Hast du Recht, aber leider können wir uns die Gesellschaft nicht so herzaubern, wie wir sie gerne hätten bzw. bräuchten. Unsere Gesellschaft ist auf Funktonalität ausgelegt und wir haben die Wahl uns da entweder anzupassen oder aber mit den Schwierigkeiten zu leben die es mit sich bringt, eben nicht angepasst und funktional zu sein. Letzteres muss man sich halt auch irgendwie leisten können, sowohl beruflich auch als gesellschaftlich.
Die Spielregeln sind aufgestellt. Wenn wir „mitspielen“ wollen, müssen wir uns daran halten oder sind eben raus. Eigene Änderungen der Regeln sind gesellschaftlich nicht vorgesehen.
Wenn Rücksicht in der Gesellschaft funktionieren sollte, müssten zuallererst alle ADHSler perfekt auf Menschen mit anderen „Spezialitäten“ eingehen und sich deren Bedürfnisse berücksichtigen können.
Können ADHSler das wirklich?
Oder sind sie da nicht einfach ganz genau so Menschen, die zuerst mal mit den eigenen Bedürfnissen kämpfen und ausserdem genau so wenig Ahnung haben, wer der ganzen vielen Anderen zu welcher Sonderbefürfnisgruppe gehört und wie man mit diesen Sonderbedürfnissen adäquat umgehen sollte?
du hast bisher aber gar keine eigene Erfahrung damit gemacht soweit ich weiß. Von daher ist deine Argumentation schon etwas gewagt. Und eventuell verpasst du etwas wirklich Gutes für dein Leben.
Es gibt diese Symptomatik - wenn man deutlich überdosiert. Das merkt man dann aber auch und kann entsprechend niedriger dosieren.
Unwiderbringlich - nein, im Allgemeinen ist die Wirkung von Stimulanzien nach einem halben Tag vorbei.
Dass Amfetamin und Methylphenidat Amfetaminderivate sind, bezweifelt hier niemand. Wer Amfetamin als Partydroge missbraucht, nimmt aber andere Dosen und teils auch andere Formen der Verabreichung.
Um das „Funktionieren im Arbeitsleben“ geht es bei ADHS-Medikamenten nur sekundär, denn ADHS hat man ja immer. Ich nehme Methylphenidat seit 20 Jahren und mir hilft das Medikament im privaten Leben noch viel mehr.
Ich wünsche dir den Mut, dich darauf einzulassen. Gefährlich sind Stimulanzien keineswegs, wenn man verantwortlich dosiert und wenn vorher EKG und Blutdruck überprüft wurde, und wenn es einem nicht gefällt kann man sofort wieder aufhören. Meine Lebensqualität, meine Ehe und meine Sicherheit beim Fahrrad- und Autofahren verbessert es so deutlich, dass ich darauf vorläufig nicht verzichten möchte.
Gestern jemand, der nicht weiß, dass ich ADHS habe (wir haben über Psychopharmaka geredet):
" Diese starken Beruhigungspillen für ADHSler und Co, also eigentlich voll unfair, die stellen sich einfach ruhig, knocken sich aus, schön für sie. Würde ich auch gern! Mir ist auch manchmal alles zu viel! Wo sind meine Beruhigungstabletten?"
Ja…ich stelle mich mit MPH einfach ruhig…und dann? Sitze ich den ganzen Tag ruhig auf dem Stuhl und arbeite nichts oder wie wie stellt er sich dass denn vor, soll das Funktionen? LOL
Ich hab ihn nicht aufgeklärt weil ich keine Lust hatte, dieser Person meine Lebensgeschichte zu erzählen und es zu erklären, aber witzig fand ich es schon
Verstehe ich absolut, dass man nicht jedem seine Diagnose(n) beim Smalltalk erzählen möchte.
Und trotzdem, wenn die Gelegenheit passt und es mir angemessen erscheint (und ich gerade Lust drauf habe), versuche ich oft, den Leuten zu erklären, mit welchen Schwierigkeiten ADHS‘ler zu kämpfen haben und wie die Medis da unterstützen können. Weil - wenn wir es ihnen nicht erklären, woher sollen sie es sonst lernen?
Natürlich mache ich keine A-Z-Ausbildung, aber einfach kleine Beispiele aus dem Alltag, z.B.:
„Mein Sohn ist beim freien Spiel mit anderen Kindern immer sehr schnell wütend geworden oder in Tränen ausgebrochen, weil er sich unfair behandelt fühlte. Mit den Medis kann er vieles gelassener nehmen und sich auch auf das Spiel der anderen Kinder einlassen.“
„Mein Sohn ist in der Schule beim arbeiten am Platz immer nach spätestens 5-10 Minuten gedanklich abgedriftet und hat dann den Rest der Stunde gar nichts gemacht bzw. ins Leere gestarrt und musste die Aufgaben dann zuhause nachholen. Mit den Medis kann er ein Arbeitsblatt durcharbeiten, so wie es gefordert wird. Er hat dann zu Hause mehr Zeit für andere Dinge wie Sport, mit Freunden spielen etc.“
Ich hoffe, dass wenn das viele andere auch tun, sich das Verständnis in der Gesellschaft mit der Zeit bessert. Aber es ist noch ein langer Weg, wie wir in diesem Thread sehen…
Ja, du hast natürlich recht. Ich bin da idR auch wirklich offen und plaudere schnell mal über mein ADHS oder den Autismus meines Bruder, weil beides noch sehr stigmatisiert ist und ich das kacke finde. Aber ich wähle meine Worte trotzdem mit bedacht, weil auch nicht jeden alles angeht natürlich…
Ja, bei mir manchmal auch…deswegen nimmt man ja Medis damit man eben in schwung kommt und nicht um sich schön irgendwie zu beruhigen und nichts zu tun.
