ADHS Bullshit Bingo

Same here, im Wesentlichen. Das Glück haben nicht viele, wie man spätestens hier im Forum lernen kann. Umso wichtiger, es wertzuschätzen, wenn man in den Genuss solcher Startbedingungen gekommen ist. Ich empfinde es die meiste Zeit so, dass mehr Frieden ins Leben einkehrt, wenn eine solche Leistung der Eltern gewürdigt und eingeordnet werden kann, zumal ja viel dafür spricht, dass zumindest eine Seite auch selbst ADxS-betroffen war. Das besänftigt im besten Fall auch innere Energieräuber.

Man muss die eigene Vergangenheit dazu ja noch nicht mal idealisieren und wieder in Gut und Böse-Kategorien abgleiten. Vielleicht überdenkst Du daher auch nochmal den Vorwurf an Dich selbst, inwieweit „Faulheit und Unordnung“ am Start waren oder sind. „Antriebslos“ finde ich da schon wertneutraler und für die Selbstreflektion nützlicher.

Hintergrund der Anregung: Ich bin selbst in einem solch geborgenen Nest mit dem Vorwurf von Faulheit konfrontiert worden. Gar nicht durchgehend, aber die syndrom-typische Sensitivität rechnet sich das hoch, und da entstanden erstaunlich tiefe Kratzer. Und Stand heute führte das in beide Extreme: lange Phasen ungesunden und pausenlosen Arbeitseifers, abgelöst von einer Art Hypoaktivität. Vielleicht eine Abfolge von Überkompensation und Dekompensation? „Unbehandelt“ scheint mir die Altersphase Anfang 40 im Forenquerschnitt geradezu tragisch-klassisch für ein (zeitweises) Nachlassen der Kompensationskräfte.

Und aus dem Pendeln zwischen beiden Gegenpolen kommt man m.E. nur raus, wenn auch der Blick auf die eigenen Schwächen ähnlich realistisch und human wird wie der auf die Eltern. Wer ADHS-bedingte Antriebslosigkeit für sich als „Faulheit“ definiert, greift m.E. nicht zu den richtigen Werkzeugen. Und umgekehrt passt die eigene Begriffsausfüllung dann auch nicht mehr auf Phasen tatsächlicher „Faulheit“, die es sicher auch gibt, aber die man wg. der inneren Begriffsverwirrung (und auch wg. der habituellen Selbstverteidigung gegen eben oft „unpräzise“, daher nicht immer berechtigte Vorwürfe) kaum mehr zutreffend identifizieren kann.

Ich halte es daher für wertvoll, Phasen der ADxS-bedingt Antriebsschwäche von Phasen tatsächlicher Faulheit ehrlich zu unterscheiden. Sonst schleppt man eigentlich nur die Etiketten der Außenwelt fort und gewonnen ist damit nichts, für keine Generation, selbst bei einer im Grunde wohlwollenden Außenwelt.

Um halbwegs back to topic zu kommen: Es wird irgendwann langweilig, dasselbe Bullshit Bingo auch noch mit sich selbst zu spielen. Das Spiel kennt irgendwie nur Verlierer.

Und ähnlich bei Unordnung: Es ist m.E. ein Unterschied, ob „ich eben unordentlich bin und immer schon war“ oder ob ich es bisher eben nur noch nicht „am Modell“ gelernt habe, eine Grundordnung systematisch zu etablieren und aufrechtzuerhalten, weil es bei mir im Herkunftsnest eben auch kein anderer konnte, selbst wenn sich die Eltern damals die eigenen Daunen ausgerissen haben, um es für die Küken warm genug zu halten.

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@Elementary soooo Wahr ! .

Meine Psychologin: Sie müssen sich halt mal am Riemen reissen, wenn Sie nicht mehr können.
Es ging um 10-h-Arbeitstage und totale Reizüberflutung mit Wortfindungsstörung dadurch

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Hm. Vielleicht ist sie ja Konfrontativ unterwegs?

