevor die anderen soweit waren. Kommt man damit zu früh raus, dann sind die anderen nicht bereit es anzunehmen. Den richtigen Zeitpunkt und Weg zu finden etwas zu kommunizieren ist genauso wichtig wie der Inhalt…

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Also ich finde, eine gute Freundschaft muss auch ein gewisses Maß an Ehrlichkeit aushalten.
Mit der Der Argumentation von deiner Freundin folgend könntest du ja genauso sagen, „kann ich halt nicht ändern, Pech gehabt“. :smiley: Finde das klingt jetzt erstmal ein bisschen unausgewogen. Man kann nichts erwarten, was man selbst nicht zu geben bereit ist.

Ich versuche halt immer ehrlich zu sein - aber nicht verletzend. Weil ich auch nicht verletzt werden will durch eine bestimmte Art von ehrlicher Meinungsäußerung (aka meine Großmutter). Ist ein Lernprozess für mich gewesen (und ists sicher auch immer noch) da halt das nötige Feingefühl zu haben.

Ggfs. mal kurz inne zu halten und versuchen, nicht gleich alle Wörter raus, die da im ersten Impuls drin stecken. Passiert trotzdem manchmal und dann schäme ich mich auch nicht dafür. Oder statt einfach eine nur die Meinung dem Gegenüber um die Ohren zu hauen, stattdessen Fragen stellen die auch in diese Richtung gehen - das ist deutlich sozialverträglicher.

…grad wenn man oft Recht hat, ist es noch schwieriger, von außen betrachtet nicht zu schnell zu gewissen Schlüssen zu kommen. :slight_smile: Aber wenn man das zu schnell alles raushaut, sind die Leute halt überfordert und fühlen sich angegriffen.

Damit magst du Recht haben. Ich habe für mich oft das Gefühl, über mein Maß hinaus zuzuhören, Verständnis zu zeigen, zu akzeptieren und nehme meine ehrliche Meinung dann nicht als so drastisch wahr. Scheinbar reicht aber mein Verständnis für die Gegenseite nicht aus und ich muss deutlich mehr davon aufbringen.
Ganz ehrlich: Ich weiß grad nicht, wo ich dafür noch die Energie hernehmen soll. Hoffentlich finde ich noch eine Möglichkeit, sonst sind all meine Privatkontakte völlig hinüber.

Ehrlich sein ohne zu verletzen versuche ich auch. Gerade bei dieser Person habe ich gerade die Schwierigkeit, das sie sofort verletzt ist, wenn ich eine andere Meinung habe als sie und ihr meine Bedürfnisse kommuniziere. Sie fällt dann sofort in die Hilflosigkeit, sagt, sie kann halt nichts dafür und auch nichts ändern. Konstruktive Lösungen muss ich selbst liefern, sonst gibt es keine.

Ich denke - man braucht ausgewogene Beziehungen mit Geben, Nehmen, Ehrlichkeit. Wenn das nicht gegeben ist, und man v.a. unbalancierte Beziehungen hat… ist das na klar, anstrengend und fühlt sich ungerecht an.

Klingt so ein bisschen nach „Codependency“ bzw. „People Pleasing“? (Achtung Ferndiagnosen sind grundsätzlich wertlos, ich kenne dich eigentlich gar nicht). Codependency würde bedeuten, du kriegst dafür auch was, z.B. bist du nicht einsam oder so und nimmst es daher in Kauf.

Grundsätzlich … Du bist nicht verantwortlich, deiner Freundin nach dem Mund zu reden und ihre Probleme zu lösen, gleichzeitig auf eine Art gezwungen sein dich zu verbiegen um irgendwelchen komischen Erwartungen zu entsprechen, damit die Beziehung hält. Aus so einer Beziehung würde ich mich einfach rausziehen. Ich weiß, leichter gesagt als getan. :wink:

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Da bleibt dann eventuell nur noch die Bereitschaft, sein Gegenüber so zu akzeptieren, wie es ist. Und sich selber die Frage zu stellen, ob hier die Ehrlichkeit das Problem ist, oder ob man eventuell grade auf einer fremden Baustelle fegt.

Akzeptanz ist da überhaupt ein großes Schlagwort, denn auch wenn du das Gefühl hast, als Freund/in versagt zu haben, finde ich dennoch, dass Ratschläge / Kritik aus einer guten Intention heraus kommen und du hast das Recht, Dinge zu äußern.