Mein Lieblingsspruch (nicht), das ich regelmäßig von einem Psychologen zu hören bekomme: Sind wir alle nicht einmal ein bisschen chaotisch oder verpeilt? Dann hätte ja jeder AD(H)S!
Nein, Du Dulli, so funktioniert das nicht.
Ohja, und ein weiterer Spruch, wo ich immer mit sämtlicher Kraft einen Augenroller verhindern muss: „Ach, das Zappeln, das brauchst Du doch gar nicht. Sei mal bisschen ruhiger.“
Tatsächlich habe ich einmal ( als ich noch zur Schule ging und noch nichts von meiner adhs wusste) zu meiner Freundin gesagt (bereits als Kind diagnostiziert):
„Du musst dich auch ohne Medikamente benehmen lernen!“
Sie war damals ziemlich überdreht und ich die „ruhige“, angepasste. Heute tut mir der Satz natürlich Leid.
Habt ihr vor eurer Diagnose auch Bullshitsätze losgelassen?
Vielleicht habt ihr mal Klassentreffen und du bekommst die Möglichkeit, sie um Entschuldigung zu bitten?
Aber selbst wenn nicht, sie wird es überlebt haben und konnte es später einordnen, dass es für Außenstehende schwer zu kapieren ist. Immerhin hatte sie dir gegenüber einen großen Vorteil, schon als Kind behandelt zu werden.
Hm… ist denn dein Sohn damit einverstanden, wenn du mit seinen Schwierigkeiten „hausieren“ gehst und sie anderen bereitwillig zum besten gibst?
Ich finde das schwierig. Könnte ja sein, dass die 2 sich mal über den Weg laufen.
Also wenn ich auf sowas eingehe, nehme ich grundsätzlich mich selbst als Beispiel.
@Schröder Ich empfinde es tatsächlich je älter er wird desto mehr als Gratwanderung, und ich bin auch eher zurückhaltender als vor ein paar Jahren, als er noch kleiner war. Allerdings finde ich „hausieren“ das falsche Wort. Ich profitiere ja nicht davon. Vielmehr erhoffe ich mir etwas mehr Verständnis für ihn, wenn die Leute eine Erklärung für sein (manchmal nicht den Erwartungen entsprechende) Verhalten haben.
Mich selbst kann ich da nicht als Beispiel nehmen, da ich NT bin.
Wenn ich solche Dinge erzähle, dann meistens im Gespräch mit anderen Müttern. Die kennen meinen Sohn und haben meist schon mehrere Situationen wie im ersten Beispiel geschildert mitbekommen. Irgendwas denken die sich sowieso, da kann ich auch gleich aufklären.
Aaaaaaahhhh… Darf ich mich bitte bei euch aufregen?
Heute in der „Sonntags Zeitung“ (Schweiz): Ein schöner Artikel eines Kinderarztes, der Kinder mit ADHS behandelt (er ist 81 Jahre alt und selbst von ADHS betroffen). Beschreibt schön, wie ein Kind von guten Lehrern und einem passenden Umfeld etc. profitieren kann, und wie unbehandeltes ADHS viel Leid verursacht. Ganz lange kaum etwas zu Medis, ich warte und warte. Irgendwo kurz „manche Patienten brauchten Medikamente, andere nicht“.
Und dann zum Schluss der Knaller (Zitat): „Ich kaufte mir damals vor 60 Jahren, als Ritalin aufkam, in einer Drogerie eine Packung. Sie tauchte letztens beim Zügeln wieder auf. Zwei Tabletten fehlten. Ich nahm diese direkt vor einer Lateinprüfung. Die Note war nicht besser. Das hiess für mich: Ritalin nützt nichts.“
WIE KANN MAN NUR so unwissenschaftliche Aussagen tätigen als Arzt??? Da könnte ich genauso gut sagen „Ich habe gestern für ins Kino die Brille meiner Nachbarin ausgeliehen. Hab überhaupt nicht besser gesehen. Das heisst für mich, Brillen nützen nichts“
Du berichtest von Erfahrungen mit einem Arzt / Therapeuten, die wir allen Betroffenen gerne ersparen würden.