Nein. Nur ehrlich, was sie denkt

Bestätigt meine Vermutung: Sie hat es auch. :wink:

Öhmmm… …auch wenn ich mich damit unbeliebt mache…
Eine hohe Intelligenz kann in manchen (vielleicht auch eher seltenen) Fällen durchaus ein Grund sein, warum manche Betroffene ohne Medis auskommen.
Das Stichwort ist Coping.

Das ist die Kehrseite des Problems, AD(H)S bei höher begabten Betroffenen zu erkennen, weil diese eben durch ihre Begabung in der Lage sind, besonders wirksame Copingmechanismen zu finden, so dass ihr AD(H)S nicht so offensichtlich durchschlägt.

Ob es für diejenigen dann auch klug ist, sich alleine auf ihre Copingfähigkeiten zu verlassen, oder ob das nicht vielmehr dazu führt, dass sie mehr auf Verschleiß fahren als es gut für sie ist, ist eine andere Frage.
Und klar ist, dass diese Menschen anders performen könnten, wenn sie ihre PS auf die Straße brächten, statt sie für die Selbststabilisierung zu verbrennen.

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Tatsächlich ausgesprochene Sätze von (leider) echten Ärzten und Therapeuten:

„Sie haben studiert, promoviert und sind selbständig, daher können Sie kein AD(H)S haben“.
(Eine Ärztin in einem Hamburger AD(H)S-Spezialinstitut (!) zu einer sehr stark ADS-Betroffenen.)

„Sie sind gar nicht zappelig. ADHS haben nur Kinder, die hyperaktiv sind.“
(Ärztin zu einem Erwachsenen).

„AD(H)S gibt es nur bei Kindern.“
(Aussage um 2020, nur deshalb absurd. Im letzten Jahrtausend wäre das noch die Standardantwort gewesen.)

“Keiner weiss, was AD(H)S ist. Es gibt keine Biomarker bei AD(H)S.”
“AD(H)S-Medikamente sind wie Drogen / machen süchtig.”
“AD(H)S haben fast nur Jungs.”
“Bei einer geeigneten Umgebung ist AD(H)S kein Problem.”

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@UlBre
Bei hoher Intelligenz mag man längere Zeit im Leben klarkommen, wenn man weitgehend auf sich allein gestellt ist und seinen Interessen frönen kann: Dann kann man sicher Abitur machen, sich selbständig machen und als Unternehmer erfolgreich sein.

Wenn aber mehr Menschen im Spiel sind, sagen wir mal eine Partnerin und Kinder mit ihren eigenen Bedürfnissen, Abläufen und Vorstellungen, ein Haus mit Garten inklusive entsprechender Instandhaltungsnotwendigkeit, Nachbarn, die Kontaktpflege erwarten, Mitarbeiter und Kollegen - dann sieht die Welt schon ganz anders, nämlich deutlich komplizierter aus. Dann wird es schwierig mit dem Coping.

Ich würde auch aus eigener Erfahrung sagen, dass das Coping mit zunehmendem Alter aufgrund schwindender Kräfte entsprechend schwerer wird.

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Aus einer ADHS-Ambulanz: „Sie können kein ADHS haben. Wir haben jetzt 90 Minuten lang ein Gespräch geführt und Sie haben mir ganz ruhig gegenüber gesessen. Jemand mit ADHS hätte schon zehnmal gefragt, ob er eine rauchen gehen kann.“

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Und hier nochmal zum Aufregen:
Sowohl der amerikanische ADHS-Experte Russel Barkley als auch der Schweizer Piero Rossi vertreten den Standpunkt, dass es mit unbehandeltem ADHS nicht möglich ist, einen höheren Schulabschluss, sprich: Abitur, zu machen. Sie sind aufgrund dieser Aussage massiv angefeindet worden, haben sie aber verteidigt.

Auweia… blöd!

Barkley ? Rossi ?
Kann ich mir nicht so recht vorstellen.
Hättest Du mir dazu mal die Quellen, wo die das von sich geben ?