Die Hilflosigkeit deines Gegenübers ist übrigens nicht deine Baustelle. Und seien wir ehrlich. Vielleicht ist das Geheimnis, sich Freund/innen zu suchen, die auf dem Papier genauso „schlecht“ sind wie man selbst, sich in der Realität aber ganz wunderbar ausbalancieren.

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Ich war mal in jemandem verschossen , und der hat doch glatt zu mir gesagt." Mit uns beiden, das wird nichts, du bist mir einfach zu ehrlich !" :sweat_smile:

Ansonsten wird meine Ehrlichkeit eher geschätzt. Ich find nur manchmal nicht den passenden Moment oder das passende Maß , aber darüber kann man dann ja reden.

Ich mag es auch lieber wenn man zu mir ehrlich ist, weil dann ist alles greifbar, ob angenehm oder unangenehm und man kann daraus seine Rückschlüsse ziehen.

Untere Medikation fällt es mir allerdings auch leichter „Einfach mal die Schnauze zu halten !“ bzw. ich verbrate nicht mehr so viel Energie dass hinzubekommen.

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Ja, damit hast du Recht, es ist nicht meine Baustelle. Es wird halt zu meiner gemacht, denn es wird signalisiert „Ich kann doch gar nichts dafür, das ich so bin, wie ich bin. Wenn du damit nicht zurecht kommst, darauf eingehst und aufhörst, mich zu verletzen, dann kann ich halt nicht mehr mit dir befreundet sein.“ Und dann liegt der Teil bei mir, das dann hinzunehmen, anstatt immer wieder zu schauen, was ich verändern kann.

Das Problem ist auch oft, dass wir mit unserer Ehrlichkeit und Direktheit eigentlich nur helfen wollen , aber manchmal einfach auch damit den Finger voll in eine Wunde legen und das Gegenüber reagiert aus Abwehr erstmal empört.

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Mal ein Gedanke von der Seite dazu:

Wieviel ist es wirklich eine bessere Vorahnung, ein genaueres Einschätzen können, ein früher wissen?
Wie groß ist der Anteil daran, dass man sich an solche Vorahnungen, die sich als richtig erweisen, besser erinnert und sie einem daher mehr auffallen?

Und noch ein Gedanke, mit dem ich nicht (primär) provozieren will, sondern vor allem zusätzliches Licht AUCH von diesem Winkel, um es besser auszuleuchten:

Wie viel ist die größere Ehrlichkeit nur eine besser verkraftbare Umschreibung für mangelnde Diplomatie? Die einen sagen, was sie denken (Omas zu Homosexualität) und sind impulsiv, die anderen sprechen Dinge direkt aus und sind ehrlicher?

Es geht sicher nicht um Schwarz oder Weiß. Die Frage ist für mich eher: Was gilt wie sehr?

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Gute Fragen, @UlBre! Kurze Antwort: Ja, genau.

Ich kann mir vorstellen, dass ADHS durchaus zu einer schärferen Beobachtungsgabe beitragen kann. Ich für mein Teil glaube, einen ganz guten Blick für soziale Muster zu haben - einfach weil ich musste. Selbst in Gruppen, zu denen ich gehöre, habe ich nie ein instinktives Zugehörigkeitsgefühl entwickelt, bestimmte soziale Selbstverständlichkeiten blieben mir immer verborgen. Ich hatte immer einen Außenblick: beschränkte Informationen, Schlussfolgerungen so gut es ging. Mit Logik. Wie viele soziale Gruppen kennt Ihr, die logisch funktionieren? Mein Eindruck ist eher, dass Logik viele Verhaltensweisen als ziemlich willkürlich entlarvt.

Aber soziale Verhaltensweisen bedingen Muster, und Muster folgen einer Logik, und die lässt sich beobachten. Sie erlaubt auch Voraussagen, teils sogar richtige. Meistens behalte ich meine Schlussfolgerungen für mich, wenn mich nicht gerade wieder die Impulsivität überrennt. Auch weil sie oft stark von dem abweichen, was die Gruppe selbst zu glauben scheint. Und weil ich meiner Logik selber nicht immer traue, denn schließlich habe ich unvollständige Informationen, was weiß also ich schon?

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