Wenn du sicher bist, dass das nicht auf einem Missverständnis beruht, hilf bitte anderen Betroffenen, indem du unter dem folgenden Link deine Erfahrungen mit diesem Arzt / Therapeuten einträgst. Das kann anderen Schaden ersparen.
Herzlichen Dank!
Und natürlich freuen wir uns immer über jede Information zu ADHS-kompetenten Ärzten und Therapeuten.
Ich nerve gerade wahnsinnig mit meinem Kalender-Hyperfokus, weiß ich, aber das muss ich kurz aufklären:
Das ist kein echter Arzt! Das war Cross-Promo für den ADHS-Adventskalender wegen Niklas’ Latein-Arbeit hinter Tür 9.
Ist dem Journalisten nicht ganz geglückt. Viel zu voraussetzungsreich geschrieben, hatte ich ihm gleich gesagt. Vermutlich auch schlechte KI-Einbindung.
Auch krass übertrieben: 81 Jahre? Da ist ja Pilz-Gustav als Charakter plausibler gezeichnet (siehe: Tür 16).
Hallo Liebe @Niceta , auch wenn ich mich natürlich heute extrem dafür schäme, habe auch ich in meiner Vergangenheit zum Teil total bescheuerte Sprüche raus gehauen die man mir mit Erfolg „anerzogen“ hatte.
Sei das durch das eigene Elternhaus, das Kinder und Jugendheim in dem ich eine Zeit lang in meinem Leben lebte, oder die Schule oder Ausbildungsstätte in der ich in vergangenen Zeiten in meinem Leben Lebenserfahrungen sammelte, und dann natürlich auch dahingehend das der allgemeine Tenor in vergangenen Zeiten in denen ich früher aufgewachsen bin sowieso gegenüber psychischen Leiden alles andere als verständnisvoll in der breiten Bevölkerung war, sondern im Gegenteil, Menschen die „psychische Probleme“ hatten, egal welcher Art, im allgemeinen als „gestörte Menschen“ angesehen wurden, und die für ihre „Störungen“ selbst verantwortlich waren, oder allenfalls sogar eine „böse Macht“ dafür verantwortlich war, weil solche Menschen aus der Sicht der breiten Bevölkerung eben „irre“ waren, oder zumindest Querulanten die sich partout nicht an die allgemein gültigen Normen der breiten Bevölkerung anpassen wollten.
So oder so waren solche Themen wo es um Menschen ging die nicht in das öffentliche Bild hinein passten schon immer sehr schambehaftet, und waren das Themen über die natürlich niemand öffentlich gerne sprechen wollte, und schon garnicht wenn es die eigene Familie betraf, da wurde lieber verheimlicht was wirklich innerhalb einer Familie los war, weil man sich ansonsten im Namen der eigenen Familienangehörigen und der gesamten Öffentlichkeit vor allen anderen Menschen schämen musste, weil das Getratsche und Gelästere über die gesamte Familie ansonsten bösartige Konsequenzen für den gesamten Familienverband haben konnte, heisst im Prinzip Mobbing in seiner absoluten Reinkultur.
Wie auch immer, die Kapitel was psychische Krankheiten anbetrifft sind wahrscheinlich nirgends auf der ganzen Welt ein Ruhmesblatt, wahrscheinlich egal um welches Land auf dieser Welt es geht, und ist auch leider heute immer noch zum Leidwesen von betroffenen immer noch unnötig problembehaftet, und wird leider bis heute vielerorts eine gut fundierte und wissenschaftliche Hilfe, sei es in Form von der Gabe von wirksamen Medikamenten, oder dem Angebot von humanen und gezielten Therapien um Menschen mit psychischen Problemen so gut wie möglich zu helfen, oft unterdrückt, und vor allem natürlich überwiegend auch aus reinen Kostengründen.
@Apfelblüte fühl dich gedrückt. Das hört sich echt hart an.
Ich glaube wir Menschen sind so (ich nehme mich da selbst nicht aus), weil es glaube ich oft einfacher ist, irgendeinen platten Satz zu wiederholen, den irgendjemand über eine Person oder Gruppe gesagt oder geschrieben hat, anstatt sich selbst damit auseinander zu setzen. Man könnte ja dabei bemerken, dass man näher am anderen dran ist, als man denkt.
Also lieber einen platten Spruch drüber setzen und sich freuen, das man nicht so ist, wie der andere, weil man ja selber alles besser weiß. Ist auch viieel einfacher als sich mit dem anderen wirklich auseinander zu setzen.
In meinem Prozess von Diagnose und Beschäftigung mit meiner Vergangenheit ist mir bewusst geworden, wie zerbrechlich doch mein Leben ist und wie leicht ich in die Situation des Menschen geraten kann, über den ich gestern noch geurteilt habe. Gleichzeitig habe ich selbst erfahren, wie verletzend Urteile anderer oft sind und dass es den einfachen Weg - ein „du musst einfach nur … tun, (hier das entsprechende Wort einsetzen) dann ist alles gut“ - nicht gibt.
Ich bin glaube ich den für mich richtigen Weg gegangen, aber der war und ist alles andere als leicht.