AdxS’ler können aber kein so normales Leben führen. Sie leiten eine Filiale, haben einen Handwerksmeister gemacht, sind verheiratet und versinken nicht vollkommen im Chaos. Sie sind also völlig normal

Oh oh, ich hoffe die beiden haben nicht Recht, sonst brauche ich gar nicht zur Diagnostik.

Das Abitur ist doch hat nicht der höchste Bildungsabschluss, den man haben kann.

Wie wir wissen, gibt es auch super geniale Notärzte mit ADHS und so weiter…

Es kommt doch nur drauf an, ob man sich wirklich richtig, richtig für etwas interessiert, dann kann man das schwerste Studium schaffen!

Im Notfall, im Gefahrenfall können ADHSler auf Hochtouren laufen, deshalb gibt es ja auch unter Polizisten, Feuerwehrmännern ASDHSler.

Und diese Top-Sportler-Stars, von denen ja einige wegen ihrer Alkoholsucht und Finanzpleiten später noch in die Boulevardpresse gerieten oder sich gar wegen Drogen strafbar machten… da stellte sich ja teilweise dann auch noch sehr spät heraus, dass sie ADHS haben - die mussten sich doch sehr bei ihren Wettbewerben konzentrieren…

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Das kann ich leider nicht, zumindest nicht sofort, sondern ich müsste da erstmal recherchieren.

Vor ein paar Jahren wurde das Thema ausführlichst bei den ADHS-Chaoten diskutiert, auch mit den entsprechenden Quellen. Leider ist das komplette Forum gelöscht worden, obwohl es eigentlich als Archiv erhalten bleiben sollte.

Vielleicht findet sich aber auch was auf der Seite von Martin Winkler, da hat sich Rossi mE auch mal zu dem Thema geäußert und sich da auch auf Barkley berufen.

Ich habe in Erinnerung, dass sich Rossi und Winkler in der Frage auch nicht einig waren, Winkler das aber immer so ein wenig verklausuliert hat.

Von Barkley ist ja bekannt, dass er ADHS nichts Positives abgewinnen kann. Er verweist darauf, dass alle Prominenten mit ADHS, die als Gegenbeispiel fungieren sollen, Ausnahmen sind. Selbiges träfe auch für höhere Schulabschlüsse zu, aber wie gesagt, wo er das gesagt hat, kann ich spontan nicht sagen.

@UlBre:

Tatsächlich, auf der Winklerseite:

Viel Spaß beim Lesen, auch der Kommentare…

@Addy_Haller
Uff… Ok, hätte ich Winkler so nicht zugetraut, und Rossi auch nicht…
Ich hoffe, seit diesem Blog und der Diskussion (2015) sind sie da auch schon weiter gekommen.
Die Kommentare sind ja auch hübsch deutlich.
Wenn ich mal durchzähle, wie viele studierte AD(H)S-Betroffene ich kenne - nun, es sind viele.
Gut, bei richtig schweren Fällen wird es sicher sehr selten oder seltener sein, dass jemand ein Studium packt.

Aber als nicht extrem AD(H)S-Betroffener kann man selbstverständlich ein Studium oder sonst eine anspruchsvolle Ausbildung absolvieren. Die Frage ist einerseits, wieviel Kraft und Verschleiß das kostet und andererseits, wie fasziniert der Betroffene ist. Stichwort: intrinsisches Interesse = hohe Motivation = geringe Aufmerksamkeitsprobleme. ADS(H)S heißt ja nicht, zur Aufmerksamkeit oder zur Aufmerksamkeitslenkung unfähig zu sein oder dass diese „technisch“ nicht funktionieren würde, sondern es heißt, dass die Motivation und das Interesse, das Aufmerksamkeit lenkt, nicht so gesteuert werden können wie bei Nichtbetroffenen.

Viele Grüße

UlBre

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Ich glaube hier spielt die Copingfähigkeit eine ganz große Rolle, die zunimmt desto intelligenter jmd ist.

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